Junge Erwachsene mit Diabetes - motivierende Gesprächsführung - Deutsche Diabetes ...

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Junge Erwachsene mit Diabetes - motivierende Gesprächsführung - Deutsche Diabetes ...
Fortbildungskurs „Diabetologe DDG“
Dresden, 19.09.2020

Junge Erwachsene mit Diabetes – motivierende
Gesprächsführung
Prof. Dr. Bernhard Kulzer
Diabetes Zentrum Mergentheim, Forschungsinstitut der Diabetes Akademie Bad Mergentheim (FIDAM)
Universität Bamberg, Lehrstuhl für klinische Psychologie
Junge Erwachsene mit Diabetes - motivierende Gesprächsführung - Deutsche Diabetes ...
Unterschied der Betreuung in der Kinder- und
Jugenddiabetologie - Erwachsenendiabetologie
▪   Betreuung von Kindern- und Jugendlichen in der Regel beim
    Pädiater - zumeist in speziellen kinder- und jugendspezifischen
    diabetologischen Ambulanzen

     − Ganzheitliche, interdisziplinäre und familienfokussierte Betreuung, die
       vor allem darauf abzielt, Kindern und Jugendlichen eine gute Starthilfe
       für den lebenslangen Umgang mit dem Diabetes zu geben und diesen
       bestmöglich in das Familienleben zu integrieren

▪   Betreuung von jungen Erwachsene ab 18 Jahren in diabeto-
    logischen Einrichtungen für Erwachsene - zumeist diabetologische
    Schwerpunktpraxen

    − Dort geht man von einem autonomen Menschen aus, der vom
      Diabetesteam Empfehlungen bekommt, beraten und geschult wird, aber
      von dem erwartet wird, dass dieser eigene, selbstverantwortliche
      Entscheidungen hinsichtlich seiner Therapie trifft
             Nicht jeder junge Erwachsene kann das!
Junge Erwachsene mit Diabetes - motivierende Gesprächsführung - Deutsche Diabetes ...
Vom Jugendlichen zum jungen Erwachsenen
▪   Das frühe Erwachsenenalter ist ein relativ
    schwer abgrenzbarer Lebensabschnitt, mit
    jedoch enormer Bedeutung für die Entwicklung
    und das weitere Leben eines Menschen
    („Weichenstellung“)

▪   Junge Erwachsene müssen/dürfen mit dem
    Eintritt ins Erwachsenenalter ein viel größeres
    Maß an Verantwortung für sich, aber
    zunehmend auch für andere übernehmen, als sie
    es aus Kindheit und Jugend gewohnt ist.

▪   Sie müssen weitreichende, teils unumkehrbare
    Entscheidungen treffen, deren Folgen ihn unter
    Umständen bis ans Ende seines Lebens begleiten
    werden

▪   Sie müssen sich ihren Platz in der Gesellschaft
    suchen und das Verhältnis zu den eigenen Eltern
    völlig neu ordnen.
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Junge Erwachsene: Viele Anforderungen, viel Unge-
wissheit, viel Druck in der „Rush-Hour des Lebens“

                                     Diabetes
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Gute Diabetesbehandlung:
Warum in dieser Lebensphase besonders wichtig?
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Junge Erwachsene mit Typ 1-Diabetes: Hba1c

                                                                 USA: 16.061 Typ 1-Diabetiker
                                                                 01.09.2013 – 01.12.2014
      Mittlerer HbA1c in % (mmol/mol)

                                                        Lebensalter

Miller KM et al. (2015) Diabetes Care 38(6): 971-978.
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Mädchen (Kreise)
                                                                            Jungen (Dreiecke)
Holl RW & Prinz N. (2018) In: Deutscher Gesundheitsbericht Diabetes 2018.
Junge Erwachsene mit Diabetes - motivierende Gesprächsführung - Deutsche Diabetes ...
Junge Erwachsene mit Typ 1 Diabetes
Rosenbauer J et al. (2012) Diabetes Care 35(1): 80-86..
Junge Erwachsene mit Diabetes - motivierende Gesprächsführung - Deutsche Diabetes ...
DMP Typ 1-Diabetes: Junge Erwachsene

            DMP DM1 Nordrhein 2014 -
            HbA1c-Werte in Abhängigkeit
            vom Alter und Geschlecht

Hagen B. et al. (2015) Qualitätssicherungsbericht 2014. Disease-Management-Programme in Nordrhein
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DMP Typ 1-Diabetes

             2008                                                                                   2014

                                                    Abbildung 7-4:
                                                    DMP DM1 - HbA1c-Werte 2014
                                                    in Abhängigkeit vom Alter
                  9,6

                  8,0                                                                                      9,0

                                                                                                           8,1
                  7,1
                                                                                                           7,4
                  6,1                                                                                      6,7

Hagen B et al. (2015) Qualitätssicherungsbericht 2014. Disease-Management-Programme in Nordrhein.
Langzeitprognose
Langzeitprognose …
▪    Nationales                               mit Typ1   ohne Typ1    Δ
     Schottisches
     Register 2008-2019              Männer   + 46,2     + 57,3      11,1
▪    alle Typ1-Diabetiker
     > 20 Jahre
▪    n= 24.691                       Frauen   + 48,2     + 61,0      12,8

Ein Lebensalter von 70
Jahren erreichten …

 Livingstone SJ et al JAMA 2015:37
Früher Tod bei Typ-1-Diabetes – woran?

                                     Männer                       Frauen

Todesursache                        20-49 J.   ≥ 50 J.   Gesamt   20-49 J.   ≥ 50 J.   Gesamt

Alle Todesfälle                        179        413      592       111        340      451
Malignome %                           10,6       17,4     15,4      10,8       17,1     15,5
Kardiovask.                           23,5       49,2     41,4      25,2       45,9     40,8
(MACE) %
Diab.                                 16,2        2,7      6,8      15,3         0       3,8
Ketoazidose %
Nierenversagen %                       4,5        6,3      5,7       7,2        5,9      6,2

Livingstone SJ et al JAMA 2015:37
Erhöhte Mortalität bei Typ 1-Diabetes
▪ Daten des Swedish National Diabetes Register; N=33.915 T1DM vs.
  N=169.249 gesunde Kontrollpersonen (gematched nach Alter und
  Geschlecht)
▪ Signifikant höhere Mortalität (N pro 1.000 Patientenjahre) für T1D im
  Vergleich zur nicht-diabetischen Kontrollgruppe über alle Altersgruppen.

Gesamtmortalität                          2,9 vs 8,0                  HR 3,52 (95% KI 3,06 - 4,09)
CV-Mortalität                             0,9 vs 2,7                  HR 4,60 (95% KI 3,47 - 6,10)

▪ Die Mortalitätsraten steigen mit zunehmendem HbA1c:
HbA1c ≤ 6,9% 7,0 - 7,8 7,9 - 8,7 8,8 - 9,6 ≥ 9,7
Gesamt-Mortalität       5,4       7,1       8,5                                      8,7   12,0
    Exzess-Mortalität                       Ref.        + 31,5% +57,4% + 61,1% + 122,2%

 Lind M, Svensson AM, Kosiborod M, et al. (2014). N Engl J Med. 371(21):1972-1982.
Mortalität junger Erwachsene mit Typ 1-Diabetes

Mit Dank an Karin Lange, Hannover
Mortalität junger Erwachsene mit Typ 1 Diabetes

Mit Dank an Karin Lange, Hannover
Mortalität junger Erwachsene mit Typ 1 Diabetes

                                                                                                      • Mortality was 4.4 times that of the general
                                                                                                        population
                                                                                                      • More than 50% of all deaths were caused by
                                                                                                        acute or chronic complications.
                                                                                                      • A relatively high proportion of deaths were
                                                                                                        related to alcohol.

                                                                                                        • Acute complications: DKA, Hypoglykämie
                                                                                                        • Chronic complications: include deaths
                                                                                                          from renal failure and all cardiovascular
                                                                                                          deaths, subdivided as death from
                                                                                                          ischemic heart disease, cerebrovascular
                                                                                                          disease and all other CVDs, and other
                                                                                                          diabetes complications
                                                                                                        • Violent death: subdivided as fatal
                                                                                                          accidents, intoxications, and suicides
                                                                                                        • Other, non-diabetes-related deaths: all
                                                                                                          other causes of death, including infections
Ganum et al. (2017) Long-term Mortality and End-Stage Renal Disease in a Type 1 Diabetes Population
Diagnosed at Age 15–29 Years in Norway
                                                                                                          not related to diabetes, any form of
Diabetes Care 2017;40:38–45 | DOI: 10.2337/dc16-1213                                                      cancer, and sudden, unexplained deaths.
Mortalität junger Erwachsene mit Typ 1 Diabetes

                                                                                                      Conclusion

                                                                                                      • In conclusion, the high mortality reported
                                                                                                        in this cohort with an onset of diabetes in
                                                                                                        late adolescence and young adulthood
                                                                                                        draws attention to people diagnosed
                                                                                                        during a vulnerable period of life.

                                                                                                      • Both acute and chronic complications cause
                                                                                                        substantial remature mortality, implying a
                                                                                                        continuous need for improved diabetes
                                                                                                        care.

                                                                                                      • Our study suggests that increased
                                                                                                        awareness of alcoholrelated death should
                                                                                                        be encouraged in clinics providing health
                                                                                                        care to this group of patients.

Ganum et al. (2017) Long-term Mortality and End-Stage Renal Disease in a Type 1 Diabetes Population
Diagnosed at Age 15–29 Years in Norway
Diabetes Care 2017;40:38–45 | DOI: 10.2337/dc16-1213
Mortalität junger Erwachsene mit Typ 1 Diabetes

Ganum et al. (2017) Long-term Mortality and End-Stage Renal Disease in a Type 1 Diabetes Population
Diagnosed at Age 15–29 Years in Norway
Diabetes Care 2017;40:38–45 | DOI: 10.2337/dc16-1213
Ketoazidose
Krankenhausbehandlungen aufgrund diabetischer
Ketoazidose (DKA)
 N=31.330 mit T1D | Alter 12,7 Jahre (Median)                   Hospitalisierungs-
 DPV-Diabetes Register, 2011 - 2013                             rate aufgrund DKA:
                                                                4,81 pro 100
                                                                Patientenjahre

                                                                Höchste DKA Raten
                                                                bei (Risikofaktoren):
                                                                •HbA1c ≥ 9.0 %
                                                                •Alter 15–20 Jahre
                                                                •DD 2,0–4,9 Jahre
                                                                •Geschlecht
                                                                (Mädchen)
                                                                •Migrations-
                                                                hintergrund
Karges B et al. (2015) Eur J Endocrinol. 2015 173(3):341-350.
Hypoglykämien
Krankenhausbehandlungen aufgrund
schwerer Hypoglykämien (SH)
 N=31.330 mit T1D | Alter 12,7 Jahre (Median)                   Hospitalisierungs-
 DPV-Diabetes Register, 2011 - 2013                             rate aufgrund SH:
                                                                1,45 pro 100
                                                                Patientenjahre

                                                                Höchste SH Raten
                                                                bei (Risikofaktoren):
                                                                • Vorausgegangene
                                                                  schwere Hypos
                                                                  17.69 vs 0.42
                                                                  (RR 41,91)
                                                                • Migrations-
                                                                  hintergrund

Karges B et al. (2015) Eur J Endocrinol. 2015 173(3):341-350.
Psychiatrische Kommorbidität
Psychiatrische Komorbidität und Suizidalität bei Kindern
und Jugendlichen mit Typ 1-Diabetes
  ▪     Schwedische Registerstudie; Kinder der Geburtsjahrgänge 1973 bis 2009;
        Beobachtungszeitraum: bis zum 18ten Geburtstag
  ▪     N=17.122 Typ 1-Diabetes, N=18.874 Geschwisterkinder, N=1.696.611 nicht-diabetische
        Kinder (gematchte Kontrollgruppe)

Butwicka A et al. (2015) Diabetes Care 38(3):453–459.
Essstörungen

Colton et al. (2015) Diabetes Care 38:1212-1217
Essstörungen

Colton et al. (2015) Diabetes Care 38:1212-1217
Depressionen: Erkrankungsalter

50 % aller Patienten
erkranken in Deutschland bereits vor ihrem 31.
Lebensjahr erstmalig an einer Depression.

Die Erkrankungsraten in jüngeren Altersgruppen
nehmen zu.
Depression bei jungen Erwachsenen

 •   Gesicherte Depressionsdiagnosen

 •   764 618 Versicherte im Alter von 18 – 25 Jahren

 •   Anstieg der Depressionsdiagnosen 2006 – 2016: +66%

Barmer Arztreport 2018
Lebensqualität bei Jugendlichen, jungen
Erwachsenen: The Gobal TEENS Study

Anderson B. et al. (2017). Factors Associated With Diabetes- Specific Health-Related Quality of Life in Youth With Type 1 Diabetes: The Global TEENs Study
https://doi.org/10.2337/dc16-1990
Risikoverhalten
Risikoverhalten

Weitzmann et al. (2016) J Pediatr 136:450-457.
Rauchen und Stoffwechselkontrolle bei Jugendlichen mit
Typ 1-Diabetes (DPV)

Jugendliche, die Rauchen, haben ein schlechteres metabolisches Risikoprofil.

Hofer SE et al. (2009) J Pediatr 154:20-23.
Metabolische Risikofaktoren
Kardiovaskuläre Risikofaktoren bei Kindern und
Jugendlichen
SEARCH for Diabetes in Youth Study
N=1,083 Mädchen und N=1,013 Jungen im Alter von 0-19 Jahren

▪ Die Prävalenz von mindestens 2 kardiovaskulären Risikofaktoren beträgt 21%.
▪ Bei Jugendlichen zwischen 10 – 19 Jahre beträgt 25% (p
Transition
Transition
▪ SEARCH for Diabetes in Youth Study
▪ 185 frischmanifestierte Personen mit Typ-1-Diabetes (durchschnittliches Alter: Baseline 15.9
  Jahre, Follow-up 20,5 Jahre) – mindestens 1 Visite mußte > 18 Jahre sein
▪ Follow-up 12,24,60 Monate

▪ Durchschnittliches Transitionalter in die Erwachsenenmedizin: 20,1 Jahre
▪ Zwischen 18-20 Jahre: nur 47% Transition

Lotstein et al. (2013) . Pediatrics, 131: e1062-1070
Transition
▪ SEARCH for Diabetes in Youth Study

                                                                .
▪ Leaving pediatric care was associated with a 2.5-fold increase in odds of having poor glycemic
  control
▪ These findings suggest that young adults need additional support when moving to adult care

Lotstein et al. (2013) . Pediatrics, 131: e1062-1070
Übergang in die Erwachsenenmedizin

                 http://between-kompas.com

Ziele des Transitionsprozesses:              • Kontinuität in der Diabetesbehandlung sicherstellen
                                             • „Diabetes-Anlaufstelle“ in der „rush hour des Lebens“
                                             • Behandlungsmotivation erhalten
Zusammenfassung (1)
Typ 1-Diabetes bei jungen Erwachsenen

 ▪   In Bezug auf den Diabetes Risikogruppe für
      − Erhöhte HbA1c-Werte
      − Schwere Unterzuckerungen
      − Schwere Ketoazidosen
      − Psychische Probleme
      − Risikoverhalten mit möglichen
        negativen Konsequenzen auf den
        Diabetes
      − Diskontinuierliche Betreuung
 ▪   Ein Lösung: Transitionsmodelle (z.B. Berliner
     Modell)

 ▪   Aber, unbedingt auch erforderlich: Spezielle
     Konzepte für diese Gruppe von Menschen
     mit Diabetes in der „Rush-our of life“
Unsere Konsequenz: Spezielle Therapiekonzepte für
junge Erwachsene
▪   Spezielles Gruppenkonzept für diese
    Altersgruppe (Team: Diabetesberater/innen,
    Psychologen, Ärzte), angepasst auf die
    besonderen Bedürfnisse und Probleme dieser
    Zielgruppe

▪   12 Tage stationär, Diabetes-Klinik Bad
    Mergentheim

▪   Altersangepasste Themen, Fokus auf Technik,
    neue Diabetestechnologien

▪   Geleiteter Erfahrungsaustausch,
    Gruppendiskussionen („Modell-Lernen“)

▪   Erarbeitung eines individuellen
    Behandlungsplanes durch die Teilnehmer
    („Meine Projekt, mein Ding mit Diabetes“),
    Vorstellung in der Gruppe, Coaching
Spezielle Therapiekonzepte für
junge Erwachsene

▪   Spezielles Anmeldeverfahren: Überweisung und
    Checkliste durch Arzt, zusätzliches
    Anmeldeformular durch Patient (analog
    problemspezifische Gruppen)
Motivierende Gesprächsführung
Was ist Motivierende Gesprächsführung?

Motivierende Gesprächsführung
ist ein patientenzentrierter Ansatz
zur Gesprächsführung, um
• die Eigenmotivation von Menschen zu erhöhen

• problematisches Verhalten zu ändern

Entwicklung aus den 90er Jahren durch

• William R. Miller (University of New Mexico, USA)
• Steven Rollnick (University Wales College of Medicine)

•   Tabak-, Raucherentwöhnung
•   Sucht, Alkohol- und Drogenmissbrauch
•   Gesundheitsförderung und Prävention
•   Diät- / Ernährungsumstellung
•   Bewegungsaktivierung
•   Diabetesberatung
•   Strafvollzug
MI: Menschenbild, Ziele, Prozesse, Methoden

                                                                       Menschenbild MI

                                                                          Ziele von MI

                       Phase 1: Förderung der                                               Phase 2: Festlegung von Zielen, Planung
                       Änderungsmotivation                                                  der Veränderung

                                                                               Prozesse

                                                          4. Planung: Begleitung zur Zielerreichung                          „Bergführer“
                                         3. Evokation: Motive für Veränderung entlocken                                      „Hebamme“
                       2. Fokusierung: Anliegen klären                                                                       „Lotse“
       1. Beziehung aufbauen                                                                                                 „Tanzlehrer“

                                                                            Methoden

   1.                       2.                         3.                      4.                      5.            6.           7.
   Offene                   Affirmationen              Aktives                 Zusammen-               Änderungs-    Umgang mit   Änderungs-
   Fragen                   Bestätigung                Zuhören                 fassung                 motivation    Widerstand   motivation
                                                                                                       aufbauen:                  stärken:
                                                                                                       Change talk                Confidence talk

Modifiziert nach: Körkel J, Veltrup C. Motivational Interviewing: Eine Übersicht Suchttherapie 2003; 4: 115-124
Motivierende Gesprächsführung (MI): Menschenbild

Autonomie

•   Der Patient verhielt sich - in seiner eigenen Logik - durchaus sinnhaft

•   Soll sich ein Patient verändern? Welches Ziel? Wie?
    Patient entscheidet selbst, soll respektiert werden

                                                          von fern
          lenken                    begleiten             beobachten

    Den Patienten           Anerkennung, dass Patient         Gleichgültigkeit
    drängen,                selbst entscheiden muss           gegenüber Wünschen
    ihn verändern           (inkl. mangelnde Änderungs-       / Entscheidungen
    wollen                  bereitschaft)                     des Patienten
Motivierende Gesprächsführung (MI): Menschenbild

Widerstand: Folge von Verletzungen der Autonomie

Autonomieverletzungen:

• Arzt drängt Patient eigene Sichtweisen auf
• Holt den Patient nicht da ab, wo er steht

Autonomie respektieren:

       „Rechthaber-Reflex“ bändigen

       Offenheit für die Sichtweisen, Ziele und bevorzugten Verhaltensweisen
       des Patienten
Motivierende Gesprächsführung (MI): Menschenbild

Autonomie: Widerstehe dem Reflex, den Patienten „in eine Richtung zu schubsen“

(1) Versuche nicht, den Patienten zu überzeugen, ein Problem zu haben

(2) Räsonieren nicht über die Vorteile einer Veränderung

(3) Gebe nicht unaufgefordert Ratschläge, wie sich der Patient verändern soll

(4) Informiere – aber drohe nicht mit Konsequenzen
    bei Nichteinhaltung von Empfehlungen
Motivierende Gesprächsführung (MI): Menschenbild

Evokation („Entlocken“)

Menschen sind nicht unmotiviert, sondern ambivalent

„Einerseits möchte ich etwas verändern,
…. andererseits aber auch nicht“

Mangelnde Bereitschaft, den Lebensstil zu ändern
• ist weniger bedingt durch Uneinsichtigkeit oder Willensschwäche
• sondern Ausdruck einer inneren Zwiespältigkeit.

Ambivalenz ist ein normaler Bestandteil eines Prozesses,
wenn Menschen ihr Verhalten ändern.
Motivierende Gesprächsführung (MI): Menschenbild

Evokation („Entlocken“)

•    Widersprüchliche Motive
     gemeinsam erkunden und betrachten

•    Bild „Terrain ausleuchten“

                                                          passiv
     befürworten               befragen                   folgen

Arzt nennt Gründe      Den Patienten ermuntern,   Zulassen, dass
für eine Veränderung   seine eigenen Gedanken     Gespräch „dahintreibt“
                       zu einer Veränderung
                       zu äußern
Verhaltensänderung wird wahrscheinlicher …

… wenn in einer Person die Argumente für eine Veränderung an Gewicht gewinnen

Wenn ich aufhöre, bin ich für                           Ohne Zigarette
andere attraktiver                                      fühle ich mich unsicherer…
Meine Klamotten und Wohnung riechen besser
                                                         Rauchen entspannt mich
Wenn ich aufhöre,
kann ich besser atmen                                    Wenn ich
                                                         aufhöre,
      Bin leistungsfähiger                               nehme ich zu

      Habe weniger Angst,
      krank zu werden
Motivierende Gesprächsführung (MI): Menschenbild

Partnerschaftliche Zusammenarbeit

•      Patient = Experte seines Alltag,
                 „wichtigster Mensch im Raum“

 •     Arzt hat verschiedene unterstützende Rollen

       -   Beziehungsaufbau:               „Tanzlehrer“:
       -   Ziele / Prioritäten setzen:     „Lotse“
       -   Motivation wecken:              „Hebamme“
       -   Planung:                        „Bergführer“

    „ringen“ „kämpfen“                   „tanzen“                  „Schein-Kommunikation“

                             partnerschaftlich zusammenarbeiten,     aneinander vorbeireden,
           gegeneinander
                             Arzt führt, geht bei Widerstand         Pseudoberatung, Crash-Schulung
           arbeiten,
           „Machtprobe“      „geschmeidig einen Schritt zurück“
MI: Prozesse und Rollen des Beraters

1. Beziehung aufbauen
   - „Geschmeidiger Umgang mit Widerstand“
   - Führung, gleichzeitig „Raum geben“: Rolle „Tanzlehrer“

2. Fokussierung: Anliegen klären
   - Fokussierung auf Ziele des Patienten
   - Rolle „Lotse“: lotst den Patienten durch den Dschungel
     an Angeboten / an Informationen zum Ziel

3. Evokation: Patientenmotive entlocken
   - Hilfe für Patient, eigene Pro-Gründe für eine Veränderung zu finden
   - Rolle „Hebamme“: Berater „entlockt“ Änderungsmotive

4. Planung: Begleitung zur Zielerreichung
   - Klärung des Wegs zur Verhaltensänderung (z.B. Schrittfolge)
   - Begleitung auf dem Weg zur Zielerreichung                                     Berg-
   - Rolle „Bergführer“: orientiert sich am Tempo des Patienten                    führer

                                                                           „Hebamme“

                                                                                „Lotse“

                                                                           „Tanzlehrer“
Personenzentrierte Beratungsfertigkeiten
Offene Fragen stellen

„Halboffene Fragen“

„Was halten Sie vom Insulinspritzen?“ „Nichts ...“

➢ Wo?                ➢ Was?
➢ Warum?             ➢ Wann?
➢ Wer?               ➢ Wie?

• entlocken manchmal eher kurze Antworten

• können verwendet werden, um Kenntnisse über bestimmte Informationen
  zu überprüfen oder Angaben zu bestätigen
Offene Fragen stellen

• „Was denken Sie über….“              „Wie ist das passiert ... ?“

• „Welche Auswirkungen hat …. ?“      „Inwiefern trifft das zu?“

• „Erzählen Sie mir ….“ „Erklären Sie mir….“

Vorteile offener Fragen
• Kontrolle über das Gespräch geht an Patienten über: Austausch wird möglich
• Fragen zeigen Interesse des Arztes am Patienten
• Eröffnen die Chance, bedeutungsvolle und durchdachte Antworten zu erhalten
• Einladung an den Patienten, mehr über sich zu erzählen,
  z.B. Wahrnehmungen, Gedanken, Vorstellungen, Emotionen
• Erleichtert „fließendes Gespräch“, bessere Herstellung
  einer Verbindung zwischen Arzt und Patient
Offene Fragen stellen   10

                        9
Skalierungsfragen
                        8

                        7

                        6

                        5

                        4

                        3

                        2

                        1

                        0
Motivation schaffen für die Diabetestherapie: Ansätze
Junge Erwachsene in ihrer Lebenswirklichkeit abholen
Motivation schaffen für die Diabetestherapie: Ansätze

Junge Erwachsene in ihrer Lebenswirklichkeit abholen

Interesse / Anteilnahme an aktueller Lebenssituation: Themenfelder

• Neue Umgebung, eigene Wohnung, Distanz von der Familie
• Berufliche Perspektive, Ausbildung, Studium
• Abschied von der elterlichen Sorge – mehr Eigenverantwortlichkeit
• Partnerschaft und Freundschaft
• Lebensentwürfe, Gleichgewicht von Arbeit, Hobbies und Privatleben
• Umgang mit Alkohol, Drogen, sozialen Medien
• Emotionale Stabilität
Affirmationen, Bestätigungen

    Funktion und Wirkung

    •    Sind ein Weg, einem Patienten gegenüber
         Wertschätzung zu zeigen und ihn aufzurichten.

•       „Ich schenke Ihnen meine ganze Aufmerksamkeit“.
        Grundsatz: „Wahrnehmen, aufrichten, unterstützen“

    •    Tut Patienten gut, die negative Aufmerksamkeit gewohnt sind
Affirmationen, Bestätigungen

Umsetzung

•   Einfache und komplexe Bestätigungen

    Einfach:                             „Wow, super“
    Komplex:                             „Es ist prima, dass Sie es geschafft haben das erste
                                         Mal mir Ihre Glukosewerte downzuloaden und sie mir
                                         zu schicken“

•   Sprechen Sie eine Stärke an         „Sie haben sich mit Ihren Glukosewerten iintensiv
                                        beschäftigt“

•   Authentische Bestätigung: Muss sich auf etwas gründen, was es wert ist,
                              bestätigt zu werden
Reflektierendes Zuhören

 Funktion und Wirkung

       Arzt verfolgt Inhalte und Ausdruck des Patienten:
       „Was sagt er? Wie sagt er es?“

       Arzt vergewissert sich:
       „Habe ich die Botschaft des Patienten verstanden?“

       Arzt gibt reflektierende Rückantwort

• Zeigt dem Patienten, ob er gehört und verstanden wird
• vermittelt Empathie, stärkt die therapeutische Beziehung
• Arzt liest „zwischen den Zeilen“: lädt den Patienten ein,
  seine Betrachtungen zu vertiefen und fortzusetzen
Reflektierendes Zuhören

Varianten

Einfaches Reflektieren
    Jugendlicher:     „Diese Termine nerven mich.“
    Arzt:             „Du kommst wirklich nicht gerne hierher.“

Komplexes Reflektieren („Wahre Bedeutung der Aussage als Hypothese anbieten“)
    Patient:          „Ich komme ja nur wegen der Bescheinigung zu Ihnen.“
    Arzt:             „Sie haben es satt, dass andere Ihnen sagen, was Sie tun sollen.“

Gefühle spiegeln
„Sie sind enttäuscht, dass Sie schon wieder eine schwere Unterzuckerung hatten.“

Metaphern verwenden
„Jeder trampelt auf Ihnen herum.“
→ günstig:     mit Bildern, die dem Patienten geläufig sind
Motivation schaffen für die Diabetestherapie: Ansätze

Austausch mit anderen jungen Erwachsenen mit Diabetes

•   emotionale Entlastung und Stabilisierung
•   Hinterfragung von Behandlungsgewohnheiten und Denkmustern
•   Gemeinsames Lernen, „sich von anderen eine Scheibe abschneiden“
•   Entwerfen und Ausprobieren von kreativen Lösungen für die Diabetestherapie
•   sich gegenseitig ermutigen, stützen, motivieren
Zusammenfassen

Anwendung

Rollnick & Miller:   „Blumen pflücken,
                     dann Strauß überreichen.“

• Aussagen aus einem Gespräch auswählen und „die Punkte
  verbinden“
• Zeigt dem Patienten, dass man ihm aufmerksam zuhört: ist
  gleichzeitig auch eine Spiegelung

• Vorzugsweise mit einer Aussage beenden, welche
  einer Änderung begünstigt.

• Zeigt dem Patienten, dass man ihm aufmerksam zuhört:
  ist gleichzeitig auch eine Spiegelung
Zusammenfassen

  „Sie haben mir von Ihren Bedenken erzählt, Antidepressiva einzunehmen.
  Sie sind sich nicht sicher, Ihrem Körper Chemikalien zuzuführen.
  Sie haben auch gesagt, dass sich Ihre Stimmung bessert, wenn Sie das Medikament nehmen.
  Sie wollen das Medikament nicht für den Rest Ihres Lebens einnehmen,
  aber Sie fragen sich, ob es Ihnen kurzfristig helfen könnte.“

    Pro und contra ernst nehmen + Aussagen verbinden + enden mit pro-Aussage
    Veränderungsbereitschaft „am Köcheln“ halten
Change talk: Erfolg vorwegnehmen, sich auf Stärken besinnen

Zukunft nach einer Verhaltensänderung
vorstellen lassen

„Angenommen, Sie hätten es bereits geschafft,
Ihre negative Einstellung zu Ihrem Diabetes zu verändern -
Was würde sich in Ihrem Alltag ändern?“

Welche Stärken sehen Sie bei sich?
„Was ist ihr bisher größter Erfolg im Zusammenhang mit der Insulinpumpe?“
Change talk: Imaginationen

Sich Extrementwicklungen vorstellen

„Was wäre das Schlimmste, was passieren könnte,
 wenn Sie Ihr Verhalten beibehalten?“

 und

„Was wäre das Beste, was passieren könnte,
wenn Sie sich für einen Veränderung entscheiden
und damit Erfolg haben?“

Rückschau auf die Zeit vor dem Problemverhalten

„Wie war Ihr Leben, bevor Sie angefangen haben
 so extrem auf Ihr Gewicht zu achten und immer wieder Insulin wegzulassen?“
(→ konkretes Verhalten benennen)
Confidence talk: Zuversicht stärken

• Der Glaube eines Patienten, sein Problemverhalten
  ändern zu können, ist ein guter Prädiktor dafür,
  ob er sein Verhalten tatsächlich ändern wird

 • Verstärken Sie die Zuversicht eines Patienten
   für das Gelingen einer Verhaltensänderung.

 • Stellen Sie den Bezug her zu früheren Erfolgen,
   zu seinen Stärken und Ressourcen.
„Commitment talk“: Einen Änderungsplan erarbeiten und vereinbaren

Ziele vereinbaren

Ziele gemeinsam erarbeiten, anstatt Ziele vorzugeben
Motivation schaffen für die Diabetestherapie:
Ansätze
Begegnung mit „Modellen“
Projekt erstellen: Motivierende Fragen an Junge
Erwachsene
  Welchen Zustand strebe ich im Umgang mit dem Diabetes an?
  Was wäre wünschenswert, was ist machbar?

  Was möchte ich künftig konkret anders machen? (Ideensammlung)

  Was habe ich davon? Wofür würde es sich lohnen?

  Alleine machen?    Jemanden in meinen Plan einweihen?
  Wann ja, wie kann mich der-/diejenige unterstützen?

  Auf welche Stärken, Talente, guten Erfahrungen kann ich zurückgreifen?

  Wenn‘s nicht so läuft? Was hilft mir bei Frust, trotzdem „am Ball zu bleiben“?

  Wann ziehe ich eine erste Zwischenbilanz? Alleine? Mit jemandem zusammen?
Auswertung der Arbeitsprojekte
Vorstellung der Projekte, Austausch von Lösungen, fachliche Unterstützung

•   Vorstellung der Projektergebnisse

•   Feedback und Ergänzungen
    der Jungen Erwachsenen untereinander

•   Fachliche Unterstützung:
    - Präzisierung: Ziel und Umsetzung des Vorhabens
    - Informationen zu hilfreichen Strategien
    - Möglichkeiten der Unterstützung
    - Erfolgskontrolle, langfristige Planung des Vorhabens
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