VERKEHRSSICHERHEITSREPORT 2015 - Zukunft aus Erfahrung Strategien zur Unfallvermeidung auf den Straßen Europas - DEKRA Road Safety

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VERKEHRSSICHERHEITSREPORT 2015 - Zukunft aus Erfahrung Strategien zur Unfallvermeidung auf den Straßen Europas - DEKRA Road Safety
DEKRA Automobil GmbH

VERKEHRSSICHERHEITSREPORT 2015
Zukunft aus Erfahrung

Strategien zur Unfallvermeidung
auf den Straßen Europas

Unfallgeschehen:       Mensch: Geringeres   Fahrzeugtechnik:
Zahl der Verkehrs­     Unfallrisiko durch   Noch viele offene
toten EU-weit seit     Alkohol-Interlocks   Fragen vor der mögli­
1991 um 65 Pro­        und optimierte       chen Realisierung des
zent gesunken          Fahrausbildung       autonomen Fahrens
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Sicherheit ist cool!

                                                     Den nächstgelegenen DEKRA Standort finden
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www.dekra.de   Automotive   Industrial   Personnel
VERKEHRSSICHERHEITSREPORT 2015 - Zukunft aus Erfahrung Strategien zur Unfallvermeidung auf den Straßen Europas - DEKRA Road Safety
Editorial

Der Verkehrssicherheit nachhaltig verpflichtet
M
D
     it dem inzwischen achten Europäischen­
        Verkehrssicherheitsreport in Folge setzt
­ EKRA eine Erfolgsgeschichte fort. Die internatio-
                                                         strengungen aller Beteiligten
                                                         erforderlich. Denn erklärtes
                                                         Ziel ist es, dass 2020 in der EU
nale Resonanz, die diese Publikation erfährt, ebenso     weniger als 16.000 Menschen
wie die Tatsache, dass der Report häufig auch seitens    bei Verkehrsunfällen ums Le-
der Politik sowie von Verbänden und Organisatio-         ben kommen. Das ist mit ei-
nen zitiert wird, unterstreichen dessen über die Jahre   nem prozentualen Rückgang
erlangte Reputation. Er ergänzt nachhaltig das von       wie von 2012 auf 2013 gerade
DEKRA vor inzwischen 90 Jahren begonnene Enga-           so zu schaffen – und wird an-
gement für die Verkehrssicherheit.                       gesichts der bisher schon er-
                                                         zielten Rückgänge auch im-
   Das Ziel, die Sicherheit auf den Straßen zu ver-      mer schwieriger.
bessern, haben unsere Gründer­väter im Jahr 1925
in unserer Satzung festgehalten. Diesem Ziel sind           Im vorliegenden Report
wir verpflichtet – nicht nur in Deutschland und Eu-      zeigen wir auf, wo unserer
ropa, sondern in mehr als 50 Ländern weltweit, in        Ansicht nach die größten Po- Dipl.-Ing. (FH) Clemens Klinke, Mitglied des V­ orstands
denen DEKRA aktiv ist. So legen wir zum Beispiel         tenziale liegen, um dieses Ziel DEKRA SE und Vorsitzender der G­ eschäftsführung
mit der periodischen Fahrzeugüberwachung eben-           zu erreichen oder ihm zumin- DEKRA Automobil GmbH
so wie mit den zahlreich durchgeführten Crashtests       dest so nahe wie möglich zu
ganz wichtige Grundsteine für die Verbesserung der       kommen. Dies betrifft neben
Verkehrssicherheit. Darüber hinaus werden unse-          Handlungsfeldern wie präventiven Maßnahmen –
re Unfallanalytiker regelmäßig hinzugezogen, wenn        darunter etwa Alkohol-Wegfahrsperren – und Ver-
es darum geht, die Ursachen von Verkehrsunfällen         kehrserziehung, Rettungswesen, Infrastruktur und
zu ermitteln. Zugleich sind unsere Sachverständi-        Straßenbau sowie Verkehrsüberwachung und Ge-
gen auch in zahlreichen nationalen wie internatio-       setzgebung insbesondere auch die Fahrzeugtechnik.
nalen Gremien als kompetente Gesprächspartner            Speziell in diesem Bereich erleben wir seit Jahren
geschätzt.                                               eine Entwicklung, die in gar nicht so ferner Zu-
                                                         kunft die Vision vom autonomen Fahren zur Reali-
   Dass es im Hinblick auf die weitere Verringerung      tät werden lassen könnte. Erst unlängst hat Bundes-
der Zahl an Getöteten und Verletzten auf den Stra-       verkehrsminister Alexander Dobrindt verkündet, zu
ßen noch viel zu tun gibt, zeigen die jährlichen Ver-    diesem Zweck auf der Autobahn A 9 eine digitali-
kehrsunfallzahlen. Zwar hat sich der posi­tive Trend     sierte Teststrecke einzurichten. Dass auf dem Weg
in der EU auch 2013 fortgesetzt. Gegenüber 2012          zum autonomen Fahren noch viele Fragen offen sind
ging die Zahl der Verkehrstoten um rund 7,3 Prozent      und zahlreiche rechtliche Hürden genommen wer-
von 28.136 auf 26.073 zurück. Diese Zahl ist aber        den müssen, kommt im vorliegenden Report eben-
nach wie vor viel zu hoch. Um bis zum Jahr 2020 die      falls zur Sprache. Gleichzeitig blicken wir in die
von der EU angestrebte nochmalige Halbierung der         Vergangenheit zurück und zeigen auf, welche Maß-
Zahl der jährlichen Verkehrstoten gegenüber dem          nahmen beziehungsweise Entwicklungen für den bis
Jahr 2010 zu erreichen, sind also weiterhin große An-    heute erreichten Stand von großer Bedeutung waren.

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Inhalt

                                     Editorial           3   Der Verkehrssicherheit nachhaltig verpflichtet
                                                             Dipl.-Ing. (FH) Clemens Klinke, Mitglied des V
                                                                                                          ­ orstands DEKRA SE und Vorsitzender
                                                             der G
                                                                 ­ eschäftsführung DEKRA Automobil GmbH

                                   Grußwort              5   Verkehrssicherheit im Zeichen von Mobilitätswandel und digitaler Vernetzung
                                                             Alexander Dobrindt (MdB), Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur

                           90 Jahre DEKRA                6   Auf dem Weg in eine sichere Welt
                                                             DEKRA hat 2015 allen Grund zum Feiern: Seit 90 Jahren sorgen unsere Experten für
                                                             Sicherheit. Dieser Verkehrssicherheitsreport zeigt, dass dabei bis heute Kraftfahrzeuge
                                                             und die Straßenverkehrssicherheit eine zentrale Rolle spielen.

                                   Einleitung            8   Weniger Unfalltote und Verletzte dank konsequenter Sicherheitsmaßnahmen
                                                             Verkehrssicherheitsarbeit, das zeigen die Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte
                                                             immer wieder aufs Neue, kann keine Eintagsfliege sein, sondern ist nur als permanenter
                                                             Prozess erfolgreich. Dass insbesondere in Europa die Zahl der bei Verkehrsunfällen
                                                             Getöteten und Verletzten seit Jahrzehnten sinkt, ist vor allem dem Zusammenspiel
                                                             technischer, organisatorischer und infrastruktureller Maßnahmen zur präventiven
                                                             Unfall­vermeidung und Unfallfolgenminderung zu verdanken.

                           Unfall­geschehen             18   Auf gutem Weg – aber längst nicht am Ziel
                                                             Grundsätzlich könnte der Trend positiver kaum sein: Fast überall in Europa ist
                                                             die Zahl der Verkehrstoten in den vergangenen Jahrzehnten gesunken. Und das,
                                                             obwohl der Fahrzeugbestand und das Straßenverkehrsaufkommen stark zugenom-
                                                             men haben. Allerdings werden noch lange nicht alle Unfallvermeidungspotenziale
                                                             ausreichend genutzt.

                            Unfallbeispiele/            28   Fahrzeuggenerationen im Vergleich
                                  Crashtests                 Sechs ausgewählte Fälle

                             Faktor Mensch              34   Mehr Verantwortungsbewusstsein am Steuer!
                                                             Das Fehlverhalten von Fahrzeugführern ist nach wie vor die häufigste Unfallursache.
                                                             Neben nicht angepasster Geschwindigkeit, riskanten Überholvorgängen oder Vor-
                                                             fahrtmissachtung passieren viele Unfälle auch durch Fahren unter Alkoholeinfluss.
                                                             Für Letzteres könnte der Einsatz sogenannter Alkohol-Interlocks Abhilfe schaffen.
                                                             Auch öffentlichkeitswirksame Kampagnen und nicht zuletzt die konsequente Weiter­
                                                             entwicklung des Fahrerlaubniswesens sind wichtige Beiträge zu mehr Sicherheit.

                           Fahrzeugtechnik              48   Autofahren ohne Fahrer?
                                                             Während in den klassischen Sicherheitsbereichen die Potenziale weitgehend aus-
                                                             geschöpft zu sein scheinen, bieten moderne Fahrerassistenzsysteme noch vielfältige
                                                             Möglichkeiten, um Unfälle zu vermeiden oder ihre Folgen abzumildern.

                                Infrastruktur           62   Schnelle Hilfe und verständliche Regeln
                                                             Neben fahrzeugspezifischen Systemen spielt zur Erhöhung der Verkehrssicherheit
                                                             auch die Infrastruktur eine ganz entscheidende Rolle. Mit dem Ausbau und Unterhalt
                                                             von Straßen beziehungsweise der Sicherung mit entsprechenden Schutzeinrichtungen
                                                             ist es dabei nicht getan. Optimierungspotenzial bieten auch das Rettungswesen
                                                             und die möglichst EU-weite Vereinheitlichung der Verkehrsregeln.

                                          Fazit         68   Zukunft verkehrssicher gestalten
                                                             Verkehrssicherheitsarbeit, das haben die verschiedenen Kapitel in diesem Report
                                                             nachhaltig gezeigt, ist keine Eintagsfliege, sondern ein ständiger Prozess. Unseren
                                                             heutigen Status quo insbesondere rund um die Fahrzeugsicherheit verdanken wir
                                                             letztendlich der über die Jahrzehnte konsequent vorangetriebenen Weiterentwick-
                                                             lung teilweise bahnbrechender Ideen.

                           Ansprech­p artner            70   Noch Fragen?
                                                             Ansprechpartner und Literaturverweise für den DEKRA Verkehrssicherheitsreport 2015

 IMPRESSUM
 DEKRA Verkehrssicherheitsreport 2015 – Zukunft aus Erfahrung
 Herausgeber:                Verantwortlich für              Realisation: ETMservices, ein Geschäfts­­­   Bildnachweis: Atelier Busche: Seite 1; Daimler und Benz Stiftung: 1; A.
 DEKRA Automobil GmbH        den ­Herausgeber:               bereich der EuroTransportMedia ­             Berg: 11; K. Bergman: 37; W. Blaube: 65; BMVI: 5; BMW: 12, 50; Daim-
                             Stephan Heigl                   Verlags- und ­Veranstaltungs-GmbH            ler: 9, 10 (2), 12, 13, 14, 17; DEKRA: 6–7, 28–33, 60, 66; Dräger: 38;
 Handwerkstraße 15                                                                                        DVR: 42; A. Fischer: 22, 24, 44, 63, 64; Fotolia: 13, 65, 67; F. Frieser: 68;
 70565 Stuttgart                                             Handwerkstraße 15, 70565 Stuttgart           Getty Images: 72; Google:17, 49; HeERO project coordinated by ERTICO
                             Konzeption/Koordination/­
 Tel. (07 11) 78 61- 0                                       www.etmservices.de                           ITS-Europe: 26; Honda: 15; Imago: 3, 5, 8, 11, 34, 36, 54, 56, 59;
                             Redaktion: Wolfgang Sigloch
 Fax (07 11) 78 61-22 40                                     Geschäftsbereichsleiter: Thomas Göttl        M. Hernandez: 53; T. Küppers: 3, 16, 22, 46, 54, 58; F. Van Loock: 43;
                             Redaktion: Matthias Gaul                                                     ­Michelin: 8; ÖAMTC: 46; J. Pauls: 11; picture-alliance: 41; A. Rosar: 18,
 www.dekra.com                                               Geschäftsführer: Oliver Trost                 20; H. Schacht/www.berlinpressphoto.de: 5; Karin Berg/Taxikurir: 37;
 April 2015                  Layout: Florence Frieser        Projektleiter: Alexander Fischer              Volvo: 9, 16, 48, 51, 52; Wiki­pedia: 24; K. Yves: 47; A. Zweygarth: 62
VERKEHRSSICHERHEITSREPORT 2015 - Zukunft aus Erfahrung Strategien zur Unfallvermeidung auf den Straßen Europas - DEKRA Road Safety
Grußwort

Verkehrssicherheit im Zeichen von
­Mobilitätswandel und digitaler Vernetzung
U     nser Land ist so mobil wie nie. Und: Die Mo­
      bilitätsbedürfnisse sowie die damit verbun­
dene Verkehrsdynamik werden weiter zuneh­
                                                       von uns i­nitiierten „Runden
                                                       Tisch ­ Automatisiertes Fah­
                                                       ren“ identifizieren wir die
men. Umso wichtiger ist es, Mobilität so effizient,    entscheidenden rechtlichen,
umwelts­chonend und vor allem so sicher wie mög­       wissenschaftlichen und ge­
lich zu ­gestalten. Beim Thema Verkehrssicherheit      sellschaftlichen Kernpunkte
hat ­gerade Deutschland große Erfolge zu verzeich­     und erarbeiten Handlungs­
nen. In unseren Anstrengungen dürfen wir jedoch        optionen. Fragen der Daten­
nicht nachlassen.                                      hoheit und -sicherheit, tech­
                                                       nischer Standards und der
   Die Welt der Mobilität steht inmitten eines tief    künftigen Verantwortlichkei­
greifenden Wandels: Digitalisierung und Vernet­        ten müssen klar geregelt sein.
zung sind ihr wesentlicher Treiber. Mit der digita­    Denn: Auch die Mobilität von
len Durchdringung des gesamten Mobilitätsgesche­       morgen braucht Akzeptanz,
hens verbinden sich erheblicher Mehrwert für jeden     ein nachvollziehbares und
einzelnen Verkehrsteilnehmer, enorme Effizienz­        verbindliches Regelwerk und      Alexander Dobrindt (MdB), Bundesminister
potentiale für das Gesamtsystem sowie ein deutli­      technische Verlässlichkeit.      für Verkehr und digitale Infrastruktur
ches Plus an Sicherheit. Digitale Schlüsselinnovati­
onen in der Automobilentwicklung wie sensorisch           In diesem Prozess sind wir
gesteuerte Abstands- oder Abbiegeassistenten stei­     auf kompetente Partner wie DEKRA angewiesen.
gern die Verkehrssicherheit auf unseren Straßen.       Im Jahr 1925 als Deutscher Kraftfahrzeug-Über­
Gleiches gilt für intelligente Verkehrstechnologien    wachungsverein gegründet, engagiert sich DEKRA
in den Bereichen Fahrzeuge und Infrastruktur so­       seit nunmehr 90 Jahren für mehr aktive und passi­
wie ihre kommunikative Vernetzung. Diese Ent­          ve Sicherheit im Straßenverkehr. Zum diesjährigen
wicklungen werden wir fördern und v­ orantreiben.      Jubiläum gratuliere ich herzlich. Zugleich freue ich
                                                       mich, dass der D   ­ EKRA Verkehrssicherheitsreport
   Unter den Bedingungen des digitalen Wan­            2015 ein Themenspektrum widerspiegelt, das ge­
dels sowie den weiter wachsenden Anforderungen         rade auch die neuen Megatrends der mobilen Welt
an Schnelligkeit und Komfort ist Verkehrssicher­       aufgreift und vertieft. Damit unterstreicht DEKRA
heit eine wichtige Aufgabe. Entwicklungen der Mo­      einmal mehr: Verkehrssicherheitsarbeit ist eine
bilität 4.0 wie das automatisierte oder autonome       Daueraufgabe, die ständig auf der Höhe der Zeit
Fahren werfen neue verkehrssicherheitsrelevante
­                                                      sein muss. Und sie ist eine Aufgabe, der sich mög­
Fragen­auf. Diesen Fragen stellen wir uns. In dem      lichst viele stellen müssen.

                                                                                                                                   4|5
VERKEHRSSICHERHEITSREPORT 2015 - Zukunft aus Erfahrung Strategien zur Unfallvermeidung auf den Straßen Europas - DEKRA Road Safety
90 Jahre DEKRA

        Auf dem Weg in eine sichere Welt
        DEKRA hat 2015 allen Grund zum Feiern: Seit 90 Jahren sorgen unsere Experten für Sicherheit. Dieser Verkehrssicher-
        heitsreport zeigt, dass dabei bis heute Kraftfahrzeuge und die Straßenverkehrssicherheit eine zentrale Rolle spielen.
        Doch unser Anspruch reicht schon lange deutlich weiter: Ob im Verkehr, bei der Arbeit oder zu Hause – DEKRA erfüllt
        das zentrale Bedürfnis der Menschen nach Sicherheit.

                                    J  ede Zeit hat ihre Visionäre. Anfang des 20. Jahr-
                                       hunderts ist der Großindustrielle Hugo Stinnes
                                    einer von ihnen. Er erkennt die Herausforderun-
                                    gen für die Sicherheit, die sich aus der raschen Mo-
                                    torisierung ergeben. Gemeinsam mit anderen Per-
                                    sönlichkeiten entwickelt er deshalb die Idee einer
                                    freiwilligen technischen Überwachung von Kraft-
                                    fahrzeugen. Das ist die Geburtsstunde von DEKRA:
                                    Am 30. Juni 1925 wird der Deutsche Kraftfahrzeug-
                                    Überwachungs-Verein e.V. beim Amtsgericht Ber-
                                    lin-Mitte eingetragen. Der Auftrag ist in der Sat-
                                    zung unmissverständlich formuliert: „Der Verein
   Bereits 1925, im Gründungs-      hat den Zweck, (...) die Betriebs- und Verkehrs­
jahr von DEKRA, haben die           sicherheit der Kraftfahrzeuge (...) zu unterstützen
Fuhrparkbetreiber in Deutschland    und zu fördern.“
erkannt, dass Sicherheit eine                                                              Stefan Kölbl, Vorsitzender des Vorstands DEKRA e. V. und DEKRA SE
wichtige Grundlage ihres Ge-           Schnell setzt sich die Idee durch. Unternehmen
schäftserfolgs ist. Damals eröff-   und öffentliche Einrichtungen mit eigenem Fuhr-
nete der Kraftfahrzeugverkehr       park treten dem Verein bei; DEKRA sorgt als kom-          Als 1960 die periodische Hauptuntersuchung ein-
neue Chancen und verunsicherte      petenter Partner für die Zuverlässigkeit und Sicher-   geführt wird, erhält DEKRA die Anerkennung als
gleichzeitig mit zunehmenden        heit der Fahrzeuge. Anfang der 1930er-Jahre ist        Überwachungsorganisation. Dadurch profitieren
Unfallzahlen. Die Gründerväter      DEKRA bereits an rund 80 Standorten mit Prüfstel-      auch private Fahrzeughalter von unserer Expertise.
des DEKRA e.V. haben daher die      len vertreten. Der Zweite Weltkrieg stoppt die posi-   DEKRA leistet seitdem im Personenverkehr einen
Förderung der Verkehrssicherheit    tive Entwicklung zunächst. Aber schon im Jahr 1946     wesentlichen Beitrag zur Verkehrssicherheit. Und
zum satzungsgemäßen Auftrag         beginnt von Stuttgart aus der Neuaufbau. Bald ist      das nicht nur in Deutschland, sondern inzwischen
des Vereins erhoben.                DEKRA überall in Deutschland vertreten.                auch international: Mit jährlich 26 Millionen Fahr-
VERKEHRSSICHERHEITSREPORT 2015 - Zukunft aus Erfahrung Strategien zur Unfallvermeidung auf den Straßen Europas - DEKRA Road Safety
zeugprüfungen, davon elf Millionen in Deutschland,       vor e­inem Innovationsschub.
sind wir mit Abstand weltweit die Nummer eins.           Fahrerassistenzsysteme und
                                                         neue Technologien rund um
DER SICHERHEIT VERPFLICHTET                              das automatisierte Fahren
                                                         werden uns völlig neue Di-
Auf der Basis des langjährigen Know-hows rund            mensionen der Sicherheit er-
um die Fahrzeugprüfung beginnt DEKRA in den              öffnen.
1990er-Jahren, in neue Geschäftsfelder zu expandie-
ren. Mit innovativen Dienstleistungen etablieren wir         Es liegt also an unserem
uns unter anderem in der Produkt- und Systemzer-         Willen und unserer Ent-
tifizierung, der Materialprüfung und im Gebraucht-       schlossenheit, ob Vision Zero
wagenmanagement. Zu Beginn des neuen Jahrtau-            Realität wird. Ich bin mir
sends ist DEKRA in fast allen europäischen Ländern       ­sicher: Wenn Industrie, Wis-
präsent. Heute sind wir in mehr als 50 Ländern auf        senschaft und Expertenorga-
allen fünf Kontinenten tätig und in einer guten Aus-      nisationen wie DEKRA eng
gangsposition für die weitere internationale Expan-       zusammenarbeiten, dann las-
sion. Dem Auftrag Sicherheit sind wir dabei stärker       sen sich noch sehr viel mehr
verpflichtet als je zuvor – in der Verkehrssicherheit,    Leben retten. Wir bei DEKRA
aber auch rund um Arbeit und Haushalt. Dank un-           sind fest entschlossen, einen
serer Prüfungen, Zertifizierungen und Inspektionen        maßgeblichen Beitrag zur
können Industrieunternehmen sicher produzieren            Vision Zero zu leisten – unter
und Verbraucher auf die Sicherheit von Produkten          anderem dadurch, dass wir
vertrauen. Mit professionellen Beratungsleistungen        neue Technologien in der Ent-
und Qualifizierungen fördern wir zudem die Pro-           wicklungsphase begleiten und
zesssicherheit und den Arbeitsschutz in Betrieben.        Fahrzeuge nach neuesten Me-
Und seit Kurzem sorgen wir auch im Schienen- und          thoden und auf Basis hoher
Luftverkehr für mehr Sicherheit.                          Standards prüfen.

   Auf Basis dieser langjährigen Erfahrung wird
DEKRA seine Rolle als Treiber und Vordenker für
mehr Sicherheit in der Welt noch weiter ausbauen.
Wir wollen zum globalen Partner für eine sichere
Welt werden. Das ist ein ehrgeiziges Ziel. Aber wir
haben alle Chancen, es zu erreichen. Eines ist aller-
dings klar: Geht es beispielsweise um weitere Fort-
schritte in der Verkehrssicherheit, dann sind auch
heute Visionäre gefragt. Denn die Geschichte zeigt,
dass wir kühne Visionen brauchen, um große Z   ­ iele
zu erreichen.

VISION ZERO IST MÖGLICH
DEKRA unterstützt die Vision Zero des Deutschen
Verkehrssicherheitsrates. Angesichts von 26.000
Verkehrstoten allein in Europa scheint es auf den
ersten Blick unmöglich, das Ziel von null Verkehrs-
toten zu erreichen. Aber die bisherigen F­ ortschritte
stimmen zuversichtlich. So ist die Zahl der Ver-            Auch Lkw-Prüfungen gehören schon seit Jahrzehnten zum Portfolio von DEKRA.
kehrstoten in Deutschland seit 1970 um 85 Prozent
von 21.300 auf 3.300 gesunken. In rund 600 europäi­         In Frankreich sorgt DEKRA seit der verpflichtenden Einführung der „Contrôle T­ echnique“
schen Städten mit mehr als 50.000 Einwohnern gab         im Jahr 1992 für mehr Verkehrssicherheit auf den Straßen.
es zumindest schon einmal ein Jahr, in dem keine
Verkehrstoten zu beklagen waren. In den USA sind            Mit der flächendeckenden Einführung des HU-Adapters wird die Voraussetzung dafür
es mehr als 100 solche Städte, und auch in Japan gibt    geschaffen, dass bei einer Hauptuntersuchung im Fahrzeug verbaute elektronische Sicherheits-
es Beispiele. Und wir alle wissen: Die Mobilität steht   systeme auf Vorhandensein und Funktion überprüft werden können.

                                                                                                                                                        6|7
VERKEHRSSICHERHEITSREPORT 2015 - Zukunft aus Erfahrung Strategien zur Unfallvermeidung auf den Straßen Europas - DEKRA Road Safety
Einleitung

        Weniger Unfalltote und Verletzte dank
        konsequenter Sicherheitsmaßnahmen
                               Verkehrssicherheitsarbeit, das zeigen die Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte immer wieder
                               aufs Neue, kann keine Eintagsfliege sein, sondern ist nur als permanenter Prozess erfolgreich. Dass
                               insbesondere in Europa die Zahl der bei Verkehrsunfällen Getöteten und Verletzten seit Jahrzehnten
                               sinkt, ist vor allem dem Zusammenspiel präventiver technischer, organisatorischer und infrastrukturel-
                               ler Maßnahmen zur Unfall­vermeidung und Unfallfolgenminderung zu verdanken. Zahlreiche Sicher-
                               heitstechnologien wurden über die Zeit konsequent weiterentwickelt und haben nun mit der Möglich-
                               keit des teilautomatisierten Fahrens eine neue Dimension in Sachen Verkehrssicherheit eröffnet.

        Meilensteine auf dem Weg zu mehr Mobilität und Verkehrssicherheit
         1902 Der                   1921 Das                             1946                        1947 Colonel John Paul Stapp
         Brite Frederick            Duesenberg                           Der französische Rei-       führt im Muroc Testareal in der
         W. Lancester               Model A ist                          fenhersteller Michelin      US-amerikanischen Mojawe-Wüste
         erfindet die               das erste                            patentiert den ersten       im Rahmen des von ihm geleiteten
         Scheiben­                  Fahrzeug                             Gürtelreifen, der 1949      „deceleration projects“ erste Selbst-
         bremse und                 mit hydrauli­                        unter dem Marken­           versuche durch, bei denen er auf
         meldet sie zum             scher Brems­                         namen Michelin-X            einem Raketenschlitten mehrfach
         Patent an.                 anlage.                              vorgestellt wurde.          Verzögerungen bis an seine Belas-
                                                                                                     tungsgrenze ausgesetzt ist.

190 0          |           |       |          |     1910        |        |        |         |     1920           |         |          |      |
VERKEHRSSICHERHEITSREPORT 2015 - Zukunft aus Erfahrung Strategien zur Unfallvermeidung auf den Straßen Europas - DEKRA Road Safety
on Road Safety“) der WHO. Die Zahlen des aktu-                Der „Global Status Report
                                                            ell vorliegenden Berichts von 2013 sind dabei alles        on Road Safety“ 2013 ist
                                                            andere als beruhigend: Seit 2007 konnten zwar 88           der zweite Bericht der
                                                            Länder die Zahl der Verkehrstoten reduzieren, in           Weltgesundheitsorganisation
                                                            87 Ländern stieg sie jedoch an. Dabei erzielten ins-       WHO, der sich dem Thema
                                                            besondere Länder mit hohen Einkommen entspre-              Verkehrssicherheit widmet.
                                                            chende Erfolge, während Länder mit mittleren und           Danach sterben weltweit
                                                            niedrigen Einkommen dagegen mit Abstand mehr               jährlich schätzungsweise
                                                            Verkehrstote zu verzeichnen hatten.                        1,24 Millionen Menschen bei
                                                                                                                       Verkehrsunfällen, bis zu 50
                                                               Bereits 2004 hat die WHO unter anderem fünf             Millionen Menschen werden
                                                            Schlüsselfaktoren definiert, die auch in jedem Land        pro Jahr verletzt, 59 Prozent
                                                            gesetzlich verankert werden sollten: Geschwindig-          der Verkehrstoten sind zwi-
                                                            keitsbeschränkungen vor allem im Stadtverkehr              schen 15 und 44 Jahren alt.
                                                            (höchstens 50 Stundenkilometer), maximal zuläs-            Und: Die häufigste Todesursa-
                                                            siger Blutalkoholspiegel von 0,5 g/l, Helmpflicht          che bei der Gruppe der 15- bis
                                                            für Fahrer und Mitfahrer von Motorrädern, Gurt-            29-Jährigen sind Verletzungen
                                                            pflicht für alle Fahrzeuginsassen und das Benutzen         durch Verkehrsunfälle.
                                                            von Kindersitzen. Das Problem: Laut WHO haben
                                                            von 182 untersuchten Staaten nur 28 – darunter
                                                            auch die meisten Staaten der Europäischen Union
                                                            – entsprechende Regelungen für alle fünf Risiko-
                                                            faktoren erlassen. Lediglich vier Staaten (Estland,
                                                            Finnland, Frankreich und Portugal) bewerteten
                                                            laut WHO-Bericht die Durchsetzung dieser Rege-
                                                            lungen als „gut“.

                                                            EU-ZIEL: 50 PROZENT WENIGER
                                                            ­V ERKEHRSTOTE BIS 2020
   O    b Studien der W  ­ eltgesundheitsorganisation
        WHO, Leitlinien der EU-Kommission oder
   nationale Programme und Kampagnen in aller
                                                            Obwohl die Entwicklung in Europa im Vergleich
                                                            zu vielen anderen Regionen der Welt deutlich bes-
   Herren Länder: Das Thema Verkehrssicherheit hat          ser aussieht, bewertet die EU-Kommission Stra-
   in den letzten Jahrzehnten ungemein an Bedeu-            ßenverkehrsunfälle und ihre Folgen auch weiter­
   tung gewonnen. Nicht ohne Grund. Denn obgleich           hin als großes gesellschaftliches Problem. Ein
   in zahlreichen Staaten der Welt die Zahlen der bei       Fokus im laufenden Aktionsprogramm sollte da-
   Straßenverkehrsunfällen Getöteten und Verletzten         bei verstärkt auf Maßnahmen liegen, die dazu
   mehr oder weniger konstant sinken, besteht nach          ­beitragen, Unfälle möglichst schon im Vorfeld zu
   wie vor großer Handlungsbedarf. Das zeigt unter           vermeiden, heißt es in einem im Oktober 2014 ver-
   anderem der „Globale Statusbericht über die Si-           öffentlichten Arbeitspapier der ­EU-Kommission.
   cherheit im Straßenverkehr“ („Global Status Report        Erklärtes Ziel im Rahmen des aktuellen Aktions-

                      1951 Der Ungar Béla Barényi            1954                      1959 Der Volvo-Ingenieur Nils
                      meldet sein Konzept einer              Zur Überprüfung           Ivar Bolin meldet den Dreipunkt-
                      „gestaltfesten Fahrgastzelle           der Fahreignung           Sicherheitsgurt zum Patent an.
                      mit Knautsch­zonen vorne und           wird in Deutsch-
                      hinten“ zum Patent an.                 land die medizi-          1959 Mercedes-Benz bringt
                                                             nisch-psychologi-         mit dem Mercedes 220 S/SE
                      1951 In Deutschland wird die           sche Untersuchung         (W111) das erste Auto mit
                      Hauptuntersuchung (HU) für             (MPU) eingeführt.         ­Sicherheitsfahrgastzelle auf
                      Kraftfahrzeuge eingeführt.                                        den Markt.

1930     |       |       |        |       1940          |       |        |       |       1950           |        |        |        |         1960

                                                                                                                                          8|9
VERKEHRSSICHERHEITSREPORT 2015 - Zukunft aus Erfahrung Strategien zur Unfallvermeidung auf den Straßen Europas - DEKRA Road Safety
Einleitung

   Erster Mercedes-Benz-
Crashtest am 10. September   programms „On the move – for safer roads in Eu-       nen, die maßgeblich zur Verkehrssicherheit beigetra-
1959. Mit diesem Frontal-    rope“ ist bis zum Jahr 2020 die Halbierung der        gen haben. Die neuen Fahrerassistenzsysteme lassen
aufprall eines Fahrzeugs     Zahl der Verkehrstoten gegenüber 2010.                mitunter auch vergessen, dass erst mit der Entwick-
der Baureihe W 111 (1959                                                           lung des Radialreifens Ende der 1940er-Jahre die
bis 1965) beginnen die          Dieses Ziel lässt sich nach Ansicht der EU-Kom-    heutigen „gutmütigen“ Fahreigenschaften der Fahr-
Crashtests von Mercedes.     mission insbesondere dadurch erreichen, dass man      zeuge möglich wurden: Der Reifen ist das Bauteil,
                             menschliches Fehlverhalten als die häufigste Un-      das über den Kraftschluss zur Fahrbahn das Fahr-
                             fallursache durch den Einsatz elektronischer Syste-   zeug auf der Straße hält. Nicht vergessen werden
                             me kompensiert. Dazu geeignet seien insbesonde-       sollte auch die Scheibenbremse. Im Gegensatz zur
                             re: elektronisches Fahrdynamikregelsystem EVSC        Trommelbremse lässt ihre Bremswirkung bei Erwär-
                             (Electronic Vehicle Stability Control), Geschwin-     mung weniger stark nach: Das früher vor allem bei
                             digkeitswarner, Notbremssystem AEBS (Advanced         längeren Bergabfahrten so gefürchtete „Bremsen­
                             Emergency Braking System), Spurhalteunterstüt-        fading“ ist heute – zumindest bei Pkw – kein Thema
                             zung (Lane Support = Lane Departure Warning +         mehr. Die gute Regelbarkeit speziell der hydrauli-
                             Lane Keeping), Alkohol-Interlock, automatisches       schen Scheibenbremse ist eine wesentliche Voraus-
                             Notrufsystem (E-Call) für alle Fahrzeuge inklu­       setzung für moderne, leistungsfähige bremsbasierte
                             sive Motorräder, schwere Nutzfahrzeuge und Bus-       Assistenzsysteme wie ABS und ESP. Bereits 1902 er-
                             se, Gurtwarner (Seat Belt Reminder) für alle Fahr-    hielt der Brite Frederick W. Lancester ein Patent und
                             zeuginsassen und Reifendruckkontrollsystem (Tyre      gilt seither als Erfinder der Scheibenbremse.
                             Pressure Monitoring System). Große Bedeutung
                             misst die EU auch dem Unfalldatenspeicher (Event         Eine geradezu revolutionäre Grundlage für alle
                             Data Recorder) bei, um über die Vorgänge bei einem    nachfolgenden Sicherheitssysteme hat ­zweifelsohne
                             Unfall genauere Erkenntnisse zu erhalten.             der über mehrere Jahrzehnte für die damalige
                                                                                   Daimler-Benz AG tätige Konstrukteur Béla B ­­ arényi
                             PIONIERE DER PASSIVEN SICHERHEIT                      geschaffen: 1951 meldete der gebürtige Ungar sein
                                                                                   Konzept einer „gestaltfesten Fahrgastzelle mit
                             Diese noch verhältnismäßig jungen Systeme stehen      Knautschzonen vorne und hinten“ zum Patent an.
                             aktuell am Ende einer langen Reihe von Meilenstei-    Ohne eine solche Karosserie, die heute Standard ist,

        1963 Béla                                                                          1965 Der Verbraucher-          1971 Die
        Barényi meldet                                                                     anwalt Ralph Nader             Daimler-Benz
        die von ihm                                                                        veröffentlicht sein Buch       AG meldet
        entwickelte                                                                        „Unsafe at Any Speed“          einen pra-
        „Sicherheits-                                                                      und macht damit auf            xistauglichen
        lenkwelle für                                                                      eklatante Sicherheits-         ­Fahrer-Airbag
        Fahrzeuge“                                                                         mängel von damaligen            zum Patent an.
        zum Patent an.                                                                     US-amerikanischen Fahr-
                                                                                           zeugen aufmerksam.

1960                     |               |                |                 |                 1965                    |                    |
könnten alle anderen Systeme des Insassenschutzes
    bei schweren Unfällen nicht wirksam werden.

        Auf Barényi geht auch die 1963 zum Patent               Dr. Walter Eichendorf
    a­ ngemeldete „Sicherheitslenkwelle für Fahrzeuge“           Präsident des Deutschen
     zurück. Die Neuerung: Derartige Anlagen drin-              ­Verkehrssicherheitsrats (DVR)
     gen nur noch sehr wenig in die Fahrgastzelle ein
     und geben in Kombination mit einem Sicherheits-        Aufklärende Maßnahmen sind unverzichtbar
     lenkrad beim Anprall des Fahrers nach. Ein Lenk-
                                                            Kampagnen sind in der Verkehrs-                orientierte Kommunikationsprojek-
     rad, das auch bei schweren Frontalkollisionen nicht
                                                            sicherheitsarbeit unverzichtbar,               te zu fokussieren, zum Beispiel in
     unkontrolliert in den Innenraum eindringt, ist
     ­                                                      selbstverständlich aber auch kein              Schulen, Fahrschulen oder Diskothe-
     auch heute noch wichtig und die Voraussetzung da-      „Allheilmittel“, das alle Probleme             ken, wenn es um eine Kampagne
     für, dass der Fahrerairbag optimal schützen kann.      löst. ­Verkehrssicherheitskampagnen            speziell für junge Fahrer geht.
                                                            versuchen zunächst, Aufmerksam-                    Auch wenn der Einfluss verhal-
       Bereits 1959 schlug die Geburtsstunde eines wei-     keit zu wecken, Wissen zu vermit-              tensbeeinflussender Maßnahmen
                                                            teln, ein Problembewusstsein zu                auf die Reduzierung der Unfall-
    teren bahnbrechenden Systems: Der schwedische                                                          zahlen nicht immer erfasst werden
                                                            schaffen und für das Thema zu sen-
    Volvo-Ingenieur Nils Ivar Bolin meldete den Drei-       sibilisieren. Es soll in sicherheitsför-       kann, ist international unbestrit-
    punkt-Sicherheitsgurt zum Patent an. Gestalt­feste      derlicher Weise auf das Verhalten              ten, dass aufklärende Maßnahmen
    Fahrgastzelle mit Knautschzonen und angelegter          von Verkehrsteilnehmern eingewirkt             wichtig sind. Auch für den DVR
    Sicherheitsgurt – heute mit Gurtstraffer und Gurt-      werden. Kampagnen machen deut-                 sind im Sinne der Sicherheitsstra-
                                                            lich, was wünschenswertes Verhal-              tegie „Vision Zero – keiner kommt
    kraftbegrenzer – sind nach wie vor wesent­     liche
                                                            ten im Straßenverkehr ausmacht.                um, alle kommen an“ öffentlich-
    Voraussetzungen für die passive Sicherheit von              Doch eine intelligente Kampagne            keitswirksame Kampagnen, die
    Fahrzeuginsassen. Dies gilt nicht nur bei Frontal-      muss es erst einmal in das Bewusst-            das Verhalten der Verkehrsteilneh-
    kollisionen, sondern auch bei Seitenkollisionen und     sein einer möglichst breiten Öffent-           mer positiv beeinflussen, weiterhin
    Fahrzeugüberschlägen.                                   lichkeit schaffen. Dabei sollte nicht          wichtiger Bestandteil seiner Prä-
                                                            auf Schockeffekte gesetzt werden,              ventionsarbeit. Denn das Leben
                                                            deren Wirkung schnell wieder ver-              ist zu schön, um es leichtsinnig im
    VORREITER BEI ELEKTRONISCHEN                            pufft. Auch wenn eine Kampagne                 Straßenverkehr aufs Spiel zu set-
    SICHERHEITSSYSTEMEN                                     nur aus „bunten Plakaten“ besteht,             zen, um es mit der zentralen Bot-
                                                            wird sie keinen nachhaltigen Effekt            schaft der bundesweiten Verkehrs-
    1971 wurde von der Daimler-Benz AG ein praxis­          erzielen. Deshalb ist es wichtig, sich         sicherheitskampagne „Runter vom
    tauglicher Fahrer-Airbag zum Patent angemeldet. Er      zusätzlich auf kleinere zielgruppen-           Gas“ zu sagen.
    unterstützt die Rückhaltewirkung des Sicherheits-
    gurtes bei schweren Frontalkollisionen. Nach und
    nach kommen später der Beifahrer-Airbag, diverse       Lenkbarkeit und Richtungsstabilität des Fahrzeugs.
    Seiten-Airbags und der Knie-Airbag zum Einsatz.        Das System wurde bald um die Antriebsschlupfrege-
    Heute gehören in der Regel sechs bis acht Airbags      lung ASR erweitert, um auch bei großer Beschleuni-
    zur Standardausstattung eines Pkw. Ab Oktober          gung die Fahrstabilität zu gewährleisten.
    1978 begann ebenfalls bei Daimler-Benz der Einbau
    des Antiblockiersystems ABS in Serienfahrzeuge.           Im Jahr 1995 führten die Robert Bosch GmbH
    ABS ermöglicht eine Vollbremsung mit nahezu ma-        und Mercedes-Benz mit dem Elektronischen Sta-
    ximaler Verzögerung bei gleichzeitigem Erhalt von      bilitätsprogramm ESP ein weiteres bremsbasiertes

                                       1971 An Fahr-                      1974 Ab 1. Januar werden in
                                       zeugen werden                      der Bundesrepublik Deutschland
                                       die ersten Haupt-                  Dreipunkt-Sicherheitsgurte für die
                                       scheinwerfer mit                   Vordersitze von neu zugelassenen
                                       der Zweifaden-                     Pkws Pflicht. Auf den Rücksitzen tritt
                                       Halogen-Glüh­                      die Gurteinbaupflicht für alle neuen
                                       lampe (H4) für                     Pkws am 1. Mai 1979 in Kraft. Ab
                                       Abblend- und                       1. August 1984 wird ein Verwar-
                                       Fernlicht aus­                     nungsgeld für das Nichtanlegen
                                       gerüstet.                          der Sicherheitsgurte verhängt.

|                   |                 1970                  |                   |                      |                   |                 1975

                                                                                                                                       10 | 11
Einleitung

                                        fahrdynamisches Assistenzsystem ein. Damit ver-               zeuge der Fall, weltweit dagegen nur bei 59 Prozent.
                                        fügt der Fahrer über eine zusätzliche aktive Unter-           Nach neuesten Berechnungen von Bosch werden im
                                        stützung des Fahrzeuges in Situationen, die quer-             Jahr 2016 in Europa bereits 91 Prozent der neu zuge-
                                        dynamisch kritisch sind – zum Beispiel Über- oder             lassenen Pkw und leichten Lkw bis zu sechs Tonnen
                                        Untersteuern. International üblich wurde die Be-              mit solchen ­Systemen ausgestattet sein. Dieser An-
                                        zeichnung Electronic Stability Control (ESC). Wel-            teil wird sich bis 2021 auf 94 Prozent erhöhen.
                                        che Bedeutung das System hat, zeigt sich daran, dass
                                        neutralen Untersuchungen zufolge ESP nahezu je-                     In Europa ging diese Entwicklung freilich in
                                        den zweiten zumeist schweren oder tödlich verlau-               Etappen und von Land zu Land sehr unterschiedlich
                                        fenden ­Alleinunfall verhindern kann. Damit ist es              vonstatten (Schaubild 1). In Schweden beispielsweise
                                        nach dem Sicherheitsgurt und noch vor dem Airbag                nahm die Ausrüstungsrate zwischen 2003 und 2004
                                        das zweitwichtigste Sicherheitssystem im Auto.                  von 15 auf 69 Prozent erfreulich stark zu und stieg
                                                                                                        dann weiter bis zum Jahr 2005 auf 85 Prozent. Das
                                        Elektronische Fahrdynamikregelsysteme (EVSC liegt vor allem daran, dass Trafikverket, das staat-
                                     Electronic Vehicle Stability Control) sind Pflichtaus- liche schwedische Zentralamt für Verkehrswesen,
                                     stattung für fast alle Pkws, Wohnmobile, Lkws und aufgrund eigener Studien schon sehr früh das Poten-
                                     Busse, die seit dem 1. November 2011 erstmals eine zial von ESP zur Unfallschwere-Reduktion und Un-
                                     Typzulassung für Europa erhalten haben. Seit 1. No- fallvermeidung erkannt und daraufhin Druck auf
                                     vember 2014 müssen alle Fahrzeuge, wenn sie neu in die Fahrzeugimporteure ausgeübt hat. Entsprechend
                                     den Verkehr kommen, mit EVSC ausgestattet sein. wurden (fast) nur noch mit ESP ausgerüstete Fahr-
                                     Europaweit war dies 2014 nach Angaben der Robert zeuge nach Schweden importiert, bei Volvo gehör-
                                     Bosch GmbH bereits bei 84 Prozent aller Neufahr- te ESP bereits zur Serienausrüstung. In Deutschland
                                                                                                                                          verlief der Anstieg eher
        1                                                                                                                                 konstant von 55 Prozent im
          ESP-Ausrüstung in Etappen                                                                                                       Jahr 2003 auf 80 Prozent im
          Neuesten Berechnungen zufolge werden im Jahr 2016 in Europa bereits 91 Prozent der neu zugelassenen
                                                                                                                                          Jahr 2009. Noch einmal an-
          Pkws und leichten Lkws bis zu sechs Tonnen mit elektronischen Fahrdynamikregelsystemen ausgestattet sein.
                                                                                                                                          ders war die Entwicklung
            100
                                                                                                                                          in Frankreich. Während
                                                           EU-Gesetz­gebungs­                                                            das Land 2003 mit einer
             80                                                 verfahren                                        Europa                   ESP-Ausstattungsrate von
                                                                                                                 Schweden                 35 Prozent noch an zweiter
       Anteil in Prozent

                                                                                                                 Deutschland
             60                                                     zur                                          Spanien
                                                                                                                                          Stelle hinter Deutschland
                                                              obligatorischen                                    Großbritannien           lag, stieg sie bis 2007 ver-
             40                                              ­Ausrüstung von
                                                                                                                 Frankreich               gleichsweise verhalten auf
                                                          ­Fahrzeugen mit ESP                                                             46 Prozent und nahm bis
                                                                                                                                          2009 sogar auf 41 Prozent
             20
                                                                                                                                          ab. Eine der Ursachen hier-
                                                                                                                                          für war die staatliche Re-
              0                                                                                                                           gelung zur Förderung von
                 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021
                                                                           Jahr                                                           Fahrzeugen, die weniger als
                                                                          Jahr                                  Quelle: Robert Bosch GmbH 120 Gramm CO2 pro gefah-

                 1976 Ab 1. Januar gilt in                                                                                                    1978 Ab Oktober
                 der ­Bundesrepublik Deutsch-                                                                                                 werden Fahrzeuge
                 land die Helmtragepflicht für                                                                                                von Mercedes-Benz
                 Motorradfahrer, seit Mitte                                                                                                   serienmäßig mit dem
                 1978 auch für Moped- und                                                                                                     Antiblockiersystem
                 Mokickfahrer. Ab 1. August                                                                                                   ABS ausgerüstet.
                 1980 kann bei Zuwiderhand-                                                                                                   Das erste Modell mit
                 lung dieser Verstoß mit einem                                                                                                ABS ist die S-Klasse
                 Verwarnungsgeld geahndet                                                                                                     (W116).
                 werden. Ab 1. Oktober 1985
                 müssen auch die Mofafahrer
                 einen Helm tragen.

1975                                   |                        |                             |                            |                             1980
renem Kilometer ausstoßen. Dies kam überwiegend
den Kleinfahrzeugen zugute, die in nur geringem
Maße mit ESP ausgestattet waren. Die verpflichten-
de Einführung von ESP ist auch vor diesem Hinter-
grund folgerichtig.

VORSCHRIFTEN UND BESSERE INFRA-
STRUKTUR ­M ACHEN STRASSEN SICHERER
Auch abseits der Fahrzeugtechnik gibt es eine Rei-
he von Meilensteinen, die zur Erhöhung der Ver-
kehrssicherheit beigetragen haben. So in Deutsch-
land die Einführung des ersten allgemeinen
Tempolimits zum 1. September 1957. Seitdem gilt
„innerhalb geschlossener Ortschaften“ die Höchst-
geschwindigkeit von 50 km/h, falls sie nicht durch
entsprechende Verkehrszeichen anders geregelt ist.
Inzwischen sind in Deutschland weitere allgemei-
ne Tempolimits wie zum Beispiel 100 km/h auf
Landstraßen eingeführt worden. Auf den Auto-
bahnen gilt seit 1974 die Richtgeschwindigkeit von                                                                  Allein die Einhaltung der
130 km/h. Da die Geschwindigkeit quadratisch             Konsequenzen haben. Für Fahranfänger gilt in der        vorgeschriebenen Geschwin-
in die kinetische Energie und damit das „Gefähr-         Probezeit am Steuer ein absolutes Alkoholverbot.        digkeit könnte schon viele
dungspotenzial“ eines Fahrzeuges eingeht, sind                                                                   Unfälle verhindern.
angemessene, unter anderem dem Ausbauzustand                In Sachen Infrastruktur trug unter anderem die
der Straße entsprechende Geschwindigkeitsbe-             Ausstattung der Straßen mit Schutzplanken und Be-
grenzungen für ein sicheres Verkehrssystem un-           tonschutzwänden dazu bei, das Abkommen eines
verzichtbar.                                             Fahrzeugs von der Fahrbahn und somit unter Um-
                                                         ständen schwere Unfälle wie Fahrzeugüberschläge,
    1953 wurde die erste „Promillegrenze“ für Kraft-     Kollisionen mit Hindernissen – vor allem Bäumen
fahrzeugführer in Deutschland eingeführt. Sie be-        – am Straßenrand oder fatale Gegenverkehrskollisi-
trug damals noch 1,5 Promille und wurde erst             onen auf Autobahnen oder autobahnähnlich ausge-
­strafwirksam, wenn Autofahrer einen Verkehrsun-         bauten Fernstraßen zu verhindern. In Deutschland
 fall verursacht hatten. Aus heutiger Sicht war dieser   wurden ab Anfang der 1960er-Jahre zunächst die Au-
 erste Grenzwert unverantwortlich hoch, angesichts       tobahnen mit Schutzplanken ausgestattet. Lange Zeit
 der enthemmenden und beeinträchtigenden Wir-            waren diese Rückhaltesysteme aber ausschließlich auf
 kungen, die der Genuss von Alkohol haben kann. Die      den Anprall von Pkws und Nutzfahrzeugen ausgelegt.
 Grenze von 0,8 Promille wurde am 14. Juni 1973 vom      Der verbleibende offene Abstand zum ­Boden birgt
 Bundestag beschlossen. Später sind die Grenzwerte       jedoch für Motorradfahrer die Gefahr, bei e­inem
 nach und nach noch weiter gesenkt worden. Heute         Sturz unter der Schutzplanke durchzurutschen be-
 können Fahrfehler schon bei 0,3 Promille rechtliche     ziehungsweise gegen einen Stützpfosten zu prallen.

 1981 Ab Juli bie-                                                                                           1983 Der deutsche
tet ­Mercedes-Benz                                                                                          ­Unfallforscher Max
     in der S
            ­ -Klasse                                                                                        Danner veröffentlicht
  (W126) erstmals                                                                                            sein Buch „Gurt oder
   serienmäßig ein                                                                                           Tod“ und verdeutlicht
       Fahrzeug mit                                                                                          damit den Nutzen
         Airbag an.                                                                                          einer gesetzlichen Gurt­
                                                                                                             anlegepflicht, die da-
                                                                                                             mals in der B­ evölkerung
                                                                                                             heftig umstritten war.

     |                              |                               |                               |                                    1985

                                                                                                                                 12 | 13
Einleitung

                                                                                            zeugüberwachung eine umso größere Bedeutung
                                                                                            zu. Der Stellenwert gerade auch der elektronischen
                                                                                            Systeme für die Sicherheit der Fahrzeuge ist mittler­
                                                                                            weile von der Europäischen Kommission aufgegrif­
                                                                                            fen und in die Rahmenvorgaben zur europaweiten
                                                                                            Fahrzeug­überwachung aufgenommen worden. In
                                                                                            Deutschland wird 2015 mit der ­flächendeckenden
                                                                                            Einführung des sogenannten HU-Adapters die
                                                                                            Voraussetzung d
                                                                                            ­               ­afür geschaffen, dass bei einer
                                                                                            Hauptuntersuchung im Fahrzeug verbaute elektro­
                                                                                            nische Sicherheitssysteme auf Vorhandensein und
                                                                                            Funktion überprüft werden können.

                                                                                            UNFALLFORSCHUNG: ERSTE WICHTIGE
   Mittels unterschiedlichster
                                                                                            ­I MPULSE KAMEN AUS DEN USA
Sensoren können bei Crash-       Die Folge sind nicht selten schwerste oder gar tödli­
tests wichtige Erkenntnisse      che Verletzungen. Insbesondere bei Motorradfahrern         Unabhängig von allen technischen und infrastruk­
für die Entwicklung neuer        beliebte Straßen werden daher mittlerweile auf vielen      turellen Weiterentwicklungen muss für Beurteilun­
und sicherer Fahrgastzellen      kritischen Streckenabschnitten vermehrt mit einem          gen der Fahrzeug- und Verkehrssicherheit immer
gewonnen werden.                 Schutzsystem mit Unterfahrschutz nachgerüstet.             das reale Unfallgeschehen auf den Straßen maßge­
                                                                                            bend sein. Aus den Ergebnissen der Verkehrsunfall­
                                  TECHNISCHE SYSTEME MÜSSEN                                 forschung lassen sich grundlegende Erkenntnisse für
                                                                                            weitere Verbesserungen ableiten. Ihren Anfang nahm
                                 ­E INWANDFREI FUNKTIONIEREN
                                                                                            diese Forschung einst in den USA, wo in den frühen
                                 Last, but not least darf auch die periodische Fahr­        1950er-Jahren der Physiker William Haddon mit ers­
                                 zeugüberwachung als ein wesentlicher Beitrag zu            ten Untersuchungen am Unfallort begann. Er war es
                                 mehr Verkehrssicherheit nicht vergessen werden.            auch, der Ende der 1960er-Jahre eine Methode ent­
                                 In Deutschland erfolgte die Einführung der Haupt­          wickelte, die letztlich bis heute einen wichtigen theo­
                                 untersuchung bereits 1951. Das französische Pen­           retischen Rahmen für systematische Überlegungen
                                 dant hierzu, die „Contrôle Technique“, wurde erst          zum Thema Verkehrssicherheit darstellt. Die „Had­
                                 1992 verpflichtend für alle Pkws, Nutzfahrzeuge und        don Matrix“ basiert einerseits auf der zeitlichen Glie­
                                 Busse eingeführt. Grundsätzlich muss die zuverläs­         derung von Unfällen in drei Phasen – vor, während
                                 sige Funktion jedes sicherheitsrelevanten Systems          und nach dem Crash – und ordnet andererseits die
                                 über die gesamte Nutzungsdauer eines Fahrzeugs             Ursachen dem menschlichen Verhalten, dem Fahr­
                                 gewährleistet sein. Wartung respektive Service der         zeug und der Verkehrsinfrastruktur zu.
                                 betreffenden Systeme dürfen also nicht vernachläs­
                                 sigt werden, alle Warnanzeigen sowie Fehlermeldun­            1966 bekam Haddon die Leitung der „National
                                 gen im Auto sind von den Nutzern ernst zu nehmen.          Traffic Safety Agency“ und der „National Highway
                                 Da erfahrungsgemäß jedoch viele ältere Fahrzeuge           Safety Agency“ übertragen, die 1970 in der ­„National
                                 nicht mehr entsprechend den Herstellervorgaben             Highway Traffic Safety Administration“ (NHTSA)
                                 gewartet werden, kommt der periodischen Fahr­              zusammengefasst wurden. Die NHTSA gibt immer

         1986 Im Rahmen des europäi-                                      1988 BMW
         schen EUREKA-Forschungsprojekts                                  präsentiert mit
         ­PROMETHEUS (PROgraMme for                                       der K100 das
          a European Traffic with Highest                                 erste Serien-
          Efficiency and Unprecedented                                    motorrad mit
          Safety) werden erstmals die Mög-                                ABS.
          lichkeiten des autonomen Fahrens
          erforscht.

1985                    |            |             |             |              1990                  |             |              |              |
wieder wichtige Impulse zur weltweiten Verbesse-            zeugsicherheit abzustimmen und den besten Nut-
rung der Sicherheit von Kraftfahrzeugen. Unter ih-          zen aus den vorhandenen Ressourcen bei der Teil-
rer Federführung treffen sich Experten aus der gan-         nahme am ESV-Programm zu ziehen, entstand
zen Welt auf den ESV-Konferenzen und tauschen               1970 das „European Enhanced Vehicle-Safety
ihre neuesten Erkenntnisse zur Fahrzeugsicherheit           Committee“ (EEVC). Bereits ein Jahr zuvor war
aus. ESV stand zunächst für „International Techni-          der Deutsche Verkehrssicherheitsrat DVR gegrün-
cal Conference on Experimental Safety Vehicles“, seit       det worden. Zu den Schwerpunkten seiner Tätig-
1998 für „The International Technical Conference on         keit gehört bis heute die Behandlung von Fragen
the Enhanced Safety of Vehicles“. Die ersten Konfe-         der Verkehrstechnik, der Verkehrserziehung und
renzen dieser Art fanden übrigens in Europa statt,          -aufklärung, des Verkehrsrechts sowie der Ver-
und zwar 1971 in Sindelfingen und Wolfsburg.                kehrsmedizin und -überwachung. Dabei bündelt
                                                            der DVR die Bemühungen aller beteiligten Stel-
    Zurück in die USA. Hier begann in den 1950er-           len zu einem gemeinsamen und wirksamen Han-
Jahren an der Cornell University ein Wissenschaft-          deln zur Steigerung der Verkehrssicherheit. Diese
ler-Team um den ehemaligen Militärpiloten Hugh de           und ähnliche Aktivitäten zeigten auch erste güns-
Haven mit der empirischen Auswertung von Auto­              tige Auswirkungen. Zwar war in Deutschland im
unfällen. Die Forscher veröffentlichten 1955 die le-        Jahr 1970 mit 21.332 Verkehrstoten noch ein ab-
gendäre ACIR-Studie (ACIR = Automotive Crash                soluter Höchstwert zu verzeichnen, danach gelang
Injury Research) und setzten damit einen Standard           es aber, den fatalen Trend der Vorjahre nachhaltig
in der Unfallforschung. Ein Ergebnis der Studie war,        zu brechen.
dass viele Fahrzeuginsassen bei einem Unfall nur
deshalb ums Leben kamen, weil sie aus dem Auto                 Auf Initiative der Bundesregierung begannen
­geschleudert wurden.                                       zu dieser Zeit wissenschaftliche Teams in Heidel-
                                                            berg, Berlin und Hannover damit, Unfälle vor Ort
   In Europa wurden systematische Sicherheits-              zu dokumentieren. Eine vom NATO-Ausschuss
studien dieser Art erst in den späten 1950er-Jah-           für Umweltfragen in Auftrag gegebene Pilotstu-
ren gestartet. So untersuchte man zum Beispiel              die zur Unfallanalyse, an der seitens Deutschlands
in Schweden basierend auf realen Unfalldaten die            die Bundesanstalt für Straßenwesen BASt betei-
Wirksamkeit von Sicherheitsgurten. In den 1960er-           ligt war, führte 1973 zur Gründung der Unfallfor-
Jahren stiegen dann verstärkt auch die Automobil-           schung an der Medizinischen Hochschule Hanno-
hersteller in die Unfallforschung ein. So analysiert        ver. Insbesondere unter Professor Dietmar Otte hat
und rekonstruiert zum Beispiel die Unfallforschung          sie durch die kontinuierliche Erhebung und Aus-
von Mercedes-Benz seit 1969 reale Verkehrsunfälle,          wertung von Straßenverkehrsunfällen mit kom-
um weitere Erkenntnisse für die Sicherheitsentwick-         binierter medizinischer und technischer Analy-
lung der eigenen Modelle zu gewinnen.                       se dazu beigetragen, problematische, risikoreiche
                                                            und oft auch tödliche Verletzungsmechanismen zu
ÜBER 3.000 CODIERTE                                         verstehen und Gegenmaßnahmen zu entwickeln.
PARAMETER PRO UNFALL                                        Hiermit konnte unter anderem die Wirksamkeit
                                                            von verbesserten Fahrzeugstrukturen, Sicherheits-
Um in Europa alle nationalen Forschungs- und                gurten und Airbags sowie von Fahrradhelmen und
Entwicklungsaktivitäten im Bereich der Fahr-                Protektoren nachgewiesen werden.

1995 Die Robert Bosch GmbH                   2002 Mercedes                       2006 Die
und Mercedes-Benz führen mit                 führt das vor-                      Honda Gold
dem Elektronischen Stabilitäts-              beugende Insas-                     Wing ist das
programm ESP ein bremsba-                    senschutzsystem                     erste Serien-
siertes fahrdynamisches Assis-               PRE-SAFE in der                     motorrad mit
tenzsystem ein. Das erste damit              S-Klasse (W220)                     Airbag.
ausgestattete Fahrzeug ist das               ein.
S-Klasse Coupé CL (C140) von
Mercedes-Benz.

1995              |               |      |              |           20 0 0           |           |          |    |       20 05

                                                                                                                     14 | 15
Einleitung

                                                                                              INTERNATIONALE INSTITUTIONEN ALS
                                                                                              TREIBER FÜR MEHR VERKEHRSSICHERHEIT
                                                                                              Wenn es um Impulse für mehr Verkehrssicher-
                                                                                              heit auf den Straßen geht, ist es das Miteinander
                                                                                              staatlicher und privatwirtschaftlicher Institutio-
                                                                                              nen, das die Verkehrssicherheit als gemeinsames
                                                                                              Ziel voranbringt. In Deutschland gehört zu den
                                                                                              privatwirtschaftlichen Institutionen das 1969 vom
                                                                                              HUK-Verband der Haftpflicht-, Unfall- und Kraft-
                                                                                              fahrtversicherer gegründete Münchner Büro für
                                                                                              Kfz-Technik, das 1997 zum Institut für Fahrzeug­
                                                                                              sicherheit München (IFM) umbenannt wurde. Unter
                                                                                              der Leitung von Professor Klaus Langwieder gingen
   Bei diesem DEKRA Crash­                                                                    von hier aus viele wichtige Impulse in die Welt, die
test wird deutlich, dass der          Seit 1999 kooperiert die Medizinische Hoch-             der Verbesserung der Sicherheit von Lkws, Pkws und
Fahrer, beispielsweise im          schule in Hannover mit der Technischen Universi-           Motorrädern dienten. Besonders zu erwähnen sind
VW Golf II, bei e­ inem Frontal­   tät Dresden im Gemeinschaftsprojekt GIDAS (Ger-            hier auch die Verbesserungen von Kindersitzen im
zusammenstoß nur eine              man In-Depth Accident Study) der BASt und der              Pkw. Die Aktivitäten des IFM wurden 2006 von der
geringe Überlebens­chance          Forschungsvereinigung Automobiltechnik der Deut-           in Berlin gegründeten Unfallforschung der Versiche-
hätte.                             schen Automobilindustrie. Jährlich werden dabei            rer (UDV) übernommen.
                                   etwa 2.000 Unfälle mit Personenschaden in den Re-
                                   gionen Dresden und Hannover aufgenommen. Das                  1978 entstand die DEKRA Unfallforschung. Zu ih-
                                   Erhebungsteam dokumentiert am Unfallort alle re-           ren Aufgaben gehörte zunächst die Erarbeitung und
                                   levanten Informationen zu Fahrzeugausstattung und          Verbesserung von damals noch weitgehend unzurei-
                                   -beschädigung, Verletzungen der beteiligten Perso-         chenden Methoden der Rekonstruktion von Straßen-
                                   nen, Rettungskette sowie Gegebenheiten der Unfall-         verkehrsunfällen. Mehr und mehr waren das Wissen
                                   stelle. Jeder dokumentierte Unfall wird detailliert        und die Kompetenz der DEKRA Sachverständigen
                                   rekonstruiert, beginnend mit der Unfallentstehung          aber auch bei der Verbesserung der Fahrzeug- und
                                   und der Reaktion der Beteiligten über die Kollisio-        Verkehrssicherheit gefragt. So bearbeitet die DEKRA
                                   nen bis hin zum Endstand der Fahrzeuge. Dabei wer-         Unfallforschung seit den 1980er-Jahren mehrere na-
                                   den charakteristische Größen wie Bremsverzögerun-          tionale und internationale Projekte zur Sicherheit
                                   gen, Einlauf- und Kollisionsgeschwindigkeiten sowie        von Lastkraftwagen, Tankfahrzeugen, Pkws, Motor-
                                   Daten zu den Verletzungsmustern und zur Verlet-            rädern, Fußgängern und zur Sicherheitsausstattung
                                   zungsschwere ermittelt. Der Umfang der Dokumen-            von Straßen. Das Engagement der DEKRA Unfall-
                                   tation beläuft sich in GIDAS auf mehr als 3.000 co-        forschung findet seine Anerkennung durch die Ein-
                                   dierte Parameter pro Unfall. Diese sind wiederum           bindung in immer neue Verkehrssicherheitsprojekte.
                                   die Grundlagen für nachgelagerte Forschungen zu
                                   den Wirkfeldern und Nutzenpotenzialen von neuen               In den 1960er-Jahren wurde in Österreich das
                                   und verbesserten Fahrzeugsicherheitselementen und          Kuratorium für Verkehrssicherheit gegründet, das
                                   Schutzsystemen in ganz Europa.                             sich bis heute dem Thema der präventiven Verkehrs­

                           2011 Seit 1. Novem­                              2013 Der Fuß­
                           ber müssen alle neu                              gänger-Airbag
                           homologierten Fahr­                          von Volvo gewinnt­
                           zeugmodelle in Europa                         bei den 11. Inter­
                           serienmäßig mit ESP                           net Auto Awards
                           ausgestattet sein.                                   des Portals
                                                                             ­AutoScout24
                                                                          den ­Sonderpreis
                                                                                ­„Zukunft“.

2010                                                           2011                                                         2012
sicherheitsarbeit widmet. In der Tschechischen              INTEGRIERTE KONZEPTE ERÖFFNEN
­Republik arbeitet seit 1992 das Transport Research         NEUE SICHERHEITSPOTENZIALE
 Centre (CDV), das 2007 in eine öffentliche For­
 schungsinstitution überführt wurde. Die finnische          Letztendlich haben die Bemühungen aller Beteiligten
 Liikenneturva ist eine Forschungseinrichtung mit           dazu geführt, dass der Straßenverkehr in ­Europa im
 dem Ziel, die Verkehrssicherheit über die Sensibi­         Verlauf der vergangenen Jahrzehnte wesentlich siche­
 lisierung und Aufklärung der Bevölkerung zu er­            rer geworden ist. Diese Entwicklung ist noch lange
 höhen. In Frankreich entstand 2011 durch die Zu­           nicht am Ende. Obwohl die passive Sicherheit inzwi­
 sammenführung der renommierten Institutionen               schen schon weit ausgereizt zu sein scheint, e­ rgeben
 INRETS (Institut national de recherche sur les trans­      sich aus den Möglichkeiten der aktiven Sicherheit
 ports et leur sécurité) und LCPC (Laboratoire central      und insbesondere mit der erweiterten Sichtweise der
 des ponts et chaussées) das Institut IFSTTAR (Ins­         integrierten Sicherheit nach wie vor neue Poten­ziale.
 titut français des sciences et technologies des trans­     Integrale Konzepte bündeln Elemente der aktiven
 ports, de l‘aménagement et des réseaux). Durch den         und passiven Sicherheit in einem durchdachten Ge­
 ganzheitlichen Ansatz der Forschung in den Berei­          samtsystem zur Vermeidung respektive Folgenmin­
 chen Verkehrssicherheit, Nachhaltigkeit, Ökologie          derung von Unfällen. Das Fernziel ergibt sich aus der
 und Ausbildung werden hier verschiedene Blick­             „Vision Zero“ – also keinen Toten und Schwerverletz­
 winkel auf die Sicherheit ermöglicht und neue Im­          ten bei Straßenverkehrsunfällen. Auf dem Weg dort­
 pulse geschaffen. In den Niederlanden deckt das For­       hin ist es jedes Jahr eine neue Herausforderung, die
 schungsinstitut SWOV (Stichting Wetenschappelijk           Zahl der getöteten und schwer verletzten Teilnehmer
 Onderzoek Verkeersveiligheid) den gesamten Be­             am Straßenverkehr immer weiter zu senken. Hierzu
 reich der Straßenverkehrssicherheit ab.                    will auch der vorliegende DEKRA Verkehrssicher­
                                                            heitsreport wieder einen Beitrag leisten.
    Traditionell stark ist die Verkehrssicherheitsfor­
 schung in Schweden aufgestellt. Hier lassen sich als
 Beispiele VTI (Statens väg- och transportforsknings­
institut) und das Netzwerk NTF (Nationalförenin­
gen för Trafiksäkerhetens Främjande) nennen. Im
Vereinten Königreich sind zwei Institutionen im                    Die Fakten in Kürze
­Bereich der Verkehrssicherheit hervorzuheben: 1983
                                                                 • Verkehrssicherheitsarbeit ist nur als         lenkwelle, Dreipunkt-Sicher­
 wurde das VSRC (Vehicle Safety Research Centre)                   permanenter Prozess ­erfolgreich.             heitsgurt und Airbag waren
 gegründet, darüber hinaus engagiert sich seit mehr              • EU-Kommission legt stärkeren                  ­wichtige Pionier­leistungen.
 als 50 Jahren das TRL (Transport Research Labo­                   ­Fokus auf Maßnahmen, die ­Un­-
 ratory) im Bereich der Vermeidung von Unfällen                     fälle ­möglichst schon im V
                                                                                              ­ orfeld         • Verkehrsunfallforschung hat ge­
                                                                    ver­meiden sollen.                           meinsam mit Automobil­herstellern
 und Verletzungen. International erfolgt ein reger
                                                                                                                 wichtige Impulse für mehr Sicher­
 Austausch an Erkenntnissen zwischen den Insti­                  • Menschliches Fehlverhalten als
                                                                                                                 heit auf den Straßen gesetzt.
 tutionen. Die der OECD (Organisation for Econo­                   ­häufigste Unfallursache lässt sich
                                                                    durch den Einsatz elektronischer           • Teilautomatisiertes Fahren kann
 mic Co-operation and Development) zugeordnete
                                                                    Systeme reduzieren.                          die Zahl der Getöteten und Ver­
 IRTAD (International Traffic Safety Data and Ana­
                                                                 • Radialreifen, Scheibenbremse, ge-             letzten im Straßenverkehr weiter
 lysis Group) ist eine seit 1989 existierende Möglich­
                                                                   staltfeste Fahrgastzelle, Sicher­heits­­-     reduzieren.
 keit zum ­Informationsaustausch.

                               2014 Im Mai präsentiert der      intelligenten Systems „High-
                               Internet-Konzern Google den      way Pilot“ kann der Truck bei
                               Prototypen eines selbstfahren-   Autobahn-Geschwindigkeiten
                               den Autos.                       bis zu 85 km/h komplett
                                                                autonom fahren.
                               2014 Die Daimler AG prä-
                               sentiert im Juli auf einem       2014 Seit 1. November
                               Neubau-Abschnitt der Au-         gilt in der EU die ESP-Pflicht
                               tobahn 14 bei Magdeburg          für alle ­Neuwagen.
                               den „Mercedes-Benz Future
                               Truck 2025“. Mit Hilfe des

                2013                                                           2014                                                              2015

                                                                                                                                         16 | 17
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