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März 2020 Verhandlungspfad gefunden? Bericht über die fünfte Tagung der UN-Arbeitsgruppe zu einem verbindlichen Abkommen zu Wirtschaft und Menschenrechte („Treaty“) von Karolin Seitz Vom 14. bis 18. Oktober 2019 tagte die zwischenstaat- wertungen und Änderungswünsche ein. Die vermehrten liche Arbeitsgruppe zur Formulierung eines verbindlichen nationalen Initiativen zu verbindlichen menschenrechtli- Abkommens zu Wirtschaft und Menschenrechte zum chen Sorgfaltspflichten, die langsam erkennbaren An- fünften Mal im Menschenrechtsrat der Vereinten Natio- näherungen bei strittigen Punkten und die sich schärfer nen (UN) in Genf. Während in vorhergehenden Tagungen abzeichnenden Konturen des Abkommensentwurfs sowie der Arbeitsgruppe noch über die grundsätzliche Frage der vorgebrachte Wunsch einiger anwesender Staaten an diskutiert wurde, ob ein solches verbindliches Abkommen die UN-Arbeitsgruppe, das Tempo der Verhandlungen an- überhaupt notwendig ist, stellte die fünfte Tagung den zuziehen, lassen annehmen, dass der Prozess hin zu in- Beginn tatsächlicher zwischenstaatlicher Verhandlungen ternational verbindlichen Standards an Fahrt aufnehmen über den Inhalt des Abkommens dar. Grundlage der Ver- wird. handlungen war der im Juli 2019 vom ecuadorianischen Vorsitzenden der Arbeitsgruppe vorgestellte überarbeite- Die Bundesregierung und die Europäische Union (EU) te Abkommensentwurf („Revised Draft“).1 sollten sich nicht länger aus den Verhandlungen heraus- halten, sondern bis zur nächsten Tagung der UN-Arbeits- Die 89 teilnehmenden Staaten, Rechtsexpert*innen und gruppe vom 26. bis 30. Oktober 2020 verhandlungsfähig mehr als 200 Vertreter*innen zivilgesellschaftlicher Orga- sein, da sie sonst die Chance verpassen, ihre Anliegen in nisationen und Unternehmensverbände brachten ihre Be- die Formulierung des Abkommens einzubringen. Aufgrund der Unvollständigkeit und mangelnden Die von Ecuador und Südafrika eingebrachte Reso- Wirksamkeit der bestehenden freiwilligen Maßnah- lution 26/9 für ein verbindliches internationales Ab- men, wie der 2011 verfassten UN-Leitprinzipien für kommen wurde im Juni 2014 gegen den Widerstand Wirtschaft und Menschenrechte (UNGPs) und der vieler Industrienationen, darunter auch Deutsch- Leitsätze für multinationale Unternehmen der Or- land, mit 20 zu 14 Stimmen bei 13 Enthaltungen ganisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und vom UN-Menschenrechtsrat angenommen. Mit ihr Entwicklung (OECD), sind die Rufe nach verbindli- wurde beschlossen, die zwischenstaatliche Arbeits- chen nationalen und internationalen Regelungen in gruppe zur Erstellung eines verbindlichen Abkom- den letzten zwei Jahrzehnten immer lauter gewor- mens (OEIGWG)3 einzusetzen. den. Insbesondere hinsichtlich transnational agieren- der Unternehmen besteht eine Regulierungslücke. Die Beteiligung der Staaten – BRIEFING In grenzüberschreitenden Fällen von Menschen- reicht es zur kritischen Masse? rechtsverletzungen durch Unternehmen, sehen sich die Betroffenen großen Hürden gegenüber, zu ihrem Mit 89 anwesenden Staaten sowie Palästina und dem Recht zu gelangen.12 Heiligen Stuhl als Beobachtern blieb die Zahl der teilnehmenden Staaten auf einem ähnlichen Niveau wie bei den vergangenen Tagungen, mit 92 anwe- 1 https://www.ohchr.org/Documents/HRBodies/HRCouncil/ WGTransCorp/OEIGWG_RevisedDraft_LBI.pdf. 3 Der offizielle englische Name der Arbeitsgruppe lautet „open-ended 2 Vgl. Auch Treaty Alliance Deutschland (2019), Martens/Seitz (2016) und intergovernmental working group on transnational corporations and https://lieferkettengesetz.de/fallbeispiele/. other business enterprises with respect to human rights”.
2 Briefing März 2020 Verhandlungspfad gefunden? senden Staaten im Jahr 2018, 99 im Jahr 2017 und 80 Die USA hatten von Beginn an ihre große Ableh- im Jahr 2016. nung gegenüber dem Prozess zum Ausdruck ge- bracht und 2014 gegen die Resolution 26/9 ge- An der 5. Tagung nahmen die folgenden stimmt. Während einer informellen Konsultation Staaten teil: im Oktober 2017 zweifelten sie das Mandat der Ar- Ägypten, Äthiopien, Afghanistan, Algerien, Angola, beitsgruppe an und versuchten damit, den gesamten Argentinien, Aserbaidschan, Belgien, Bolivien, Prozess zu stoppen. Wie in den vergangenen Jahren Botswana, Brasilien, Burkina Faso, Burundi, Chile, waren die USA auch bei der fünften Tagung nicht China, Costa Rica, Dänemark, Deutschland, Dschibuti, anwesend, meldeten sich aber in einem Schreiben Ecuador, Elfenbeinküste, El Salvador, Finnland, während der Verhandlungswoche zu Wort.5 Darin Frankreich, Gabun, Gambia, Ghana, Griechenland, erneuerten sie ihre Opposition gegenüber dem Pro- Guatemala, Honduras, Indien, Indonesien, Iran, Irak, zess und erklärten, der durch die UNGPs erzielte in- Irland, Italien, Jordanien, Katar, Kenia, Kolumbien, ternationale Konsens über die Notwendigkeit eines Kongo, Kuba, Libanon, Liberia, Liechtenstein, freiwilligen, Multi-Stakeholder-Ansatzes würde Luxemburg, Mauretanien, Mexiko, Montenegro, durch den Treaty-Prozess untergraben. Marokko, Mosambik, Myanmar, Namibia, Nepal, Niederlande, Nicaragua, Niger, Nigeria, Österreich, Pakistan, Panama, Paraguay, Peru, Philippinen, Die EU-Vertretung brachte sich während der Ver- Polen, Portugal, Russland, Sambia, Saudi-Arabien, handlungstage mit einem einzigen weiterhin recht Salomonen, Schweden, Schweiz, Serbien, Sierra allgemein gehaltenen Statement ein. Darin bedank- Leone, Slowakei, Slowenien, Südafrika, Spanien, te sich der EU-Vertreter für den neuen Entwurf und Tansania, Thailand, Togo, Tschechische Republik, das Entgegenkommen bzgl. einiger der EU-Anlie- Türkei, Uganda, Ukraine, Ungarn, Uruguay, gen.6 Er erklärte jedoch auch, dass einige Elemen- Venezuela, Vereinigtes Königreich. te, wie beispielsweise außergerichtliche Abhilfemaß- maßnahmen und Bestimmungen über den Daten- Etwa ein Drittel der Staaten beteiligte sich aktiv an schutz noch nicht ausreichend berücksichtigt seien. den Verhandlungen und brachte konkrete Formulie- Einige Elemente bedürften weiterer Klarstellun- rungs- und Änderungsvorschläge am Entwurfstext gen, beispielsweise die Bestimmungen in Artikel 12 ein. Angola sprach in Vertretung der Afrikanischen über das Verhältnis des Treaty mit anderen Abkom- Gruppe, bestehend aus 54 Mitgliedsstaaten. Auch men des Völkerrechts. Eine tiefergehende Analyse die Europäische Union (EU) sprach im Namen ihrer des Abkommensentwurfs durch die EU stehe noch (damals) 28 Mitgliedsstaaten. 24 der anwesenden aus. Außerdem könne sie sich, in Ermangelung eines Staaten äußerten ihre explizite Unterstützung für Verhandlungsmandats, nicht aktiv in die Verhand- den Prozess, acht zeigten sich eher neutral bis kri- lungen einbringen. tisch.4 Insbesondere afrikanische und lateinamerika- nische Staaten brachten sich aktiv und den Prozess Drei EU-Mitgliedsstaaten, ergriffen daher selbst das befürwortend in die Verhandlungen mit ein, allen Wort. So würdigte Frankreich die Verbesserungen voran Ecuador, Südafrika und Namibia. Im Namen des neuen Entwurfs, und forderte u.a. eine deutli- der Gruppe der Afrikanischen Staaten erklärte An- chere Trennung der Artikel 5 und 6, also der Be- gola deren volle Unterstützung für den Prozess. Ei- stimmungen zu zivilrechtlicher und strafrechtlicher nige Staatenvertreter*innen erklärten, ihre Beträge Haftung und eine stärkere Eingrenzung der men- seien noch nicht vollumfänglich und eine abschlie- schenrechtlichen Sorgfaltspflicht.7 Wie Belgien, so ßende Bewertung des neuen Abkommensentwurfs lobte auch Spanien die Verbesserungen des Ent- durch die jeweilige Regierung stehe noch aus. wurfs. Beide Staaten stellten einige Verständnisfra- gen.8 Während zwar einige Staaten und Staatengruppen, darunter China, Kolumbien, Russland und die EU Bedenken an dem vorliegenden Entwurf äußerten, 5 U.S. Mission to International Organizations in Geneva, The United States Government’s Continued Opposition to the Business and Human sprach sich jedoch keiner der im Raum anwesenden Rights Treaty Process (16. Oktober 2019), online unter https://geneva. Staaten explizit gegen das Abkommen aus. usmission.gov/2019/10/16/the-united-states-governments-continued- opposition-to-the-business-human-rights-treaty-process/. 4 Unterstützend äußerten sich Afghanistan, Ägypten, Algerien, Angola, 6 Eröffnungsstatement der EU, online unter https://www.globalpolicy. Argentinien, Aserbaidschan, Äthiopien, Bolivien, Brasilien, Ecuador, org/images/pdfs/EU_Intervention_5th_IGWG_TNCs-1.pdf. Frankreich, Gambia, Indien, Iran, Kuba, Mexiko, Mozambique, 7 https://www.ohchr.org/Documents/HRBodies/HRCouncil/ Namibia, Nicaragua, (Palästina), Peru, Spanien, Südafrika, Uruguay WGTransCorp/Session5/States/France-art5.docx. und Venezuela. Neutral bis kritisch äußerten sich Belgien, China, (EU), 8 Vgl. https://www.ohchr.org/Documents/HRBodies/HRCouncil/ Honduras, Kolumbien, Russland, Saudi-Arabien und Schweiz. Vgl. auch WGTransCorp/Session5/States/Spain-art5.docx und https://www.ohchr. https://fian-ch.org/content/uploads/Mitteilung-UN-Abkommen-TNCs- org/Documents/HRBodies/HRCouncil/WGTransCorp/Session5/States/ und-Menschenrechte-F%C3%BCnfte-Session-AGr.pdf. Spain-art3-4.docx.
3 Briefing März 2020 Verhandlungspfad gefunden? Mit diesen Stellungnahmen stellte sich die Beteili- verpflichtet nun allein die Staaten dazu, ihre Unter- gung der EU und ihrer Mitgliedsstaaten besser als nehmen zu regulieren. erwartet dar. Schließlich hatte die EU im Frühjahr 2019 noch angekündigt, sich an der 5. Tagung nicht Da sich noch nicht alle anwesenden Staaten zu jedem zu beteiligen und die Entscheidung über das weitere einzelnen Artikel äußerten, lässt sich bezüglich der Vorgehen der EU in diesem Prozess der neu einge- Einigkeit bzw. Uneinigkeit über die einzelnen Re- setzten Kommission, mit Amtsantritt am 1. Dezem- gelungen im Abkommensentwurf kein ganz deutli- ber 2019 zu überlassen. ches Bild zeichnen. Andere Industrienationen darunter Australien, Größtenteils begrüßt wurde der erweiterte Anwen- Japan, Kanada, Norwegen und Südkorea waren dungsbereich des Abkommensentwurfs. Einige zi- während der fünften Tagung nicht anwesend. Auf vilgesellschaftliche Organisationen aus dem Globa- diesen Sachverhalt wiesen die USA in ihrem Schrei- len Süden, hoben dagegen die negativen Auswirkun- ben und auch der EU-Vertreter Guus Houttuin hin gen von insbesondere transnationalen Wirtschaftsak- und warnten, dass durch die fehlende Unterstützung tivitäten hervor und forderten, dass diese weiterhin einer „kritischen Masse“, insbesondere der Indust- im Fokus des Abkommens stehen müssten. Russland, riestaaten in welchen die meisten transnational agie- Südafrika, Ägypten und Kuba verlangten ebenfalls, renden Unternehmen ansässig seien, das zukünftige dass nur transnationale Unternehmen in dem Ab- Abkommen geringe Wirkung entfalten könne. kommen berücksichtigt werden sollten. Das Argument ist jedoch nicht unbedingt tragfähig. Professor David Bilchitz, der als Rechtsexperte zu Würden allein die nun 27 EU-Mitgliedsstaaten das diesem Thema eingeladen war, schlug vor, Artikel 3 Abkommen unterstützen, wäre die Schwelle zu einer zum Anwendungsbereich des Abkommens kom- „kritische Masse“ bereits überschritten. Die Unter- plett zu streichen.11 Für Menschenrechtsverträge sei stützung der EU würde weitere Länder zum Beitritt eine solche Eingrenzung sowieso unüblich. Mithil- ermutigen und das Abkommen könnte dadurch eine fe der operativen Bestimmungen könne jedoch der globale Wirkung entfalten. Fokus auf transnationale Aktivitäten gelegt werden, damit die existierenden Rechtslücken insbesondere Über den Inhalt der Verhandlungen – hinsichtlich dieser Wirtschaftsaktivitäten geschlos- ein sich langsam abzeichnender Konsens sen und die einhergehenden Probleme angegangen werden. Die meisten der anwesenden Staatenvertreter*innen, Rechtsexpert*innen und Vertreter*innen zivilgesell- Einige der anwesenden Staaten, darunter die EU, schaftlicher Organisationen werteten den Revised lobten die weitere Annäherung des Entwurfs an Draft als gute Verhandlungsbasis.9 die UNGPs. Anderen ging diese noch nicht weit genug und sie forderten eine stärkere konzeptionel- Kinda Mohammedieh des Third World Network le Angleichung. (TWN) erklärte, dass der neue Abkommensent- wurf einen eindeutigen Versuch darstelle, den unter- Klärungsbedarf bestand bei einigen bzgl. der Artikel schiedlichen bislang eingebrachten Meinungen und zu Haftung und Gerichtsbarkeit. Viele bei der De- Vorschlägen entgegenzukommen und diese mitein- batte aufgekommenen Fragen zur Regelung gren- ander zu vereinen.10 zübergreifender Haftungsfälle sind bereits durch EU-Recht (insbesondere der Rom II-Verordnung) Der Revised Draft unterscheidet sich gegenüber dem geklärt und das zukünftige Abkommen könnte sich Entwurf von Juli 2018 („Zero Draft“) in drei we- an diesen Regelungen orientieren. In diesem Kon- sentlichen Aspekten: (1) Er erkennt in der Präambel text brachte China beispielsweise ein, dass mit den die UNGPs an; (2) Das Abkommen soll nun nicht vorgeschlagenen Haftungsregeln das gesellschafts- mehr nur für Wirtschaftsaktivitäten transnationa- rechtliche Trennungsprinzip, also die Trennung len Charakters, sondern für alle Wirtschaftstätigkei- zweier selbstständiger juristischer Personen aufgeho- ten gelten. Unterstützungsmaßnahmen sollen klei- ben würde. Die eingeladenen Experten Dr. Carlos nen und mittleren Unternehmen helfen, die Anfor- Lopez und Richard Meeran entgegneten dem, dass derungen umzusetzen; (3) Der Entwurf sieht keine ein Mutterkonzern bzw. Abnahmeunternehmen direkten Unternehmenspflichten mehr vor, sondern nicht einfach für das Verhalten seines Tochterunter- 9 Vgl. auch Treaty Alliance Deutschland (2019). 11 Chair-Rapporteur (2020), Annex III Summary of Statements by Experts, 10 https://www.twn.my/title2/wto.info/2019/ti191020.htm. Para 5.
4 Briefing März 2020 Verhandlungspfad gefunden? nehmens oder Zulieferers haftbar gemacht werden Zivilgesellschaftliche Organisationen machten in würde, sondern die Haftung an die eigene Hand- ihren Stellungnahmen u.a. die Notwendigkeit deut- lungen des Unternehmens bzw. Unterlassungen ge- lich, die menschenrechtliche Verantwortung Inter- knüpft seien. nationaler Finanzinstitutionen (z.B. Internationaler Währungsfonds und Weltbank) wieder in den Ab- Einigkeit zwischen den Expert*innen als auch seitens kommensentwurf aufzunehmen. Sie warnten au- Mexiko, Palästina, Südafrika und Namibia herrsch- ßerdem vor dem zunehmenden Einfluss der Wirt- te über die Einführung eines forum necessitatis, um schaftslobby und forderten eine konsequente Ver- einen verbesserten Zugang zu Recht für Betroffe- meidung von Interessenskonflikten bei der nationa- ne herzustellen.12 Durch eine solche Regelung – die len Umsetzung des Abkommens. bereits in der EU Geltung findet,13 kann ein Gericht eines Landes eine Klage nicht abweisen, sofern es der Unter anderem von Spanien wurde betont, dass es Meinung ist, das Gericht eines anderen Staates sei wichtig sei, die Gender-Dimension in der Debat- geeigneter. te zu berücksichtigen, da Frauen überproportional von den negativen sozialen und ökologischen Aus- Kritik von vielen Seiten kam dafür, dass der Revi- wirkungen von Unternehmenstätigkeiten betroffen sed Draft nicht eindeutig sei hinsichtlich der Reich- sind. Das zivilgesellschaftliche Bündnis Feminists- weite der zu etablierenden Sorgfaltsverfahren (Arti- 4BindingTreaty forderte gender-spezifische Sorg- kel 5). Der Revised Draft bezieht sich auf die eige- faltspflichten (gender impact assessments), um dem zu nen Geschäftstätigkeiten und vertraglichen Bezie- begegnen.15 hungen („contractual relationships“). Dabei ist un- klar, ob damit nur die eigenen Vertragspartner und Im Zusammenhang mit einem verbesserten Zugang damit lediglich das erste Glied der Wertschöpfungs- zu Recht für Betroffene von Menschenrechtsverlet- kette beinhaltet sind, oder die zu etablierende Sorg- zungen gab es insbesondere zur Definition von „Op- falt auch für die Tätigkeiten von beispielsweise Sub- fern“ und dem Vorschlag einer Beweislastumkehr unternehmen gilt. Die meisten Expert*innen und unterschiedliche Auffassungen. Vertreter*innen von Staaten und zivilgesellschaftli- chen Organisationen forderten, wieder die Formu- Auch das Verhältnis des Abkommens zu anderen lierung des Zero Draft und auch der UNGPs zu ver- völkerrechtlichen Verträgen wurde kontrovers dis- wenden. Die darin formulierte Reichweite zielt auf kutiert. So ist der Abkommensentwurf nicht ein- Geschäftsbeziehungen („commercial relationships“) deutig darin, ob bestehende und zukünftige völker ab und die Sorgfaltspflicht gilt damit prinzipiell für rechtliche Verträge wie z. B. Handelsabkommen dem die gesamte Wertschöpfungskette. UN-Abkommen rechtlich widersprechen dürfen. Es wurde auf die Gefahr des Abhakens einer Check- Die teilnehmenden Wirtschaftsverbände und -Ver- liste hingewiesen, d.h. dass Unternehmen im Rah- treter*innen lehnen den Abkommensentwurf in vie- men der Sorgfaltspflicht nur die gesetzlichen Anfor- len Punkten entschieden ab.16 Er sei nicht kompa- derungen durchführen, jedoch nicht in vollem Um- tibel mit den UNGPs und stelle keine Verbesse- fang versuchen, einen Schaden zu vermeiden. Damit rung gegenüber dem Zero Draft dar. Die Umset- in einem solchen Fall einer Haftung nicht entgangen zung der UNGPs sei weiterhin der richtige An- werden kann, wurde von verschiedenen Seiten vor- satz. Das Haupthindernis für die Verwirklichung der geschlagen, zwei Formen der Haftung einzuführen: UNGPs seien schwache Staatlichkeit, insbesondere (1) (verwaltungsrechtliche) Haftung für die nicht- Korruption, schwache Justizsysteme und mangeln- oder fehlerhafte Durchführung der Sorgfaltspflicht; de Rechtsdurchsetzung, so eine gemeinsame Stel- und (2) (zivilrechtliche und strafrechtliche) Haftung lungnahme des Internationalen Arbeitgeberverbands für das Verursachen von Schaden. (IOE), Business at OECD und BusinessEurope.17 Einige Staaten, wie Afghanistan, Mexico, Nami- Die US-Kanzlei Littler Mendelson, die größtenteils bia, Ecuador, Ägypten und auch Spanien forderten Arbeitgeber bei Arbeitsrechtsstreitigkeiten vertritt, eine stärkere Berücksichtigung von umweltbezoge- nen Sorgfaltspflichten.14 15 https://www.ohchr.org/Documents/HRBodies/HRCouncil/WGTrans Corp/Session5/NGOs/WILPF_WomensInternationalLeagueforPeaceFree- 12 Ebd. Para. 13–16. dom_General.docx. 13 Vgl. https://ics.utc.fr/ENM/M1_modifs_sara/EN/co/m2_2_2.html. 16 https://iccwbo.org/content/uploads/sites/3/2019/10/icc-issues-brief- 14 Vgl. mündliche Stellungnahmen während der 5. Tagung unter https:// on-un-treaty-process-finalb.pdf. www.ohchr.org/EN/HRBodies/HRC/WGTransCorp/Session5/Pages/ 17 https://www.ioe-emp.org/index.php?eID=dumpFile&t=f&f=145680& Session5.aspx. token=9dbcc1f8414128d575 cd6bef9f36b84ec106a386.
5 Briefing März 2020 Verhandlungspfad gefunden? erklärt, nur auf den ersten Blick erscheine der Revi- Nachdem erste Ergebnisse der Überprüfung des sed Draft im Vergleich zum Zero Draft als den Be- NAP (sog. NAP-Monitoring) sehr ernüchternd denken der Wirtschaft entgegenkommend.18 Entge- waren, kündigten die Bundesminister Hubertus Heil gen der Auffassung vieler der teilnehmenden Staa- und Gerd Müller im Dezember 2019 Eckpunkte für tenvertreter*innen, der meisten Rechtsexpert*innen einen Gesetzentwurf an und bestätigten das Vorha- und Vertreter*innen der Zivilgesellschaft sei der Be- ben, verbindliche Regelungen auch auf europäischer griff „contractual relationships“ in einer Weise defi- Ebene während ihrer EU-Ratspräsidentschaft mit niert, die transnationalen Konzernen eine zu weite Beginn im Juli 2020 voranzutreiben.21 und unüberschaubare Haftung auferlegen würde - eine Haftung für jegliche Geschäftsbeziehung mit Neben der zivilgesellschaftlichen Initiative Liefer- Unternehmen, mit denen es nicht zwingenderwei- kettengesetz, einem Bündnis von mehr als 64 Nicht- se eine Vertragsbeziehung habe. Indem der Revi- regierungsorganisationen und Gewerkschaften 22 sind sed Draft Haftung vorsehe, für das Scheitern darin, mittlerweile auch mehr und mehr Unternehmen da- einen Menschenrechtsverstoß zu vermeiden, wand- runter Tchibo,23 Vaude, Daimler, BMW, KiK und le er die Sorgfaltspflicht von einem prozessbasier- Lidl verbindlichen Regelungen gegenüber nicht ten in einen ergebnisbasierten Standard um. Das sei mehr abgeneigt. Die Unternehmen bevorzugen zu- für einige Unternehmen nicht machbar. Die Kanz- gleich aber europäische und internationale Lösun- lei warnt insbesondere vor einer Durchgriffshaftung, gen, um Wettbewerbsnachteile für deutsche Unter- die das Trennungsprinzip auf heben und damit die nehmen zu vermeiden.24 Shareholder und Geschäftsführer haftbar für Ver- stöße des Unternehmens machen würde. Außer- Auch das Deutsche Menschenrechtsinstitut (DIMR) dem sehe der Revsied Draft eine zu weitreichende hält ein internationales Abkommen für notwendig. extraterritoriale gerichtliche Zuständigkeit vor, die In seiner Stellungnahme zum neuen Abkommen- Rechtsunsicherheit und Missbrauchsmöglichkeiten sentwurf lobt es die deutlichen Verbesserungen. Aus ( forum-shopping) verursache. Sicht des DIMR gebe es „keine überzeugenden Ar- gumente, die dagegen sprechen, sich an den weite- Der Internationale Handelsrat der USA (USCB) be- ren Verhandlungen und dem Fine-Tuning des Tex- tonte, dass auch staatseigene Unternehmen durch das tes zu beteiligen.“25 Abkommen abgedeckt sein sollten. Sie wiesen darauf hin, dass nach dem gegenwärtigen Entwurf auch die Vor diesem Hintergrund ist es umso erstaunlicher, meisten staatlichen grenzüberschreitenden Investiti- dass die Bundesregierung sich immer noch nicht onen u.a. Rohstoff käufe in den Anwendungsbereich aktiv an den Verhandlungen im UN-Menschen- fallen würden.19 rechtsrat beteiligt und bislang keine inhaltliche Po- sition zum Revised Draft bezogen hat. Sie war wie Die Position der Bundesregierung in den vergangen Jahren während der Verhandlun- gen zwar anwesend, meldete sich aber nicht zu Wort. Im Koalitionsvertrag hat sich die Bundesregierung Die Bundesregierung begründet ihre mangelnde Be- verpflichtet, auf nationaler Ebene gesetzlich tätig zu teiligung damit, dass sie verbindliche Regeln auf in- werden und eine EU-Regulierung einzufordern, ternationaler Ebene nicht unterstützen kann, solange sollten deutsche Unternehmen ihre menschenrecht- lichen Sorgfaltspflichten auf freiwilliger Basis wie in 21 Vgl. Statement von Hubertus Heil vom 11.12.2019: https://www. dem Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Men- bmas.de/DE/Presse/Meldungen/2019/wir-brauchen-mehr-fairness-in- schenrechte (NAP) beschrieben nicht umsetzen. Auf globalen-lieferketten.html. den Bundesparteitagen von CDU und SPD Ende 22 Vgl. https://lieferkettengesetz.de/. 2019 wurden gesetzliche Regelungen gefordert - 23 Stellungnahme von Tchibo vom 27. Januar 2020, unter: https://www.tchibo.com/servlet/cb/1315760/data/-/ von der SPD auch auf internationaler Ebene.20 EsistZeitfrverbindlicheundwirksameRegelnfralle.pdf. 24 Siehe z.B. das gemeinsame Statement von 50 Unternehmen in Deutschland vom 9. Dezember 2019, unter : https://www. 18 https://www.littler.com/publication-press/publication/united-nations- business-humanrights.org/sites/default/files/BusinessStatement_ takes-another-step-developing-treaty-business-and-human. Update_09012020.pdf und einein Überblick über verbindliche Regeln 19 https://www.ohchr.org/Documents/HRBodies/HRCouncil/ befürwortende Stellungnahmen: https://www.business-humanrights. WGTransCorp/Session5/NGOs/USCIB-%20Art3-4.docx. org/en/list-of-large-businesses-associations-investors-with-public- 20 Siehe den CDU-Parteitagsbeschluss C 29: https://www.cdu.de/ statements-endorsements-in-support-of-human-rights-due-diligence- system/tdf/media/images/leipzig2019/32._parteitag_2019_sonstige_ regulation. beschluesse_2.pdf?file=1 und den SPD-Parteitagsbeschluss: https:// 25 Vgl. DIMR (2019): Auf dem Weg zur kritischen Masse – sorgt die EU globalezukunftsfragen.spd.de/fileadmin/globalezukunftsfragen/ jetzt für die nötige Zugkraft?, online unter: https://www.institut- Positionspapiere/Beschluss_BPT_Gesetz_zur_menschenrechtlichen_ fuer-menschenrechte.de/fileadmin/user_upload/Publikationen/ Sorgfaltspflicht_deutscher_Unternehmen_bei_globalen_Lieferketten. Stellungnahmen/Stellungnahme_Auf_dem_Weg_zur_kritischen_ pdf. Masse.pdf.
6 Briefing März 2020 Verhandlungspfad gefunden? sie auf nationaler Ebene keine Entscheidung über die chen Ägypten, Aserbaidschan, Kuba und auch die Notwendigkeit gesetzlicher Maßnahmen getroffen EU dieser Forderung vehement und hoben die hilf- hat. reiche Expertise und Beteiligung zivilgesellschaftli- cher Organisationen hervor. Nationale, europäische und internationale Maßnah- men sind jedoch komplementär zueinander. Der Tre- Schließlich einigten sich die anwesenden Staaten da- aty-Prozess im UN-Menschenrechtsrat, mit rund 90 rauf, dass die sechste Tagung der UN-Arbeitsgruppe beteiligten Staaten, bietet die Möglichkeit, die Pro- sowohl staatlich geführte direkte substanzielle zwi- blematik ganzheitlich zu betrachten und eine global schenstaatliche Verhandlungen als auch die Präsenta- wirksame Regelung zu formulieren, die für deutsche tion von Meinungen weiterer Akteure ermöglichen Unternehmen keine Wettbewerbsnachteile durch et- solle. waige national höhere Standards verursacht. Gerade auch Staatenvertreter*innen und Betroffene aus dem Die Bewertungen spalten sich Globalen Süden, die besonders unter den negativen Auswirkungen der globalen Wirtschaft leiden, kön- Der Verlauf der fünften Tagung der UN-Arbeits- nen dort ihre Erfahrungen und Anliegen einbringen. gruppe wird von den verschiedenen Beobachter*in- nen unterschiedlich bewertet: Der weitere Verlauf – Forderung nach mehr Die Rechtsexpertin Kinda Mohamadieh vom Third Anders als in den vergangenen Jahren wurde die World Network bewertet die Tagung als erfolgreich Fortführung der Verhandlungen während der fünf- darin, die Diskussionen weiter voranzubringen und ten Tagung von keinem der anwesenden Staaten in zur Klärung verschiedener Elemente des Vertrags- Frage gestellt. entwurfs beizutragen.27 Von einigen Staatenvertreter*innen, darunter Bra- Das internationale Bündnis katholischer Entwick- silien, Ägypten und Namibia wurde vielmehr der lungsorganisationen CIDSE lobt die während der Wunsch geäußert, dass sich die weiteren Verhand- fünften Verhandlungsrunde erzielten Fortschrit- lungen hinsichtlich ihrer Intensität und Geschwin- te, erklärt aber, dass das Tempo der Verhandlun- digkeit erhöhen sollten. Daher wurde zum Ende gen noch zu niedrig sei, angesichts des dringen- der fünften Verhandlungsrunde beschlossen, bis zur den Handlungsbedarfs.28 Die Global Campaign to nächsten Tagung vom 26. bis 30. Oktober 2020 wei- Reclaim Peoples Sovereignty, Dismantle Corporate tere regionale und nationale Konsultationen abzuhal- Power and Stop Impunity bedauert, dass der Aus- ten.26 Im Juni 2020 wird der ecuadorianische Vorsit- tausch zwischen dem ecuadorianischen Vorsitz der zende einen zweiten überarbeiteten Abkommensent- Arbeitsgruppe und zivilgesellschaftlichen Organi- wurf vorlegen, ebenso wie einen Überblick über die sationen weniger intensiv stattfand als in den ver- wichtigsten Themen und die Struktur des zweiten gangen Jahren.29 Außerdem seien einige wichti- überarbeiteten Entwurfs, um weitere direkte zwi- ge der zuvor eingebrachten Vorschläge von zivilge- schenstaatliche Verhandlungen zu unterstützen. sellschaftlichen Organisationen und Staaten nicht in dem Revised Draft aufgenommen worden. Außerdem wurde beschlossen, dass der Vorsitzende der Arbeitsgruppe eine Expert*innengruppe aus ver- Die US-Kanzlei Littler Mendelson erklärt, dass die schiedenen Regionen, Rechtssystemen und Erfah- generell unterstützenden Kommentare einiger Staa- rungsgebieten dazu einladen soll, ihre Expertise für ten während der Tagung auf einen sich langsam fin- die Formulierung des zweiten überarbeiteten Ent- denden Konsens unter den Staaten hindeuteten. Ins- wurfs einzubringen. gesamt ermahnt die Wirtschaftskanzlei die Unter- nehmen zu Wachsamkeit, da höchstwahrscheinlich Ein Streitpunkt über den weiteren Verlauf betraf – ob das internationale Abkommen zustande komme die weitere Beteiligung zivilgesellschaftlicher Orga- oder nicht – in der ein oder anderen Weise ähnliche nisationen und anderer Akteure am Prozess. Wäh- Anforderungen auf nationaler Ebene auf sie zukom- rend Brasilien, Russland und China forderten, dass men würden. die weiteren Verhandlungen ausschließlich von Staa- ten, das heißt unter Ausschluss der Zivilgesellschaft 27 https://www.twn.my/title2/wto.info/2019/ti191020.htm. und anderer Akteuren abzuhalten seien, widerspra- 28 https://www.cidse.org/2019/10/18/are-the-eu-going-to-miss-the-boat- on-the-un-binding-treaty/. 29 https://www.stopcorporateimpunity.org/final-declaration-of-the- 26 Vgl. Chair-Rapporteur (2020), VII Recommendations of the Chair- global-campaign-to-claim-peoples-sovereignty-dismantle-corporate- Rapporteur and conclusions of the working group. power-and-end-impunity-in-relation-to-the-v-session-of-the-oeigwg/.
7 Briefing März 2020 Verhandlungspfad gefunden? Jérôme Bellion-Jourdan, ehemaliger EU-Vertreter, Die Anzahl der Staaten, in welchen es Bestrebun- hatte hingegen mehr Verhandlungen während der gen für eine gesetzlich vorgeschriebene menschen- Tagung erwartet. Trotz der wesentlichen Änderun- rechtliche Sorgfaltspflicht gibt, ist in den letzten zwei gen im Revised Draft konnte er keine verstärkte Dy- Jahren deutlich gestiegen.33 Frankreich mit seinem namik der Verhandlungen beobachten. Es fehle die Sorgfaltspflichtengesetz und die Niederlande mit Zugkraft und der politische Wille einiger Staaten. So ihrem Gesetz zur Sorgfaltspflicht hinsichtlich Kin- seien die USA nicht dabei, Russland und China blie- derarbeit haben eine solche Regulierung bereits ein- ben skeptisch. Der nächste Schritt sei nun, Möglich- geführt. In der Schweiz, in Österreich und in Däne- keiten der Konsensbildung zu identifizieren, zwi- mark sind Gesetzgebungsprozesse im Gange. Wie in schen den Staaten in und außerhalb des Raumes.30 Deutschland, so werden auch in Italien, Finnland, Luxemburg, Norwegen, Schweden, Großbritanni- Sharan Burrow, Generalsekretärin des Internatio- en, Spanien und Belgien intensive Debatten dazu nalen Gewerkschaftsbund (ITUC) beobachtet eine geführt. Mehr als 330 Mitglieder nationaler Parla- größer werdende Unterstützung für das Abkommen, mente und Kommunen haben ihre Unterstützung insbesondere von Seiten der EU: „all involved ac- für ein verbindliches Abkommen in einer gemeinsa- tors are now aware we are on a trajectory towards men Stellungnahme ausgedrückt.34 binding legislation.“31 Wie andere, so fordert sie eine Beschleunigung des Prozesses: Auf Ebene der Europäischen Union gibt es eben- falls Initiativen seitens verschiedener Ausschüsse des „Most importantly, governments must firmly ex- Europäischen Parlaments und der EU-Kommissi- press their political commitment, to make a legal- on zur Einführung einer verbindlichen menschen- ly-binding treaty a reality—part of the foundation rechtlichen Sorgfaltspflicht. So hat Didier Reynders, for a new global social contract, with the rule of law der zuständige Justizkommissar, eine solche Richtli- at its centre.”32 nie angekündigt 35 und eine Studie zu den Möglich- keiten einer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht in Fazit Lieferketten veröffentlicht.36 Laut der Studie prüft nur jedes dritte Unternehmen in der EU seine globa- Insgesamt verlief die fünfte Tagung weniger kon- len Lieferketten hinsichtlich der Auswirkungen auf frontativ, nicht zuletzt aufgrund des zurückhalten- Menschenrechte und Umwelt. Hingegen glauben 70 den ecuadorianischen Vorsitzenden und der etwas Prozent der befragten Unternehmensvertreter*in- entgegenkommenderen Haltung der EU. Da der nen, dass eine gesetzliche Regelung auf EU-Ebene Prozess, mit Ausnahme der Wirtschaftsvertreter*in- für Rechtssicherheit sorgen würde. nen, von den Anwesenden nicht mehr grundsätzlich in Frage gestellt wurde, konnte die Möglichkeit ge- Die Tagungen der UN-Arbeitsgruppe sind zu einem nutzt werden, intensiv über den Inhalt zu diskutie- wichtigen Forum geworden, um essentielle Fra- ren. Einige Staatenvertreter*innen, insbesondere von gen bezüglich verbindlicher Regelungen im Bereich Ägypten, Aserbaidschan, Bolivien, Brasilien, Ecua- Wirtschaft und Menschenrechte zu klären. Die vo- dor, Indien, Indonesien, Iran, Kuba, Mexiko, Nami- ranschreitenden Debatten zu verbindlichen Regeln bia, Südafrika und Venezuela beteiligten sich mit de- in vielen Ländern und auf Ebene der EU, sowie der taillierten Stellungnahmen. Die Qualität der Beiträ- vorgebrachte Wunsch einiger an der UN-Arbeits- ge der verschiedenen Beteiligten zeigt, dass sich die gruppe beteiligter Staaten, das Tempo der Verhand- Auseinandersetzung mit verbindlichen Regeln bei lungen anzuziehen, lässt annehmen, dass der Pro- vielen intensiviert hat. Da jedoch nicht alle anwesen- zess hin zu international verbindlichen Standards an den Staaten vollumfängliche Stellungnahmen zu den Fahrt aufnehmen wird. einzelnen Artikeln einbrachten, ist eine Beurteilung über entstandenen Konsens und noch offene Streit- Die Bundesregierung und die EU sollten sich nicht punkte schwer zu treffen. Eine Annäherung deutet länger aus den Verhandlungen heraushalten, sondern sich hinsichtlich des erweiterten Anwendungsbe- reichs auf alle Unternehmen und eine stärkere kon- 33 Vgl. https://corporatejustice.org/news/16783-eccj-publishes- zeptionelle Orientierung an den UNGPs an. comparative-legal-analysis-of-hrdd-and-corporate-liability- laws-in-europe und https://www.business-humanrights.org/en/ national-movements-for-mandatory-human-rights-due-diligence-in- european-countries. 30 https://theglobal.blog/2019/10/25/business-and-human-rights- 34 https://bindingtreaty.org/signatories/. towards-a-legally-binding-instrument/. 35 https://www.europarl.europa.eu/ep-live/en/committees/ 31 https://www.socialeurope.eu/un-treaty-on-business-and-human-rights- video?event=20191002-0900-SPECIAL-HEARING-2Q2. vital-for-economic-and-social-justice. 36 https://op.europa.eu/en/publication-detail/-/publication/8ba0a8fd- 32 Ebd. 4c83-11ea-b8b7-01aa75ed71a1/language-en.
8 Briefing März 2020 Verhandlungspfad gefunden? bis zur nächsten Tagung der UN-Arbeitsgruppe vom anderer Länder, beispielsweise Chinas, an Standards 26. bis 30. Oktober 2020 verhandlungsfähig sein, da halten müssten.38 sie sonst die Chance verpassen, ihre Anliegen in die Formulierung des Abkommens einzubringen. Bis Ende Februar 2020 hatten die Staaten und andere Akteure Gelegenheit, ihre Kommentierungen und Bereits in einem Dutzend Resolutionen hat das Eu- konkreten Formulierungsvorschläge zum Revised ropäische Parlament die EU dazu aufgerufen, sich an Draft einzureichen. Damit die EU sich aktiv an dem den Verhandlungen um einen Treaty zu beteiligen. weiteren Prozess beteiligen kann, müssen die EU Im Dezember 2019 hat auch der Europäische Wirt- und ihre Mitgliedstaaten baldmöglichst die Kompe- schafts- und Sozialausschuss ein Verhandlungsman- tenzverteilung zwischen Europäischer Kommission dat für die EU gefordert.37 und Nationalstaaten klären und die Mitgliedsstaaten der EU schnellstens ein Verhandlungsmandat für die Guus Houttuin, EU-Vertreter während der fünften Vertragsabschnitte erteilen, für die die Kommission Tagung, sieht keinen erkennbaren Grund, weshalb zuständig ist. Länder wie Frankreich und die Nieder- Europa gegen ein internationales Abkommen sein lande drängen bereits auf ein solches Mandat.39 Die sollte. Das Abkommen könne für europäische Un- Position der Bundesregierung wird hierbei entschei- ternehmen im internationalen Wettbewerb eher von dend sein. Vorteil sein, da sich dann auch die U nternehmen 38 https://www.dw.com/en/is-the-eu-preventing-a-global-treaty-on- 37 https://webapi2016.eesc.europa.eu/v1/documents/EESC-2019-01278- environmental-responsibility/a-51330389. 00-01-AC-TRA-DE.docx/content. 39 Ebd. Weitere Informationen Chairmanship of the OEIGWG (2019): Revised Draft legally binding instrument to regulate, in international human rights law, the activities of transnational corporations and other business enterprises https://www.ohchr.org/Documents/HRBodies/HRCouncil/WGTransCorp/OEIGWG_RevisedDraft_LBI.pdf Chair-Rapporteur (2020): Report on the fifth session of the open-ended intergovernmental working group on transnational corporations and other business enterprises with respect to human rights. https://undocs.org/A/HRC/43/55 Martens, Jens/Seitz, Karolin (2016): Auf dem Weg zu globalen Unternehmensregeln. Der „Treaty-Prozess“ bei den Vereinten Nationen über ein internationales Menschenrechtsabkommen zu Transnationalen Konzernen und anderen Unternehmen. Berlin/Bonn/New York: Global Policy Forum/ Rosa Luxemburg Stiftung—New York Office. https://www.globalpolicy.org/images/pdfs/UN_Treaty_online.pdf Seitz, Karolin (2018): Ein weiterer Schritt auf dem Weg zu globalen Unternehmensregeln. Bericht über die dritte Tagung der UN-Arbeitsgruppe für ein verbindliches Abkommen zu Wirtschaft und Menschenrechten („Treaty“) https://www.globalpolicy.org/images/pdfs/GPF-Briefing_Ein_weiterer_Schritt_Bericht_der_3.Tagung_zum_Treaty.pdf Seitz, Karolin (2016): Morality cannot be legislated, but behaviour can be regulated. Bericht über die zweite Tagung der UN-Arbeitsgruppe zur Erstellung eines verbindlichen Rechtsinstruments zu Wirtschaft und Menschenrechten, 24.-28. Oktober 2016, Genf. Aachen/Berlin/Bonn: Brot für die Welt/Global Policy Forum/MISEREOR. https://www.globalpolicy.org/images/pdfs/GPF-Briefing_1216_Zweite_Tagung_Treaty.pdf Treaty Alliance Deutschland (2019): Stellungnahme der Treaty Alliance Deutschland zum überarbeiteten Entwurf für ein verbindliches UN-Ab- kommen zu Wirtschaft und Menschenrechten(»Revised Draft«). https://www.globalpolicy.org/images/pdfs/Treaty_Alliance_D_Stellungnahme_Revised_Draft.pdf Berichte zu den einzelnen Verhandlungstagen der 5. Tagung: Auf Deutsch: https://www.globalpolicy.org/corporate-influence/52646-further-reading-corporate-influence.html Auf Englisch: https://corporatejustice.org/news UNTV Webcast der OEIGWG: http://webtv.un.org/meetings-events/ Impressum Verhandlungspfad gefunden? Bericht über die fünfte Tagung der UN-Arbeitsgruppe für ein verbindliches Abkommen zu Wirtschaft und Menschenrechten („Treaty“) Herausgeber: Herausgeber: Herausgeber: Global Policy Forum Europe e.V. Rosa Luxemburg Stiftung Autorin: Karolin Seitz Königstraße 37a, 53115 Bonn Franz-Mehring-Platz 1, 10243 Berlin Redaktion: Till Bender, Luca Scheunpflug europe@globalpolicy.org, www.globalpolicy.org info@rosalux.org, www.rosalux.de Gestaltung und Druck: www.kalinski.media Kontakt: Karolin Seitz Kontakt: Till Bender Berlin / Bonn, März 2020 Das Briefing ist Teil eines Kooperationsprojekts zwischen dem Global Policy Forum Europe und der Rosa-Luxemburg-Stiftung, gefördert mit Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Für den Inhalt ist die Autorin selbstverständlich allein verantwortlich.
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