MANAGEMENT GEGEN WASSERKREUZKRAUT - Erfahrungsbericht - Naturland
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PRAXIS – TIERISCHE ERZEUGUNG Erfahrungsbericht MANAGEMENT GEGEN WASSERKREUZKRAUT Für das Wasserkreuzkraut charakteristisch sind die dreizehn gelben Blütenblätter. Quelle: Sebastian Wagner Seit einigen Jahren wird Wasserkreuzkraut im Wirtschaftsgrünland immer präsenter und damit auch die Frage, ob man dem Wasserkreuzkraut Herr werden kann und wenn ja: wie? Auf Forschungsebene wird seit Jah- einem dieser Betriebe möchte ich hier Naturland Betrieb Hug ren im In- und Ausland der Frage berichten. Betriebsdaten nachgegangen, wie unter Öko-Be- Betriebsleiter: Irmgard und Ferdi- dingungen, also ohne Spritzmittel, Familie Hug nand Hug Wasserkreuzkraut (WKK) aus den bewirtschaftet einen Milchvieh- Betriebssitz: Röthenbach im Allgäu Landwirtschaftsflächen verdrängt betrieb im Westallgäu im schwäbi- Höhenlage: 700 HM werden kann. Einige Naturland Land- schen Bayern und erzeugt mit seinen Jahresniederschlag: ca. 1600 mm Fläche: 39 ha Wirtschaftsgrünland, 2,5 ha Streuwiesen Viehbesatz: ca. 40 Kühe + Nach- zucht kleinen Bachlauf angrenzen, trocken- gelegt und in die landwirtschaftliche Nutzung genommen. Das Trocken- legen hat aber nicht überall funk- tioniert, Teilflächen sind staunass geblieben und maximal zwei bis drei Mal im Jahr nutzbar. Die Bodenver- hältnisse hemmen Durchwurzelung und Nährstoffverfügbarkeit, weshalb sich keine dichte Grasnarbe bilden kann. Für Feuchtigkeit liebende Arten wie das Wasserkreuzkraut (WKK) sind das ideale Standortbedingungen. Woher die ersten Samen der gelben Pflanzen kamen, ob sie schon immer ansässig waren oder von außen ein- getragen wurden, ist unklar. Fakt ist jedoch, dass das WWK durch die gute Flugfähigkeit der Samenschirmchen, Irmgard und Ferdinand Hug Quelle: Sebastian Wagner die hohe Keimfähigkeit der Samen und seine starke Durchsetzungskraft wirte unterstützen auch aktuelle knapp 40 Kühen Bio-Heumilch. Be- in der Jugendentwicklung die per- Bemühungen der Landesanstalt für wirtschaftet werden 41 ha Grünland fekt angepasste Pionierpflanze ist, Landwirtschaft in Bayern bei der Su- mit zweieinhalb Hektar Streuwiesen. die sich bei der Neubesiedelung von che nach praxistauglichen Lösungen. Auf diesen Streuwiesen und im Über- lückigen Flächen erfolgreich gegen Neben diesen Aktivitäten experimen- gangsstreifen zwischen Streufläche andere Arten durchsetzt. tieren „zwangsweise“ einige Bäue- zum Grünland ist das Problem ent- rInnen auf ihrem eigenen Betrieb, standen. Die vorige Generation hat- WKK kaum bekannt um gegen das Kraut anzugehen. Von te einige Nassflächen, die an einen Heute ist das WKK in der Praxis be- Naturland Nachrichten 02 / April 2019 63
PRAXIS – TIERISCHE ERZEUGUNG zen werden in der Regel nicht gefres- sen, im jungen Wachstumsstadium wie bei der Kurzrasenweide hingegen schon,“ berichtet Ferdinand Hug. So- mit nahmen die Tiere damals nicht im Winter (Jungvieh), sondern auch im Sommer (Milchvieh) das Kreuz- kraut auf. Ob die Ursache der Gesundheitspro- bleme tatsächlich auf die Vergiftung durch belastetes Futter zurückzu- führen ist, ist natürlich schwer zu belegen. Häufig spielen im Krank- heitsgeschehen mehrere Faktoren zusammen. Irmgard und Ferdinand Hug sind sich aber sicher, dass ein Zu- sammenhang mit WKK besteht, weil gerade zwischen 2007 und 2009, als die Tiergesundheitsprobleme häufi- ger auftraten, sich auch das WKK auf den Futterflächen am stärksten aus- Wasserkreuzkraut wird häufig an staunassen Übergangsstandorten zu Streuwiesen ge- gebreitet hatte. Seit sie die Flächen funden. Von dort droht es sich auf andere Flächen auszubreiten. Quelle: Sebastian Wagner sanieren und weitgehend WKK-freies Futter anbieten, sind die Gesund- kannt, weil sich Fachpresse, For- Laktation an. 2004, mit dem Bau des heitsprobleme auf ein übliches Maß schung und Beratung in den letzten Laufstalles, wurde das Weidesystem zurückgegangen. Jahren viel damit beschäftigt ha- der Milchkühe von der Portionswei- ben. Vor einigen Jahren noch war de auf Kurzrasenweide im Koppel- Umdenken ist notwendig diese Pflanze eine unter vielen, die system mit sehr schnellem Umtrieb Leider hat auch Familie Hug bislang ab Juni bis Oktober gelb blüht und umgestellt. Schnell heißt in diesem kein Zaubermittel gegen das WKK weiße, dem Löwenzahn ähnliche, Fall, dass ein Schlag teils zweimal gefunden, aber sie hat bei der Ursa- Samenschirmchen hervorbringt, die innerhalb einer Woche genutzt, also chensuche für die Ausbreitung die vom Wind ein paar hundert Meter übernutzt wurde. Knaulgras, Wie- richtigen Schlüsse gezogen und Wei- weit durch die Luft getragen werden senfuchsschwanz oder Wiesenliesch- chen für eine Veränderung gestellt. (siehe Foto). Auch Familie Hug war gras halten diese intensive Belastung Grundlage der Sanierung war das 2007 diese Pflanze nicht weiter be- nicht durch und vergehen, wodurch konsequente Ausstechen der Pflan- kannt, als die ersten „unerklärlichen“ Lücken entstanden. Zudem entstan- zen auf allen Flächen. Mit einem im Schwierigkeiten mit der Tiergesund- den durch die intensive Nutzung vor Baumarkt erhältlichen Stecher kann heit im Stall anfingen. Es gab inner- allem an den hängigen Flächen Tritt- die Pflanze samt Wurzeln einfach halb kurzer Zeit gehäuft Verkalbun- schäden. Ideale Bedingungen für entfernt werden. Die Öko-Landwirtin gen im 5. bis 7. Trächtigkeitsmonat. WKK, das seine Samen in den Vorjah- ist sich sicher, dass ein einfaches Aus- Bei der Ursachenforschung konnten ren schon verbreiten konnte. Somit rupfen der Stängel nur Kosmetik sei, Viren und Bakterien ausgeschlossen blühte 2007 nicht nur die Feuchtwie- da aus den Wurzeln neue Triebe aus- werden. „Also mussten wir nach der se gelb, sondern auch weite Teile der treiben würden. möglichen Ursache forschen,“ erklärt Milchviehweiden. „Ältere WKK-Pflan- Irmgard Hug. Dabei seien sie auf ein gelbes, giftiges Kraut gestoßen, das auf ihren Feldern wächst. Übertragungswege Da vor 2007 nichts gegen die Aus- breitung der Pflanze unternommen wurde, konnte sich das Kraut im Nassstreifen zwischen Streuwiese und Grünland ausbreiten und seine Flugsamen auf die benachbarten Flächen verteilen. Die Feuchtflächen, auf denen sich mittlerweile ein er- heblicher WKK-Bestand (mindestens zehn Pflanzen pro Quadratmeter) aufgebaut hatte, wurden zweimal im Jahr gemäht und die Aufwüchse im Winter über das Heu dem Jungvieh verfüttert. Die Kalbinnen traten also Auf hängigen Flächen drohen Trittschäden. Offener Boden kann schnell von Wasserkreuz- schon mit belasteten Lebern die erste kraut besiedelt werden. Quelle: Sebastian Wagner 64 Naturland Nachrichten 02 / April 2019
PRAXIS – TIERISCHE ERZEUGUNG Da der Betrieb damals noch konven- tionell bewirtschaftet wurde, konnten stark betroffene kleine Teilflächen mit Herbizid behandelt werden. Durch die dabei entstehende Schädigung des Nebenbewuchses an der behan- delten Stelle entstanden immer wie- der Lücken, in denen neue Pflanzen aufkommen konnten. „Einen nach- haltigen Erfolg hatte das auch nicht, es war aber für den Moment auf den sehr stark betroffenen Flächen eine Arbeitserleichterung, “ erklärt Fer- dinand Hug. „Öko-Betriebe haben diese Möglichkeit nicht. Daher ist es umso entscheidender, die Pflanze früh zu erkennen und sofort mit dem Ausstechen zu beginnen, wenn das Kraut irgendwo zu blühen beginnt.“ Der Wurzelballen kann mit dem Stecher leicht ausgestochen werden. Natürlich wurde das belastete Futter Quelle: Sebastian Wagner nicht mehr weiter verfüttert. Da das WKK erst nach dem ersten Schnitt heitsbelastung beseitigt. Nach den Nutzung des ersten Schnittes werden aufkommt, konnte das Heu von den Schnitten kam und kommt immer die folgenden Aufwüchse (auf der Nassflächen meistens noch genutzt der Kreuzkrautstecher zum Einsatz. ganzen Fläche – oder auf den stär- werden, wenn es früh gemäht wur- Eine schweißtreibende, mühsame ker befallenen Teilstücken) im drei bis de. Der Folgeschnitt kam dann in Arbeit. Seit ein paar Jahren wird zu- vier Wochenrythmus gemulcht, damit die benachbarte Biogasanlage. Da- dem eine neue Variante der Regulie- sich keine neuen Blüten bilden kön- durch war diese Quelle der Gesund- rung erfolgreich umgesetzt. Nach der nen. Die Blüten des WKK können nach ANZEIGEN Naturland Nachrichten 02 / April 2019 65
PRAXIS – TIERISCHE ERZEUGUNG Ruhephase von zwei bis drei Wochen oder länger. „Da können dann auch mal ein Pflegeschnitt und eine Dün- gung während des Jahres gemacht werden. Zum Teil werden Schläge auch einfach als Schnitt genutzt, “ erläutert der Naturland Bauer. „Aus Sicht des Pflanzenbaus absolut sinn- voll. Mit regelmäßigen Übersaaten mit dem Lehner-Streuer im Spätsommer mit circa acht Kilogramm deutschem Weidelgras und Weißklee wurde dafür gesorgt, dass sich ein stabiler Weidel- grasbestand entwickeln konnte. Durch diese Umstellung und regelmäßiges Ausstechen war das WKK innerhalb von drei bis vier Jahren verschwunden. Es gilt, die Flächen von WKK frei zu halten. Durch maßvolle Nutzung, an- gepasste Düngung und regelmäßige Übersaaten, um etwaige Lücken sofort zu schließen, sind dafür gute Voraus- setzungen geschaffen. Änderungen Im ersten Jahr bildet die Pflanze nur Rosetten aus. Quelle: Sebastian Wagner in der Bewirtschaftung von Grünland verändern auch immer die Artenzu- der Mahd in die Notreife gehen, also tung muss weniger ausgestochen sammensetzung. Der Bewirtschafter auch im bereits gemähten Zustand werden und auch im Folgejahr macht muss daher im Auge behalten, dass noch keimfähige Samen ausbilden. sich der Verdunkelungseffekt noch be- sich die Pflanzengesellschaft in die Das Mulchmaterial beschattet die merkbar. Bei erfolgreicher Umsetzung gewünschte Richtung entwickelt. Rosetten der jungen MKK-Pflanzen sinkt der Besatz so weit, dass alle Irmgard Hug, durch ihre Erfahrungen und behindert deren Photosynthese, Schnitte genutzt werden können. Eine geprägt, empfiehlt jedem sofort und die Nutzung entzieht ihnen zusätzlich Sichtkontrolle der Fläche ist aber auf konsequent zu handeln, wenn WKK Kraft. Das Graswachstum hingegen jeden Fall zu empfehlen und die nach auf dem Betrieb auftaucht. Meistens den Schnitten verbliebenen Pflanzen sieht man es als erstes an den Über- Vereint gegen WKK sollten immer ausgestochen werden, gangsstreifen zu Nassflächen, an um die Regulierung voranzubringen. Weg- und Straßenrändern, wo nicht Vielleicht sind nicht alle Beobach- Im zweiten Jahr nach dem Mulchver- viel Gülle hinkommt. WKK ist darauf tungen auf andere Standorte ohne fahren muss neu entschieden werden, spezialisiert, Lücken zu besiedeln. Da- weiteres übertragbar, aber der ob wieder gemulcht oder ausgesto- her sollte möglichst kein Samen auf Öko-Landbau hat immer schon von chen werden muss. Die Regulierung die Flächen gelangen und wo früher den teilweise auch etwas „speziel- des Bewuchses ist auf solchen Flächen Samen eingetragen wurden, sollte die len“ Ansätzen seiner Praktiker profi- deshalb so schwierig, weil wie anfangs Grasnarbe möglichst dichtgehalten tiert und lebt auch heute noch von beschrieben der Standort für WKK op- werden, damit das Kraut nicht wieder dieser Offenheit. timal und für Wiesengräser schlecht aufkommt. Die Flächen völlig frei von Insofern interessieren uns auch Ihre ist. Langfristig sollte überlegt werden, WKK zu bekommen, wird kaum mach- speziellen Vorgehensweisen und Er- ob solche Flächen in ihren Ausgangs- bar sein, ein paar Pflänzchen auf der fahrungen mit dem Problem WKK. zustand als Streue zurückgeführt wer- Fläche sind aber aus tiergesundheit- Was ist Ihnen aufgefallen, mit wel- den sollten, damit das WKK allein im licher Sicht auch kein Problem. Wich- chem Erfolg haben Sie welche Maß- Mulchverfahren zurück gedrängt wer- tig ist, dafür zu sorgen, dass sich die nahmen ergriffen? Auch in diesem den kann. Dazu gibt es vielverspre- Pflanze nicht weiter ausbreitet. „Da Beitrag wurde darauf hingewiesen, chende Ansätze. muss man auch einfach mal vom dass es die eine einfache Lösung für Schlepper absteigen, wenn man et- alles nicht geben kann – sondern das Auf den Milchviehweiden war der Er- was gelb blühen sieht,“ empfiehlt Herr an vielen, oft kleinen Stellschrauben folg durchschlagender. Durch eine Hug. zu drehen ist. Womit haben Sie wel- Kombination verschiedener Bewirt- che Erfahrungen gemacht? schaftungsänderungen wurde das Ich möchte mich an dieser Stelle herz- Kraut hier vollständig zurückgedrängt. lich bei Familie Hug für die gute Zu- wird durch den Schnitt und die dün- Im ersten Schritt wurde die Nutzungs- sammenarbeit bedanken. ne Mulchschicht nicht behindert. Die intensität wieder reduziert. Die Flä- spitz nach oben wachsenden Blätter chen wurden zwar immer noch im stoßen durch die Schicht und kommen Koppelweidesystem beweidet, die ans Licht. Das Mulchmaterial dient zu- Ruhephasen allerdings deutlich ver- sätzlich als Dünger für die Gräser. Der längert. Die Koppeln werden nicht Bewirtschafter wird so zweifach ent- mehr so häufig bestoßen und be- Sebastian Wagner, lastet: Durch die Mulchbewirtschaf- kommen je nach Graswachstum eine Fachberatung für Naturland 66 Naturland Nachrichten 02 / April 2019
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