AUF DEM WEG ZUR DIGITALEN ANWALTSKANZLEI TROTZ BERUFSGEHEIMNIS UND DATENSCHUTZ - Steiger Legal

 
WEITER LESEN
THEMA / QUESTION DU JOUR

AUF DEM WEG ZUR DIGITALEN
ANWALTSKANZLEI TROTZ
BERUFSGEHEIMNIS UND DATENSCHUTZ
DANIEL HÜRLIMANN
Dr. iur., Rechtsanwalt, Laux Lawyers AG, Zürich,
Lektor an der Universität Freiburg

MARTIN STEIGER
Lic. iur. HSG, Anwalt und Unternehmer für Recht im digitalen Raum,
Steiger Legal AG, Zürich

Stichworte: Digitalisierung, DSG, Datenschutzrecht, Anwaltsrecht, Berufsgeheimnis

Gesetzgeber und Markt verlangen von allen Anwältinnen und Anwälten, den Weg zur digitalen An-
waltskanzlei zu beschreiten. Die Nutzung von digitalen Arbeitswerkzeugen und insbesondere Cloud-ÿþ�
Diensten ist weniger problematisch als gemeinhin angenommen. Der vorliegende Beitrag zeigt auf,
was datenschutzrechtlich, anwaltsrechtlich und strafrechtlich zulässig ist. Anhand von vier beispiel-
haften Onlinediensten wird aufgezeigt, was die rechtlichen Voraussetzungen in der Praxis bedeuten.

I.   Einleitung                                                      ten wollen. Viele Anwältinnen werden aus dem Homeof-
Die Digitalisierung schreitet in der Schweiz voran. Viele            fice nicht mehr vollständig an einen Arbeitsplatz in einer
Anwaltskanzleien haben sich allerdings bisher darauf be-             Kanzlei zurückkehren. Selbst jene, die Sehnsucht nach pa-
schränkt, E-Mail zu verwenden und allenfalls das klobige             pierbasiertem Arbeiten «wie früher» verspüren, werden
Faxgerät zu entsorgen. Gleichzeitig setzt die wachsende,             sich der Digitalisierung stellen müssen. Rechtlicher Haupt-
nicht anwaltlich regulierte Konkurrenz – Legal-Tech-Start-           grund ist das neue E-Justice-Gesetz 3 , das mittels Anpas-
ups sowie Beratungsunternehmen und Rechtsschutzversi-                sungen der Prozessordnungen ein Obligatorium für die
cherungen – fast ausschliesslich auf Arbeitsmittel im digi-          elektronische Übermittlung vorsieht.4 Unabhängig von
talen Raum.1                                                         der Diskussion, ob dieses Obligatorium zu begrüssen ist,
     Technologiefeindlichkeit ist nicht immer der Grund für          wird das E-Justice-Gesetz für viele Anwaltskanzleien den
die Zurückhaltung bei Anwältinnen und Anwälten. Eine                 Anlass bieten, auch intern grossmehrheitlich auf digitale
wesentliche Rolle spielen das Berufsgeheimnis und der                Arbeitsmittel zu wechseln. 5
Datenschutz. Häufig ist nicht klar, ob die Nutzung von
Cloud-Diensten sowie Outsourcing überhaupt daten-
schutzrechtlich, anwaltsrechtlich oder strafrechtlich zu-
lässig ist. Wer sich nicht eingehend mit der Thematik be-            1ÿþ	 Vgl. auch SCHWANINGER ET AL., [https://perma.cc/7VJG-4SZW
fassen will, verzichtet daher tendenziell auf die Nutzung                  Legaltech-Trends in der Schweiz], in: Anwaltsrevue 6/7/2020,
                                                                           S. 247 ff.
solcher Arbeitsmittel.                                               2ÿþ	 Die Autoren erarbeiteten diesen Beitrag mit Google Docs.
     Aufgrund der COVID-19-Pandemie mussten sich viele               3ÿþ	 Vorentwurf vom 11. 11. 2020 zu einem Bundesgesetz über die Platt-
Anwaltskanzleien in der Schweiz mit der Digitalisierung                    form für die elektronische Kommunikation in der Justiz (BEKJ).
                                                                     4ÿþ	 S. dazu die im Anhang des Vorentwurfs für ein E-Justice-Gesetz ent-
befassen, ob sie wollten oder nicht. Anwälte, die nicht al-                haltenen Vorentwürfe für einen neuen Art. 47a VwVG, einen neuen
lein tätig sind, benötigen für die Tätigkeit im Homeoffice                 Art. 38c BGG, einen neuen Art. 128c ZPO, einen neuen Art. 103c
digitale Arbeitsmittel und Cloud-Dienste. Beispiele dafür                  StPO, einen neuen Art. 2c ZeugSG, einen neuen Art. 8c OHG, einen
                                                                           neuen Art. 31c VStrR und einen neuen Art. 37c MStP (alle mit dem
sind der gemeinsame Zugriff auf Akten und Dokumente                        Titel «Obligatorische elektronische Übermittlung») sowie einen
sowie die Kommunikation mit Mandantinnen und Mandan-                       neuen Art. 37a VGG («Elektronische Übermittlung») und einen
ten wie auch teilweise mit Behörden per Videokonferenz. 2                  neuen Art. 8 Abs. 1 Bst. e BGFA (Zustelladresse auf der E-Justiz-ÿþ�
                                                                           Plattform als Voraussetzung für den Anwaltsregistereintrag).
     Anwälte, welche die Vorteile digitaler Arbeitsmittel            5ÿþ	 Vgl. auch JACQUES BÜHLER/BARBARA WIDMER, Auf dem Weg zur
kennengelernt haben, werden nicht mehr darauf verzich-                     digitalen Justiz – Ein Statusbericht, in: Anwaltsrevue 4/2021, S. 169 ff.

                                                                                      ANWALTS REVUE DE L’AVOCAT 5/2021                         199
THEMA / QUESTION DU JOUR

    Dieser Weg zur digitalen Anwaltskanzlei ist – bei ge-      auch im ­revDSG die Bestimmungen über die Gewährleis-
nauer Betrachtung – weniger problematisch als gemeinhin        tung der Datensicherheit (Art. 7 DSG bzw. Art. 8 r­ evDSG)
angenommen wird, wie dieser Beitrag zeigen soll. Das gilt      und die Auftragsbearbeitung (Art. 10a DSG – als «Datenbe-
nicht nur anwalts- und strafrechtlich, sondern auch unter      arbeitung durch Dritte» bezeichnet – bzw. Art. 9 r­ evDSG)
dem geltenden und künftigen Datenschutzgesetz in der           im Vordergrund.
Schweiz.                                                             Anwälte, welche die DSGVO umgesetzt haben, wer-
                                                               den feststellen, dass sie das r­ evDSG in weiten Teilen be-
                                                               reits umgesetzt haben. Für alle Anwältinnen ist es aber
II. Rechtsgrundlagen                                           empfehlenswert, sich mit den Bestimmungen des revidier-
1. Datenschutzrecht                                            ten Datenschutzrechts zu befassen.11 Anwälte, die das
Anwältinnen und Anwälte in der Schweiz unterliegen – wie       ­revDSG nicht oder nicht rechtzeitig umsetzen, ­riskieren
grundsätzlich alle privaten Personen, die Personendaten         bei Datenschutzverletzungen eine Untersuchung sowie
bearbeiten – immer und vollständig dem schweizerischen          Verwaltungsmassnahmen durch den Eidge­          nössischen
Datenschutzrecht. Das geltende Bundesgesetz über den            Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB,
                                                                ­
Datenschutz (DSG) wird voraussichtlich in der zweiten           Art. 49 ff. r­ evDSG) sowie Verfahren durch kantonale Straf-
Jahreshälfte 2022 durch das vollständig revidierte DSG          verfolgungsbehörden mit persönlichen Bussen bis zu
(­revDSG) abgelöst.6 Mit dem ­revDSG wird unter anderem         250 000 Franken (Art. 60 ff.).12 Immerhin besteht im
versucht, mit neuen Strafbestimmungen einen Anreiz zur         schweizerischen Datenschutzrecht weiterhin kein Recht-
Einhaltung bestehender datenschutzrechtlicher Grund-           fertigungszwang für die Bearbeitung von Personendaten,
sätze und Pflichten zu schaffen. Weiter soll sichergestellt    sondern die Bearbeitung ist unter Einhaltung der daten-
werden, dass die Europäische Kommission weiterhin zum          schutzrechtlichen Grundsätze erlaubt (Art. 6 r­evDSG,
Ergebnis gelangt, das schweizerische Recht gewährleiste        unter anderem Rechtmässigkeit, Treu und Glauben, Ver-
einen angemessenen Datenschutz, um den freien Daten-           hältnismässigkeit, Transparenz und Zweckbindung), so-
verkehr zwischen der Schweiz und Europa zu sichern.7           lange sie nicht ausnahmsweise verboten ist (Erlaubnis mit
     Das absehbare Inkrafttreten des r­ evDSG ist – nach der   Verbotsvorbehalt). Auch das gemäss DSGVO häufige Er-
Anwendbarkeit der europäischen Datenschutz-Grundver-           fordernis einer Einwilligung bleibt dem schweizerischen
ordnung (DSGVO) per 25. 5. 2018 – eine weitere Chance für      Datenschutzrecht fremd.13 Informationen in Datenschutz-
Anwältinnen in der Schweiz, sich vertieft mit den Auswir-      erklärungen und an anderen Stellen sollen die Personen,
kungen des Datenschutzrechtes auf ihre berufliche Tätig-       deren Daten bearbeitet werden, befähigen, ihre Rechte
keit zu befassen. Das Datenschutzrecht zählt zu den Com-       wahrzunehmen (Art. 19 ff. r­ evDSG), insbesondere bei einer
pliance-Vorschriften, die jede Anwaltskanzlei einhalten        Verletzung ihrer Persönlichkeit.
muss. 8 Damals mussten schweizerische Anwälte prüfen,                Beim Übergang vom geltenden DSG zum ­          revDSG
ob sie teilweise der DSGVO unterliegen und die DSGVO er-        bleibt unverändert, dass das Datenschutzrecht die An-
gänzend zum DSG einhalten müssen. Die DSGVO ist für             waltstätigkeit in allen Aspekten erfasst. Das liegt daran,
schweizerische Anwältinnen insbesondere dann teilweise          dass der Geltungsbereich der «Bearbeitung von Perso-
anwendbar, wenn sie sich an Mandantinnen und Man­
danten im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR)9 richten
(Art. 3 Abs. 2 lit. a DSGVO, Marktortprinzip) oder wenn sie
sich gegenüber Mandanten vertraglich zur Einhaltung der         6 Das Datenschutzteam der Walder Wyss AG hat unter [https://
DSGVO verpflichten. Anwälte im Anwendungsbereich der              datenrecht.ch/rev-dsg/] das ­r evDSG in lesefreundlicher Form
DSGVO müssen insbesondere die Rechtmässigkeit der                 aufbereitet und mit Auszügen aus der bundesrätlichen Botschaft
                                                                  ergänzt, zuletzt abgerufen am 30. 4. 2021.
Verarbeitung von personenbezogenen Daten sicherstel-            7 Vgl. Bundesamt für Justiz, [https://perma.cc/39VW-EXAK
len, da die DSGVO eine solche Verarbeitung nur aus-               Stärkung des Datenschutzes], Totalrevision des Bundesgesetzes
nahmsweise erlaubt (Art. 6 DSGVO, Verbot mit Erlaubnis-           über den Datenschutz (DSG), zuletzt abgerufen am 30. 4. 2021.
                                                                8 Vgl. auch BENOÎT CHAPPUIS/STÉPHANIE CHUFFART-FINSTER-
vorbehalt). Ausserdem vereinheitlichte und verschärfte            WALD, La Compliance dans les études d’avocat: Quelques sujets
die DSGVO für Europa unter anderem die Anforderungen              topiques choisis, in: Anwaltsrevue 3/2020, S. 121 ff.
an die Gewährleistung der Datensicherheit, die Dokumen-         9 Der Europäische Wirtschaftsraum (EWR), [https://perma.cc/
                                                                  48XS-NETN Europäische Wirtschaftsraum], umfasst die
tations- und Informationspflichten sowie die Vorgaben für         27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) sowie das
das Outsourcing der Verarbeitung (Auftragsverarbei-               Fürstentum Liechtenstein, Island und Norwegen, zuletzt
tung). Wer im Anwendungsbereich der DSGVO die Daten               abgerufen am 30. 4. 2021.
                                                               10 Vgl. ausführlich: MARTIN STEIGER, Neues EU-Datenschutz-Recht:
von Personen im EWR in einem Drittstaat – dazu zählt              Was gilt für Anwaltskanzleien; in: Anwaltsrevue 5/2018, S. 205 ff.
die Schweiz – bearbeitet, benötigt weiter in vielen Fällen     11 Vgl. ausführlich: DAVID ROSENTHAL, [https://perma.cc/J7NK-
eine EU-Datenschutz-Vertretung (Art. 27 DSGVO). Daten-            DQH9 Das neue Datenschutzgesetz], in: Jusletter, 16. 11. 2020.
                                                               12 Vgl. ausführlich: DAVID ROSENTHAL/SERAINA GUBLER, Die
schutz-Aufsichtsbehörden erhielten mit der DSGVO neue             Strafbestimmungen des neuen DSG, in: SZW 1/2021, S. 52 ff.
Kompetenzen und können beispielsweise abschreckend             13 Art. 6 Abs. 7 ­r evDSG regelt nicht, dass in den genannten Fällen
hohe Geldbussen verhängen (Art. 83 DSGVO).10                      eine Einwilligung erforderlich ist, sondern stellt klar, dass eine
                                                                  allfällige Einwilligung – zum Beispiel als Rechtfertigungsgrund für
     Für die Nutzung von digitalen Arbeitswerkzeugen              eine ansonsten widerrechtliche Persönlichkeitsverletzung (Art. 31
durch Anwältinnen stehen sowohl im geltenden DSG als              Abs. 1 ­r evDSG) – in diesen Fällen ausdrücklich erfolgen muss.

200        ANWALTS REVUE DE L’AVOCAT 5/2021
THEMA / QUESTION DU JOUR

nendaten natürlicher Personen» äusserst breit gefasst ist.       die benötigte Unterstützung durch Dritte zu finden. Es
Personendaten sind «alle Angaben, die sich auf eine be-          gibt nur wenige Anbieterinnen und Anbieter mit der erfor-
stimmte oder bestimmbare natürliche Person beziehen»             derlichen Kompetenz, die sich an Kleinst- und Kleinunter-
(Art. 5 lit. a ­revDSG) und Bearbeiten umfasst «jeden Um-        nehmen, das heisst an die grosse Mehrheit der schweizeri-
gang mit Personendaten, unabhängig von den angewand-             schen Anwaltskanzleien, richten. Anwälte gelten in der
ten Mitteln und Verfahren» (Art. 5 lit. d r­ evDSG)14 . Perso-   Branche als anspruchsvolle, sparsame und ungeduldige
nendaten, die von Anwältinnen bearbeitet werden, sind            Kundschaft.
ausserdem häufig «besonders schützenswert», zum Bei-                  Eine Alternative zur eigenständigen Gewährleistung
spiel «Daten über die Gesundheit, die Intimsphäre oder die       der Datensicherheit ist deshalb bei vielen digitalen Ar-
Zugehörigkeit zu einer Rasse oder Ethnie», «Daten über           beitswerkzeugen das Outsourcing. Software wird nicht
verwaltungs- und strafrechtliche Verfolgungen oder Sank-         selbst betrieben und gewartet, sondern Dritte werden mit
tionen» oder «Daten über Massnahmen der sozialen Hilfe»          dem Betrieb und der Wartung der Software beauftragt.
(Art. 5 lit. c Ziff. 2, 5 u. 6 ­revDSG).                         Datenschutzrechtlich handelt es sich um eine Auftragsbe-
                                                                 arbeitung. Ein solches Outsourcing stellt zwar – zumindest
A) Datensicherheit                                               gefühlt – einen gewissen Kontrollverlust über die eigenen
Wer Personendaten bearbeitet, muss «durch geeignete              Daten dar, kann aber gerade bei Kleinst- und Kleinunter-
technische und organisatorische Massnahmen eine dem              nehmen die Datensicherheit und die tatsächliche Kontrolle
Risiko angemessene Datensicherheit» gewährleisten                über die eigenen Daten erheblich verbessern.
(Art. 8 Abs. 1 r­ evDSG).15 «Die Massnahmen müssen es er-
möglichen, Verletzungen der Datensicherheit zu vermei-           B) Auftragsbearbeitung
den» (Art. 8 Abs. 2 ­revDSG). So müssen die Daten bei-           Die Beauftragung von Dritten ist im schweizerischen Da-
spielsweise vor Verlust und unberechtigten Zugriffen             tenschutzrecht ausdrücklich zulässig (Art. 8a DSG bzw.
geschützt werden.                                                Art. 9 r­ evDSG). Bei digitalen Arbeitswerkzeugen erfolgt
     Die Gewährleistung der Datensicherheit bildet fak-          das Outsourcing in erster Linie durch die Nutzung von
tisch den Kern der Pflichten bei der Bearbeitung von Per-        Cloud-Diensten beziehungsweise Software-as-a-Service
sonendaten. Es gilt, die Integrität, Verfügbarkeit und Ver-      (SaaS)-Angeboten17 sowie teilweise durch Remote Com-
traulichkeit der bearbeiteten Personendaten tatsächlich          puting mit Fernzugriff auf herkömmliche IT-Infrastruktur,
sicherzustellen und nicht bloss in der veröffentlichten Da-      die aber von Dritten betrieben wird. Moderne Software
tenschutzerklärung oder in der erstellten internen Doku-         ist häufig und zunehmend nur noch als Cloud-Dienst er-
mentation zu behaupten. Bei einer Datenpanne wird allein         hältlich, was auch den Vorteil hat, flexible Arbeitsorte für
die Erklärung, man habe geeignete Massnahmen getrof-             die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einer Anwaltskanz-
fen, zumindest in der Kommunikation und mit Blick auf die        lei zu ermöglichen. Wer mit einem Smartphone oder
Reputation nicht genügen. Bei besonders schützenswer-            sonstigen Computer online gehen kann, kann grundsätz-
ten Personendaten bestehen im Übrigen auch besonders             lich überall im Universum arbeiten. Anwaltskanzleien, die
hohe Risiken für die Mandantinnen und Mandanten.                 bereits SaaS-Angebote nutzten, konnten ihr Personal
     Das ­revDSG fordert keine absolute Datensicherheit,         durch die Tätigkeit im Home- oder Remote-Office in der
sondern risikobasierte Massnahmen. Gängige Massnah-              COVID-19-­Pandemie von Anfang an wirksam schützen,
men bei digitalen Arbeitswerkzeugen sind beispielsweise          ohne gleichzeitig Einbussen bei der Datensicherheit in
Datensicherung (einschliesslich möglicher Wiederherstel-         Kauf zu nehmen.
lung der gesicherten Daten!), Zugangs- und Zugriffsbe-                Die Auftragsbearbeitung benötigt grundsätzlich
schränkungen sowie Verschlüsselung, aber auch interne            keine Einwilligung der Personen, deren Daten bearbeitet
Kontrollen, Regelungen und Schulungen sowie vertragli-           werden. Der Auftragsbearbeiter wird – entgegen der Ter-
che Absicherungen. Der Bundesrat wird auf Verordnungs-           minologie «Dritte» im geltenden DSG – datenschutz-
ebene die Mindestanforderungen an die Datensicherheit            rechtlich der Auftraggeberin zugeordnet, sodass keine
konkretisieren müssen (Art. 8 Abs. 3 r­evDSG). Anhalts-          Bekanntgabe an «Dritte» erfolgt. Damit verletzen Anwäl-
punkte liefern Art. 8 ff. der geltenden Verordnung zum           tinnen, die Outsourcing nutzen, keine gesetzliche oder
Bundesgesetz über den Datenschutz (VDSG).16                      vertragliche Geheimhaltungspflicht, solange sie die da-
     Wer die bundesrätlichen Mindestanforderungen vor-           tenschutzrechtlichen Anforderungen an die Auftragsbe-
sätzlich nicht einhält, kann in Zukunft mit Busse bis zu
250 000 Franken bestraft werden (Art. 61 lit. c r­evDSG).
Wer nicht riskieren möchte, die eigenen Massnahmen
durch eine Übertretungsstrafbehörde beurteilen zu las-           14 Die Terminologie «Bearbeiten von Personendaten» (DSG, r­ evDSG)
sen, wird einen hohen Massstab betreffend Angemessen-               und «Verarbeitung personenbezogener Daten» (DSGVO) kann im
                                                                    Alltag als synonym betrachtet werden.
heit und Geeignetheit anstreben müssen.                          15 Die technischen und organisatorischen Massnahmen werden
     Die Gewährleistung der digitalen Datensicherheit ist           üblicherweise als «TOMs» abgekürzt.
für viele Anwälte eine anspruchsvolle Aufgabe. Für Anwäl-        16 [https://perma.cc/NWT7-QUZA].
                                                                 17 Vgl. zu diesen Begriffen die entsprechenden Wikipedia-Artikel
tinnen, welche die erforderlichen Massnahmen nicht selbst           [https://perma.cc/4Q6W-DF4H] und [https://perma.cc/KBG9-
umsetzen können oder möchten, ist es häufig schwierig,              LF4M].

                                                                                ANWALTS REVUE DE L’AVOCAT 5/2021               201
THEMA / QUESTION DU JOUR

 arbeitung erfüllen. Anwälte müssen ihre Mandanten nicht              Das Bundesgericht bestätigte mit einem im Juni 2019
 zwingend informieren, dass sie Outsourcing nutzen.              gefällten Urteil die Verweigerung der Änderung eines Re-
     Gemäss Art. 9 Abs. 1 r­ evDSG muss die Auftragsbear-        gistereintrags durch die Genfer Anwaltsaufsichtsbehörde
beitung vertraglich abgesichert werden, was üblicherwei-         unter anderem wegen Nichteinhaltung des Berufsge-
se mit einem Auftragsverarbeitungsvertrag (AVV)18 ge-            heimnisses. 25 Die anwaltliche Beschwerdeführerin wollte
 schieht. Praxis in der Schweiz ist, dass sich solche Verträge   ihre Geschäftsadresse zu einer Aktiengesellschaft verle-
 an den detaillierten Vorgaben von Art. 28 Abs. 3 DSGVO          gen, deren Zweck darin besteht, als Plattform für unab-
 orientieren. Damit werden unter anderem die erforderli-         hängige Anwälte zu fungieren und ihnen ein Geschäfts-
 chen Kontroll- und Weisungsrechte sowie der Beizug von          domizil und/oder Dienstleistungen im Zusammenhang
 weiteren Auftragsbearbeitern, das heisst von Unterauf-          mit der Benutzung von Räumlichkeiten anzubieten. 26 Das
 tragsbearbeitern, geregelt (Art. 9 Abs. 3 ­revDSG).19           Bundesgericht hielt mit Bezug auf das Berufsgeheimnis
     Viele Anbieter von digitalen Arbeitswerkzeugen sit-         zunächst fest, dass die Aktiengesellschaft die Vorausset-
zen im Ausland. Wer solche Angebote nutzt, exportiert            zungen für die Qualifikation als Hilfsperson erfülle, weil
Personendaten und muss diesen Export absichern. Kein             sie für die Beschwerdeführerin in Erfüllung eines Service-
Datenexport liegt dann vor, wenn die Daten unter eigener         vertrags Leistungen erbringe, die zur Ausübung ihres Be-
Kontrolle und mit ausschliesslichem Zugriff aus der              rufs beitrügen. Somit hätte die Beschwerdeführerin dafür
Schweiz Ende zu Ende verschlüsselt werden, was aber sel-         sorgen müssen, dass die Aktiengesellschaft das Berufs-
ten angeboten wird oder angesichts der verwendeten Art           geheimnis einhält. 27
von Software gar nicht praktikabel ist.                               Im konkreten Fall war dies jedoch nicht im erforderli-
     Der Datenexport – Art. 16 ff. r­ evDSG tragen den Titel     chen Mass gewährleistet. Insbesondere fehlte es an einer
«Bekanntgabe von Personendaten ins Ausland» – ist zu-            schriftlichen Verpflichtung der Aktiengesellschaft, das Be-
lässig, wenn aus schweizerischer Sicht im Ausland ein an-        rufsgeheimnis zu respektieren und dafür zu sorgen, dass
gemessener Datenschutz gewährleistet ist. Der Bundesrat          auch ihre Mitarbeiterinnen dieses respektieren. Aus den
wird gemäss r­evDSG eine entsprechende Liste führen,             allgemeinen Geschäftsbedingungen ergab sich stattdes-
während diese Aufgabe heute dem EDÖB obliegt. 20 Bei             sen, dass die Beschwerdeführerin akzeptierte, dass die
Staaten, die nicht auf dieser Liste zu finden sind, kann ein     Aktiengesellschaft ihre Haftung auf vorsätzliches oder
«geeigneter Datenschutz» unter anderem durch einen völ-          grob fahrlässiges Verhalten beschränkte. Im Hinblick auf
kerrechtlichen Vertrag oder durch Standarddatenschutz-           das Erfordernis, dass die Anwältin alle ihr zumutbaren
klauseln gewährleistet werden (Art. 16 Abs. 2 lit. a u. d        Massnahmen ergreifen muss, um eine Verletzung des Be-
­revDSG). Letzteres kann beispielsweise bei Auftragsbear-        rufsgeheimnisses zu vermeiden, sei das nicht ausreichend.
 beitern in den USA versucht werden, nachdem die daten-          Darüber hinaus wären Telefonate zum Festnetzanschluss
 schutzrechtliche Absicherung in Bezug auf amerikanische         der Aktiengesellschaft nicht durch eigene Mitarbeiterin-
 Anbieter nicht mehr mit den früheren Safe-Harbor- und           nen, sondern durch Mitarbeiter eines von dieser beauf-
 Privacy-Shield-Regelungen möglich ist. 21                       tragten Drittunternehmens geführt worden (Subdelegati-
                                                                 on). Dritte hätten somit Zugang zu Informationen gehabt,
2. Anwaltsrecht22                                                die unter die Schweigepflicht fallen, was mit der Verpflich-
Mit Blick auf die Frage, ob die Nutzung digitaler Arbeits-
werkzeuge zulässig ist, ist das in Art. 13 BGFA verankerte
Berufsgeheimnis zentral. Gemäss dieser Bestimmung un-
terstehen Anwältinnen und Anwälte zeitlich unbegrenzt            18 Die europäische Terminologie «Auftragsverarbeitungsvertrag»,
und gegenüber jeder­mann dem Berufsgeheimnis gegen-                 abgekürzt AVV, wird häufig auch in der Schweiz verwendet. Wer
                                                                    schon länger im Datenschutzrecht tätig ist, zeigt das gerne mit
über allem, was ihnen infolge ihres Berufes von ihrer Kli-          dem früher in Deutschland verwendeten Begriff «Auftragsdaten-
entschaft anvertraut worden ist.                                    verarbeitungsvertrag» (ADV).
    Dem Berufsgeheimnis gemäss dem BGFA als eidge-               19 Vgl. auch SAV-Fachgruppe Digitalisierung, [https://perma.cc/
                                                                    NUF6-6QQF SAV-Wegleitung für IT-Outsourcing und Cloud-­
nössischem Anwaltsgesetz liegt derselbe Vertraulichkeits-           Computing], Juni 2019 (nur mit SAV-Login).
begriff zugrunde wie dem strafrechtlich verankerten Be-          20 EDÖB, [https://perma.cc/9R3R-3C3P Übermittlung ins Ausland],
rufsgeheimnis (Art. 321 StGB). 23 Wohl aus diesem Grund             zuletzt abgerufen am 30. 4. 2021.
                                                                 21 Vgl. MARTIN STEIGER, [https://perma.cc/684F-2DVN Nach dem
wird das Berufsgeheimnis gemäss Art. 13 BGFA in Abklä-              Ende von Privacy Shield: Wie können amerikanische Inter-
rungen zur Zulässigkeit insbesondere der Cloud-­N utzung            net-Dienste weiterhin genutzt werden?], Cyon, 13. 10. 2020.
durch Anwältinnen teilweise gar nicht erwähnt. 24 Während        22 Vgl. u. a. ausführlich: CHRISTIAN SCHWARZENEGGER ET AL.,
                                                                    [https://perma.cc/3M29-BTFB Nutzung von Cloud-Diensten
eine Strafverfolgung wegen Verletzung des Berufsgeheim-             durch Anwältinnen und Anwälte], Zürich 2019 (zit. Gutachten)
nisses einen Strafantrag voraussetzt, wird das im Anwalts-          mit [https://perma.cc/C7ZF-PFMC Zusammenfassung], in:
recht verankerte Berufsgeheimnis durch die kantonalen               Anwaltsrevue 1/2019, S. 25 ff.
                                                                 23 HANS NATER ET AL. (Hrsg.), Kommentar zum Anwaltsgesetz,
Aufsichtsbehörden überwacht. Vorfälle, welche die Be-               Zürich 2011, Art. 13 N 16.
rufsregeln verletzen könnten, sind durch kantonale und           24 CHRISTIAN SCHWARZENEGGER ET AL., in: Anwaltsrevue 1/2019,
eidgenössische Gerichts- und Verwaltungsbehörden un-                S. 25 ff.
                                                                 25 BGE 145 II 229 E. 9.
verzüglich der kantonalen Aufsichtsbehörde zu melden             26 BGE 145 II 229 Sv. A.
(Art. 15 BGFA).                                                  27 BGE 145 II 229 E. 7.5.

202         ANWALTS REVUE DE L’AVOCAT 5/2021
THEMA / QUESTION DU JOUR

tung zur Einhaltung des Berufsgeheimnisses nicht verein-         langt und zugleich nicht als Hilfsperson der Anwältin fun-
bar sei. 28                                                      giert.
     Die Arbeitsumgebung, in die sich die beschwerdefüh-              CLOUD Act steht für den amerikanischen Clarifying
rende Anwältin begeben wollte, hätte das Berufsgeheim-           Lawful Overseas Use of Data Act, was mit Gesetz betref-
nis nicht garantiert. Somit war es gemäss Bundesgericht          fend die Klarstellung der rechtmässigen Verwendung von
korrekt, in der beantragten Änderung einen Verstoss              Daten im Ausland übersetzt werden kann. Das Gesetz er-
gegen Art. 13 BGFA zu erkennen. 29 Das Urteil des Bundes-        laubt es den US-Strafverfolgungsbehörden auf Bundes­
gerichts zeigt, dass der Schutz des Berufsgeheimnisses           ebene, Technologieunternehmen mit Sitz in den USA zu
vertraglich abgesichert werden muss und somit auch ver-          zwingen, Daten auch dann zur Verfügung zu stellen, wenn
traglich abgesichert werden kann. Zudem hat das Bundes-          die verwendeten Server nicht in den USA stehen. Dies
gericht klargestellt, dass die Haftung der Hilfsperson nicht     wirkt auf den ersten Blick höchst problematisch, bei ge-
auf vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten be-           nauerer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass die Risiken
schränkt werden darf. Einen allfälligen Haftungsaus-             meist überbewertet werden. Zunächst ist daran zu erin-
schluss der Anwaltskanzlei gegenüber ihrer Klientschaft          nern, dass der CLOUD Act nur für Strafuntersuchungen
hatte das Bundesgericht nicht zu beurteilen.                     gilt und in jedem Fall einen Gerichtsbeschluss erfordert.
                                                                 Der Erlass zielt in erster Linie auf die Beschlagnahmung
3. Strafrecht                                                    von Material im Ausland für Untersuchungen in den USA
Das anwaltliche Berufsgeheimnis ist auch durch das Straf-        gegen sogenannte US-Personen ab.
recht geschützt. Nach Art. 321 StGB werden Anwältinnen                Anwaltskollege David Rosenthal hat ein Modell zur
und Anwälte sowie ihre Hilfspersonen, die ein Geheimnis          Berechnung der Wahrscheinlichkeit eines Lawful Access
offenbaren, auf Antrag mit Freiheits­s trafe bis zu drei Jah-    im Ausland entwickelt und aufgezeigt, dass sieben (!) Vor-
ren oder Geldstrafe bestraft. Das Geheimnis muss ihnen           aussetzungen kumulativ erfüllt sein müssen, damit es zu
infolge ihres Berufes anvertraut worden sein, oder sie           einem Lawful Access durch eine ausländische Behörde
müssen es in dessen Ausübung wahrgenommen haben.                 kommen kann. 33 Um die Gesamtwahrscheinlichkeit eines
Hier stehen drei Fragen im Zentrum: (1.) Unter welchen           Lawful Access zu berechnen, ist die Wahrscheinlichkeit für
Voraussetzungen wird ein IT-Dienstleister zur Hilfsper-          jede der sieben Voraussetzungen zu schätzen. Im von Ro-
son? (2.) Ist die Einwilligung der Klientschaft für das Hin-     senthal durchgerechneten Beispiel resultiert eine Gesamt-
zuziehen der Hilfsperson erforderlich? (3.) Wann ist das         wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen Lawful Access über
Tatbestands­element der Offenbarung erfüllt?                     den Cloud-Provider von 0,67 Prozent in der (auf fünf Jahre
     Für die Nutzung von Cloud-Diensten, deren Anbieter          festgelegten) Betrachtungsperiode. Das bedeutet, dass es
ihren Sitz in den USA haben, stellt sich zudem die Frage,        in diesem Beispiel erst nach 513 Jahren mit einer Wahr-
welche Auswirkungen der amerikanischer CLOUD Act auf             scheinlichkeit von 50 Prozent zu einem erfolgreichen Law-
den Schutz des Berufsgeheimnisses hat.                           ful Access kommen würde. Für die genaue Berechnung
     Hilfsperson ist, «wer bei der Berufstätigkeit eines         und die Begründung der getroffenen Annahmen wird auf
(Haupt-)Geheimnisträgers in einer Weise mitwirkt, die es         das Excel-Dokument von Rosenthal verwiesen. 34
ihr oder ihm grundsätzlich ermöglicht, von Geheimnissen
Kenntnis zu nehmen». 30 Wenn ein IT-Dienstleister grund-
sätzlich keine Möglichkeit hat, die bei ihm liegenden Daten      III. Beispiele für digitale Arbeitswerkzeuge
einer Anwältin zu lesen, ist er somit nicht Hilfsperson.         Die nachfolgenden Beispiele zeigen für gängige digitale
Wenn die Daten unverschlüsselt auf dem Server des                Arbeitswerkzeuge, ob und, falls ja, wieso und unter wel-
Dienstleisters liegen, kann er grundsätzlich davon Kennt-        chen Voraussetzungen die Nutzung für Anwältinnen und
nis nehmen und ist somit auch Hilfsperson.                       Anwälte zulässig ist. Die Beispiele unterscheiden sich ins-
     Wenn ein IT-Dienstleister wegen der grundsätzlichen         besondere durch das Vorhandensein von Ende-zu-En-
Möglichkeit, von Geheimnissen Kenntnis zu nehmen, Hilfs-         de-Verschlüsselung sowie den Standort von Anbietern
person ist, stellt sich die Frage, ob für das Hinzuziehen die-   und Daten.
ser Hilfsperson die Einwilligung der Klientschaft erforder-
lich ist. Das Einholen einer solchen Einwilligung ist nicht
notwendig, wird aber im Sinne einer zusätzlichen Absiche-
rung generell31 oder für bestimmte Konstellationen32 emp-        28 BGE 145 II 229 E. 7.5.
fohlen.                                                          29 BGE 145 II 229 E. 7.6.
                                                                 30 CHRISTIAN SCHWARZENEGGER ET AL., in: Anwaltsrevue 1/2019,
     Art. 321 StGB ist ein Erfolgsdelikt. Die Strafbarkeit          S. 28.
setzt somit voraus, dass eine unberechtigte Person tat-          31 CHRISTIAN SCHWARZENEGGER ET AL., in: Anwaltsrevue 1/2019,
sächlich Kenntnis vom Geheimnis erlangt hat. Die blosse             S. 30.
                                                                 32 DAVID ROSENTHAL, [https://perma.cc/VET8-ZLH3 Mit Berufsge-
Möglichkeit zur Kenntnisnahme genügt somit nicht. Das               heimnissen in die Cloud: So geht es trotz US CLOUD Act], in:
Abspeichern von Daten auch in unverschlüsselter Form er-            Jusletter 10. 8. 2020, Rz. 49 ff.
füllt das Tatbestandselement der Offenbarung somit               33 ROSENTHAL (Fn. 32), Rz. 109 ff.
                                                                 34 DAVID ROSENTHAL, [https://perma.cc/D92U-GXGS Cloud-
nicht. Das Berufsgeheimnis wird erst dann verletzt, wenn            Computing: Risikobeurteilung eines Lawful Access durch
ein IT-Dienstleister tatsächlich Kenntnis von den Daten er-         ausländische Behörden].

                                                                               ANWALTS REVUE DE L’AVOCAT 5/2021             203
THEMA / QUESTION DU JOUR

1. Digitale Ablage: Tresorit                                   den. In dieser Version besteht die Garantie, dass Texte
Tresorit ist ein kostenpflichtiger Dienst der schweizeri-      der ­N utzerinnen nicht gespeichert, sondern sofort nach
schen Tresorit AG, der das Speichern, Synchronisieren und      der Übersetzung gelöscht werden. 38 Der erforderliche
Teilen von Dateien in der Cloud ermöglicht. 35 Anwalts-        Auftragsverarbeitungsvertrag ist sowieso nur für die
kanzleien können damit ihre Daten wie beispielsweise           DeepL-Pro-Version erhältlich.
Mandantendossiers digital ablegen. Alle Daten werden               Die Nutzung von DeepL ist für Anwältinnen und An-
durch Ende-zu-Ende-Verschlüsselung geschützt, das              wälte in der Schweiz aus datenschutz-, anwalts- und straf-
heisst, Tresorit hat keinen Zugriff auf die Daten der Nutze-   rechtlicher Sicht in der kostenpflichtigen Pro-Version
rinnen und Nutzer. Vorteilhaft ist, dass die Daten nicht nur   grundsätzlich zulässig. Das deutsche Datenschutzrecht
in der Cloud liegen, sondern lokal synchronisiert und          einschliesslich DSGVO gewährt mindestens einen ange-
damit bei Bedarf unabhängig von Tresorit gesichert wer-        messenen Datenschutz, sodass der Datenexport aus der
den können.                                                    Schweiz zulässig ist. Die Daten zumindest aus den Über-
     Die Nutzung von Tresorit ist für Anwältinnen und An-      setzungen werden nur kurzzeitig gespeichert und liegen
wälte in der Schweiz aus datenschutz-, anwalts- und straf-     in der Europäischen Union (EU).
rechtlicher Sicht ohne Weiteres zulässig. Der Dienst un-
terliegt vollumfänglich schweizerischem Recht, und die         4. Office: Microsoft 365
Daten liegen in der Schweiz. Tresorit erklärt ausserdem,       Microsoft 365 verbindet die traditionellen und lokal ge-
die DSGVO einzuhalten. Für jene wenigen Daten, die nicht       nutzten Microsoft-Office-Anwendungen wie Outlook und
Ende zu Ende verschlüsselt werden können, zum Beispiel         Word mit Cloud-Speichern, Cloud-Versionen der traditio-
die Namen der Nutzer und die E-Mail-Adressen der Nut-          nellen Anwendungen sowie zusätzlichen Cloud-Diensten
zerinnen, sodass eine Auftragsbearbeitung stattfindet,         wie beispielsweise dem Zusammenarbeits- und Videokon-
kann ein Auftragsverarbeitungsvertrag abgeschlossen            ferenztool Teams. Microsoft 365 ist ein Angebot der ame-
werden.                                                        rikanischen Microsoft Corporation, ermöglicht aber die
                                                               Auswahl der Schweiz als Datenstandort.
2. Kanzleiverwaltung: Bexio                                         Die Nutzung von Microsoft 365 ist für Anwältinnen
Bexio ist ein kostenpflichtiger Dienst der schweizerischen     und Anwälte in der Schweiz aus datenschutz-, anwalts-
Bexio AG, der die Online-Verwaltung von Unternehmen            und strafrechtlicher Sicht zulässig, sofern beim Umstieg
wie beispielsweise Anwaltskanzleien ermöglicht. 36 An-         bestimmte technische, organisatorische und vertragliche
wältinnen und Anwälte können damit unter anderem Pro-          Massnahmen zum Schutz der Datensicherheit und des Be-
jekte und die geleistete Zeit erfassen, ihre Buchhaltung       rufsgeheimnisses umgesetzt werden. 39 Es ist zu empfeh-
führen und Rechnungen erstellen sowie ihre Kontakte            len, die getroffenen Massnahmen zu dokumentieren, um
verwalten.                                                     auf Verlangen einer Aufsichtsbehörde nachweisen zu kön-
     Die Nutzung von Bexio ist für Anwälte in der Schweiz      nen, dass insbesondere die Datensicherheit und das Be-
aus datenschutz-, anwalts- und strafrechtlicher Sicht          rufsgeheimnis gewährleistet sind. Microsoft bietet unter
grundsätzlich zulässig. Die Daten sind zwar nicht Ende zu      anderem Anwaltskanzleien den Abschluss eines Pro­
Ende verschlüsselt, aber der Dienst unterliegt vollumfäng-     fessio­nal-Secrecy-Addendums an. In diesem steht, dass
lich schweizerischem Recht. Die Daten liegen zwar bei          Microsoft sich bewusst ist, dass Kundendaten unter das
Google, aber in der Schweiz und im Verantwortungsbe-           Berufsgeheimnis im Sinne von Art. 321 StGB fallen können.
reich der Google Ireland Limited und nicht der amerikani-      Indem Microsoft bestätigt, zu wissen, dass Daten eines be-
schen Google LLC. Bexio erklärt, die DSGVO einzuhalten.        stimmten Kunden unter das Berufsgeheimnis fallen kön-
Der Auftragsverarbeitungsvertrag, mit dem die Kontrolle        nen, wird Microsoft zur Hilfsperson.
der Nutzerinnen und Nutzer über ihre Daten vertraglich si-
chergestellt wird, ist Bestandteil der allgemeinen Ge-
schäftsbedingungen (AGB).                                      IV. Fazit
                                                               Gesetzgeber und Markt verlangen von der gesamten An-
3. Übersetzung: DeepL                                          waltschaft, mit der längst laufenden Digitalisierung mitzu-
DeepL ist ein Übersetzungsdienst der deutschen DeepL           gehen und nicht länger stehen zu bleiben. Die Verwen-
GmbH, der das Übersetzen von Texten in über einem Dut-
zend Sprachen ermöglicht. Als deutscher Dienst unter-
liegt DeepL der DSGVO und wird von der nordrhein-west-
fälischen Datenschutz-Aufsichtsbehörde beaufsichtigt.
Die AGB stellen klar, dass die Rechte an ihren Daten bei       35 [https://tresorit.com/de].
den Nutzerinnen und Nutzern verbleiben.                        36 [https://www.bexio.com/de-CH/].
                                                               37 Vgl. [https://perma.cc/WS73-ZFLZ Datenschutzerklärung DeepL],
      DeepL kann kostenlos genutzt werden, doch ist die           Ziff. 3.
Bearbeitung von Personendaten bei dieser Version aus-          38 Vgl. [https://perma.cc/WS73-ZFLZ Datenschutzerklärung DeepL],
drücklich untersagt. 37 Da Texte, die übersetzt werden            Ziff. 4.
                                                               39 Für die detaillierte Begründung sei auf das Referat [https://youtu.
­sollen, häufig Personendaten enthalten, muss regelmäs-           be/OdJizFReYrQ «Kanzlei in der Cloud – wie es funktioniert»] von
sig die kostenpflichtige DeepL-Pro-Version genutzt wer-           Anwaltskollege Christian Laux vom 11. 3. 2021 verwiesen.

204        ANWALTS REVUE DE L’AVOCAT 5/2021
THEMA / QUESTION DU JOUR

dung moderner Software zwingt zum Schritt in die Cloud           Es ist zu wünschen, dass sich eine risikobasierte Be-
und dabei auch zur Nutzung von Cloud-Diensten im Aus-       trachtung auch bei Aufsichtsbehörden und Gerichten
land. Jüngere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kennen       durchsetzt. So wäre es beispielsweise problematisch,
nur noch die Arbeit mit solchen digitalen Arbeitswerkzeu-   wenn Anwältinnen und Anwälte nur IT-Dienstleister be-
gen. Immer mehr Mandantinnen und Mandanten sind nur         auftragen dürften, die auf die Beschränkung ihrer Haftung
noch über digitale Kommunikationskanäle wie Instant         auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit verzichten. Es stün-
Messaging und Social Media erreichbar.                      den – wenn überhaupt – nur noch einige wenige IT-Dienst-
     Dieser Beitrag zeigt, dass der Weg zur digitalen An-   leister zur Auswahl, die weder funktional noch preislich
waltskanzlei und damit in die Cloud datenschutz-, an-       konkurrenzfähig wären. Anwaltskanzleien und ihre nicht
walts- und strafrechtlich möglich ist. Dafür müssen ent-    regulierte Konkurrenz benötigen gleich lange Spiesse. An-
sprechende Beurteilungen und Diskussionen mit Blick auf     sonsten droht tatsächlich «The End of Lawyers», wie es
die tatsächlichen Risiken geführt werden. Sogar der ame-    Richard D. Susskind bereits 2008 in den Raum gestellt
rikanische CLOUD Act verliert seinen Schrecken, wenn        hat.40
man ihn nüchtern betrachtet. Umgekehrt verblasst der
Glanz des Datenstandortes Schweiz, sobald man hinter die
Kulissen des ausgebauten Überwachungsstaates blickt.
Schliesslich muss berücksichtigt werden, dass der Ver-
zicht auf digitale Arbeitswerkzeuge oder das Festhalten
                                                            40 Vgl. auch CHRISTIAN LAUX, [https://perma.cc/FS2W-G2FX The
an alternder lokaler Software genauso mit Risiken verbun-      End of Lawyers? – Ableitungen aus Susskinds Thesen mit Blick auf
den ist.                                                       IT in der Anwaltskanzlei], in: Anwaltsrevue 1/2015, S. 5 ff.

                                                                           ANWALTS REVUE DE L’AVOCAT 5/2021               205
Sie können auch lesen