Vereinzelt und vernetzt zugleich. Soziale und gesellschaftliche Herausforderungen der Mediengesellschaft - Jun.-Prof. Dr. Jeffrey Wimmer TU ...

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Vereinzelt und vernetzt zugleich. Soziale und gesellschaftliche Herausforderungen der Mediengesellschaft - Jun.-Prof. Dr. Jeffrey Wimmer TU ...
Vereinzelt und vernetzt zugleich.
Soziale und gesellschaftliche Herausforderungen der
                Mediengesellschaft
           Jun.-Prof. Dr. Jeffrey Wimmer (TU Ilmenau)
                   Workshop Medienökologie
                   Neudietendorf, 06.05.2014
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Agenda

1. Nutzung digitaler Medien im Kontext von
   Gesellschafts- (Mediatisierung der Gesellschaft) und
   Medienwandel (Medienkonvergenz)

2. Frage nach der Wirkkraft der Medien bei der
   Konstituierung von Lebenswelten

3. Welche Risikodimensionen und -faktoren sind
   auszumachen?
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1. Nutzung digitaler
   Medien
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„Das Handy ähnelt einem
Glücksspielautomaten“,
sagt Psychologe Montag.
„Deshalb wird es so oft
angeschaltet - und ruft
suchtähnliche Symptome
hervor.“
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Testgruppe:
- 80 Minuten pro Tag Smartphonenutzung
- außerhalb der Schlafenszeiten alle 12 min. checken
- Telefonieren nur acht Minuten
- Whats-App (15 %), Facebook (13%), Spiele (ges. 13%)
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Kindheit heutzutage = Medienkindheit

•   Junge Erwachsene haben beim Eintritt
    in das Arbeitsleben rund 10.000
    Stunden lang am Computer gespielt
    und ebenfalls 10.000 Stunden ihr
    Handy benutzt (zum Spielen oder
    Kommunizieren). Sie haben 20.000
    Stunden ferngesehen und 200.000
    Emails gesendet oder erhalten. Aber
    sie haben gerade einmal 5.000
    Stunden mit dem Bücherlesen
    verbracht. (Prensky 2001)
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Eintauchen in fremde Welten

Robbie Cooper: „Game face“
http://www.nytimes.com/video/magazine/1194833565213/immersion.html
Eintauchen in digitale Erlebnis- bzw.
          Medienwelten

 Faszination u.a. erklärbar durch
 • Immersion = Erfahrung eines Mediennutzers, sich in
   einer virtuellen Welt zu befinden
 • Erleben von Flow hängt vom Medium, Persönlichkeit
   des Mediennutzers und von Mediennutzungsdauer ab
 • Subjektdimensionen der Mediennutzung:
   Identifikatorisches Handeln, emotionale Beteiligung,
   temporäres Verlassen von Pflichten/Zwängen
 • Vernetzung (neben des Aspekten der Interaktivität und
   des spielerischen Umgangs) das Neue
Medien- und Gesellschaftswandel

    Quelle: https://sites.google.com/site/medsozhdm/

• Mediatisierung hat nicht erst mit den digitalen Medien begonnen.
  Mediatisierung beginnt da, wo die Menschen Zeichen benutzen, die
  über situative Wahrnehmbarkeit hinausgehen, um anderen etwas
  mitzuteilen (Krotz 2012)
• Die Verfügbarkeit und Verbreitung von Medien und das Ausmaß der
  sich auf Medien beziehenden (mediatisierten) Alltagshandlungen
  nimmt in einer quantitativen wie qualitativen Hinsicht stetig zu. (Krotz
  2007)
Jugend heutzutage – Medienjugend
               (Krotz/Schulz 2013)

 • Internet als Handlungsumgebung:
   Jugendliche leben in mediatisierten Welten
   und verlagern ihr kommunikatives Handeln
   in digitale Medien wie Social Networks oder
   Onlinerollenspiele hinein.
 • Smartphone als digitaler Freund:
   Jugendliche verleiben sich digitale Medien
   buchstäblich ein. Insbesondere portable
   konvergente Medien wie das Smartphone
   werden dabei zum unverzichtbaren und
   höchst privaten Teil einer Person, der
   immer und überall verfügbar ist und auf
   dem sämtliche kommunikative Praktiken
   gebündelt werden.
Medien-
konvergenz
Convergence culture/Produsage

„Welcome to convergence culture, where old and new
media collide, where grassroots and corporate media
intersect, where the power of the media producer and
the power of the media consumer interact in
unpredictable ways“ (Jenkins 2006: 2).

„Die vernetzte Kommunikation im Social Web und die
dabei stattfindende selbstorganisierte und kollaborative
Produktion medialer Inhalte können als Keimzellen
politischer Praktiken gewertet werden können, da sie eine
massenmedial kompatible, hierarchisch strukturierte
politische Öffentlichkeit aufbrechen.“ (Bruns 2010)
Mediatisierung
gemeinnütziger Arbeit

 BatKid: Amerika
 erfüllt Miles Scott
 einen Wunsch
 (SZ, 15.11.2013)
President
Obama has a
message for
#SFBatKid
2. Wirkkraft digitaler Medien

                 vs.
Die Wirkung digitaler Medien –
         Zwei Seiten einer Medaille...

• Sog. Dilemma der Medienwirkungsforschung: Wenn man
  von positiven Wirkkräften ausgeht, muss man auch
  negative für wahrscheinlich halten und vice versa.
• Metaanalysen zeigen, je intensiver die Nutzung, desto
  höher fallen die Risiken aus (z.B. problematische
  Einbettung in den Alltag)
• Allerdings erfolgt die Nutzung digitaler Medien immer in
  spezifischen Kontexten, so dass man von keinen
  Automatismen ausgehen kann (vgl. im Überblick Wimmer
  2013a)
„Multiple Dialektik“ (Höflich/
Linke 2014):
• Medientechnologien sind
   komplexitätsreduzierend und
   -steigernd zugleich
• „people being more
   connected than ever, yet still
   often alone and
   uncomfortable with
   intimacy“ (Turkle 2011)
„Third place“-Effekt von Spielwelten?

  „WoW’s subscribers tend to be ‚alone together‘: they play
  surrounded by others instead of playing with them... Indeed, the
  other players have important roles beyond providing direct support
  and camaraderie in the context of quest groups: they also provide
  an audience, a sense of social presence, and a spectacle.”
   (Ducheneaut et al. 2006)
• "Wenn die Jugendlichen in
   der vernetzten Öffentlichkeit
   (networked publics)
   unterwegs sind, wollen sie mit
   Freunden Zeit verbringen und
   von Gleichaltrigen erkannt
   werden. Sie wollen als
   interessante Persönlichkeiten
   gelten, aber gleichzeitig
   ungewollte Aufmerksamkeit
   abwehren. Sie sind, im
   Endeffekt, digitale Flaneure.“
• „Soziale Netzwerke sind nicht
   der Grund für Mobbing,
   sondern ein Ort, an dem das
   Mobbing weitergeführt wird –
   in einer mitunter viel
   sichtbareren Weise.“
(boyd 2014)
Sozialisation in und durch
                 digitale Medienwelten

Digital Medien prägen die alltägliche Lebenswelt nicht nur im Moment
ihrer Nutzung, sondern auch in längerfristiger Hinsicht durch ihre
Kommunikationsprozesse und -inhalte, die wiederum die Auffassung
der Lebenswelt verändern. Aus personaler Perspektive stellen sie
Sozialisierungs- und Identitätsangebote dar und prägen das
kommunikative Handeln der Menschen insgesamt (Krotz 2007,
Wimmer 2013b)
Sozialisation in und durch
              digitale Medienwelten

... bezieht sich auf die zum Teil höchst differenzierten
Praktiken des täglichen Umgangs, die damit zusammen-
hängenden jeweils recht unterschiedlichen, individuellen
Erfahrungen wie auch auf deren Einbettung in die
Alltagswelt der Spieler. (Beispiel GTA IV vs. Airline
Simulation)
Fallbeispiel Evoke (Jane McGonigal)

•   Spielerische und unterhaltsame Vermittlung ernster Themen.
•   Spielmechanismus ist nicht das Lernziel. Onlinespiele stellen
    vielmehr informelle Lernumgebungen dar.
3. Risikofaktoren und -dimensionen
Beispiel Evoke

Neys/Jansz (2010): Erfolg von sog. Persuasive Games (andere Bespiele wären u.a.
Peacemaker, September 12th) zeigt sich v.a. in der Anschlusskommunikation, d.h.
Gespräche über Spielthemen mit Familienangehörigen, Freunde etc.
Beispiel Invoke

Kritik am von Weltbank finanzierten Onlinewelt Evoke:
Themen werden verharmlost und Ursachen verschleiert
Beispiel America‘s Army

                 • Erfolgreichstes Serious Game, das mit
                   öffentlichen Geldern finanziert wurde.
                 • 2002 wurde dieses Computerspiel zu
                   Rekrutierungszwecken entwickelt und
                   ist mittlerweile in verschiedenen
                   Nachfolgeversionen auf fast allen
                   Spieleplattformen verfügbar.
                 • Diese nach Power (2006) erfolgreichste
                   Rekrutierungsaktion der gesamten US-
                   Geschichte wurde u.a. dadurch
                   ermöglicht, dass alle Spieleraktivitäten
                   aufgezeichnet und ausgewertet werden,
                   so dass Spielern, die sich bei einer
                   offiziellen Rekrutierungsstelle melden, in
                   Abhängigkeit von Treffern, Verlusten,
                   Regelverstößen, Spieldauer und -
                   häufigkeit, eine individuelle militärische
                   Laufbahn vorgeschlagen wird.
Beispiel: IDF (Wimmer 2013c)
Beispiel Bottle Bank

http://www.youtube.com/watch?v=zSiHjMU-MUo
Gamification – Buzzword aus dem
          Marketing-Bereich

• Im Zentrum steht der v.a. lerntheoretisch u.
  ökonomisch motivierte Gedanke, dass viele
  Alltagshandlungen ins Spielerische transformiert und
  Konsumenten dadurch leicht zu einem bestimmten
  Verhalten motiviert werden können.
• Sebastian Deterding et al. (2011): „‚Gamification is
  the use of game design elements in non-game
  contexts.“
• Übernahme von Spieldesign, -mechaniken und –
  regeln in die Realwelt wie z. B. Punkte, Ranglisten,
  Levels, Badges, Achievements oder Belohnungen
Fallbeispiel
Foursquare

 So werden z.B.
 Kunden, die sich bei
 dem Betreten
 bestimmter Orte
 (Cafés, Restaurants
 etc.) mit Hilfe des
 sozialen
 Netzwerkdienstes
 Foursquare auch
 zeitgleich online
 „einchecken“ u. a.
 mit Boni und
 Rabatten belohnt
Fallbeispiel
Connected
Toothbrush
Fallbeispiel Nike+
Bedeutungszunahme des
Subpolitischen & Subkulturellen
Beispiel NSA
Eine Art Fazit

• Die Mediatisierung macht es über die „klassischen“
  Dimensionen von Medienkompetenz hinaus erforderlich, noch
  stärker auf die soziale Dimension Bezug zu nehmen, und sich
  mit den Kontextbedingungen zu beschäftigen, wie ein
  verantwortungsvoller Umgang mit digitalen Medien gelingen
  bzw. gefördert werden kann.
• Der enge Zusammenhang zwischen den konkreten
  Alltagserfahrungen der Menschen und Mediennutzung zeigt
  aber, dass nach wie vor die gesellschaftlichen Bedingungen
  der Mediennutzung maßgeblich sind.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Kontakt: jeffrey.wimmer@tu-ilmenau.de
Literatur
•   boyd, danah (2014): It’s Complicated: The Social Lives of Net worked Teens. New Haven:
    Yale University Press
•   Krotz, Friedrich (2007): Mediatisierung: Fallstudien zum Wandel von Kommunikation.
    Wiesbaden: VS.
•   Neys, J./Jansz, J. (2010): Political Internet Games: Engaging an Audience, in: European
    Journal of Communication 25, 227–241.
•   Power, M. (2006): Good Morning Zekistan. Post 9/11 Video war games and the
    militarisation of US popular culture. Konferenzpräsentation „Crossroads in Cultural
    Studies” Veranstalter: Association for Cultural Studies (AfCS), University of Istanbul,
    Türkei, 20. – 23. Juli 2006Prensky, M. (2001). Digital Natives, Digital Immigrants. On the
    Horizon, 9(5), 1-6.
•   Turkle, E, S. (2011): Alone Together : Why We Expect More from Technology and Less
    from Each Other. New York, NY: Basic Books.
•   Wimmer, J. (2013a): Kontextualisierung vs. Komplexitätsreduktion. Medienwirkung aus
    kulturtheoretischer Perspektive. In: Fahr, A./Schweiger, W. (Hg.): Handbuch
    Medienwirkungsforschung. Wiesbaden: VS Verlag, 113-128.
•   Wimmer, J. (2013b): Massenphänomen Computerspiele. Soziale, kulturelle und
    ökonomische Aspekte. Konstanz: UVK.
•   Wimmer, J. (2013c): Die Prägkraft von Computerspielen –Was mit Gamification, Serious
    Games und Persuasive Games erreicht werden soll und kann. In: Koubek, J./Mosel, M./
    Werning, S. (Hg.): Spielkulturen. Glückstadt: vhw Verlag, 155-171.
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