VI. Kundendatenschutz - Vorbemerkungen

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06_Kap. VI   27.06.2008   16:27 Uhr   Seite 401

       VI. Kundendatenschutz
       1.     Vorbemerkungen

       2.     Die gesetzlichen Vorgaben

       3.     Die Gewinnung von Kundendaten

       4.     Die werbliche Ansprache mittels IuK-Technik

       5.     Abwehransprüche, Sanktionen
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     VI.      Kundendatenschutz
     von Prof. Peter Gola

     1.       Vorbemerkungen
     1.1      Allgemeines
              Datenschutz hat zur Aufgabe, Persönlichkeitsrechtsschutz zu gewährleisten; dies jedoch
              in einem ganz bestimmten, nämlich dem durch die Verarbeitung personenbezogener
              Daten geschaffenen Gefährdungsbereich. Datenschutzrechtliche Vorgaben sind im Kun-
              den- und Marketingbereich
              vgl. Breinlinger, Datenschutz im Marketing, in: Rossnagel (Hrsg.), Handbuch Datenschutz-
              recht (2002), S. 1186 ff.
              daher dann zu beachten, wenn zu diesem Zweck personenbezogene Daten erhoben, ver-
              arbeitet oder genutzt werden sollen.
              Erhoben werden Daten zunächst, um neue Kunden zu gewinnen. Dies geschieht zum
              einen, indem Adressdaten potenzieller Interessenten aus öffentlichen Quellen, von
              Adresshändlern, Drittfirmen oder bereits vorhandenen Kunden bezogen werden und zum
              anderen, indem Daten potenzieller neuer Kunden durch nicht personenbezogene Wer-
              bung z.B. per Couponanzeige, Bestellvordruck einer Briefwurfsendung, Preisausschreiben
              etc. gewonnen werden sollen.
              Der nächste Schritt der Nutzung der Adressdaten erfolgt im Rahmen sog. Direktwerbung,
              d.h. unmittelbar an den Kunden gerichteter werblicher Ansprache. Insoweit bestehende
              persönlichkeits- und datenschutzrechtliche Verpflichtungen hängen dann im Einzelnen
              davon ab, ob die Ansprache per Brief, Telefon, E-Mail, Fax oder persönlich erfolgen soll.
              Soll es zu einem Vertragsabschluss mit dem Interessenten kommen, so werden ggf. wei-
              tere Daten benötigt, um Entscheidungen über die Aufnahme und Gestaltung der Ge-
              schäftsbeziehungen zu treffen. Hierzu werden z.B. bei auf Kreditbasis abzuwickelnden
              Geschäften Bonitätsdaten bei Auskunfteien erhoben. Ggf. wird auch auf bereits vorhande-
              ne Kundendaten zurückgegriffen, um Näheres über die bisherige Gestaltung der Kunden-
              beziehung zu erfahren und bei der Entscheidung zu berücksichtigen. Dabei wird ggf. auch
              das Bestellverhalten von unter der selben Adresse bestellenden Kunden gleichen Namens
              berücksichtigt.
              Ist der Vertragsabschluss getätigt, so werden Daten des Kunden zunächst zur Wahrneh-
              mung der im Rahmen der Vertragsbeziehungen bestehenden Rechte und Pflichten verar-
              beitet.
              Nach Abwicklung der Vertragsbeziehung werden die Kundendaten regelmäßig zur Auf-
              rechterhaltung der Geschäftsbeziehung bzw. zur Werbung für weitere Geschäftsabschlüs-
              se mit dem Kunden genutzt. Dabei werden zum Zwecke der Kundenbindung, d.h. des
              Customer Relationship Managements
              Weichert, Kundenbindungssysteme – Verbraucherschutz oder der gläserne Konsument,
              DuD 2003, S. 161; Körffer, Datenschutzrechtliche Anforderungen an Kundenbindungssys-
              teme, DuD 2004, S. 267; Von Lewinski, Persönlichkeitsprofile und Datenschutz bei CRM,
              RDV 2003, S. 122
              Daten des Konsumverhaltens des Kunden – die z.B. im Rahmen von Bonuskartensyste-
              men breitgefächert erfasst wurden – im Rahmen des sog. Datawarehousings und Data-
              minings
              Büllesbach, Datenschutz bei Datawarehouses und Data Mining, CR 2000, S. 11;
              Jacob/Jost, Marketingnutzung von Kundendaten und Datenschutz – ein Widerspruch? –
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       Vorbemerkungen                                                                              403

               Die Bildung von Konsumentenprofilen auf dem datenschutzrechtlichen Prüfstand, DuD
               2003, S. 621
               analysiert, um ihm seinem Profil entsprechende Angebote unterbreiten zu können.
               Darüber hinaus werden die Kundendaten ggf. anderen Unternehmen zur Verfügung
               gestellt. Das Interesse hieran kann sich aufgrund konzernmäßiger Verpflechtungen, wie
               sie z.B. im Finanzverbund
               Weichert, Datenschutzrechtliche Anforderungen an Data-Warehouse-Anwendungen bei
               Finanzdienstleistern, RDV 2003, S. 113
               der Fall sind, ergeben; es kann aber auch allein in dem durch die Vermarktung der Daten
               zu erzielenden Gewinn bestehen.
       1.2     Der Persönlichkeitsrechtsschutz gegenüber Werbung
               Rechtsprechung und Gesetzgebung beschäftigen sich bereits seit geraumer Zeit mit der
               Frage, ob und inwieweit der Betroffene sich auch ohne seine Zustimmung bzw. gegen sei-
               nen Willen „bewerben“ lassen muss.
               Vgl. Gola/Wronka, Werbung, Wettbewerb und Datenschutz, RDV 1994, S. 157
               Ausgangspunkt dieser Rechtsprechung war – schon im Hinblick auf die Entwicklung der
               technischen Möglichkeiten des Marketings – die sog. Briefkastenwerbung, wobei die
               Rechtsprechung nachfolgend je nach Vorgehensweise und dem „Grad der unerwünschten
               Belästigung“ zu unterschiedlichen Ergebnissen kam.
               So hat der BGH
               NJW 1989, S. 902 = RDV 1989, S. 124; ferner BGH , RDV 1988, S. 124
               zur Abwehr erkennbar unerwünschter (z.B. durch Anbringen von entsprechenden Brief-
               kastenaufklebern) Briefkastenwerbung festgestellt, dass dem Empfänger als Haus- oder
               Wohnungseigentümer bzw. -besitzer aus §§ 1004, 903, 862 BGB das Recht zusteht, sich
               gegen eine Beeinträchtigung seiner räumlich-gegenständlichen Sphäre durch das Auf-
               drängen von unerwünschtem Werbematerial zur Wehr zu setzen. Gleichzeitig hat das
               Gericht entschieden, dass der Empfänger daneben bzw. sogar vorrangig – je nach der
               Lage des Falls – einen Abwehranspruch aus §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung
               des allgemeinen Persönlichkeitsrechts geltend machen kann. Der Wille des Bürgers,
               frei von den Suggestivwirkungen der Werbung zu bleiben und seinen Lebensbereich von
               jedem Zwang zur Auseinandersetzung mit Werbung nach Möglichkeit freizuhalten, wird
               ausdrücklich als schutzwürdig bezeichnet.
               Vgl. hierzu ferner OLG Frankfurt, RDV 1988, S. 265; OLG Stuttgart, ZIP 1987, S. 1487;
               BVerwG, NJW 1989, S. 2409 = RDV 1989, S. 171
               Dem trägt auch die Deutsche Post Rechnung, indem sie gemäß ihrer Allgemeinen
               Geschäftsbedingungen Aufkleber mit der Aufschrift „Keine (Post-) Wurfsendungen“ bei mit
               der Tagespost an alle Haushalte verteilten, unadressierten Postwurfsendungen berück-
               sichtigt.
               Das Selbstbestimmungsrecht besteht auch gegenüber dem Einwurf von Anzeigeblättern,
               wobei der diesbezügliche Wille jedoch deutlich geäußert werden muss.
               Der Aufkleber „Keine Werbung“ u.ä. lässt einen derartigen Willen nicht erkennen: KG Ber-
               lin, Urteil vom 4.4.1990; OLG Karlsruhe, NJW 1991, S. 2910; vgl. auch Rath-Glawatz,
               Rechtsfragen der Haushaltswerbung (Briefkastenwerbung) – dargestellt anhand der
               Rechtsprechung zur Markteinführung von „Einkauf Aktuell“, K&R 2007, S. 295
               Anders ist es bei Werbeprospekten, die abonnierten Zeitungen beigefügt sind, da der
               Abonnent diese Form der zur Finanzierung der Zeitung erforderlichen Werbung, die auch
               ansonsten in der Zeitung in Form von Annoncen enthalten ist, akzeptieren muss.
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             OLG Karlsruhe, NJW 1991, S. 2913, LG Bonn, NJW 1992, S. 1112
             Ebenfalls hinnehmen muss es der Betroffene, wenn Werbung als „Zusatzinformation“ im
             Zusammenhang mit anderen gezielt an ihn gerichteten Informationen erfolgt.
             So zur Werbung der Bank auf dem Rand eines Kontoauszugs: LG Frankfurt, Urteil vom
             16.11.1989 – 2/3 O 113/89
             Soll der Betroffene gezielt angesprochen werden, so hängt die Zulässigkeit von dem
             gewählten Kommunikationsweg ab. Briefwerbung ist im Regelfall so lange zulässig wie der
             Adressat nicht widersprochen hat. Die werbliche Ansprache unter Einsatz elektronischer
             Kommunikationsmittel (Telefon, Fax, E-Mail, SMS) ist dagegen in § 7 UWG aufgrund der
             ansonsten damit verbundenen unzumutbaren persönlichkeitsrechtswidrigen Belästigung
             regelmäßig an die zuvor erteilte Einwilligung geknüpft.
             Für bestimmte Branchen setzt die Werbung jedoch auf Grund spezieller Regelung immer
             die Einwilligung voraus.
             Vgl. nachstehend 2.2.2
             Das sog. Anreißen von potenziellen Kunden, d.h. die gezielte Direktansprache von Pas-
             santen durch Werber an öffentlichen Orten ist grundsätzlich eine unzumutbare Belästigung
             i.S. des § 7 Abs. 1 UWG, wenn der Werbende für den Angesprochenen nicht als solcher
             eindeutig erkennbar ist.
             BGH, RDV 2005, S. 218; ebenso RDV 2005, S. 21
             Der Vertreterbesuch an der Haustür ist dagegen zulässig, soweit nicht ein entgegenste-
             hender Hinweis angebracht ist.
             Auch das für die im Kunden- und Marketingbereich stattfindenden Verarbeitungen durch-
             weg einschlägige BDSG enthält einige, spezielle Aussagen zur Speicherung und Nutzung
             von personenbezogenen Daten für Marketing- und Werbezwecke. So erleichtert das
             Gesetz der Werbewirtschaft den vorrangig bei Direktwerbeaktionen genutzten Zugriff auf
             allgemein zugänglichen Quellen (z.B. Telefon-, Adressenverzeichnisse, öffentliche
             Register, Anschriften in Zeitungsannoncen etc.) (§§ 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 29 Abs. 1
             Satz 1 Nr. 2 BDSG). Ferner ist die Übermittlung von (Kunden-)Daten an andere Werbetrei-
             bende in gewissen Umfang durch das sog. Listenprivileg des §§ 28 Abs. 3 S. 1 Nr. 3, 29
             Abs. 2 Nr. 1b BDSG erleichtert.
             Als Äquivalent zu diesen Erleichterungen für die Werbewirtschaft steht dem Betroffenen
             ein Widerspruchsrecht (§§ 28 Abs. 3, 29 Abs. 3 BDSG) zu, auf das er bei der werblichen
             Ansprache ausdrücklich hinzuweisen ist.

     2.      Die gesetzlichen Vorgaben
     2.1     Allgemeines
             Wie auch immer bei der Gewinnung von Kundendaten vorgegangen werden soll, zu beach-
             ten ist in jedem Falle das Verbot mit Erlaubnisvorbehalt des § 4 Abs. 1 BDSG, nach dem
             die Erhebung, Speicherung und nachfolgende Nutzung nur erlaubt ist, wenn eine Rechts-
             vorschrift diese gestattet oder mangels solcher der Betroffenen eingewilligt hat.
             Erlaubnis- oder auch Verbotsregelungen können sich somit aus sog. bereichsspezifischen
             Vorschriften ergeben, die die Nutzung von personenbezogenen Daten zu Marketingzwe-
             cken in bestimmten Sachverhalten speziell regeln. Bestehen solche Regelungen nicht, so
             erlaubt ggf. auch das BDSG selbst in den §§ 28, 29 die Erhebung, Verarbeitung und Nut-
             zung zu Marketingzwecken.
             Darüber hinaus besteht der mit Informationspflichten gegenüber den Betroffenen verbun-
             dene Vorrang der Direkterhebung (§ 4 Abs. 2 und 3 BDSG).
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       Die gesetzlichen Vorgaben                                                                         405

       2.2       Bereichsspezifische Regelungen
       2.2.1     Allgemeines
                 Dem BDSG vorrangige Regelungen zur Erhebung bzw. Nutzung von personenbezogenen
                 Daten im Rahmen einer Kundenbeziehung ergeben sich vielfach aus sog. bereichsspe-
                 zifischen Vorschriften. Hierzu zählen alle die handels-, gewerbe- oder steuerrechtlichen
                 Normen, die einen Unternehmer verpflichten und damit auch berechtigen, Geschäftsvor-
                 gänge personenbezogen zu erfassen und dem Staat zur Verfügung bzw. für seine Kontroll-
                 organe bereit zu stellen. Auf diese Regelungen muss hier nicht näher eingegangen wer-
                 den.
                 Daneben gibt es aber auch gesetzliche Regelungen, die dem informationellen Selbstbe-
                 stimmungsrecht insbesondere im Hinblick auf die Verwendung personenbezogener Daten
                 für Werbezwecke in unterschiedlicher „Strenge“ Geltung verschaffen sollen.

       2.2.2     Die Einwilligung
                 Die Nutzung der Daten zu Werbezwecken wird ggf. ausdrücklich an die Einwilligung des
                 Betroffenen geknüpft. So darf nach § 95 Abs. 2 S. 1 TKG darf der Diensteanbieter im Rah-
                 men eines Vertragsverhältnisses mit einem anderen Diensteanbieter angefallene
                 Bestandsdaten zu Zwecken der Beratung, Werbung und Marktforschung nur verwenden,
                 soweit dies für die Zwecke erforderlich ist und der Teilnehmer eingewilligt hat.
                 Das Erfordernis der Einwilligung in die Verarbeitung oder Nutzung von Kundendaten zu
                 Werbezwecken kann sich auch daraus ergeben, dass der Gesetzgeber die Verarbeitung
                 und Nutzung von Daten nur für bestimmte, abschließend genannte Zwecke gestattet und
                 eben hierbei Marketing und Werbung nicht benennt. Ein Beispiel hierfür sind die die Wer-
                 bung nicht umfassenden abschließenden Verarbeitungs- und Nutzungsregelungen von
                 Telemedien. Auch den Sozialleistungsträgern ist die Verarbeitung und Nutzung von Sozi-
                 aldaten nur zu bestimmten, aufgeführten Zweckbestimmungen gestattet, wozu jedoch die
                 Werbung regelmäßig nicht gehört.
                 Zur Nutzung von Kundenkarteien in Apotheken zu Werbezwecken fordert der LDSB Bre-
                 men, 15. TB (92/93), S. 56 die Abgabe einer schriftlichen, die beabsichtigten Verwen-
                 dungszwecke, die die Freiwillig- und Widerrufbarkeit aufzeigenden Einwilligungserklärung
                 Ist die werbliche Ansprache nur nach erteilter Einwilligung des Betroffenen zulässig, so ist
                 die Wirksamkeit der Einwilligung nicht nur an den Voraussetzungen des § 4a BDSG, son-
                 dern, wenn sie, was im Massengeschäfts des Marketings regelmäßig der Fall sein wird,
                 Ayad/Schafft, Einwilligung in Direktmarketing – formularmäßig unwirksam? BB 2002,
                 S. 1711
                 formularmäßig eingeholt wird, auch an den Anforderungen für die Wirksamkeit allgemei-
                 ner Geschäftsbedingungen nach §§ 312 ff BGB zu messen.
                 Vgl. Heidemann-Peuser, Rechtskonforme Gestaltung von Datenschutzklauseln, DuD
                 2002, S. 389

       2.2.3     Schriftform und Opt-in oder Opt-out
                 Nach § 4a Abs. 1 Satz 3 BDSG muss die Einwilligung im Regelfall schriftlich (§ 126 BGB)
                 eingeholt werden. Eine Ausnahme vom Schriftformerfordernis gilt nur, wenn wegen beson-
                 derer Umstände eine andere Form angemessen ist.
                 Wird die Einwilligung zusammen mit anderen Erklärungen eingeholt – wie im Zusammen-
                 hang mit dem Abschluss eines Kaufvertrags – so ist sie gemäß § 4a Abs. 1 Satz 4 BDSG
                 besonders hervorzuheben. Die Einwilligungsklausel ist an deutlich sichtbarer Stelle und
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             z.B. drucktechnisch von dem anderen Text abgesetzt darzustellen. Der Einwilligungstext
             ist in der Regel unmittelbar vor der Vertragsunterschrift zu platzieren. Denkbar ist eine
             Kurzfassung, die auf eine auf einem Merkblatt etc. enthaltene Erläuterung verweist.

             Steht der Einwilligungstext deutlich hervorgehoben unmittelbar vor der Zeile für die Ver-
             tragsunterschrift, so ist eine weitere Unterschrift ggf. entbehrlich.

             Für die Möglichkeit einer einheitlichen Vertragsunterschrift explizit auch die Bayerische
             Datenschutzaufsicht, RDV 2007, S. 84 (86).

             Dies setzt allerdings voraus, dass der Betroffene im Hinblick auf die datenschutzrechtliche
             Einwilligungserklärung gesondert über seine Zustimmung bzw. Ablehnung befinden kann.
             Keinesfalls ist eine solche Formulargestaltung zulässig, bei welcher die Kunden die daten-
             schutzrechtliche Einwilligungserklärung mit ihrer Vertragsunterschrift quasi automatisch
             abgeben.

             Keine Bedenken ergeben sich aber allenfalls dann, wenn eine sog. Opt-in-Gestaltung vor-
             liegt, d.h., der Kunde sich (z.B. durch Ankreuzen eines Kästchens) aktiv betätigen muss,
             damit die Einwilligung wirksam wird.

             Ob auch eine Opt-out-Klausel zulässig ist, ist zurzeit umstritten.

             LG München I, Urteil vom 9.3.2006 – 12 O 12679/05 –, RDV 2006, S. 169 = DuD 2006,
             S. 309. Dass eine Opt-out-Gestaltung den Kunden unangemessen benachteiligt, nahm
             auch das OLG Köln in seiner Entscheidung gegen den „Happy-Digits“-Betreiber CAP an
             (Urteil des OLG Köln vom 14.12.2007 – 6 U 121/07). Der Rechtsstreit wird im Juli 2008
             beim BGH entschieden.

             Eine Opt-out-Klausel stellt eine Klauselgestaltung dar, bei welcher der Betroffene nur
             durch aktives Tätigwerden verhindern kann, dass die Erteilung einer Einwilligung durch
             seine Persona angenommen wird. Die Möglichkeit zum Opt-out wird dabei in der Praxis
             entweder dadurch eingeräumt, dass der Betroffene darauf hingewiesen wird, dass er die
             die Einwilligung enthaltende Textpassage streichen kann, wenn er nicht einverstanden ist.
             Oder er erhält die Möglichkeit, durch Ankreuzen eines bestimmten Feldes die Einwilli-
             gungserklärung wieder zunichte zu machen („Hier ankreuzen, falls die Einwilligung nicht
             erteilt wird.“).

             Zuzustimmen ist dem LG München I, wonach eine freie Entscheidung voraussetze, dass
             die Entscheidungssituation erkannt werde und eine positive Willensbetätigung erfolge.
             Daran fehle es, wenn der Betroffene eine Klausel überlese. Zudem baue ein Unternehmen
             psychologische Hindernisse für die Versagung der Einwilligung auf, indem es für diesen
             Fall ein aktives Handeln verlange, während für die Erteilung der Einwilligung bloße Passi-
             vität genüge.

     2.2.4   Die informierte Duldung

             Teilweise knüpft die Verarbeitung bzw. Nutzung zu Werbezwecken an die informierte Dul-
             dung an, d.h. der Betroffenen ist vor der Nutzung oder vor der Weitergabe der Daten zu
             Werbezwecken über ein ihm eingeräumtes Widerspruchsrecht zu informieren, wobei bei
             Nicht-Ausübung des Widerspruchsrechts die entsprechende Nutzung erfolgen darf. Für
             die hier vorausgesetzte informierte Duldung ist es erforderlich, dem Betroffenen präzise
             anzugeben, welche Daten an wen weitergegeben werden sollen, sofern er nicht in der vor-
             gesehenen Form, z.B. durch Unterschrift oder Ankreuzen eines hierfür vorgesehenen
             Kästchens, widerspricht.
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       Die gesetzlichen Vorgaben                                                                      407

                 Ein Beispiel für die Vorab zu eröffnende Widerspruchsmöglichkeit ist § 6 Abs. 3 der Hand-
                 werksordnung, nach dem die „Grunddaten“ des Inhabers des Handwerksbetriebs auch in
                 listenmäßiger Form an private Interessenten übermittelt werden dürfen, sofern der Betrof-
                 fene nicht widersprochen hat, wobei die Gewerbetreibenden auf dieses Widerspruchs-
                 recht vor der ersten Übermittlung schriftlich hingewiesen werden müssen.
                 Eine ähnliche Regelung enthält § 9 Abs. 4 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des
                 Rechts der Industrie- und Handelskammern. Danach dürfen die „Grunddaten der Kam-
                 mermitglieder zur Förderung von Geschäftsabschlüssen und zu anderen dem Wirtschafts-
                 verkehr dienenden Zwecken“ an nicht öffentliche Stellen weitergegeben werden. Die
                 Weitergabe der weiteren Daten setzt die Nichtausübung eines zuvor schriftlich mitgeteil-
                 ten Widerspruchsrechts voraus.
                 Hinzuweisen ist ferner auf das Melderecht, das den Meldebehörden in verschiedenen
                 Fallkonstellationen gestattet, Meldedaten an Dritte zu Marketingzwecken weiterzugeben.
                 So dürfen die Meldebehörden aufgrund von Regelungen im MRRG des Bundes und den
                 hierzu ergangenen Landesgesetzen Auskünfte über Alters- oder Ehejubiläen erteilen,
                 wenn der Betroffene nicht widersprochen hat, wobei die Behörde den Bürger bei der
                 Anmeldung auf diese Widerspruchsmöglichkeit hinzuweisen hat.
                 Insoweit hat das OLG Bremen (CR 1992, S. 566) klargestellt, als die Behörde, die in ihr
                 Ermessen gestellte Auskunft nicht allein deshalb untersagen darf, weil der Auskunftssu-
                 chende die Information für Werbezwecke (hier. Marketingaktion für Seniorenwohnheime)
                 nutzen will.
                 Andererseits hat das BVerwG (RDV 2007, S. 263) aber auch dem gegenteiligen Willen des
                 Bürgers Rechnung getragen und es der Meldebehörde untersagt eine einfache Meldere-
                 gisterauskunft (§ 21 Abs. 1 MRRG) zu erteilen, wenn diese erkennbar für Zwecke der
                 Direktwerbung ergehen soll und der Kunde der Bekanntgabe seiner Daten zuvor aus-
                 drücklich widersprochen hat.
                 Gleiche Regelungen gelten in der Mehrzahl der Meldegesetze der Länder für die Weiter-
                 gabe von Meldedaten an politische Parteien zwecks Wahlwerbung. Schließlich ist die –
                 auch in der Mehrzahl der Landesmeldegesetze – ermöglichte Weitergabe von Meldedaten
                 an Adressbuchverlage. (§§ 21 Abs. 1, 22 MRRG) zu nennen, wobei die informierte Dul-
                 dung allerdings inzwischen teilweise nicht als dem informationellen Selbstbestimmungs-
                 recht genügend angesehen wird und – wie u.a. in NRW – die Weitergabe der Meldedaten
                 an die ausdrücklichen Einwilligung des Betroffenen geknüpft wird.
                 Ähnlich reglementiert § 95 Abs. 2 S. 2 und 3 TKG, wonach ein Diensteanbieter, der im
                 Rahmen einer bestehenden Kundenbeziehung rechtmäßig Kenntnis von der Rufnummer
                 oder der Postadresse, auch der elektronischen eines Teilnehmers erhalten hat, diese für
                 die Versendung von Text und Bildmitteilungen an ein Telefon oder an eine Postadresse zu
                 Werbe- und Marktforschungszwecke verwenden darf, es sei denn, dass der Teilnehmer
                 widersprochen hat, wobei der Teilnehmer bei der Erhebung oder der erstmaligen Speiche-
                 rung der Rufnummer oder Adresse und bei jeder Versendung einer Nachricht auf sein
                 Widerspruchsrecht hinzuweisen ist.
                 § 4 Abs. 1 PDSV gestattet die Nutzung der Bestandsdaten für Werbezwecke, sofern der
                 Kunde nach Hinweis auf sein Widerspruchsrecht nicht widersprochen hat.

       2.3.4     Information über das Widerspruchsrecht bei der werblichen Ansprache
                 Eine weitere Form der informierten Duldung, besteht darin, dass der Betroffene zwar nicht
                 vorab, aber zumindest bei der werblichen Ansprache selbst über ein ihm zustehendes
                 Widerspruchsrecht zu informieren ist (so in § 28 Abs. 4 Satz 1 BDSG).
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                Der Widerspruch nach §§ 28 Abs. 4, 29 Abs. 4 BDSG kann sich dagegen richten, dass das
                werbetreibende Unternehmen die Daten des Betroffenen für eigene Werbezwecke nutzt.

           Formulierungsbeispiel 1:
           Die Beispiele 1, 2 und 3 sind erstellt in Anlehnung an des vom DDV herausgegebenen Best
           Practise Guide Nr. 3 „BDSG 2001 – Auswirkungen auf das Direktmarketing, 3. Aufl.
           Wenn sie zukünftig keine Informationen mehr über unsere Produkte erhalten möchten, kön-
           nen Sie bei uns der Verwendung Ihrer Daten für Werbezwecke widersprechen.

                Ferner ist dem Betroffenen ein Abwehrrecht dahingehend eingeräumt, dass seine Daten
                an Dritte – sei es eine Konzernschwester oder -tochter, sei es ein Adresshändler oder ein
                Markt- und Meinungsforschungsinstitut – übermittelt werden. Das Widerspruchsrecht
                gegenüber dem Empfänger übermittelter Daten wird dann relevant, wenn Daten von dem
                Geschäftspartner bereits vor Ausübung des Widerspruchs oder trotz Ausübung des Wider-
                spruchs übermittelt wurden.
                Hat das Unternehmen Adressen bei Dritten vorhandene Adressen in der Weise genutzt,
                dass diese das Werbeschreiben im „letter-shop-Verfahren“ unmittelbar an den Kunden
                abgesandt haben, so muss es sicherstellen, dass ein bei ihm eingehender Widerspruch
                auch an die die Daten speichernde Stelle gelangt.
                Ist das Unternehmen im Rahmen der Nutzung der Daten für „Empfehlungsmailings“ für
                Kooperationspartner datenschutzverantwortliche Stelle muss das deutlich sein. Dies
                geschieht einmal, dass bei der Datenerhebung darüber informiert wurde, dass die Daten
                nicht übermittelt aber für eigene und fremde Werbezwecke genutzt werden.
                Innenministerium BW, 19. TB (2005), S. 56
                Allein schon um eine das Vertrauensverhältnis ggf. tangierende Vermutung einer unzuläs-
                sigen Weitergabe zu vermeiden, muss der Vorgang und die Widerspruchsmöglichkeit auch
                bei der Zusendung aufgezeigt werden.
                Vgl. Hess. Innenministerium als oberste Aufsichtsbeh. (LT-Drs. 16/5892 0 RDV 2007,
                S. 40) geschilderten Fall, in dem ein Kreditkartenunternehmen den Kunden einen an eine
                Versicherung adressierten Antrag auf Abschluss einer Pflegeversicherung, in dem bereits
                die erforderlichen personenbezogenen Daten des Kunden enthalten waren, zusandte.

           Formulierungsbeispiel 2:
           Wenn Sie künftig unsere Angebote nicht mehr erhalten möchten, können Sie bei uns der
           Verwendung Ihrer Daten für Werbezwecke widersprechen. Teilen Sie uns dies bitte schrift-
           lich unter Beifügung des Werbemittels mit.

                Der Widerspruch kann sich gegen die Zusendung von Werbung jeglicher Art richten – so
                wenn es um den Datenbestand eines Adresshändlers geht – sowie gegen die Werbung
                eines bestimmten Unternehmens. Folge eines Widerspruchs ist zunächst ein entsprechen-
                des Verwendungsverbot, wonach mit Zugang (§ 130 BGB) des Widerspruchs die Nut-
                zung und/oder Übermittlung der Daten zu den beanstandeten Zwecken der Werbung
                und/oder Markt- und Meinungsforschung unzulässig ist. Gleiches gilt auch für zukünftige
                Erhebungen von Daten zu Werbezwecken.
                Sind die Daten nicht ausschließlich zu Werbezwecken sondern – zulässigerweise – auch
                mit einer anderen Zweckbestimmung (z.B. in einer nicht nur der Werbung dienenden Kun-
                dendatei) gespeichert, so bleiben die Daten mit diesem Verarbeitungs- und Nutzungs-
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       Die Gewinnung von Kundendaten                                                                   409

               zweck weiterhin legitim gespeichert. Das werbungsbezogene Nutzungsverbot ist jedoch
               zu vermerken, d.h. die Daten sind für den Werbezweck zu sperren. Dies hat entweder
               dadurch zu geschehen, dass der jeweilige Datensatz mit einem entsprechenden Vermerk
               versehen wird, oder dadurch, dass eine separate Sperrdatei aufgebaut wird, mit der vor
               Durchführung von Werbeaktionen ein Abgleich vorzunehmen ist.
               Paradox ist, dass selbst ausschließlich zu Werbezwecken gespeicherte Daten bei Vorlie-
               gen eines Widerspruchs entgegen der Verpflichtung nach § 35 Abs. 2 Nr. 1 BDSG u.U.
               nicht vollständig gelöscht werden können. Zwar entfällt mit dem Widerspruch jegliches –
               eine weitere Speicherung rechtfertigendes – berechtigte Interesse. Um dem Wunsch des
               Betroffenen nach Unterlassung der Werbung Rechnung tragen zu können, muss diese
               Tatsache aber in einer Sperrdatei weiterhin gespeichert bleiben, wenn künftig für Werbe-
               aktionen fremdes oder neu angekauftes Werbematerial (mit-)verwendet werden soll, da
               nicht auszuschließen ist, dass die Person, die den Widerspruch erhoben hat, in den Neu-
               adressen wieder auftaucht. Über die Aufnahme in die Sperrdatei ist der Betroffene aber
               gem. § 33 BDSG zu benachrichtigen; dies gilt jedenfalls für den Fall, dass er die Löschung
               seiner Daten beantragt hat. Möglicherweise wird es dem Betroffenen dann lieber sein,
               zufällig hin und wieder von unverlangter Werbung „belästigt“ zu werden, als in einer Art
               „Querulantendatei“ gespeichert zu sein.
               Der Widerspruch muss der werbenden Stelle zugehen. Ob ein allgemeiner Widerspruch in
               Form einer Eintrags in die sog. „Robinsonliste“ der Werbewirtschaft zu beachten ist, d.h.
               ob bei einer Werbemaßnahme ohne Abgleich mit der Liste schutzwürdige Interessen ver-
               letzt werden, ist strittig.
               Weichert, Datenschutzrechtliche Probleme beim Adressenhandel, WRP 1996, S. 522

       3.      Die Gewinnung von Kundendaten
       3.1     Allgemeines
               Sollen Daten über – potenzielle – Kunden gewonnen werden, so handelt es sich um den
               datenschutzrechtlichen Vorgang der Erhebung, d.h. gemäß § 3 Abs. 3 BDSG das aktive
               Beschaffen von Daten bei dem Betroffenen selbst oder bei Dritten durch Befragen (z.B.
               per Fragebogen, Bestellformular, Couponanzeige etc.), Anfordern von Unterlagen, Anhö-
               ren und Beobachten. Dabei muss das Unternehmen zwei Vorgaben des BDSG beachten:
               1. ist die Zulässigkeit der Erhebung und weiteren Verwendung der Daten
               und
               2. die Zulässigkeit der Vorgehensweise hierbei
               zu hinterfragen.
               Erlaubnistatbestände für das Erheben und nachfolgende Verarbeiten der Daten finden
               sich ggf. in § 28 BDSG. Lässt sich hieraus keine Erlaubnis ableiten, so ist die Einwilligung
               des Betroffenen (§ 4a BDSG) erforderlich.
               Vorgaben für die Vorgehensweise und die dem Betroffenen gegenüber zu erfüllenden
               Informationspflichten finden sich in § 4 Abs. 2 und 3 sowie § 33 BDSG.
               Ggf. werden die Daten nicht nur bei Dritten „beschafft“, sondern auch durch Auswerten all-
               gemein zugänglicher Quellen bzw. Auswertung eigener Datenbestände.
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     3.2     Nach dem UWG unzulässige Wege des Kundenkontakts
     3.2.1   Allgemeines
             Dem Beschreiten der Wege zur Gewinnung neuer Kunden gibt aber auch das Gesetz
             gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) wichtige Grenzziehungen vor. Indem es untersagt,
             dass der Kunde über die wahren Absichten getäuscht wird oder er „über den Tisch gezo-
             gen“ werden soll oder dass er sich in unzumutbarer Weise belästigt sieht.
             Fälle unlauteren Handelns zählen die § 4 bis 7 UWG auf. Hier sind beispielhaft zu nennen:
             • Beeinflussung der Entscheidungsfreiheit durch Ausübung von Druck (§ 4 Nr. 1
               UWG): Hierunter kann das sog. „Anreißens“ von Kunden fallen, d.h. das gezielte
               Ansprechen von Passanten an öffentlichen Orten jedenfalls dann, wenn der Werbende
               zunächst als solcher nicht erkennbar ist und der Angesprochene sich nicht sofort dem
               Gespräch entziehen kann
             BGH, RDV 2004, S. 218
             Auch ein „übertriebenes Anlocken“ durch das Versprechen von Zusatzleistungen kann
             hierunter fallen. Dies ist der Fall wenn die Zusatzleistung derart ist, dass die Rationalität
             der Nachfragentscheidung verdrängt wird. Insoweit noch keine Bedenken hat das OLG
             Hamburg
             Urteil vom 10.4.2003 – I ZR 291/00,
             wenn bei Begründung einer zweijährigen Mitgliedschaft in einem Buchklub fünf Bücher
             unentgeltlich überlassen werden sollen. Der BGH
             Urteil vom 9.6.2004 – I ZR 187/02 –
             sieht in der Werbung eines Fahrschulunternehmens, nach der jeder Fahrschüler zur
             bestandenen Prüfung einen Gutschein in Höhe von 250 DM für einen Fahrzeugkauf in
             einem bestimmten Autohaus erhalte, ebenfalls noch kein unlauteres Wettbewerbsverhal-
             ten.
             • Das Ausnutzen der Unerfahrenheit von Kindern (§ 4 Nr.2): Die Erhebung von Daten
               von Kindern als Mitglied in einem Kinder-Automobil-Club durch einen Autohersteller
               zwecks frühzeitiger Kundenbindung ist ohne Einwilligung der Eltern unzulässig
             OLG Frankfurt a.M. RDV 2005, S. 270; DSB 2005, 9/16.
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       Die Gewinnung von Kundendaten                                                                 411

               • Die Verschleierung des Werbecharakters der Wettbewerbshandlung (§ 4 Nr. 3
                 UWG): Dies ist z.B. der Fall, wenn Daten unter Vorspiegelung einer Meinungsumfrage
                 zu Werbezwecken erhoben werden sollen oder wenn Teilnehmer eines angeblichen
                 Preisausschreibens zu einer Gewinnausgabe eingeladen werden und es sich tatsäch-
                 lich um eine Verkaufsveranstaltung handelt.
               • Die Verschleierung der Teilnahmebedingungen bei Preisausschreiben oder
                 Gewinnspielen mit Werbecharakter (§ 4 Nr. 5 UWG): Soll der Gewinner eines
                 „Sweepstakes“ zu Werbezwecken mit Bild veröffentlich werden, genügt ein Hinweis in
                 den AGB nicht
               OLG Karlsruhe, RDV 1988, S. 146.
               Unabhängig von diesen beispielhaft genannten Fallkonstellationen, handelt unlauter, wer
               Marktteilnehmer in unzumutbarer Weise belästigt (§ 7 Abs. 1 UWG). Eine derartige
               Belästigung kann in einem Eindringen in die Individualsphäre durch z.B. „offensives“
               Ansprechen auf der Straße oder in einem unerbetenen Telefonanruf liegen. Für die Wett-
               bewerbswidrigkeit bestimmend ist dabei nicht nur das Gewicht der Belästigung im konkre-
               ten Einzelfall, sondern der Grad der Belästigung, der bei einem Umsichgreifen der Werbe-
               methode eintreten würde. Für den Fall unerbetener telefonischer Kundenwerbung ist die-
               sem Aspekt nunmehr in § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG Rechnung getragen.
               Unter verschiedenen der genannten Aspekte kann auch die Gewinnung von Kunden im
               Rahmen sog. Laien- oder Freundschaftswerbung unzulässig sein. Kunden zur Gewin-
               nung neuer Kunden anzuleiten, ist zwar grundsätzlich zulässig – dies gilt insbesondere für
               Branchen, in denen diese Werbeform üblich ist wie z.B. im Zeitschriftenhandel, im Bau-
               sparwesen oder im Rahmen sog. Sammelbestellungen. Dies ist jedoch anders, wenn die
               Werbung Waren oder Dienstleistungen betrifft, für die ein besonderes Werbeverbot
               besteht.
               Vgl. BGH, Urteil vom 6.7.2006, RDV 2007, S. 248 unter Hinweis auf § 7 Abs. 1 Heilmittel-
               gesetz
               Die Gewährung einer nicht unerheblichen Vorteilsprämie genügt nicht. Jedoch können die
               Begleitumstände zur unsachlichen Beeinflussung und unzumutbaren Belästigung des
               Beworbenen führen, so wenn gegen Zahlung einer – unverhältnismäßigen – Prämie priva-
               te Beziehungen kommerzialisiert werden sollen und der Betroffene in seiner Privatsphäre
               – ggf. „verdeckt“ – ausgeforscht wird oder in eine „Zwangssituation“ gerät, weil er seinem
               Freund/Nachbarn oder z.B. Arbeitgeber nicht ohne weiteres etwas abschlagen möchte.
               Unzulässig kann die Einschaltung des Laien auch sein, weil der Laie mangels Sachkennt-
               nis keine hinreichende Produktinformation geben kann
               OLG Düsseldorf, v. 14.3.2000 – 20 U 66/99 –
               zur unzulässigen Aktion einer Krankenkasse: „Mitglieder werben Mitglieder“, wobei für 30
               neue Mitglieder eine Reise im Wert von 1000,– DM ausgelobt war. Insoweit besonders
               problematische „verdeckte Laienwerbung“ liegt vor, wenn der Kunde Adressen von Dritten
               ohne deren Einverständnis weitergibt und bereits dafür oder bei Gewinnung des Neukun-
               den eine relevante Provisionszahlung oder sonstige ins Gewicht fallende Belohnung
               erhält. So sah der BGH
               NJW 1992, S. 2419=RDV 1993, S. 124
               eine nach Wettbewerbsrecht unzulässige Datenerhebung darin, dass ein Automobilhänd-
               ler an Käufer der von ihm vertriebenen Fahrzeuge brieflich die Aufforderung richtete, ihm
               die Adressen anderer potenzieller Kaufinteressenten mitzuteilen und diese Aufforderung
               mit dem Versprechen verband, die Mitteilung den eventuellen Interessenten bei der werb-
               lichen Ansprache zu verschweigen und dem Informanten im Falle des Zustandekommens
               eines Kaufvertrages eine Geldprämie von 100,– DM zu zahlen.
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     3.2.2   Konsequenzen der Verletzung des UWG für das BDSG
             Bei den aufgezeigten Beispielen unlauteren Wettbewerbshandeln handelt es sich regel-
             mäßig gleichzeitig um einen Verstoß gegen das BDSG. Dies ergibt sich z.B. daraus, dass
             der potenzielle Kunde entgegen der Transparenzverpflichtung des BDSG (§ 4 Abs. 3) über
             die Zweckbestimmung der von ihm erbetenen Daten nicht hinreichend informiert oder
             sogar hierüber getäuscht wird oder dass die Art und Weise der Datenerhebung ihn in sei-
             nem Persönlichkeitsrecht verletzt.
             Daraus folgt, dass unter Verstoß gegen das UWG erfolgte Datenerhebungen oder Verar-
             beitungen auch ein Verarbeitungsverbot nach dem BDSG zur Folge haben können, wobei
             jedoch nicht jede im Rahmen einer unzulässigen Kundenansprache erfolgte Datenerhe-
             bung auch zur Unzulässigkeit der nachfolgenden Speicherung führt. Dies wird schon darin
             deutlich, dass auch die Aufsichtbehörden
             vgl. Innenministerium Baden-Württemberg, Hinweis Nr. 41, RDV 2004, S. 234 und Stel-
             lungnahme RDV 2005, S. 182
             akzeptieren, dass Verletzungen der bei der Datenerhebung bestehenden Informations-
             pflichten u.a. erst bei einer nach Würdigung des Einzelfalls festzustellenden Verletzung
             von Treu und Glauben zur Unrechtmäßigkeit der nachfolgenden Verarbeitung führen.
             Deutlich wird das Erfordernis einer differenzierten Betrachtung auch am Beispiel einer per
             „Kaltanruf“ erfolgten Datenerhebung, d.h. per unzulässigem Telefonmarketing (§ 7 Abs. 2
             UWG) erhobene Daten unterliegen keineswegs immer auch einem Verarbeitungsverbot
             nach dem BDSG. Lässt der Angerufene sich auf den unzulässigen Anruf ein und nimmt
             das Angebot zum Vertragsabschluss über einen Kauf, eine Dienstleistung etc. an, so ist
             die Speicherung der Daten, die der Zweckbestimmung des nunmehr geschlossenen Ver-
             tragsverhältnisses dienen, durch § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BDSG gerechtfertigt. Das Verbot
             des UWG, Vertragsabschlüsse nicht per kalten Anrufen zu tätigen, führt nämlich nicht
             dazu, dass der gleichwohl zustande gekommene Vertrag etwa wegen Gesetzesverstoßes
             (§ 134 BGB) bzw. Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) nichtig wäre. Selbst wenn der Kunde bei
             dem Telefonat auch noch über den Anrufer etc. getäuscht worden wäre, würde dies nicht
             zur Unwirksamkeit, sondern ggf. zur Anfechtbarkeit (§§ 119, 123 BGB) des Vertrages füh-
             ren.
             Gleiches gilt, wenn zwar kein Vertrag zustande kommen war, sich der Angerufene jedoch
             an den Produkten interessiert gezeigt und z.B. personenbezogene Daten zwecks ihm
             transparent gemachter Aufnahme in eine Interessendatei mitgeteilt hat
             Busse, RDV 2005, S. 260 (264)
             Anders ist es jedoch, wenn der Angerufene sich nicht auf das Angebot einlässt bzw. das
             Gespräch, nachdem der Werbecharakter erkannt ist – ggf. unter Ausdruck seines Unwil-
             lens über die Belästigung – abbricht. Wurden bei diesem Gespräch Daten über den Kun-
             den gewonnen, so dürfen diese schon nach dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht
             in einer Werbedatei gespeichert werden, sondern zur Löschung der Daten des Kinden aus
             der „Anrufliste“ führen.

     3.2.3   Konsequenzen der Verletzung des BDSG für das UWG
             Eine zweite Frage ist, ob auch Verstöße gegen das BDSG zugleich unlauteres Handeln im
             S. d. UWG beinhalten. Nach § 4 Nr. 11 UWG liegt unlauteres Handeln auch dann vor,
             wenn einer gesetzlichen Vorschrift, „die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Markt-
             teilnehmer das Marktverhalten zu regeln“, zuwider gehandelt wird. Nach der dazu bislang
             ergangenen Rechtsprechung
             OLG Frankfurt, RDV 2005, S. 270; DSB 2005, 9/16; ferner OLG Düsseldorf, RDV 2004,
             S. 222; DSB 2004, 12/18
06_Kap. VI   27.06.2008    16:27 Uhr     Seite 413

       Die Gewinnung von Kundendaten                                                              413

               soll als solches jedenfalls mit der Gesamtheit seiner Normen keine verbraucherschützen-
               de Funktion haben. Selbst bei einem Verstoß gegen die Pflicht zur Belehrung über das
               gegenüber der Zusendung von Werbung bestehende Widerspruchsrecht nach § 28 Abs.4
               S. 2 BDSG hat die Rechtsprechung
               HansOLG, RDV 2005, S. 119
               den gleichzeitigen UWG-Verstoß verneint. Wie sie für die bei der Datenerhebung beste-
               henden Informationspflichten nach § 4 Abs. 3 BDSG entscheiden wird, erscheint danach
               fraglich, obgleich diese weitgehend mit den Informationspflichten beim Fernabsatz nach
               § 312c Abs. 1 Nr. 1 BGB korrespondieren.
               Die Entscheidung darüber, ob Verletzungen des BDSG auch unter dem Gesichtpunkt des
               UWG Relevanz entfalten, hat ihre politische Brisanz darin, dass im Falle des Bejahens
               datenschutzwidrig handelnde Unternehmen auch Sanktionen aus dem UWG ausgesetzt
               wären. In den §§ 8 bis 10 UWG werden Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassung, auf
               Schadensersatz und auf Abschöpfung des unlauter erzielten Gewinns geregelt. Während
               der Schadensersatz nur von dem geschädigten Mitbewerber geltend gemacht werden
               kann, sind für die Durchsetzung des Beseitigungs- und Unterlassungsanspruchs bzw. des
               Anspruchs auf Gewinnabschöpfung nach § 8 Abs. 3 UWG auch eine Reihe von Verbän-
               den und Institutionen anspruchs- und klageberechtigt. Neben den Industrie- und Handels-
               kammern gehören hierzu die Verbraucherschutzverbände.
               Den im UWG privilegierten Verbänden und Institutionen stehen neben der Klagebefugnis
               nach § 8 Abs. 3 UWG auch noch die Klagebefugnisse aus dem Gesetz über Unterlas-
               sungsklagen bei Verbraucherrechten (UKlaG) offen.
               Ein Klagerecht auf Unterlassung beziehungsweise Widerruf besteht bei:
               • Verwendung oder Empfehlung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), die nach
                 der Inhaltskontrolle unwirksam sind (§ 1 UKlaG)
               • Zuwiderhandlungen gegen Verbraucherschutzgesetze (§ 2 UKlaG) (z.B. Vorschriften zu
                 Verbrauchsgüterkauf, Haustürgeschäfte, Reiseverträge, Fernabsatzverträge).
               Verstoßen z.B. BDSG-Einwilligungsklauseln gegen die AGB-Bestimmung der §§ 307–309
               BGB, können die Verbraucherverbände – was sie bereits rege getan haben,
               Heidemann-Peuser, DuD 2002, S. 389
               eine Abmahnung aussprechen und, sofern der Abmahnung nicht Folge geleistet wird, vom
               Instrument des abstrakten Unterlassungsverfahrens Gebrauch machen.
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