Verlebendigung - Reformierte Stadtkirche

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Verlebendigung - Reformierte Stadtkirche
Verlebendigung
Ein Kunstwerk ist für sich ein toter Gegenstand, der konserviert, restauriert
und vorgezeigt werden kann, dessen Leben sich ansonsten auf die steigenden
Preise und Kosten zu beschränken scheint. Dabei ist es eine ganze Epoche, die
der Kunst neues Leben eingehaucht und als Wiedergeburt verstanden hat nach
den dunklen Zeiten der Fessel unter kirchlichem Diktat, was nicht zufällig zur
Reformation der Kirche selbst geführt hat. Die Wiederentdeckung der Antike,
selbst in ihrer rudimentären und beschädigten Form, die die Ausgrabungen
freigelegt haben, hat eine regelrechte Ruinenromantik ausgelöst und ist zur
Inspiration geworden, hat sogar den Torso zu einem eigenständigen Sujet
entwickelt, an dem sich die Kunst bis in die Gegenwart abarbeitet.
      Ein besonderes Opus befindet sich nun nicht zufällig in den Sälen der An-
tikensammlung des Kunsthistorischen Museums Wien. GREY TIME –
BRUCHTEILE AUS DEM MUSEUM präsentiert bis gegen Ende Oktober das
Diptychon Bruchteil 1 und Bruchteil 2 des Künstlerpaares Jeremias Alt-
mann und Andreas Tanzer, das im Museum selbst entstanden ist. Seit dem
Jahr 2013 arbeiten die beiden in spannungsvoller und gegenseitig herausfor-
dernder Weise zusammen, „in angewandter Respektlosigkeit“. In ihrem ge-
meinsamen Atelier entwickelt sich mit grey time eine stetig wachsende
„Sammlung des Zerfallenen“. Im Frühjahr letzten Jahres haben sie den Schritt
aus dem Atelier gesucht und zum eigenen Erstaunen schnell offene Arme und
Türen im Kunsthistorischen Museum gefunden.

Foto: KHM-Museumsverband © Jeremias Altmann und Andreas Tanzer / Bildrecht Wien, 2019

      Das Doppelwerk entstand „vierhändig“ im gegenseitigen Malen und
Übermalen vor den Werken verschiedener Epochen in den Sälen der Gemälde-
galerie, der Ägyptischen und der Antikensammlung. Zu dem Eindruck der Meis-
terwerke wurden die beiden, wie sie mir erzählen, auch noch auf besondere
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Weise durch das jeweilige Tagespublikum inspiriert, das ihnen zuschaute und
laut vor sich hin spekulierte, worum es sich bei dem Werk handeln könnte wie
etwa einem kriegszerstörten Museum. Tatsächlich lag ihnen daran, in ihrer
„Sammlung des Zerfallenen“ Menschen mit ins Bild zu holen und dies adäquat
durch die Statuen zu machen. Die Wiederbelebung der Antike betreiben sie da-
zu mit ihren Namen, weil nun in der Sammlung der namenlosen, da unbekann-
ten Künstler der Antike sie ihr Kunstwerk mit ihren Namen stellen. Das Dop-
pelwerk in unmittelbarer Nähe des Zentaur-Torsos wird ergänzt durch eine
Skulptur aus der grey time und Fotos. Barbara Herbst hat ihnen während des
Schaffensprozesses über die Schulter geschaut und noch einmal einen erwei-
ternden neuen Blick auf die Museumsstücke und die Künstler bei der Arbeit ge-
lenkt.

                                       Andreas Tanzer, Jeremias Altmann
                                       und Barbara Herbst vor der Fotowand
                                                                        ©JL

     Das KHM möchte laut Auskunft des Direktors der Antikensammlung
Georg Plattner, der sich so bereitwillig auf das Projekt eingelassen hat, dem
heimischen Publikum ein lokales Angebot machen. So ist es eine Einladung et-
wa an Jahreskartenbesitzer, die immer wieder hier und da auch kurzzeitig ins
Museum hineinschauen und im Gegensatz zu den Touristen im Abschreiten der
Hauptsammlungen und Sonderschauen die eine oder andere Ecke des Hauses
neu entdecken möchten.

      Die Albertina präsentiert zu seinem 80. Geburtstag NITSCH Räume
aus Farbe (bis Mitte August). Der als Aktionskünstler insbesondere durch sein
Orgien Mysterien Theater bekannte Hermann Nitsch wird quasi reduziert auf
die Hinterlassenschaft seiner multimedialen Performances präsentiert. Bis auf
eine Videozusammenstellung, die an die großen und spektakulären Aktionen
erinnert, und die Uraufführung seines 2. Streichquartetts am 29. Mai verblei-
ben museale Stücke. Großformatige „Schüttbilder“, „Bodenschüttbilder“,
„Rinnbilder“, „Springbrunnenbilder“ und „Schmierbilder“, „Relikte aus dem 6-
Tage-Spiel“ und eine „Kathedrale der Farben“. Der „Schwarze Zyklus“ gehört
zur Sammlung Essl, die inzwischen der Albertina zugefallen ist. Dabei gelingt
der von der Kuratorin Elsy Lahner arrangierten Hängung und Saalaufteilung,
über die Bilder den Malprozess erlebbar zu machen. Schritte zeichnen sich in
Fußabdrücken ab. Die aufgebrachten, verlaufenden oder durchgekneteten
Farbmengen stechen reliefhaft hervor. Malhemden des Meisters oder seiner
Assistentinnen und Assistenten werden über einem Querholz an einen Kruzifi-
xus erinnernd in die Bilder zumeist am oberen zentralen Rand hineingenom-
men und verbleiben Teil der einst Agierenden. Die Anspielungen religiöser
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Symbolik sind nicht zufällig, sondern essenziell. Die Mysterien Orgien Spiele
und Malaktionen, die mit dem Abspielen großer Messen wie gerne der von
Bruckner zelebriert wurden, stehen offensichtlich dafür. Das Verschütten von
Blut wie die Opferrituale bei den jeweils mehrtägigen Spielen in Prinzendorf
bzw. Mistelbach oder der Großaktion in und ums Burgtheater 2005 ist ein Ge-
menge aus totaler Sinnenreizung und Enttarnung religiöser Kulte und Opferli-
turgien.

Kuratorin Elsy Lahner, Herrmann Nitsch und Albrecht Schröder vor dem Auferstehungszyklus II
                                                                                       ©JL

      Die Provokation greift verständlicherweise bei einem Protestanten refor-
mierter Konfession nicht, sondern bestätigt schlicht dessen Ablehnung der
Messopfertheologie. Aber Nitsch wäre damit auch unzulänglich verkürzt. Die
Verbannung von Kunstwerken aus dem Gottesdienstraum und der Andacht,
erschließt einen offenen und unvoreingenommen Zugang zur Kunst und der
Anregung wie auch Berührung durch die Künstler, die selbst frei sind in ihren
Ideen und ihrem Ausdruck. So entdecke ich unter anderem hier und da ein
schelmisches Treiben bei Hermann Nitsch, der jedoch im gleichen Moment mit
vollem Ernst seine Aktionen und ihre Produkte mit eigener Religion (Verehrung
und Anbetung) auflädt. Die jüngeren Bilder aus den Anfang 2000er Jahren ge-
ben in ihrem strahlenden Gelb als Auferstehungszyklen und -triptychon einen
extra lebensbejahenden, hoffnungsvollen Ton wie auch die Kathedrale der Far-
ben von 2009. Ein eigenständiger Verlebendigungsprozess.

    Einen anderen Weg der Neubelebung geht die Gemäldegalerie der
Akademie der bildenden Künste Wien, die wegen Sanierungsarbeiten seit
November 2017 im Theatermuseum mit einer Präsentation ihrer Prunkstücke
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zu Gast ist. Um deren Mittelpunkt, das „Herzstück“, den dreiteiligen Altar von
Hieronymus Bosch mit der Darstellung des Jüngsten Gerichts hat die Gemälde-
galerie Künstlerinnen und Künstler zur persönlichen Auseinandersetzung mit
dem apokalyptischen Bild aus dem 15. Jahrhundert eingeladen. In der Reihe
Korrespondenzen drapiert nach Jonas Burgert, Sjon Brands und Maxim
Kantor nun Susanne Kühn ihre Reaktion auf und um das alte Meisterwerk
(BOSCH & KÜHN bis Ende August). Die 1969 in Leipzig geborene Künstlerin,
die über New York und Boston an die Akademie der bildenden Künste in Nürn-
berg gekommen ist, stellt zum ersten Mal in einem Wiener Museum aus. Mit
offensichtlicher Entdeckerfreude hat sie nicht nur auf „das Jüngste Gericht“,
sondern auch die anderen Gemälde geschaut und aus ihnen ein zitatenreiches
zeichnerisch-malerisches Gesamtopus geschaffen, das als Diptychon den
Boschaltar einrahmt und zur Entdeckungsreise einlädt.

Susanne Kühn (2.v.r.) bei der Presse-
vorstellung vor dem Zugang zur Aus-
stellung ihrer beiden großformatigen
erzählfreudigen Bildtafeln, auf denen
sie sich in Selbstironie mit hineinge-
malt hat: Beastville, Detail, 2018,
Mischtechnik auf Leinwand
                           © Wien, 2019

       Nicht weniger ironisch wird im Theseustempel mit der Kunst gespielt,
die sich höchst lebendig gibt. Jasper Sharp, der am Kunsthistorischen Mu-
seum die Interventionen der Moderne und Aktualität in der altehrwürdigen
Sammlung kuratiert, öffnet jedes Jahr über den Sommer den Theseustempel,
frei zugänglich für Touristen wie Parkbesucher. Doch statt der ursprünglich
dort aufgestellten Skulptur „Theseus besiegt den Kentauren“ von Canova, die
ins Haupthaus übersiedelt ist, haben sich in die leere Halle eine erkleckliche
Zahl Tauben verirrt. Der Schrecken, die Plage und der Schaden altehrwürdiger
Häuser. Die Begleiter der Touristen, die wie in Venedig auf dem Markusplatz
zwischen Taubenfutterverkäufern und der das Fütterungsverbot exekutieren-
den Polizei wählen können. Daraus hat Maurizio Cattelan bereits 1997 eine
Provokation konstruiert und im Zentralpavillon der Biennale Venedig 2000 aus-
gestopfte Tauben verteilt und die Installation wenig freundlich „Turisti“ ge-
nannt. 15 davon sind nun im Theseustempel gelandet. In dem sauberen strah-
lend weißen Tempel, der bei seiner Sanierung mit Spezialfarbe versehen wur-
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de, auf der sich keine Graffiti halten können. Das hält aber den gern sogenann-
ten „Konzeptzyniker“ nicht auf, der hier allerdings recht harmlos daherkommt,
denkt man an seine mancherorts böse polarisierenden Installationen. Denen,
die sich bei ihrem Parkbesuch in die Halle verirren, bleibt die Überraschung,
wenn sie denn das Gefieder entdecken. Ein verschämtes und betroffenes
Nachdenken, warum immer mehr Reiseziele sich nicht nur um die Taubenab-
wehr kümmern, sondern auch gegen die Touristenströme wehren.

© Maurizio Cattelan Foto: KHM-Museumsverband

      Eine recht eigene Verlebendigung erfährt derzeit im Leopoldmuseum
Edmund Kalb (bis Mitte August). Eher eine Wiederbelebung als Wiederentde-
ckung. Hat der Dornbirner doch zeitlebens nicht ausgestellt und kein einziges
seiner Werke verkauft. Der Blick auf den widerständigen Geist lohnt aber. In
den ersten Monaten des vergangenen Jahrhunderts geboren teilte er das
Schicksal der Kinder der Jahrhundertwende. Der erste Weltkrieg trifft den Her-
anwachsenden. Der zweite Weltkrieg holt sich den jungen Mann.

                                                       Porträts in der Ausstellung ©JL

       Von seinem Zeichenlehrer entdeckt bekommt er die Gelegenheit zu Port-
rätstudien u.a. an Kriegsgefangenen und somit den Einblick in die Kriegsgräu-
el. Als Soldat beim Bodenpersonal der Luftwaffe wird er zum Gehorsamsver-
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weigerer. Die streng katholische Familie stand aus Glauben und Überzeugung
im Widerspruch und Widerstand zum Nationalsozialismus wie nicht wenige ge-
rade in Vorarlberg. Seine eher passive Aufmüpfigkeit brachte ihm wiederholte
Gefängnishaft auch über das Kriegsende hinaus, weil er sich Zwangseinquartie-
rungen widersetze und im eskalierenden Behördenstreit lag. Zeitweilig zog er
sich ganz zurück und lebte unabhängig für sich und von seiner Gemüsepflan-
zenzucht. Er starb mit nur 52 Jahren.

                                                                 Selbstbildnisse ©JL

        Er hinterlässt ein Werk von sage und schreibe rund 400 Porträts und et-
wa 700 Selbstporträts. Diese sind aber laut Kurator Rudolf Sagmeister nicht
als Charakterstudien angelegt, sondern verfolgen die Wirkungsmöglichkeiten
der Linien. An die 15 Arbeiten täglich hat er auch das Potential von Materialien
und Techniken, Ritzungen und Radierungen erprobt. Bemerkt die gleichblei-
bende Wirkung des Kugelschreiberstriches gegenüber den anderen Zeichenin-
strumenten, die durch variierenden Druck unterschiedliche Spuren hinterlas-
sen. Er beschäftigt sich mit Materialkund bis hin zur Atomphysik und lässt sei-
ne künstlerische Tätigkeit jahrelang zugunsten physikalischer, mathematischer
und technischer Studien ruhen bei der Rückkehr und Mitarbeit in der väterli-
chen Werkstatt, einer Wappenmalerei. Die Schildermalerei bewerkstelligt er
mit der linken Hand und behält sich die Rechte für die Kunst vor, während er
die Frage ventiliert, wie sich das Zeichnen in der Schwerelosigkeit auswirken
könnte.
        Die Bilder sind verstörend. Wenn auch nicht als Darstellung und Aus-
druck der Persönlichkeit angelegt, geben sie – besonders in den Studien am
eigenen Gesicht – ein düsteres Bild ab. Nicht allein durch die vorrangige Mono-
chromie in Schwarz-Weiß, denn auch das in monochromen Grellrot gehaltene
irritiert nicht weniger. Fast möchte man meinen, ihm in den skizzenhaften und
mitunter abstrakten Linien in die Seele zu schauen.
        Parallel zu Edmund Kalb hat das Leopoldmuseum eine zweite Sonderaus-
stellung zusammengestellt OLGA WISINGER-FLORIAN FLOWER-POWER
DER MODERNE (bis in den Oktober). Sie repräsentiert das ganze Gegenteil.
Sie war eine „Meisterin des Selbstmarketing“, wie die Kuratorin Marianne
Hussl-Hörmann zu bemerken weiß und die auf die Anspielung im Ausstel-
lungstitel verweist, der die für ihre Blumenbilder berühmte Künstlerin als star-
ke Frau charakterisiert. Davon zeugt neben ihrem „kulturpolitischen“ Einsatz
auch ihr dezidiert politisches Engagement.
        Nachdem sie wegen eines chronischen Handleidens ihre Ausbildung als
Konzertpianistin beenden musste, wandte sie sich der Malerei zu und hat be-
reits 1878 ihre erste Ausstellung im Wiener Kunstverein. Sie beginnt selbst,
Schülerinnen zu unterrichten. Sie wird Mitglied im Verein der Schriftstellerin-
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nen und Künstlerinnen Wien, dessen Präsidentin von 1900-1917 ist. Sie grün-
det mit Marie Egner und Marianne von Eschenburg die Acht Künstlerinnen
und organisiert Gruppenausstellungen. Die Ausstellung „Kunst der Frauen“
1910 in der Wiener Secession soll auf ihre Initiative zurückgehen. Von der
Kunstwelt bestaunt, die Fähigkeit einer Frau, „so malen zu können“, und den
Kollegen gelobt ob ihrer „männlichen Energie“ (der Landschaftsmaler Emil Ja-
kob Schindler hat ihre Privatunterrichtung beendet, nachdem Freunde ihn
warnten, sie könnte ihn übertreffen).
       Sie hat und pflegt Kontakt zu Adelskreisen, unterrichtet die spätere Fürs-
tin von Thurn und Taxis, darf sich einer Bemerkung des Kaisers zu ihrem Kohl-
feldbild erfreuen und von ihm angesprochen zu werden. Aus der Bekanntschaft
mit Bertha von Suttner entwickelt sich ihr friedenspolitisches Engagement.
1891 reist sie als Delegierte zum Internationalen Friedenskongress nach Rom,
1892 Bern, 1893 Chicago, 1894 Antwerpen und 1902 Monaco.
       Nach dem Tod ihres Mannes verpachtet sie dessen Apotheke am Schwar-
zenbergplatz und kann sich derart finanziell abgesichert viele Reisen leisten,
malen und – modern ausgedrückt – vernetzen. 1912 beginnt sie in Folge eines
Hirntumors zu erblinden und kann nicht länger malen.

Bauernhof in Niederösterreich, 1889                                      ©JL

      Die reiche Schau ihrer Bilder besticht durch die ausdrucksstarke Leben-
digkeit und eigene Themenwahl. Einen fast sichtbar stinkenden Misthaufen
zum Bildmittelpunkt zu machen, hat schon was.

      Zu guter Letzt ein Abstecher ins mumok mit zwei Sonderausstellungen
(bis Oktober) Vertigo Op Art und eine Geschichte des Schwindels 1520–
1970 und Dorit Margreiter Really!. Der Versuch, das Bewusstsein für die
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Ambivalenz der Wirklichkeit zu wecken. Kein politisches Programm, obwohl das
immer wieder zeitgemäß und aktuell wäre.
      Op Art wird gern als zu spektakulär und oberflächlich abgetan und ist ei-
ne Kunsterscheinung, die seit der Renaissance die klassische Kunst als Manie-
rismus begleitet und herausgefordert. Die Ausstellung Vertigo will das Bezie-
hungsgeflecht der Alten Kunst mit der Op Art aufzeigen und damit die latente
Tradition der verstörenden Bilder. Nichts ist wie es scheint. Das Sehen wird zur
körperlichen Erfahrung. Der Künstler und Mitkurator Markus Wörgötter
spricht gar vom "inkarnierten Sehen" und diagnostiziert: "Die persönliche
Wahrnehmung wird zum Austragungsort des Kunstwerkes." In dieser Weise
körperbezogene Kunst stellt die Ausstellungskuratorin Eva Badura-Triska die
Op Art in Verbindung zum Wiener Aktionismus.

Adolf Luther, Laserraum, 1970, Photo: Markus Wörgötter
© mumok/Adolf-Luther-Stiftung, Krefeld/Bildrecht Wien, 2019

       Tatsächlich ist es die Täuschung und insbesondere die Irritation, die die
Kunstwerke verbreiten: Vertigo/Schwindel, das gestörte Gleichgewicht. Vibrie-
rende Muster, pulsierend, flüchtig, paradoxe Raumillusionen, Umspringeffekte.
Optische Täuschung, die den Körper schwanken lässt. Labyrinthe und Spiralen
mit betörender Sogwirkung. Flickerfilme, bei deren Anblick man sich der Ge-
fahr epileptischer Anfälle aussetzen kann. Das Spiel der Täuschungen und Sin-
nesverwirrungen beginnt bereits am Stiegenaufgang zum mumok-Eingang, wo
der venezolanische Künstler Carlos Cruz-Diez eine verunsichernde „promena-
de cromatique“ über die Stufen gezogen hat.
       Die zweite Ausstellung Really! ist eine Personale der österreichischen
Fotografin, Video- und Installationskünstlerin Dorit Margreiter. Ein aktueller
Beitrag zur Vertigo-Schau und folgt zwischen Mobiles und Raumfluchten nicht
zufällig mit einem eigens dafür gedrehten Film den Effekten in einem Spiegel-
kabinett im Prater. Zwei Präsentationen, die einen beim Hinschauen körperlich
mitnehmen.

                                                              Johannes Langhoff
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