Nicht-motorische Symptome der Parkinsonkrankheit

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Nicht-motorische Symptome der Parkinsonkrankheit
CurriCulum

Nicht-motorische Symptome der Parkinsonkrankheit
Fabio Barontia, Toni Schmidb
a   KliniK BeTheSda, neurorehabilitation, Parkinson-Zentrum, epileptologie, Tschugg
b   allgemeine Medizin FMh, Gampelen

                                                                                      werden. Es muss aber betont werden, dass eine fehlende
                                                                                      Evidenz von Wirksamkeit nicht unbedingt eine fehlende
Quintessenz
                                                                                      Wirksamkeit bedeutet: Es wurden einfach zu wenige
P Praktisch alle Parkinsonpatienten entwickeln im Verlauf der Krankheit               Studien durchgeführt, um die Behandlungsstrategien bei
nicht-motorische Symptome, die nicht selten eine signifikante Invalidisie-            nicht-motorischen Symptomen zu untersuchen. Einige
rung verursachen können. Diese Beschwerden verbessern sich leider nicht               der folgenden Empfehlungen und Überlegungen werden
mit der dopaminergen Therapie.                                                        deswegen nicht von der Literatur untermauert.
P Als Erstes muss immer die Antiparkinsontherapie kritisch beurteilt
werden: Deren Reduktion kann Verwirrtheit, Psychose, Orthostase und
gewisse Schlafprobleme lindern. Eine Steigerung der Dosis hingegen kann               Das häufigste psychiatrische Symptom:
eine Depression, Schmerzen, ein Restless-Legs-Syndrom sowie einige                    Depression
Schlafprobleme verbessern.
                                                                                      Es wird geschätzt, dass mindestens 40% der Betroffe-
P Bei den oft polymorbiden Patienten müssen auch die Neben- bzw. Wech-                nen unter Depressionen leiden – und dies oft schon früh
selwirkungen der Co-Medikation beachtet werden. Dies insbesondere bei                 im Verlauf der Parkinsonkrankheit. Die Depression ist
kognitiven Problemen, Orthostase, Obstipation oder Hyposexualität.                    nur zum Teil im Rahmen einer Reaktion auf die Dia-
P Die Vorteile einer TURP sollten bei Parkinsonismen kritisch hinterfragt             gnose und auf die darauf folgenden psychosozialen Ver-
werden.                                                                               änderungen zu erklären. Es gibt verschiedene Hinweise
                                                                                      darauf, dass die Depression auch eine organische Ur-
P Hinweise auf eine Tagesschläfrigkeit müssen immer ernst genommen                    sache haben kann. Die beiden Komponenten (organische
werden.                                                                               und reaktive) werden durch eine Optimierung der Anti-
P Kommen Neuroleptika in Frage, dürfen nur niedrig dosiertes Clozapin                 parkinsontherapie verbessert: Eine Reduktion der Off-
und Quetiapin verabreicht werden.                                                     Zeit sollte immer angestrebt werden. Eine grosszügige
                                                                                      Zeitplanung bei der Diagnoseeröffnung und das Mitein-
P Blasenstörungen und Orthostase können oft pharmakologisch gut be-                   beziehen des Partners sind ebenfalls wichtig.
handelt werden. Trotzdem bleiben einige Patienten auf pflegerische Mass-              In den meisten Fällen ist der Einsatz von Antidepressiva
nahmen angewiesen (Einlagen, Katheter, Kompressionsstrümpfe etc.).                    notwendig. Laut AAN-Richtlinien ist nur die Wirkung von
P Eine systematische Ermittlung nicht-motorischer Beschwerden mittels                 Amytriptilin bei Parkinson bewiesen, für die anderen
spezifischer Fragebögen kann sehr hilfreich sein.                                     Substanzen gibt es keine kontrollierten Studien. Wie sol-
                                                                                      len wir vorgehen? Eine Möglichkeit ist, die Nebenwir-
                                                                                      kungen zu berücksichtigen. So können trizyklische Anti-
                      Obschon der Morbus Parkinson über viele Jahre als               depressiva vorgezogen werden, wenn ein Tremor, ein
                      reine Bewegungsstörung angesehen wurde, muss heute              Speichelfluss oder eine Detrusorhyperreflexie vorhan-
                      dessen zahlreichen, nicht-motorischen Erscheinungen             den ist. Ist hingegen eine anticholinerge Wirkung nicht
                      zunehmend Aufmerksamkeit geschenkt werden. Weil                 erwünscht (bei Orthostase, Obstipation, Herzrhythmus-
                      diese Beschwerden nicht als Folge eines Dopamin-                störungen, Glaukom und vor allem bei labiler kognitiver
                      mangels auftreten, werden sie durch die üblichen (dopa-         Situation), sind SSRI vorzuziehen; auf die seltene Mög-
                      minerg wirkenden) Therapien auch kaum verbessert.               lichkeit einer Verschlechterung der Parkinsonsym-
                      So nimmt die Bedeutung von Depressionen, Schmerzen,             ptomatik sollte hier aber geachtet werden. Anxiolytisch
                      Schlaf- und autonomen Störungen im Verlauf der Krank-           wirkende Antidepressiva werden auch gegen die nicht
                      heit zu. In fortgeschrittenen Stadien verursachen nicht-        seltenen Angststörungen bei Parkinsonpatienten erfolg-
Fabio Baronti         motorische Symptome tatsächlich eine signifikante Inva-         reich eingesetzt. Die medikamentösen Interventionen
                      lidität: Das Auftreten einer Psychose oder einer Demenz         können durch eine psychotherapeutische Unterstützung
                      korreliert z.B. mit einer häufigeren Pflegeheimeinwei-          begleitet werden.
Die Autoren haben     sung und sogar mit einer erhöhten Mortalität.
keine finanzielle
                      Einige nicht-motorische Symptome können (müssen!)
Unterstützung und
keine anderen         mit geeigneten Massnahmen verbessert werden. Zu die-            Halluzinationen und Psychose
Interessenkonflikte   sem Zweck wurden von der American Academy of Neu-
im Zusammenhang       rology (AAN) Behandlungsrichtlinien publiziert, die die         Halluzinationen und pychotische Symptome können so-
mit diesem Beitrag
                      vorhandene Literatur kritisch revidieren. Nur wenige            wohl als Nebenwirkung der Antiparkinsonika wie auch
deklariert.
                      Massnahmen können heute als evidenzbasiert betrachtet           krankheitsbedingt auftreten. Im Falle einer Lewy-

                                                                                                  Schweiz Med Forum 2012;12(40):768–774   768
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Körperchen-Krankheit prägen sie den Verlauf bereits        Schwache Blase: zuerst Differentialdiagnose
bei Beginn. Der besondere Fall des Dopamin-Dysregu-
lationssyndroms (mit Verhaltensstörungen wie patho-        Es wurde bewiesen, dass die Prävalenz von Miktions-
logischem Kauf- oder Spielverhalten, Tendenz zum           störungen bei Parkinsonpatienten (20–60%, je nach
Medikamenten-Abusus, Hypersexualität und anderen           Beschwerde) signifikant höher ist als bei Gleichaltri-
Manifestationen, Hypomanie) wurde bereits in einer         gen ohne Parkinson – und dies bei beiden Geschlech-
früheren Ausgabe des SMF beschrieben (2012;12(6):          tern. Meistens handelt es sich um einen imperativen
114–8).                                                    Harndrang mit erhöhter Miktionsfrequenz im Rahmen
Alle psychotischen Symptome müssen wegen potenziell        einer Detrusorhyperreflexie. Aber auch eine sogenannte
sehr gravierender psychosozialer Konsequenzen be-          Sphinkter-Bradykinesie mit Symptomen wie Startschwie-
handelt werden. Eine Sistierung der Dopaminagonisten       rigkeit, schwachem Strahl, Entleerungsproblemen und
ist unumgänglich, bei ungenügendem Erfolg muss eine        dem Gefühl einer unvollständigen Blasenentleerung kann
Levodopa-Monotherapie angestrebt werden. Dabei sollte      vorhanden sein und vor allem bei Männern differential-
auf Retardpräparate und auf die Kombination mit COMT-      diagnostische Schwierigkeiten bereiten. Das Ausschlies-
Hemmern eher verzichtet werden. Ist die darauffolgende     sen eines Infekts, die Messung von Flow-Rate und Rest-
Verschlechterung der Beweglichkeit inakzeptabel, müs-      harn sowie gegebenenfalls der Einbezug eines Urologen
sen Neuroleptika (ausschliesslich Clozapin oder Quetia-    oder Gynäkologen sind immer empfehlenswert. Eine Zys-
pin) in sehr niedriger Dosierung eingesetzt werden. Die    tomanometrie und eine Sphinkter-Elektromyographie
Evidenz zugunsten einer Clozapin-Behandlung ist grös-      können in einigen Fällen diskutiert werden.
ser; wegen der dabei notwendigen regelmässigen Blut-
bildkontrollen wird aber nicht selten Quetiapin vorge-
zogen. Es muss betont werden, dass die Verabreichung       TURP oder Medikamente
anderer neuroleptischer Substanzen bei Parkinson nicht     bei Prostatahyperplasie?
empfohlen ist.
                                                           Eine leichte Prostatahyperplasie kann meistens mit den
                                                           üblichen a-Blockern und a-Reductasehemmern erfolg-
Demenz                                                     reich behandelt werden. Der Stellenwert einer Operation
                                                           ist hingegen kontrovers, auch weil bereits vor 20 Jah-
Die Entwicklung demenzieller Symptome ist im Verlauf       ren darauf hingewiesen wurde, dass eine transurethrale
der Krankheit leider nicht selten, im besonderen Fall      Prostataresektion (TURP) die Prävalenz der Inkontinenz
der Lewy-Körperchen-Krankheit ist die Demenz sogar         bei Parkinsonpatienten paradoxal erhöhen könnte. Ist
bei der Diagnosestellung meist schon vorhanden. Die        eine Operation also kontraindiziert? Laut derselben Stu-
Konsequenzen einer Demenz auf die Lebensqualität des       die ja, aber nur, wenn gleichzeitig zur Detrusorhyper-
Patienten und des betreuenden Umfelds sind immer zer-      reflexie eine Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie vorhanden
störerisch. Was tun? Zuerst muss die bestehende Phar-      ist. Das heisst, dass tatsächlich nur bei MSA-Patienten
makotherapie kritisch analysiert werden, z.B. müssen       grosse Vorsicht geboten ist.
anticholinerg wirkende Substanzen immer abgesetzt          Die neurologische Komponente der Blasenstörungen
werden. Die Antiparkinsontherapie muss vereinfacht         wird in der Regel durch Einsatz von «peripher» wir-
und eine minimal dosierte Levodopa-Monotherapie an-        kenden Anticholinergika behandelt. Wegen des trotz-
gestrebt werden. Bewiesen ist, dass die Verabreichung      dem bestehenden Risikos, dadurch kognitive Probleme
von Rivastigmin die kognitiven Funktionen (und viel-       zu verursachen (oder zu verstärken), könnte sich die
leicht die eventuell vorhandenen Halluzinationen) ver-     Wahl von Wirkstoffen mit niedrigerer Lipophilie (z.B.
bessern kann. Auch Donezepil kann bei Parkinson-           Trospium) oder niedrigerer Affinität für die zentralen
demenz einen positiven Effekt ausüben. Leider ist aber     M1-Rezeptoren (Darifenacin) lohnen. Es wird ab und
die Wirkung dieser Substanzen meist bescheiden, zudem      zu beobachtet, dass eine gute Wirkung dieser Medika-
muss auf die mögliche Zunahme einer Tremorsympto-          mente bereits nach wenigen Wochen verloren geht – in
matik geachtet werden.                                     einigen Fällen tritt sogar eine Verschlechterung auf. Der
                                                           Restharn muss hier unbedingt bestimmt werden, um die
                                                           nicht allzu seltene Nebenwirkung einer Detrusor-Atonie
Dysautonomie                                               mit Überlaufblase auszuschliessen.
                                                           Kürzlich erhobene Studienergebnisse weisen darauf hin,
Sehr ausgeprägte Störungen des autonomen Nervensys-        dass auch Botulinumtoxin-Injektionen in den Detrusor
tems sind typisch für degenerative Parkinsonismen und      eine positive Wirkung haben könnten. Ferner kann die
insbesondere für die Multisystematrophie (MSA). Ganz       intranasale Verabreichung von Desmopressin abends die
korrekt ist diese Aussage aber nicht, denn tatsächlich     Nykturie positiv beeinflussen; auf das Risiko von Wasser-
ist die MSA durch die variable Kombination zwischen        retention, Hyponatriämie und darauffolgende Verwirrt-
therapieresistentem Parkinsonismus, cerebellären Sym-      heit muss aber geachtet werden. Viele mit Desmopressin
ptomen, pyramidalen Zeichen und schweren autonomen         behandelte Patienten sind auch durch das Auftreten einer
Störungen gekennzeichnet. Aber auch die Mehrheit der       frühmorgendlichen Polyurie gestört.
Patienten mit der idiopathischen Parkinsonkrankheit ent-   Die pharmakologischen Massnahmen sollten von einer
wickeln eine Dysautonomie; diese tritt jedoch meistens     Beratung über Verhaltensstrategien begleitet werden
im späteren Verlauf in den Vordergrund.                    (Verzicht auf koffein-, tein- oder alkoholhaltige Ge-

                                                                       Schweiz Med Forum 2012;12(40):768–774   769
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                   tränke abends; regelmässige, präventive Blasenentlee-                Orthostase: die Medikamente analysieren
                   rung usw.). Verfehlen alle Massnahmen das Ziel, ist der
                   Einsatz eines Katheters (am ehesten ein extern liegen-               Orthostatische Beschwerden treten meist spät im Ver-
                   des Urinalkondom) oder von Windeln unumgänglich.                     lauf auf. Sie betreffen bis 60% aller Patienten, wobei sie
                                                                                        nur bei 20% der Fälle symptomatisch (bis invalidisie-
                                                                                        rend) sind. Angaben wie «Mir wird sturm», «Schwarz
                   Sexuelle Probleme: immer noch ein Tabu                               vor den Augen», «Schwäche» oder «Schwindel» sind
                                                                                        häufige Hinweise auf eine Präsynkope. Wichtig ist auch,
                   Sexuelle Probleme sind häufig, die Prävalenz liegt je                die oft im Zusammenhang mit der Hypotension stehen-
                   nach Studie bei 30–85%. Sie werden aber selten thema-                den «Kleiderbügel-Schmerzen» zu erkennen. Die Ver-
                   tisiert. Meistens sind eine Reduktion des sexuellen Ver-             dachtsdiagnose wird bestätigt, wenn nach drei Minu-
                   langens sowie der Häufigkeit und Qualität des Orgasmus               ten Stehen der Blutdruck immer noch um mindestens
                   vorhanden. Bei Männern kann auch eine Störung der                    20 mm Hg systolisch oder 10 mm Hg diastolisch gesenkt
                   Erektion oder eine reduzierte Kontrolle der Ejakulation              ist. Meist fehlt dabei die kompensatorische Zunahme der
                   beklagt werden, bei Frauen eine Reduktion der vagina-                Pulsfrequenz. Bei unklaren Fällen kann ein Tilt-Test,
                   len Empfindung oder ein Vaginismus, wobei es zu einem                eine Messung der Blutdruckveränderungen bei Valsalva-
                   Urinverlust während des Akts kommen kann. Diese Stö-                 Manöver oder eine Bestimmung des Blutdruck-Intervalls
                   rungen sind zum Teil im Rahmen der fehlenden Wirkung                 veranlasst werden.
                   des Dopamins auf die Gehirnareale, die das sexuelle Ver-             Bei Orthostase müssen Antihypertensiva, Nitrate, Tri-
                   halten steuern, zu erklären. Zum grossen Teil sind sie               zyklika und Alphablocker nach Möglichkeit abgesetzt
                   aber eine Folge der reduzierten Beweglichkeit, des an-               oder niedriger dosiert werden. Auch eine Vereinfachung
                   geschlagenen sexuellen Selbstbilds und der Depression:               der Antiparkinsontherapie ist wünschenswert, da diese
                   Eine Optimierung der Antiparkinsontherapie und even-                 Medikamente, und besonders die Dopaminagonisten,
                   tuell eine Depressionsbehandlung sind deshalb empfeh-                eine Hypotension verstärken oder gar verursachen kön-
                   lenswert.                                                            nen. Um deren Wirkung zu reduzieren, kann Motilium
                   Auch an einen möglichen Testosteronmangel bei Män-                   (als peripher wirkendes Antidopaminergikum) eingesetzt
                   nern muss gedacht werden: Falls vorhanden, kann des-                 werden.
                   sen Korrektur erfreuliche Resultate erbringen. Letztlich             Ebenfalls sehr wichtig ist die Korrektur einer eventuellen
                   darf nicht vergessen werden, dass viele Substanzen,                  Dehydratation. Eine salzangereicherte Diät und die Ver-
                   welche die oft polymorbiden Patienten in reichlicher                 mittlung von Verhaltensstrategien (langsam aufstehen,
                   Menge einnehmen, eine Hyposexualität verursachen                     keine warmen Bäder, kleine Mahlzeiten) können vorteil-
                   können (Tab. 1 p). Die Frage ist hier, ob die Therapie               haft sein. Die Verabreichung von Fludrocortison (Ach-
                   vereinfacht werden kann resp. darf.                                  tung Hypokaliämie), Midrodrin, Etilefrin oder (in Fällen
                   Bei fehlender Kontraindikation kann die Anwendung von                postprandialer Hypotonie) Indometacin ist üblich. Die
                   Phosphodiesterase-5-Hemmern zu einer Verbesserung                    erwähnten Substanzen können aber alle eine Hyper-
                   der Erektionsstörungen führen. Andere Möglichkeiten                  tonie im Liegen verursachen. Dies wird durch die Anwen-
                   sind die intrakavernöse oder intrauretrale Applikation               dung von Pyridostigmin vermieden, das nur die sym-
                   von Prostaglandin E1, die parenterale Verabreichung von              pathische Aktivität verstärkt, die reflektorisch (z.B. beim
                   Apomorphin oder mechanische Mittel wie Prothesen,                    Aufstehen) entsteht – der sympathische Tonus bleibt
                   Vakuumgeräte oder Penisringe. Sporadisch wird über                   sonst unverändert. Es handelt sich hier um eine Off-La-
                   eine mögliche Wirksamkeit von Pseudoephedrin auf Eja-                bel-Indikation, die unbedingt durch einen Spezialisten
                   kulationsstörungen berichtet.                                        gestellt werden muss.
                   Es darf nicht vergessen werden, dass auch eine Hyper-                Die Wirkung der Medikamente ist leider meistens be-
                   sexualität bei Parkinsonpatienten auftreten kann – in                scheiden, so dass viele Patienten auf mechanische
                   diesem Fall meistens als dopaminerge Nebenwirkung.                   Massnahmen angewiesen bleiben, in erster Linie Kom-
                   Sie muss ähnlich wie das Dopamindysregulationssyn-                   pressionsstrümpfe Grad III bis zur Leiste, evtl. Stütz-
                   drom angegangen werden.                                              strumpfhose.

Tabelle 1                                                                               Weitere dysautonome Beschwerden
Substanzen, welche die sexuelle Funktion beeinträchtigen können.

Alkohol, Rauch, Marihuana, Opiate, Barbiturate                                          Eine Verminderung der gastroenterischen Motilität ver-
Antiandrogenika, Östrogene, LHRH-Analoga                                                ursacht sehr häufig eine subjektiv störende Obstipation
a- und b-Blocker, Ca-Blocker, ACE-Hemmer, Clonidin, Reserpin, Thiazide, Spironolacton   und kann selten auch die regelmässige Resorption der
                                                                                        Medikamente beeinträchtigen. Regelmässige Bewegung,
Antidepressiva (SSRI +), Benzodiazepine
                                                                                        ballaststoffreiche Ernährung und vor allem eine ausrei-
Anticholinergika
                                                                                        chende Hydratation müssen angestrebt werden. Der Ein-
Digoxin, Lipidsenker                                                                    satz von Macrogol oder anderen osmotischen Laxantien
Cimetidin                                                                               ist in den meisten Fällen trotzdem notwendig, sollte aber
Indometacin                                                                             mit Zurückhaltung erfolgen.
Baclofen                                                                                Der Fatigue wird immer mehr Aufmerksamkeit ge-
                                                                                        schenkt. Diese Beschwerde ist zum grossen Teil un-

                                                                                                     Schweiz Med Forum 2012;12(40):768–774    770
CurriCulum

abhängig von anderen Parkinsonsymptomen oder von
Depression, entsprechend wird sie durch die übliche
Medikation kaum verbessert. Methylphenidat kann hel-
fen, auf das Risiko eines Abusus muss aber unbedingt
geachtet werden.
Der Speichelfluss wird indirekt verursacht durch eine
Schluckstörung. Die Speichelproduktion ist nicht erhöht,
trotzdem kann die Hemmung der Speicheldrüsen durch
Anticholinergika eine Linderung erbringen. Diese Medi-
kamente sind aber schlecht verträglich; nebenwirkungs-
frei ist hingegen eine Logotherapie mit Schlucktraining.
Für Beschwerden wie Seborrhoe und Schweissausbrü-
che gibt es leider, mit der Ausnahme von pflegerischen
und lebenshygienischen Massnahmen, keine wirksame
Behandlung.
Beinödeme sind oft eine Nebenwirkung von Dopamin-
agonisten und verbessern sich nach deren Reduktion.
Sonst bleiben nur symptomatische Massnahmen.                              Abbildung 1
                                                                          Wadenverspannungen mit Krallenstellung der Zehen
                                                                          treten oft frühmorgens auf.

Sensorische Symptome
                                                                          aber keine Seltenheit. Welche Schmerzen sind krank-
Sensorische Beschwerden sind bei Parkinson häufig. So                     heitsbedingt? Sicher typisch für Parkinson sind die
haben fast alle Betroffenen Riechstörungen, die oft be-                   krampfartigen, lang dauernden Wadenverspannungen
reits Jahre vor dem Ausbruch motorischer Krankheits-                      mit Krallenstellung der Zehen, unter denen einige Pa-
zeichen vorhanden sind, im Alltag aber nur wenig stören                   tienten frühmorgens oder tagsüber beim Abklingen
und deswegen kaum wahrgenommen werden. Dagegen                            der Medikamentenwirkung leiden (Abb. 1 x). Diese
gibt es leider keine wirksame Massnahme. Andere Be-                       schmerzhaften Dystonien werden in der Regel durch
schwerden können wir hingegen lindern.                                    eine gezielte Anpassung der Medikamente verbessert,
                                                                          zum Beispiel häufigere Verabreichung, Einsatz von Re-
                                                                          tardpräparaten oder COMT-Hemmern. Ist deren Auftre-
Schmerzen: Antiparkinsonika anpassen                                      ten hingegen unvorhersehbar, kann die parenterale Verab-
                                                                          reichung von Apomorphin zu rascher Linderung führen.
In einer Studie der Universität Lausanne beklagten                        Eine Optimierung der Antiparkinsonika lohnt sich
zwei Drittel von knapp 400 Patienten Schmerzen, die bei                   immer – auch wenn die Dystonien nicht im Vorder-
einem Viertel der Patienten bereits bei Krankheitsbe-                     grund stehen: Eine Verbesserung von Muskeltonus, Hal-
ginn vorhanden waren. Im Alter, in dem die Parkinson-                     tung, Mobilität sowie einer eventuell dyskinesiebeding-
beschwerden üblicherweise auftauchen, sind Schmerzen                      ten Gelenkbelastung wirkt auch schmerzlindernd. Die

Tabelle 2
Epworth Sleepiness Scale.

Patienten werden aufgefordert, folgende Frage (unter Berücksichtigung ihres normalen Alltagslebens in der letzten Zeit) zu beantworten:
«Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass Sie in einer der folgenden Situationen einnicken oder einschlafen würden, sich also nicht nur müde
fühlen?» Mögliche Antworten sind:
0 = würde niemals einnicken
1 = geringe Wahrscheinlichkeit einzunicken
2 = mittlere Wahrscheinlichkeit einzunicken
3 = hohe Wahrscheinlichkeit einzunicken
Punktzahlen ab 9 weisen auf eine interventionsbedürftige Situation hin.

Situation                                                                                                 Wahrscheinlichkeit einzunicken
Wenn Sie im Sitzen lesen
Wenn Sie fernsehen
Wenn Sie passiv (als Zuhörer) in der Öffentlichkeit sitzen (z.B. im Theater oder bei einem Vortrag)
Als Beifahrer im Auto während einer einstündigen Fahrt ohne Pause
Wenn Sie sich am Nachmittag hingelegt haben, um auszuruhen
Wenn Sie sitzen und sich mit jemandem unterhalten
Wenn Sie nach dem Mittagessen (ohne Alkohol) ruhig dasitzen
Wenn Sie als Fahrer eines Autos verkehrsbedingt einige Minuten halten müssen
Total

                                                                                          Schweiz Med Forum 2012;12(40):768–774          771
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Tabelle 3
Non-Motor Symptom assessment scale for Parkinson’s Disease.

Symptoms assessed over the last month. Each symptom scored with respect to:
Severity: 0 = None; 1 = Mild: symptoms present but caused little distress or disturbance to patient; 2 = Moderate: some distress or
disturbance to patient; 3 = Severe: major source of distress or disturbance to patient.
Frequency: 1 = Rarely (
CurriCulum

 Tabelle 3 (Fortsetzung)
 Non-Motor Symptom assessment scale for Parkinson’s Disease.

                                                                                                           Severity   Frequency Frequency
                                                                                                                                x Severity
 Domain 8: Sexual function
 25. Does the patient have altered interest in sex? (Very much increased or decreased, please underline)
 26. Does the patient have problems having sex?
 Score
 Domain 9: Miscellaneous
 27. Does the patient suffer from pain not explained by other known conditions? (Is it related to intake
     of drugs and is it relieved by antiparkinson drugs?)
 28. Does the patient report a change in ability to taste or smell?
 29. Does the patient report a recent change in weight (not related to dieting)?
 30. Does the patient experience excessive sweating (not related to hot weather)?
 Score
 TOTAL SCORE

 Developed by the International Parkinson’s Disease Non-Motor Group1.

Antiparkinsonika können auch eine direkte analgetische                     z.B. bei Akinesie oder Tremor, Reduktion z.B. bei Un-
Wirkung ausüben. Es ist bewiesen, dass die Schmerz-                        ruhe). Benzodiazepine können mit Vorsicht (Verwirrt-
schwelle bei Parkinsonpatienten tiefer liegt und dass                      heit!) angewendet werden. Neuroleptika dürfen nur bei
diese durch die Gabe von Levodopa normalisiert wird.                       einer klaren Indikation eingesetzt werden, es kommen
Neurogene Schmerzen und andere neuropathische Be-                          nur Clozapin oder Quetiapin in Frage. Erwähnenswert
schwerden wie Parästhesien können durch Trizyklika                         ist, dass bereits kleine Dosierungen trizyklischer Anti-
(auf deren Nebenwirkungen wurde bereits hingewiesen)                       depressiva (z.B. Amitrypitilin 10 mg) Erfolg bringen
oder Pregabalin verbessert werden – diese Medikamente                      können.
zeigen oft eine synergistische Wirkung. Bei muskuloske-                    Einschlafschwierigkeiten können in Folge eines Restless-
lettalen Schmerzen müssen die Gabe von Antirheuma-                         Legs-Syndroms auftreten. Die Betroffenen spüren den
tika, die Notwendigkeit der Konsultation eines Spezialis-                  dringenden Bedarf, durch aktives Bewegen ein unan-
ten oder eine Physiotherapie individuell beurteilt werden.                 genehmes Gefühl in den Beinen zu unterdrücken. Diese
                                                                           Symptome sprechen auf Dopaminergika an, eine An-
                                                                           passung der Medikation führt oft zu einer raschen Lin-
Viele Arten von Schlafstörungen                                            derung. Die meistens nur im Rahmen einer Schlafpoly-
                                                                           graphie eruierbaren periodischen Beinbewegungen im
Der Schlaf von Parkinsonpatienten ist oft durch das                        Schlaf, PLMS (periodic limb movements in sleep), verur-
nächtliche Wiederauftreten der motorischen Symptome,                       sachen nur selten subjektive Beschwerden. Sie sprechen
durch Nebenwirkungen der Therapie (wie Unruhe und                          in der Regel gut auf Levodopa an.
Albträume) oder durch die Zuspitzung des Harndrangs                        Sehr wichtig ist das Früherkennen einer Tagesschläfrig-
gestört. Häufig ist aber auch eine primäre Störung der                     keit, vor allem bei Autofahrern. Sie kann sowohl krank-
Schlafhomöostase vorhanden.                                                heitsbedingt wie auch (und vor allem) als Nebenwirkung
REM-Schlaf-Verhaltensstörungen können bereits Jahre                        der Medikamente auftreten. Insbesondere die Dopamin-
vor Ausbruch der motorischen Symptome auftreten. Die                       agonisten Pramipexol und Ropinirol sind diesbezüglich
Betroffenen bewegen sich im Einklang mit dem Inhalt                        zu beachten. Die verantwortliche Substanz muss ab-
ihrer Träume, was zur Selbst- oder sogar Fremdverlet-                      gesetzt werden. Modafinil kann einen positiven Effekt
zung führen kann – oder was der Partner irrtümlicher-                      haben, dieser kann aber hauptsächlich subjektiv sein
weise als Ausdruck einer latenten Aggressivität wahr-                      und sollte kritisch beurteilt werden. Eventuell ist eine
nimmt, was für die Beziehung eher ungesund ist. Ein                        Abklärung durch einen Spezialisten angebracht.
anamnestischer Verdacht kann durch eine Schlafpoly-                        Der Verdacht auf ein Schlafapnoe-Syndrom muss abge-
graphie bestätigt werden. Hilfe verspricht die Reduk-                      klärt und allenfalls mittels CPAP behandelt werden.
tion der abendlichen Antiparkinsonika-Dosis oder die
Verabreichung von Clonazepam. Sporadische Beobach-
tungen weisen auf eine mögliche Wirksamkeit von Mela-
tonin hin; oft ist aber der Erfolg der Medikamente nur
partiell, und praktische Massnahmen (Entfernen von ge-
                                                                           1 Goetz CG, Tilley BC, Shaftman SR, Stebbins GT, Fahn S, Martinez-
fährdenden Gegenständen, getrennte Schlafzimmer) blei-
                                                                             Martin P, et al. Movement Disorder Society-sponsored revision of
ben unumgänglich.                                                            the Unified Parkinson’s Disease Rating Scale (MDS-UPDRS): Scale
Viele Betroffene leiden unter einer Insomnie: Auch hier                      presentation and clinimetric testing results. Mov Disord.
hilft oft eine Anpassung der Antiparkinsonika (Erhöhung                      2008;23:2129–70.

                                                                                           Schweiz Med Forum 2012;12(40):768–774        773
CurriCulum

Fazit                                                      Korrespondenz:
                                                           dr. med. Fabio Baronti
Die nicht-motorischen Symptome des M. Parkinson            KliniK BeTheSda
                                                           Ch-3233 Tschugg
entsprechen dem versteckten Teil des Eisbergs und
                                                           baronti.f[at]klinik-bethesda.ch
verbessern sich leider kaum durch die herkömmliche
Antiparkinson-Medikation. Trotzdem führen zahlreiche
Massnahmen zu deren Linderung, die notwendigen             Weiterführende Literatur
                                                           – Aarsland D, Larsen JP, Tandberg E et al. Predictors of nursing home
pharmakologischen Interventionen und deren Neben-            placement in Parkinson’s disease: a population-based, prospective
und Wechselwirkungen müssen aber individuell evaluiert       study. J Am Geriatr Soc. 2000;48:938–42.
                                                           – Shulman LM, Taback RL, Rabinstein AA, Weiner WJ. Non-recognition
werden. Zudem ist der Einsatz nicht-medikamentöser
                                                             of depression and other non-motor symptoms in Parkinson’s disease.
Massnahmen oft von grossem Vorteil.                          Parkinsonism Related Disord. 2002;8:193–7.
Diese Beschwerden werden aber leider oft kaum oder gar     – Miyasaki JM, Shannon K, Voon V et al. Practice parameter: Evalua-
                                                             tion and treatment of depression, psychosis and dementia Parkinson
nicht angesprochen, weil in der Konsultation die Zeit
                                                             disease (an evidence-based review). Report of the Quality Standard
fehlt. Sehr empfehlenswert ist für diesen Zweck die An-      Subcomittee of American Academy of Neurology. Neurology. 2006;66:
wendung von Skalen, die der Patient oder die Angehöri-       996–1002.
                                                           – Zesiewicz TA, Sullivan KI, Arnulf I et al. Practice parameter: Treatment
gen bereits im Wartezimmer ausfüllen können. Beson-
                                                             of nonmotor symptoms of Parkinson disease. Report of the Quality
ders wertvoll für die Erkennung einer Tagesschläfrigkeit     Standard Subcomittee of American Academy of Neurology. Neurology.
ist die EDSS (Tab. 2 p). Die gängigen Skalen zur Erfas-      2010;74:924–31.
sung nicht-motorischer Symptome (Tab. 3 p) wurden          – Storch A, Odin P, Trender-Gerhard I et al. Non-motor Symptoms Ques-
                                                             tionnaire und Scale für das idiopatische Parkinson-Syndrom. Interkul-
vor kurzem auf Deutsch übersetzt und validiert. Wir          turell adaptierte Versionen in deutscher Sprache. Nervenarzt. 2010;81:
sollten diese Instrumente zunehmend anwenden: Eine           980–5.
erfolgreiche Behandlung ist ja nur möglich, wenn die
Ziele klar identifiziert werden können.

                                                                           Schweiz Med Forum 2012;12(40):768–774               774
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