VI. Kundendatenschutz - Vorbemerkungen
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06_Kap. VI 27.06.2008 16:27 Uhr Seite 401 VI. Kundendatenschutz 1. Vorbemerkungen 2. Die gesetzlichen Vorgaben 3. Die Gewinnung von Kundendaten 4. Die werbliche Ansprache mittels IuK-Technik 5. Abwehransprüche, Sanktionen
06_Kap. VI 27.06.2008 16:27 Uhr Seite 402 402 Kundendatenschutz VI. Kundendatenschutz von Prof. Peter Gola 1. Vorbemerkungen 1.1 Allgemeines Datenschutz hat zur Aufgabe, Persönlichkeitsrechtsschutz zu gewährleisten; dies jedoch in einem ganz bestimmten, nämlich dem durch die Verarbeitung personenbezogener Daten geschaffenen Gefährdungsbereich. Datenschutzrechtliche Vorgaben sind im Kun- den- und Marketingbereich vgl. Breinlinger, Datenschutz im Marketing, in: Rossnagel (Hrsg.), Handbuch Datenschutz- recht (2002), S. 1186 ff. daher dann zu beachten, wenn zu diesem Zweck personenbezogene Daten erhoben, ver- arbeitet oder genutzt werden sollen. Erhoben werden Daten zunächst, um neue Kunden zu gewinnen. Dies geschieht zum einen, indem Adressdaten potenzieller Interessenten aus öffentlichen Quellen, von Adresshändlern, Drittfirmen oder bereits vorhandenen Kunden bezogen werden und zum anderen, indem Daten potenzieller neuer Kunden durch nicht personenbezogene Wer- bung z.B. per Couponanzeige, Bestellvordruck einer Briefwurfsendung, Preisausschreiben etc. gewonnen werden sollen. Der nächste Schritt der Nutzung der Adressdaten erfolgt im Rahmen sog. Direktwerbung, d.h. unmittelbar an den Kunden gerichteter werblicher Ansprache. Insoweit bestehende persönlichkeits- und datenschutzrechtliche Verpflichtungen hängen dann im Einzelnen davon ab, ob die Ansprache per Brief, Telefon, E-Mail, Fax oder persönlich erfolgen soll. Soll es zu einem Vertragsabschluss mit dem Interessenten kommen, so werden ggf. wei- tere Daten benötigt, um Entscheidungen über die Aufnahme und Gestaltung der Ge- schäftsbeziehungen zu treffen. Hierzu werden z.B. bei auf Kreditbasis abzuwickelnden Geschäften Bonitätsdaten bei Auskunfteien erhoben. Ggf. wird auch auf bereits vorhande- ne Kundendaten zurückgegriffen, um Näheres über die bisherige Gestaltung der Kunden- beziehung zu erfahren und bei der Entscheidung zu berücksichtigen. Dabei wird ggf. auch das Bestellverhalten von unter der selben Adresse bestellenden Kunden gleichen Namens berücksichtigt. Ist der Vertragsabschluss getätigt, so werden Daten des Kunden zunächst zur Wahrneh- mung der im Rahmen der Vertragsbeziehungen bestehenden Rechte und Pflichten verar- beitet. Nach Abwicklung der Vertragsbeziehung werden die Kundendaten regelmäßig zur Auf- rechterhaltung der Geschäftsbeziehung bzw. zur Werbung für weitere Geschäftsabschlüs- se mit dem Kunden genutzt. Dabei werden zum Zwecke der Kundenbindung, d.h. des Customer Relationship Managements Weichert, Kundenbindungssysteme – Verbraucherschutz oder der gläserne Konsument, DuD 2003, S. 161; Körffer, Datenschutzrechtliche Anforderungen an Kundenbindungssys- teme, DuD 2004, S. 267; Von Lewinski, Persönlichkeitsprofile und Datenschutz bei CRM, RDV 2003, S. 122 Daten des Konsumverhaltens des Kunden – die z.B. im Rahmen von Bonuskartensyste- men breitgefächert erfasst wurden – im Rahmen des sog. Datawarehousings und Data- minings Büllesbach, Datenschutz bei Datawarehouses und Data Mining, CR 2000, S. 11; Jacob/Jost, Marketingnutzung von Kundendaten und Datenschutz – ein Widerspruch? –
06_Kap. VI 27.06.2008 16:27 Uhr Seite 403 Vorbemerkungen 403 Die Bildung von Konsumentenprofilen auf dem datenschutzrechtlichen Prüfstand, DuD 2003, S. 621 analysiert, um ihm seinem Profil entsprechende Angebote unterbreiten zu können. Darüber hinaus werden die Kundendaten ggf. anderen Unternehmen zur Verfügung gestellt. Das Interesse hieran kann sich aufgrund konzernmäßiger Verpflechtungen, wie sie z.B. im Finanzverbund Weichert, Datenschutzrechtliche Anforderungen an Data-Warehouse-Anwendungen bei Finanzdienstleistern, RDV 2003, S. 113 der Fall sind, ergeben; es kann aber auch allein in dem durch die Vermarktung der Daten zu erzielenden Gewinn bestehen. 1.2 Der Persönlichkeitsrechtsschutz gegenüber Werbung Rechtsprechung und Gesetzgebung beschäftigen sich bereits seit geraumer Zeit mit der Frage, ob und inwieweit der Betroffene sich auch ohne seine Zustimmung bzw. gegen sei- nen Willen „bewerben“ lassen muss. Vgl. Gola/Wronka, Werbung, Wettbewerb und Datenschutz, RDV 1994, S. 157 Ausgangspunkt dieser Rechtsprechung war – schon im Hinblick auf die Entwicklung der technischen Möglichkeiten des Marketings – die sog. Briefkastenwerbung, wobei die Rechtsprechung nachfolgend je nach Vorgehensweise und dem „Grad der unerwünschten Belästigung“ zu unterschiedlichen Ergebnissen kam. So hat der BGH NJW 1989, S. 902 = RDV 1989, S. 124; ferner BGH , RDV 1988, S. 124 zur Abwehr erkennbar unerwünschter (z.B. durch Anbringen von entsprechenden Brief- kastenaufklebern) Briefkastenwerbung festgestellt, dass dem Empfänger als Haus- oder Wohnungseigentümer bzw. -besitzer aus §§ 1004, 903, 862 BGB das Recht zusteht, sich gegen eine Beeinträchtigung seiner räumlich-gegenständlichen Sphäre durch das Auf- drängen von unerwünschtem Werbematerial zur Wehr zu setzen. Gleichzeitig hat das Gericht entschieden, dass der Empfänger daneben bzw. sogar vorrangig – je nach der Lage des Falls – einen Abwehranspruch aus §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts geltend machen kann. Der Wille des Bürgers, frei von den Suggestivwirkungen der Werbung zu bleiben und seinen Lebensbereich von jedem Zwang zur Auseinandersetzung mit Werbung nach Möglichkeit freizuhalten, wird ausdrücklich als schutzwürdig bezeichnet. Vgl. hierzu ferner OLG Frankfurt, RDV 1988, S. 265; OLG Stuttgart, ZIP 1987, S. 1487; BVerwG, NJW 1989, S. 2409 = RDV 1989, S. 171 Dem trägt auch die Deutsche Post Rechnung, indem sie gemäß ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen Aufkleber mit der Aufschrift „Keine (Post-) Wurfsendungen“ bei mit der Tagespost an alle Haushalte verteilten, unadressierten Postwurfsendungen berück- sichtigt. Das Selbstbestimmungsrecht besteht auch gegenüber dem Einwurf von Anzeigeblättern, wobei der diesbezügliche Wille jedoch deutlich geäußert werden muss. Der Aufkleber „Keine Werbung“ u.ä. lässt einen derartigen Willen nicht erkennen: KG Ber- lin, Urteil vom 4.4.1990; OLG Karlsruhe, NJW 1991, S. 2910; vgl. auch Rath-Glawatz, Rechtsfragen der Haushaltswerbung (Briefkastenwerbung) – dargestellt anhand der Rechtsprechung zur Markteinführung von „Einkauf Aktuell“, K&R 2007, S. 295 Anders ist es bei Werbeprospekten, die abonnierten Zeitungen beigefügt sind, da der Abonnent diese Form der zur Finanzierung der Zeitung erforderlichen Werbung, die auch ansonsten in der Zeitung in Form von Annoncen enthalten ist, akzeptieren muss.
06_Kap. VI 27.06.2008 16:27 Uhr Seite 404 404 Kundendatenschutz OLG Karlsruhe, NJW 1991, S. 2913, LG Bonn, NJW 1992, S. 1112 Ebenfalls hinnehmen muss es der Betroffene, wenn Werbung als „Zusatzinformation“ im Zusammenhang mit anderen gezielt an ihn gerichteten Informationen erfolgt. So zur Werbung der Bank auf dem Rand eines Kontoauszugs: LG Frankfurt, Urteil vom 16.11.1989 – 2/3 O 113/89 Soll der Betroffene gezielt angesprochen werden, so hängt die Zulässigkeit von dem gewählten Kommunikationsweg ab. Briefwerbung ist im Regelfall so lange zulässig wie der Adressat nicht widersprochen hat. Die werbliche Ansprache unter Einsatz elektronischer Kommunikationsmittel (Telefon, Fax, E-Mail, SMS) ist dagegen in § 7 UWG aufgrund der ansonsten damit verbundenen unzumutbaren persönlichkeitsrechtswidrigen Belästigung regelmäßig an die zuvor erteilte Einwilligung geknüpft. Für bestimmte Branchen setzt die Werbung jedoch auf Grund spezieller Regelung immer die Einwilligung voraus. Vgl. nachstehend 2.2.2 Das sog. Anreißen von potenziellen Kunden, d.h. die gezielte Direktansprache von Pas- santen durch Werber an öffentlichen Orten ist grundsätzlich eine unzumutbare Belästigung i.S. des § 7 Abs. 1 UWG, wenn der Werbende für den Angesprochenen nicht als solcher eindeutig erkennbar ist. BGH, RDV 2005, S. 218; ebenso RDV 2005, S. 21 Der Vertreterbesuch an der Haustür ist dagegen zulässig, soweit nicht ein entgegenste- hender Hinweis angebracht ist. Auch das für die im Kunden- und Marketingbereich stattfindenden Verarbeitungen durch- weg einschlägige BDSG enthält einige, spezielle Aussagen zur Speicherung und Nutzung von personenbezogenen Daten für Marketing- und Werbezwecke. So erleichtert das Gesetz der Werbewirtschaft den vorrangig bei Direktwerbeaktionen genutzten Zugriff auf allgemein zugänglichen Quellen (z.B. Telefon-, Adressenverzeichnisse, öffentliche Register, Anschriften in Zeitungsannoncen etc.) (§§ 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG). Ferner ist die Übermittlung von (Kunden-)Daten an andere Werbetrei- bende in gewissen Umfang durch das sog. Listenprivileg des §§ 28 Abs. 3 S. 1 Nr. 3, 29 Abs. 2 Nr. 1b BDSG erleichtert. Als Äquivalent zu diesen Erleichterungen für die Werbewirtschaft steht dem Betroffenen ein Widerspruchsrecht (§§ 28 Abs. 3, 29 Abs. 3 BDSG) zu, auf das er bei der werblichen Ansprache ausdrücklich hinzuweisen ist. 2. Die gesetzlichen Vorgaben 2.1 Allgemeines Wie auch immer bei der Gewinnung von Kundendaten vorgegangen werden soll, zu beach- ten ist in jedem Falle das Verbot mit Erlaubnisvorbehalt des § 4 Abs. 1 BDSG, nach dem die Erhebung, Speicherung und nachfolgende Nutzung nur erlaubt ist, wenn eine Rechts- vorschrift diese gestattet oder mangels solcher der Betroffenen eingewilligt hat. Erlaubnis- oder auch Verbotsregelungen können sich somit aus sog. bereichsspezifischen Vorschriften ergeben, die die Nutzung von personenbezogenen Daten zu Marketingzwe- cken in bestimmten Sachverhalten speziell regeln. Bestehen solche Regelungen nicht, so erlaubt ggf. auch das BDSG selbst in den §§ 28, 29 die Erhebung, Verarbeitung und Nut- zung zu Marketingzwecken. Darüber hinaus besteht der mit Informationspflichten gegenüber den Betroffenen verbun- dene Vorrang der Direkterhebung (§ 4 Abs. 2 und 3 BDSG).
06_Kap. VI 27.06.2008 16:27 Uhr Seite 405 Die gesetzlichen Vorgaben 405 2.2 Bereichsspezifische Regelungen 2.2.1 Allgemeines Dem BDSG vorrangige Regelungen zur Erhebung bzw. Nutzung von personenbezogenen Daten im Rahmen einer Kundenbeziehung ergeben sich vielfach aus sog. bereichsspe- zifischen Vorschriften. Hierzu zählen alle die handels-, gewerbe- oder steuerrechtlichen Normen, die einen Unternehmer verpflichten und damit auch berechtigen, Geschäftsvor- gänge personenbezogen zu erfassen und dem Staat zur Verfügung bzw. für seine Kontroll- organe bereit zu stellen. Auf diese Regelungen muss hier nicht näher eingegangen wer- den. Daneben gibt es aber auch gesetzliche Regelungen, die dem informationellen Selbstbe- stimmungsrecht insbesondere im Hinblick auf die Verwendung personenbezogener Daten für Werbezwecke in unterschiedlicher „Strenge“ Geltung verschaffen sollen. 2.2.2 Die Einwilligung Die Nutzung der Daten zu Werbezwecken wird ggf. ausdrücklich an die Einwilligung des Betroffenen geknüpft. So darf nach § 95 Abs. 2 S. 1 TKG darf der Diensteanbieter im Rah- men eines Vertragsverhältnisses mit einem anderen Diensteanbieter angefallene Bestandsdaten zu Zwecken der Beratung, Werbung und Marktforschung nur verwenden, soweit dies für die Zwecke erforderlich ist und der Teilnehmer eingewilligt hat. Das Erfordernis der Einwilligung in die Verarbeitung oder Nutzung von Kundendaten zu Werbezwecken kann sich auch daraus ergeben, dass der Gesetzgeber die Verarbeitung und Nutzung von Daten nur für bestimmte, abschließend genannte Zwecke gestattet und eben hierbei Marketing und Werbung nicht benennt. Ein Beispiel hierfür sind die die Wer- bung nicht umfassenden abschließenden Verarbeitungs- und Nutzungsregelungen von Telemedien. Auch den Sozialleistungsträgern ist die Verarbeitung und Nutzung von Sozi- aldaten nur zu bestimmten, aufgeführten Zweckbestimmungen gestattet, wozu jedoch die Werbung regelmäßig nicht gehört. Zur Nutzung von Kundenkarteien in Apotheken zu Werbezwecken fordert der LDSB Bre- men, 15. TB (92/93), S. 56 die Abgabe einer schriftlichen, die beabsichtigten Verwen- dungszwecke, die die Freiwillig- und Widerrufbarkeit aufzeigenden Einwilligungserklärung Ist die werbliche Ansprache nur nach erteilter Einwilligung des Betroffenen zulässig, so ist die Wirksamkeit der Einwilligung nicht nur an den Voraussetzungen des § 4a BDSG, son- dern, wenn sie, was im Massengeschäfts des Marketings regelmäßig der Fall sein wird, Ayad/Schafft, Einwilligung in Direktmarketing – formularmäßig unwirksam? BB 2002, S. 1711 formularmäßig eingeholt wird, auch an den Anforderungen für die Wirksamkeit allgemei- ner Geschäftsbedingungen nach §§ 312 ff BGB zu messen. Vgl. Heidemann-Peuser, Rechtskonforme Gestaltung von Datenschutzklauseln, DuD 2002, S. 389 2.2.3 Schriftform und Opt-in oder Opt-out Nach § 4a Abs. 1 Satz 3 BDSG muss die Einwilligung im Regelfall schriftlich (§ 126 BGB) eingeholt werden. Eine Ausnahme vom Schriftformerfordernis gilt nur, wenn wegen beson- derer Umstände eine andere Form angemessen ist. Wird die Einwilligung zusammen mit anderen Erklärungen eingeholt – wie im Zusammen- hang mit dem Abschluss eines Kaufvertrags – so ist sie gemäß § 4a Abs. 1 Satz 4 BDSG besonders hervorzuheben. Die Einwilligungsklausel ist an deutlich sichtbarer Stelle und
06_Kap. VI 27.06.2008 16:27 Uhr Seite 406 406 Kundendatenschutz z.B. drucktechnisch von dem anderen Text abgesetzt darzustellen. Der Einwilligungstext ist in der Regel unmittelbar vor der Vertragsunterschrift zu platzieren. Denkbar ist eine Kurzfassung, die auf eine auf einem Merkblatt etc. enthaltene Erläuterung verweist. Steht der Einwilligungstext deutlich hervorgehoben unmittelbar vor der Zeile für die Ver- tragsunterschrift, so ist eine weitere Unterschrift ggf. entbehrlich. Für die Möglichkeit einer einheitlichen Vertragsunterschrift explizit auch die Bayerische Datenschutzaufsicht, RDV 2007, S. 84 (86). Dies setzt allerdings voraus, dass der Betroffene im Hinblick auf die datenschutzrechtliche Einwilligungserklärung gesondert über seine Zustimmung bzw. Ablehnung befinden kann. Keinesfalls ist eine solche Formulargestaltung zulässig, bei welcher die Kunden die daten- schutzrechtliche Einwilligungserklärung mit ihrer Vertragsunterschrift quasi automatisch abgeben. Keine Bedenken ergeben sich aber allenfalls dann, wenn eine sog. Opt-in-Gestaltung vor- liegt, d.h., der Kunde sich (z.B. durch Ankreuzen eines Kästchens) aktiv betätigen muss, damit die Einwilligung wirksam wird. Ob auch eine Opt-out-Klausel zulässig ist, ist zurzeit umstritten. LG München I, Urteil vom 9.3.2006 – 12 O 12679/05 –, RDV 2006, S. 169 = DuD 2006, S. 309. Dass eine Opt-out-Gestaltung den Kunden unangemessen benachteiligt, nahm auch das OLG Köln in seiner Entscheidung gegen den „Happy-Digits“-Betreiber CAP an (Urteil des OLG Köln vom 14.12.2007 – 6 U 121/07). Der Rechtsstreit wird im Juli 2008 beim BGH entschieden. Eine Opt-out-Klausel stellt eine Klauselgestaltung dar, bei welcher der Betroffene nur durch aktives Tätigwerden verhindern kann, dass die Erteilung einer Einwilligung durch seine Persona angenommen wird. Die Möglichkeit zum Opt-out wird dabei in der Praxis entweder dadurch eingeräumt, dass der Betroffene darauf hingewiesen wird, dass er die die Einwilligung enthaltende Textpassage streichen kann, wenn er nicht einverstanden ist. Oder er erhält die Möglichkeit, durch Ankreuzen eines bestimmten Feldes die Einwilli- gungserklärung wieder zunichte zu machen („Hier ankreuzen, falls die Einwilligung nicht erteilt wird.“). Zuzustimmen ist dem LG München I, wonach eine freie Entscheidung voraussetze, dass die Entscheidungssituation erkannt werde und eine positive Willensbetätigung erfolge. Daran fehle es, wenn der Betroffene eine Klausel überlese. Zudem baue ein Unternehmen psychologische Hindernisse für die Versagung der Einwilligung auf, indem es für diesen Fall ein aktives Handeln verlange, während für die Erteilung der Einwilligung bloße Passi- vität genüge. 2.2.4 Die informierte Duldung Teilweise knüpft die Verarbeitung bzw. Nutzung zu Werbezwecken an die informierte Dul- dung an, d.h. der Betroffenen ist vor der Nutzung oder vor der Weitergabe der Daten zu Werbezwecken über ein ihm eingeräumtes Widerspruchsrecht zu informieren, wobei bei Nicht-Ausübung des Widerspruchsrechts die entsprechende Nutzung erfolgen darf. Für die hier vorausgesetzte informierte Duldung ist es erforderlich, dem Betroffenen präzise anzugeben, welche Daten an wen weitergegeben werden sollen, sofern er nicht in der vor- gesehenen Form, z.B. durch Unterschrift oder Ankreuzen eines hierfür vorgesehenen Kästchens, widerspricht.
06_Kap. VI 27.06.2008 16:27 Uhr Seite 407 Die gesetzlichen Vorgaben 407 Ein Beispiel für die Vorab zu eröffnende Widerspruchsmöglichkeit ist § 6 Abs. 3 der Hand- werksordnung, nach dem die „Grunddaten“ des Inhabers des Handwerksbetriebs auch in listenmäßiger Form an private Interessenten übermittelt werden dürfen, sofern der Betrof- fene nicht widersprochen hat, wobei die Gewerbetreibenden auf dieses Widerspruchs- recht vor der ersten Übermittlung schriftlich hingewiesen werden müssen. Eine ähnliche Regelung enthält § 9 Abs. 4 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern. Danach dürfen die „Grunddaten der Kam- mermitglieder zur Förderung von Geschäftsabschlüssen und zu anderen dem Wirtschafts- verkehr dienenden Zwecken“ an nicht öffentliche Stellen weitergegeben werden. Die Weitergabe der weiteren Daten setzt die Nichtausübung eines zuvor schriftlich mitgeteil- ten Widerspruchsrechts voraus. Hinzuweisen ist ferner auf das Melderecht, das den Meldebehörden in verschiedenen Fallkonstellationen gestattet, Meldedaten an Dritte zu Marketingzwecken weiterzugeben. So dürfen die Meldebehörden aufgrund von Regelungen im MRRG des Bundes und den hierzu ergangenen Landesgesetzen Auskünfte über Alters- oder Ehejubiläen erteilen, wenn der Betroffene nicht widersprochen hat, wobei die Behörde den Bürger bei der Anmeldung auf diese Widerspruchsmöglichkeit hinzuweisen hat. Insoweit hat das OLG Bremen (CR 1992, S. 566) klargestellt, als die Behörde, die in ihr Ermessen gestellte Auskunft nicht allein deshalb untersagen darf, weil der Auskunftssu- chende die Information für Werbezwecke (hier. Marketingaktion für Seniorenwohnheime) nutzen will. Andererseits hat das BVerwG (RDV 2007, S. 263) aber auch dem gegenteiligen Willen des Bürgers Rechnung getragen und es der Meldebehörde untersagt eine einfache Meldere- gisterauskunft (§ 21 Abs. 1 MRRG) zu erteilen, wenn diese erkennbar für Zwecke der Direktwerbung ergehen soll und der Kunde der Bekanntgabe seiner Daten zuvor aus- drücklich widersprochen hat. Gleiche Regelungen gelten in der Mehrzahl der Meldegesetze der Länder für die Weiter- gabe von Meldedaten an politische Parteien zwecks Wahlwerbung. Schließlich ist die – auch in der Mehrzahl der Landesmeldegesetze – ermöglichte Weitergabe von Meldedaten an Adressbuchverlage. (§§ 21 Abs. 1, 22 MRRG) zu nennen, wobei die informierte Dul- dung allerdings inzwischen teilweise nicht als dem informationellen Selbstbestimmungs- recht genügend angesehen wird und – wie u.a. in NRW – die Weitergabe der Meldedaten an die ausdrücklichen Einwilligung des Betroffenen geknüpft wird. Ähnlich reglementiert § 95 Abs. 2 S. 2 und 3 TKG, wonach ein Diensteanbieter, der im Rahmen einer bestehenden Kundenbeziehung rechtmäßig Kenntnis von der Rufnummer oder der Postadresse, auch der elektronischen eines Teilnehmers erhalten hat, diese für die Versendung von Text und Bildmitteilungen an ein Telefon oder an eine Postadresse zu Werbe- und Marktforschungszwecke verwenden darf, es sei denn, dass der Teilnehmer widersprochen hat, wobei der Teilnehmer bei der Erhebung oder der erstmaligen Speiche- rung der Rufnummer oder Adresse und bei jeder Versendung einer Nachricht auf sein Widerspruchsrecht hinzuweisen ist. § 4 Abs. 1 PDSV gestattet die Nutzung der Bestandsdaten für Werbezwecke, sofern der Kunde nach Hinweis auf sein Widerspruchsrecht nicht widersprochen hat. 2.3.4 Information über das Widerspruchsrecht bei der werblichen Ansprache Eine weitere Form der informierten Duldung, besteht darin, dass der Betroffene zwar nicht vorab, aber zumindest bei der werblichen Ansprache selbst über ein ihm zustehendes Widerspruchsrecht zu informieren ist (so in § 28 Abs. 4 Satz 1 BDSG).
06_Kap. VI 27.06.2008 16:27 Uhr Seite 408 408 Kundendatenschutz Der Widerspruch nach §§ 28 Abs. 4, 29 Abs. 4 BDSG kann sich dagegen richten, dass das werbetreibende Unternehmen die Daten des Betroffenen für eigene Werbezwecke nutzt. Formulierungsbeispiel 1: Die Beispiele 1, 2 und 3 sind erstellt in Anlehnung an des vom DDV herausgegebenen Best Practise Guide Nr. 3 „BDSG 2001 – Auswirkungen auf das Direktmarketing, 3. Aufl. Wenn sie zukünftig keine Informationen mehr über unsere Produkte erhalten möchten, kön- nen Sie bei uns der Verwendung Ihrer Daten für Werbezwecke widersprechen. Ferner ist dem Betroffenen ein Abwehrrecht dahingehend eingeräumt, dass seine Daten an Dritte – sei es eine Konzernschwester oder -tochter, sei es ein Adresshändler oder ein Markt- und Meinungsforschungsinstitut – übermittelt werden. Das Widerspruchsrecht gegenüber dem Empfänger übermittelter Daten wird dann relevant, wenn Daten von dem Geschäftspartner bereits vor Ausübung des Widerspruchs oder trotz Ausübung des Wider- spruchs übermittelt wurden. Hat das Unternehmen Adressen bei Dritten vorhandene Adressen in der Weise genutzt, dass diese das Werbeschreiben im „letter-shop-Verfahren“ unmittelbar an den Kunden abgesandt haben, so muss es sicherstellen, dass ein bei ihm eingehender Widerspruch auch an die die Daten speichernde Stelle gelangt. Ist das Unternehmen im Rahmen der Nutzung der Daten für „Empfehlungsmailings“ für Kooperationspartner datenschutzverantwortliche Stelle muss das deutlich sein. Dies geschieht einmal, dass bei der Datenerhebung darüber informiert wurde, dass die Daten nicht übermittelt aber für eigene und fremde Werbezwecke genutzt werden. Innenministerium BW, 19. TB (2005), S. 56 Allein schon um eine das Vertrauensverhältnis ggf. tangierende Vermutung einer unzuläs- sigen Weitergabe zu vermeiden, muss der Vorgang und die Widerspruchsmöglichkeit auch bei der Zusendung aufgezeigt werden. Vgl. Hess. Innenministerium als oberste Aufsichtsbeh. (LT-Drs. 16/5892 0 RDV 2007, S. 40) geschilderten Fall, in dem ein Kreditkartenunternehmen den Kunden einen an eine Versicherung adressierten Antrag auf Abschluss einer Pflegeversicherung, in dem bereits die erforderlichen personenbezogenen Daten des Kunden enthalten waren, zusandte. Formulierungsbeispiel 2: Wenn Sie künftig unsere Angebote nicht mehr erhalten möchten, können Sie bei uns der Verwendung Ihrer Daten für Werbezwecke widersprechen. Teilen Sie uns dies bitte schrift- lich unter Beifügung des Werbemittels mit. Der Widerspruch kann sich gegen die Zusendung von Werbung jeglicher Art richten – so wenn es um den Datenbestand eines Adresshändlers geht – sowie gegen die Werbung eines bestimmten Unternehmens. Folge eines Widerspruchs ist zunächst ein entsprechen- des Verwendungsverbot, wonach mit Zugang (§ 130 BGB) des Widerspruchs die Nut- zung und/oder Übermittlung der Daten zu den beanstandeten Zwecken der Werbung und/oder Markt- und Meinungsforschung unzulässig ist. Gleiches gilt auch für zukünftige Erhebungen von Daten zu Werbezwecken. Sind die Daten nicht ausschließlich zu Werbezwecken sondern – zulässigerweise – auch mit einer anderen Zweckbestimmung (z.B. in einer nicht nur der Werbung dienenden Kun- dendatei) gespeichert, so bleiben die Daten mit diesem Verarbeitungs- und Nutzungs-
06_Kap. VI 27.06.2008 16:27 Uhr Seite 409 Die Gewinnung von Kundendaten 409 zweck weiterhin legitim gespeichert. Das werbungsbezogene Nutzungsverbot ist jedoch zu vermerken, d.h. die Daten sind für den Werbezweck zu sperren. Dies hat entweder dadurch zu geschehen, dass der jeweilige Datensatz mit einem entsprechenden Vermerk versehen wird, oder dadurch, dass eine separate Sperrdatei aufgebaut wird, mit der vor Durchführung von Werbeaktionen ein Abgleich vorzunehmen ist. Paradox ist, dass selbst ausschließlich zu Werbezwecken gespeicherte Daten bei Vorlie- gen eines Widerspruchs entgegen der Verpflichtung nach § 35 Abs. 2 Nr. 1 BDSG u.U. nicht vollständig gelöscht werden können. Zwar entfällt mit dem Widerspruch jegliches – eine weitere Speicherung rechtfertigendes – berechtigte Interesse. Um dem Wunsch des Betroffenen nach Unterlassung der Werbung Rechnung tragen zu können, muss diese Tatsache aber in einer Sperrdatei weiterhin gespeichert bleiben, wenn künftig für Werbe- aktionen fremdes oder neu angekauftes Werbematerial (mit-)verwendet werden soll, da nicht auszuschließen ist, dass die Person, die den Widerspruch erhoben hat, in den Neu- adressen wieder auftaucht. Über die Aufnahme in die Sperrdatei ist der Betroffene aber gem. § 33 BDSG zu benachrichtigen; dies gilt jedenfalls für den Fall, dass er die Löschung seiner Daten beantragt hat. Möglicherweise wird es dem Betroffenen dann lieber sein, zufällig hin und wieder von unverlangter Werbung „belästigt“ zu werden, als in einer Art „Querulantendatei“ gespeichert zu sein. Der Widerspruch muss der werbenden Stelle zugehen. Ob ein allgemeiner Widerspruch in Form einer Eintrags in die sog. „Robinsonliste“ der Werbewirtschaft zu beachten ist, d.h. ob bei einer Werbemaßnahme ohne Abgleich mit der Liste schutzwürdige Interessen ver- letzt werden, ist strittig. Weichert, Datenschutzrechtliche Probleme beim Adressenhandel, WRP 1996, S. 522 3. Die Gewinnung von Kundendaten 3.1 Allgemeines Sollen Daten über – potenzielle – Kunden gewonnen werden, so handelt es sich um den datenschutzrechtlichen Vorgang der Erhebung, d.h. gemäß § 3 Abs. 3 BDSG das aktive Beschaffen von Daten bei dem Betroffenen selbst oder bei Dritten durch Befragen (z.B. per Fragebogen, Bestellformular, Couponanzeige etc.), Anfordern von Unterlagen, Anhö- ren und Beobachten. Dabei muss das Unternehmen zwei Vorgaben des BDSG beachten: 1. ist die Zulässigkeit der Erhebung und weiteren Verwendung der Daten und 2. die Zulässigkeit der Vorgehensweise hierbei zu hinterfragen. Erlaubnistatbestände für das Erheben und nachfolgende Verarbeiten der Daten finden sich ggf. in § 28 BDSG. Lässt sich hieraus keine Erlaubnis ableiten, so ist die Einwilligung des Betroffenen (§ 4a BDSG) erforderlich. Vorgaben für die Vorgehensweise und die dem Betroffenen gegenüber zu erfüllenden Informationspflichten finden sich in § 4 Abs. 2 und 3 sowie § 33 BDSG. Ggf. werden die Daten nicht nur bei Dritten „beschafft“, sondern auch durch Auswerten all- gemein zugänglicher Quellen bzw. Auswertung eigener Datenbestände.
06_Kap. VI 27.06.2008 16:27 Uhr Seite 410 410 Kundendatenschutz 3.2 Nach dem UWG unzulässige Wege des Kundenkontakts 3.2.1 Allgemeines Dem Beschreiten der Wege zur Gewinnung neuer Kunden gibt aber auch das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) wichtige Grenzziehungen vor. Indem es untersagt, dass der Kunde über die wahren Absichten getäuscht wird oder er „über den Tisch gezo- gen“ werden soll oder dass er sich in unzumutbarer Weise belästigt sieht. Fälle unlauteren Handelns zählen die § 4 bis 7 UWG auf. Hier sind beispielhaft zu nennen: • Beeinflussung der Entscheidungsfreiheit durch Ausübung von Druck (§ 4 Nr. 1 UWG): Hierunter kann das sog. „Anreißens“ von Kunden fallen, d.h. das gezielte Ansprechen von Passanten an öffentlichen Orten jedenfalls dann, wenn der Werbende zunächst als solcher nicht erkennbar ist und der Angesprochene sich nicht sofort dem Gespräch entziehen kann BGH, RDV 2004, S. 218 Auch ein „übertriebenes Anlocken“ durch das Versprechen von Zusatzleistungen kann hierunter fallen. Dies ist der Fall wenn die Zusatzleistung derart ist, dass die Rationalität der Nachfragentscheidung verdrängt wird. Insoweit noch keine Bedenken hat das OLG Hamburg Urteil vom 10.4.2003 – I ZR 291/00, wenn bei Begründung einer zweijährigen Mitgliedschaft in einem Buchklub fünf Bücher unentgeltlich überlassen werden sollen. Der BGH Urteil vom 9.6.2004 – I ZR 187/02 – sieht in der Werbung eines Fahrschulunternehmens, nach der jeder Fahrschüler zur bestandenen Prüfung einen Gutschein in Höhe von 250 DM für einen Fahrzeugkauf in einem bestimmten Autohaus erhalte, ebenfalls noch kein unlauteres Wettbewerbsverhal- ten. • Das Ausnutzen der Unerfahrenheit von Kindern (§ 4 Nr.2): Die Erhebung von Daten von Kindern als Mitglied in einem Kinder-Automobil-Club durch einen Autohersteller zwecks frühzeitiger Kundenbindung ist ohne Einwilligung der Eltern unzulässig OLG Frankfurt a.M. RDV 2005, S. 270; DSB 2005, 9/16.
06_Kap. VI 27.06.2008 16:27 Uhr Seite 411 Die Gewinnung von Kundendaten 411 • Die Verschleierung des Werbecharakters der Wettbewerbshandlung (§ 4 Nr. 3 UWG): Dies ist z.B. der Fall, wenn Daten unter Vorspiegelung einer Meinungsumfrage zu Werbezwecken erhoben werden sollen oder wenn Teilnehmer eines angeblichen Preisausschreibens zu einer Gewinnausgabe eingeladen werden und es sich tatsäch- lich um eine Verkaufsveranstaltung handelt. • Die Verschleierung der Teilnahmebedingungen bei Preisausschreiben oder Gewinnspielen mit Werbecharakter (§ 4 Nr. 5 UWG): Soll der Gewinner eines „Sweepstakes“ zu Werbezwecken mit Bild veröffentlich werden, genügt ein Hinweis in den AGB nicht OLG Karlsruhe, RDV 1988, S. 146. Unabhängig von diesen beispielhaft genannten Fallkonstellationen, handelt unlauter, wer Marktteilnehmer in unzumutbarer Weise belästigt (§ 7 Abs. 1 UWG). Eine derartige Belästigung kann in einem Eindringen in die Individualsphäre durch z.B. „offensives“ Ansprechen auf der Straße oder in einem unerbetenen Telefonanruf liegen. Für die Wett- bewerbswidrigkeit bestimmend ist dabei nicht nur das Gewicht der Belästigung im konkre- ten Einzelfall, sondern der Grad der Belästigung, der bei einem Umsichgreifen der Werbe- methode eintreten würde. Für den Fall unerbetener telefonischer Kundenwerbung ist die- sem Aspekt nunmehr in § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG Rechnung getragen. Unter verschiedenen der genannten Aspekte kann auch die Gewinnung von Kunden im Rahmen sog. Laien- oder Freundschaftswerbung unzulässig sein. Kunden zur Gewin- nung neuer Kunden anzuleiten, ist zwar grundsätzlich zulässig – dies gilt insbesondere für Branchen, in denen diese Werbeform üblich ist wie z.B. im Zeitschriftenhandel, im Bau- sparwesen oder im Rahmen sog. Sammelbestellungen. Dies ist jedoch anders, wenn die Werbung Waren oder Dienstleistungen betrifft, für die ein besonderes Werbeverbot besteht. Vgl. BGH, Urteil vom 6.7.2006, RDV 2007, S. 248 unter Hinweis auf § 7 Abs. 1 Heilmittel- gesetz Die Gewährung einer nicht unerheblichen Vorteilsprämie genügt nicht. Jedoch können die Begleitumstände zur unsachlichen Beeinflussung und unzumutbaren Belästigung des Beworbenen führen, so wenn gegen Zahlung einer – unverhältnismäßigen – Prämie priva- te Beziehungen kommerzialisiert werden sollen und der Betroffene in seiner Privatsphäre – ggf. „verdeckt“ – ausgeforscht wird oder in eine „Zwangssituation“ gerät, weil er seinem Freund/Nachbarn oder z.B. Arbeitgeber nicht ohne weiteres etwas abschlagen möchte. Unzulässig kann die Einschaltung des Laien auch sein, weil der Laie mangels Sachkennt- nis keine hinreichende Produktinformation geben kann OLG Düsseldorf, v. 14.3.2000 – 20 U 66/99 – zur unzulässigen Aktion einer Krankenkasse: „Mitglieder werben Mitglieder“, wobei für 30 neue Mitglieder eine Reise im Wert von 1000,– DM ausgelobt war. Insoweit besonders problematische „verdeckte Laienwerbung“ liegt vor, wenn der Kunde Adressen von Dritten ohne deren Einverständnis weitergibt und bereits dafür oder bei Gewinnung des Neukun- den eine relevante Provisionszahlung oder sonstige ins Gewicht fallende Belohnung erhält. So sah der BGH NJW 1992, S. 2419=RDV 1993, S. 124 eine nach Wettbewerbsrecht unzulässige Datenerhebung darin, dass ein Automobilhänd- ler an Käufer der von ihm vertriebenen Fahrzeuge brieflich die Aufforderung richtete, ihm die Adressen anderer potenzieller Kaufinteressenten mitzuteilen und diese Aufforderung mit dem Versprechen verband, die Mitteilung den eventuellen Interessenten bei der werb- lichen Ansprache zu verschweigen und dem Informanten im Falle des Zustandekommens eines Kaufvertrages eine Geldprämie von 100,– DM zu zahlen.
06_Kap. VI 27.06.2008 16:27 Uhr Seite 412 412 Kundendatenschutz 3.2.2 Konsequenzen der Verletzung des UWG für das BDSG Bei den aufgezeigten Beispielen unlauteren Wettbewerbshandeln handelt es sich regel- mäßig gleichzeitig um einen Verstoß gegen das BDSG. Dies ergibt sich z.B. daraus, dass der potenzielle Kunde entgegen der Transparenzverpflichtung des BDSG (§ 4 Abs. 3) über die Zweckbestimmung der von ihm erbetenen Daten nicht hinreichend informiert oder sogar hierüber getäuscht wird oder dass die Art und Weise der Datenerhebung ihn in sei- nem Persönlichkeitsrecht verletzt. Daraus folgt, dass unter Verstoß gegen das UWG erfolgte Datenerhebungen oder Verar- beitungen auch ein Verarbeitungsverbot nach dem BDSG zur Folge haben können, wobei jedoch nicht jede im Rahmen einer unzulässigen Kundenansprache erfolgte Datenerhe- bung auch zur Unzulässigkeit der nachfolgenden Speicherung führt. Dies wird schon darin deutlich, dass auch die Aufsichtbehörden vgl. Innenministerium Baden-Württemberg, Hinweis Nr. 41, RDV 2004, S. 234 und Stel- lungnahme RDV 2005, S. 182 akzeptieren, dass Verletzungen der bei der Datenerhebung bestehenden Informations- pflichten u.a. erst bei einer nach Würdigung des Einzelfalls festzustellenden Verletzung von Treu und Glauben zur Unrechtmäßigkeit der nachfolgenden Verarbeitung führen. Deutlich wird das Erfordernis einer differenzierten Betrachtung auch am Beispiel einer per „Kaltanruf“ erfolgten Datenerhebung, d.h. per unzulässigem Telefonmarketing (§ 7 Abs. 2 UWG) erhobene Daten unterliegen keineswegs immer auch einem Verarbeitungsverbot nach dem BDSG. Lässt der Angerufene sich auf den unzulässigen Anruf ein und nimmt das Angebot zum Vertragsabschluss über einen Kauf, eine Dienstleistung etc. an, so ist die Speicherung der Daten, die der Zweckbestimmung des nunmehr geschlossenen Ver- tragsverhältnisses dienen, durch § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BDSG gerechtfertigt. Das Verbot des UWG, Vertragsabschlüsse nicht per kalten Anrufen zu tätigen, führt nämlich nicht dazu, dass der gleichwohl zustande gekommene Vertrag etwa wegen Gesetzesverstoßes (§ 134 BGB) bzw. Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) nichtig wäre. Selbst wenn der Kunde bei dem Telefonat auch noch über den Anrufer etc. getäuscht worden wäre, würde dies nicht zur Unwirksamkeit, sondern ggf. zur Anfechtbarkeit (§§ 119, 123 BGB) des Vertrages füh- ren. Gleiches gilt, wenn zwar kein Vertrag zustande kommen war, sich der Angerufene jedoch an den Produkten interessiert gezeigt und z.B. personenbezogene Daten zwecks ihm transparent gemachter Aufnahme in eine Interessendatei mitgeteilt hat Busse, RDV 2005, S. 260 (264) Anders ist es jedoch, wenn der Angerufene sich nicht auf das Angebot einlässt bzw. das Gespräch, nachdem der Werbecharakter erkannt ist – ggf. unter Ausdruck seines Unwil- lens über die Belästigung – abbricht. Wurden bei diesem Gespräch Daten über den Kun- den gewonnen, so dürfen diese schon nach dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht in einer Werbedatei gespeichert werden, sondern zur Löschung der Daten des Kinden aus der „Anrufliste“ führen. 3.2.3 Konsequenzen der Verletzung des BDSG für das UWG Eine zweite Frage ist, ob auch Verstöße gegen das BDSG zugleich unlauteres Handeln im S. d. UWG beinhalten. Nach § 4 Nr. 11 UWG liegt unlauteres Handeln auch dann vor, wenn einer gesetzlichen Vorschrift, „die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Markt- teilnehmer das Marktverhalten zu regeln“, zuwider gehandelt wird. Nach der dazu bislang ergangenen Rechtsprechung OLG Frankfurt, RDV 2005, S. 270; DSB 2005, 9/16; ferner OLG Düsseldorf, RDV 2004, S. 222; DSB 2004, 12/18
06_Kap. VI 27.06.2008 16:27 Uhr Seite 413 Die Gewinnung von Kundendaten 413 soll als solches jedenfalls mit der Gesamtheit seiner Normen keine verbraucherschützen- de Funktion haben. Selbst bei einem Verstoß gegen die Pflicht zur Belehrung über das gegenüber der Zusendung von Werbung bestehende Widerspruchsrecht nach § 28 Abs.4 S. 2 BDSG hat die Rechtsprechung HansOLG, RDV 2005, S. 119 den gleichzeitigen UWG-Verstoß verneint. Wie sie für die bei der Datenerhebung beste- henden Informationspflichten nach § 4 Abs. 3 BDSG entscheiden wird, erscheint danach fraglich, obgleich diese weitgehend mit den Informationspflichten beim Fernabsatz nach § 312c Abs. 1 Nr. 1 BGB korrespondieren. Die Entscheidung darüber, ob Verletzungen des BDSG auch unter dem Gesichtpunkt des UWG Relevanz entfalten, hat ihre politische Brisanz darin, dass im Falle des Bejahens datenschutzwidrig handelnde Unternehmen auch Sanktionen aus dem UWG ausgesetzt wären. In den §§ 8 bis 10 UWG werden Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassung, auf Schadensersatz und auf Abschöpfung des unlauter erzielten Gewinns geregelt. Während der Schadensersatz nur von dem geschädigten Mitbewerber geltend gemacht werden kann, sind für die Durchsetzung des Beseitigungs- und Unterlassungsanspruchs bzw. des Anspruchs auf Gewinnabschöpfung nach § 8 Abs. 3 UWG auch eine Reihe von Verbän- den und Institutionen anspruchs- und klageberechtigt. Neben den Industrie- und Handels- kammern gehören hierzu die Verbraucherschutzverbände. Den im UWG privilegierten Verbänden und Institutionen stehen neben der Klagebefugnis nach § 8 Abs. 3 UWG auch noch die Klagebefugnisse aus dem Gesetz über Unterlas- sungsklagen bei Verbraucherrechten (UKlaG) offen. Ein Klagerecht auf Unterlassung beziehungsweise Widerruf besteht bei: • Verwendung oder Empfehlung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), die nach der Inhaltskontrolle unwirksam sind (§ 1 UKlaG) • Zuwiderhandlungen gegen Verbraucherschutzgesetze (§ 2 UKlaG) (z.B. Vorschriften zu Verbrauchsgüterkauf, Haustürgeschäfte, Reiseverträge, Fernabsatzverträge). Verstoßen z.B. BDSG-Einwilligungsklauseln gegen die AGB-Bestimmung der §§ 307–309 BGB, können die Verbraucherverbände – was sie bereits rege getan haben, Heidemann-Peuser, DuD 2002, S. 389 eine Abmahnung aussprechen und, sofern der Abmahnung nicht Folge geleistet wird, vom Instrument des abstrakten Unterlassungsverfahrens Gebrauch machen.
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