Vitale Gewässer in Baden-Württemberg - Leben im und am Gewässer - Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg

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Vitale Gewässer in Baden-Württemberg - Leben im und am Gewässer - Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg
Landesanstalt für Umwelt
                     Baden-Württemberg

  Vitale Gewässer in
­Baden-Württemberg
      Leben im und am Gewässer
Vitale Gewässer in Baden-Württemberg - Leben im und am Gewässer - Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg
IMPRESSUM

HERAUSGEBER:     LUBW Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg
                 Postfach 100163, 76231 Karlsruhe
                 www.lubw.baden-wuerttemberg.de

                 WBW Fortbildungsgesellschaft für Gewässerentwicklung mbH
                 Karlstraße 91, 76137 Karlsruhe
                 www.wbw-fortbildung.de

BEARBEITUNG:     AG Vitale Gewässer in Baden-Württemberg
                 Thorsten Kowalke, Dietmar Klopfer – Ministerium für Umwelt, Klima
                 und ­Energiewirtschaft Baden-Württemberg
                 Bernd Karolus – LUBW Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg
                 Harald Miksch, Dr. Sandra Röck – WBW Fortbildungsgesellschaft
                 für ­Gewässerentwicklung
                 Johannes Reiss, Kathrin Bross – Büro am Fluss e.V.

TEXTBEITRÄGE:    LUBW Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg, Abteilung Nachhaltigkeit
                 und Naturschutz
                 Fischereiforschungstelle Baden-Württemberg

GESTALTUNG UND

TEXTREDAKTION:   xx Design Partner, Stuttgart

LEKTORAT:        Sigrid Englert, Stuttgart
Vitale Gewässer in Baden-Württemberg - Leben im und am Gewässer - Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg
INHALTSVERZEICHNIS

IMPRESSUM                                                                               2

1        DER KLEINE MÄRCHENDRACHE – KAMMMOLCH (TRITURUS CRISTATUS)                      4

2        DER LURCH IN DEN LANDESFARBEN – FEUERSALAMANDER (SALAMANDRA SALAMANDRA)        6

3        DIE SCHIMMERNDE SCHÖNHEIT – BLAUFLÜGEL-PRACHTLIBELLE (CALOPTERYX VIRGO)        8

4        DER BEGNADETE BAUMEISTER – EUROPÄISCHER BIBER (CASTOR FIBER)                  10
5        DIE WANDERNDE RIESIN – SEEFORELLE (SALMO TRUTTA)                              12

6        DIE ANSPRUCHSVOLLE SCHMAROTZERIN – BACHMUSCHEL (UNIO CRASSUS)                 14

7        DIE FISCHERIN DER NACHT – WASSERFLEDERMAUS (MYOTIS DAUBENTONII)               16

8        DER RITTER MIT DEN SCHERENHÄNDEN – STEINKREBS (AUSTROPOTAMOBIUS TORRENTIUM)   18

9        DER KIESLIEBENDE CHARAKTERVOGEL – FLUSSREGENPFEIFER (CHARADRIUS DUBIUS)       20

10       DIE FLOTTIERENDE FILIGRANE – ZIERLICHE TELLERSCHNECKE (ANISUS VORTICULUS)     22

11       DAS LEBENDE FOSSIL – BACHNEUNAUGE (LAMPETRA PLANERI)                          24

12       DIE BETÄUBENDE TAUCHERIN – WASSERSPITZMAUS (NEOMYS FODIENS)                   26

13       DER FLIEGENDE EDELSTEIN – EISVOGEL (ALCEDO ATTHIS)                            28

LEGENDE PIKTOGRAMME                                                                    30

                                  © LUBW    Vitale Gewässer in Baden-Württemberg   3
Vitale Gewässer in Baden-Württemberg - Leben im und am Gewässer - Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg
1        Der kleine Märchendrache
         Kammmolch (Triturus cristatus)

                                                                                                                      Foto: Tümpel beim Nüstenbach im Neckar-Odenwald-Kreis, Jürgen Gerhardt; Kammmolch, Torsten Bittner
Der ideale Lebensraum
für den Kammmolch
                                                            M       it seinem auffälligen Rückenkamm, seiner präch-
                                                                    tigen Färbung und dem silbrigen Band an
                                                            den Schwanzseiten, dem sogenannten „Milchstreifen“,
Der Kammmolch braucht
besonnte und fischfreie Stillgewässer. Dazu                 ­erinnert das Männchen des Kammmolchs im Hoch-
zählen beispielsweise Altarme, Kiesgruben,                   zeitskleid an einen Märchendrachen. Wenn sich die
Weiher, Tümpel und Gräben, die eine gut
zersetzte, lehmige Schlammschicht an der                     Lurche zur Überwinterung gegen Ende des Sommers
Gewässersohle besitzen und mit Wasserpflanzen
bewachsen sind. Im nahen Umfeld des Laich­                   in ihre Landlebensräume zurückziehen, bilden sich
gewässers sollten sich Feucht- und Nass­
wiesen, Brachen oder lichte Wälder befinden,                 die Hautsäume des Rückenkamms zurück. Bei Gefahr
wo Totholz, Stein­haufen und Holzstapel
dem Kammmolch gute Versteck- und Über­
                                                             kann der Kammmolch ein milchiges Hautsekret ab-
winterungsmöglichkeiten bieten.                              sondern, das beim Menschen Hautreizungen hervor-
                                                             rufen kann. Sobald die Witterung nachts frostfrei
                                                             bleibt, wandert der Kammmolch aus seinem Winter-
                                                             quartier in die Laichgewässer. Einige Tiere überwin-
                                                             tern auch direkt im Gewässer. In der Laichzeit zwi-
                                                             schen April und Mai werben die Männchen mit einem

                             4   Vitale Gewässer in Baden-Württemberg   © LUBW
Vitale Gewässer in Baden-Württemberg - Leben im und am Gewässer - Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg
Balztanz um die Gunst der Weibchen und tragen ihr                                                               Krebse, Würmer, Egel und Schnecken. Auch die Eier
auffälliges Hochzeitskleid. Ist eine Partnerin gefun-                                                           und Larven anderer Amphibien verschmäht er nicht.
den, legt das Männchen ein Samenpacket ab, das vom                                                              An Land werden Regenwürmer, Schnecken, Insek-
Weibchen aufgenommen wird. Nach circa einer                                                                     ten und ihre Larven gejagt. Die Molche werden
­Woche beginnt die Eiablage. Dafür faltet das Weib-                                                             ­ihrerseits von Vögeln, Schlangen und Raubfischen
 chen eine Tasche in den Blättern von Wasserpflanzen.                                                            ­gefressen.
 Über mehrere Wochen werden darin insgesamt bis zu
 400 Eier abgelegt.                                                                                             GEFÄHRDUNG UND SCHUTZ

VERBREITUNGSGEBIET                                                                                              In Baden-Württemberg ist der Kammmolch stark
                                                                                                                ­gefährdet. Er ist durch das Bundesnaturschutzgesetz
In Deutschland ist der Kammmolch weit, aber lücken-                                                              ­besonders und streng geschützt und wird im Anhang
haft verbreitet. Er fehlt vor allem in höheren ­Lagen und                                                         II und IV der Fauna-Flora-Habitat-Richtline (FFH-
in stark landwirtschaftlich geprägten Gebieten.                                                                   Richtlinie) geführt. Zu den wichtigsten Gefährdungs-
                                                                                                                  ursachen zählen die Zerstückelung der Habitate und
NAHRUNG                                                                                                           das Erschweren der Wanderungen etwa durch den
                                                                                                                  Bau von Straßen. Außerdem spielt der Verlust von
Bei der Nahrungsaufnahme ist der Kammmolch nicht                                                                  wertvollen Habitaten durch die Zerstörung oder Ent-
wählerisch. Gerade während der Paarungszeit sind die                                                              wertung von Kleingewässern durch Verfüllung oder
Molche auf ein reichhaltiges Nahrungsangebot ange-                                                                Trockenlegung eine große Rolle. Schutzmaßnahmen
wiesen. Sie fressen allerlei Wassertiere wie kleine                                                               sind daher der Erhalt und die Neuanlage von geeig­
                                                                                                                  neten Laichgewässern und Wanderkorridoren, die
                                                                                                                  ­Offenhaltung der Laichgewässer und die Verhinde-
                                                                                                                   rung von Fischbesatz.
              Foto: Torsten Bittner

                                                                                                                Männlicher
                                                                                                                Kammmolch
                                                                                                                im Hochzeits­
                                                                                                                kleid

Larve eines
Kammmolchs
                                                                                                                                             Foto: Piet Spaans, eigenes Werk, CC BY-SA 2.5,
                                                                                                                                             https://commons.wikimedia.org
              Foto: Piet Spaans, eigenes Werk, CC BY-SA 2.5, https://commons.wikimedia.org

                                                                                                                                                                                              Embryo
                                                                                                                                                                                              eines Kamm­
                                                                                                                                                                                              molchs
                                                                                                                                                                                              in seiner
                                                                                                                                                                                              Eihülle; für
                                                                                                                                                                                              das Foto
                                                                                                                                                                                              wurde das
                                                                                                                                                                                              zusammen­
                                                                                                                                                                                              gefaltete
                                                                                                                                                                                              Blatt aufge­
                                                                                                                                                                                              klappt

                                                                                             © LUBW   Vitale Gewässer in Baden-Württemberg                           5
Vitale Gewässer in Baden-Württemberg - Leben im und am Gewässer - Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg
2        Der Lurch in den Landesfarben
         Feuersalamander (Salamandra salamandra)

                                                                                                                     Foto: Monbach im Landkreis Calw und Feuersalamander, Torsten Bittner
                                                            D     er Feuersalamander ist mit einer Körperlänge
                                                                  von rund 20 Zentimeter unser größter heimi-
                                                            scher Schwanzlurch und die einzige einheimische
Der ideale Lebensraum                                       Amphibienart, die fertig entwickelte Larven gebärt.
für den Feuersalamander
                                                            Erwachsene Tiere sind durch ihre variable schwarz-
Der Feuersalamander ist die einzige heimische
Amphibienart, die zur Fortpflanzung Fließ­                  gelbe Zeichnung unverwechselbar. Feuersalamander
gewässer bevorzugt. Geeignete Gewässer für                  gehören zu den besonders geschützten Arten.
seine Larven sind naturnahe Waldbäche und
Quellen. Aber auch stehende Kleingewässer
können Salamanderlarven enthalten. Der typi­
sche Lebensraum der erwachsenen Feuer­                      Der Feuersalamander kommt in der kalten Jahreszeit
salamander sind feuchte Laub- und Mischwälder
in der Umgebung der Fortpflanzungsgewässer.                 nur an besonders warmen und windstillen Tagen gele-
Tagsüber dienen Erdlöcher, Baumstümpfe,
Steine und Moos den dämmerungs- und nacht­
                                                            gentlich aus seinem Versteck. Besonders aktiv ist die
aktiven Tieren als ideales Versteck.                        Art bei Regen und bei Temperaturen über acht Grad
                                                            Celsius und bei Windstille, dem sogenannten „Sala-
                                                            manderwetter“. Bei Frost zieht er sich in sein Winter-
                                                            quartier zurück. Die Paarung findet zwischen April

                             6   Vitale Gewässer in Baden-Württemberg   © LUBW
Vitale Gewässer in Baden-Württemberg - Leben im und am Gewässer - Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg
und September ausschließlich an Land statt. Nach der                                                                                      GEFÄHRDUNG UND SCHUTZ
Paarung trägt das Weibchen die Embryonen etwa acht
bis neun ­Monate aus, bevor es die kiementragenden                                                                                        Alle einheimischen Amphibienarten stehen gemäß
Larven dann im Frühjahr in möglichst ruhigen Berei-                                                                                       Bundesnaturschutzgesetz unter besonderem Schutz.
chen kleiner Bäche absetzt. Als charakteristisches                                                                                        Hierzu gehört auch der Alpensalamander, der als
Merkmal des Feuersalamanders gelten die leuchtend                                                                                         ­alpine Art nur im äußersten Südosten Baden-Würt-
gelben Flecken. Diese Warntracht soll anderen Tieren                                                                                       tembergs im Bereich der Adelegg vorkommt. Der
signalisieren: Vorsicht giftig! Normalerweise verursa-                                                                                     ­Alpensalamander ist als Art des Anhangs IV der ­­­Fauna-
chen seine giftigen Sekrete beim Menschen – wenn                                                                                            Flora-Habitat-Richtlinie zusätzlich „streng g­ eschützt“
überhaupt – nur ein leichtes Brennen auf der Haut.                                                                                          und bringt voll entwickelte Jungtiere zur Welt.

VERBREITUNGSGEBIET                                                                                                                        In der App „Meine Umwelt“ oder über www.feuer­
                                                                                                                                          salamander-bw.de können Feuersalamanderfunde ge-
Der Feuersalamander ist in Deutschland vor allem in                                                                                       meldet werden. Jede Meldung hilft der LUBW, einen
bewaldeten Landschaften beheimatet. Dies sind vor                                                                                         aktuellen Überblick über die Verbreitung der ver-
allem Hügel- und Berglandschaften. Verbreitungs-                                                                                          steckt lebenden Art zu erhalten und dient somit als
schwerpunkte gibt es im westlichen, mittleren und                                                                                         Grundlage für erfolgreiche Schutzmaßnahmen.
südwestlichen Deutschland. In Baden-Württemberg
ist der Feuersalamander relativ weit verbreitet. Natür-                                                                                                                                       Im Frühjahr
                                                                                                                                                                                              setzt das
liche Verbreitungslücken bestehen im Bereich des                                                                                                                                              Weibchen die
Oberrhein-Tieflandes, auf der Schwäbischen Alb und                                                                                                                                            Larven in
                                                                                                                                                                                              kleine Bäche
im Alpenvorland.                                                                                                                                                                              und Flüsse ab.

NAHRUNG
                                                                                                                                          Jeder Feuer-
                                                                                                                                          salamander
Erwachsene Salamander ernähren sich weitgehend                                                                                            hat eine indivi­­
                                                                                                                                          duelle Farb-
von wirbellosen Organismen wie Asseln, kleinen wei-                                                                                       zeichnung,
                                                                                                                                                                      Foto: Torsten Bittner

                                                                                                                                          deren Farb-
chen Käfern sowie Wegschnecken. Daneben stehen                                                                                            intensität auch
auch Regenwürmer, Spinnen und Insekten auf dem                                                                                            von der Umge­
                                                                                                                                          bung beein­
Speiseplan. Die im Wasser lebenden Salamanderlar-                                                                                         flusst wird.

ven verlassen im Dunkeln ihr Versteck und machen
Jagd auf Insektenlarven, Bachflohkrebse, Wasseras-
seln und Würmer.

Larve des
              Foto: André Chatroux/Luna04, FreeArt Licence 1.3, https://commons.wikimedia.org

Feuer­
salamanders
                                                                                                                  Foto: Torsten Bittner

                                                                                                © LUBW   Vitale Gewässer in Baden-Württemberg                           7
Vitale Gewässer in Baden-Württemberg - Leben im und am Gewässer - Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg
3         Die schimmernde Schönheit
          Blauflügel-Prachtlibelle (Calopteryx virgo)

                                                                                                                         Fotos: Kurzach im Landkreis Ludwigsburg, Jürgen Gerhardt; Blauflügel-Prachtlibelle, Torsten Bittner, und TessarTheTegu, shutterstock.com
Der ideale Lebensraum
für die Blauflügel-Prachtlibelle

Während viele Libellenarten an
                                                                D     as Männchen der Blauflügel-Prachtlibelle ist
                                                                      leicht an der metallisch blauen Farbe und den
                                                                flächig blau gefärbten Flügeln zu erkennen. Das Weib-
Stillgewässern leben, bevorzugt die
Blauflügel-Prachtlibelle nährstoff­                             chen trägt eine unscheinbarere bronzene bis kupferne
arme, kalte Fließgewässer. Ein hoher
Sauerstoffgehalt des Wassers ist dabei                          Färbung. Die Blauflügel-Prachtlibelle ist auf kalte,
für die Larven überlebenswichtig, denn
warmes und sauerstoffarmes Wasser                               sauerstoffreiche Bäche und Flüsse angewiesen. Dank
kann die Libellenlarven schädigen. Die
Larven der Blauflügel-Prachtlibelle leben ein oder              der Verbesserung der Wasserqualität hat sich ihr Be-
zwei Jahre am Gewässergrund und halten sich
dabei überwiegend zwischen Wasser­pflanzen
                                                                stand in Baden-Württemberg deutlich erholt. Inzwi-
und Wurzeln auf. Darüber hinaus werden                          schen zählt sie nicht mehr zu den gefährdeten Arten.
auchTreibgut, Totholz, Steine und unterspülte
Ufer von den Larven besiedelt.

                                                                Die Blauflügel-Prachtlibelle hat ein außergewöhnli-
                                                                ches Paarungsverhalten. Die Männchen erobern und
                                                                verteidigen Reviere, die sich gut zur Eiablage eignen.
                                                                Erreicht ein Weibchen die Reviergrenze, fliegt ihm
                                                                das Männchen in einem Schwirrflug entgegen, wobei

                                 8   Vitale Gewässer in Baden-Württemberg   © LUBW
Vitale Gewässer in Baden-Württemberg - Leben im und am Gewässer - Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg
es die rötliche Unterseite seiner letzten drei Hinter-                                                                        NAHRUNG
leibsegmente („Laterne“) präsentiert. Die Flügel des
Männchens bewegen sich dabei so schnell, dass man                                                                             Wie alle Libellenlarven leben auch die Larven der
nur einen breiten blauen Streifen sieht. Schwirrend                                                                           Blauflügel-Prachtlibelle räuberisch. Sie ernähren sich
zeigt das Männchen dem Weibchen geeignete Ei­                                                                                 von Insektenlarven wie denen der Kriebel- und Zuck-
ablageplätze auf. Ist das Weibchen überzeugt, zeigt es                                                                        mücke, Stein- und Eintagsfliege sowie von Flohkreb-
kein Abwehrverhalten mehr, sondern bleibt ruhig                                                                               sen. Sie verteidigen ihren Sitzplatz gegenüber anderen
­sitzen, sodass die Paarung beginnen kann. Nach der                                                                           Libellenlarven, vor allem vor denen der eigenen Art.
 Paarung macht sich das Weibchen an die Eiablage.
 Dazu fliegt es über geeignete Wasserpflanzen im Re-                                                                          GEFÄHRDUNG UND SCHUTZ
 vier und sticht seine Eier im Bereich des Wasserspie-
 gels und darunter in den Stängel der Pflanze. Das                                                                            Vor allem die Larven der Blauflügel-Prachtlibelle lei-
 Weibchen klettert dabei auch kopfabwärts am Stängel                                                                          den unter Verschmutzung, Verbauung und fehlender
 hinab und kann – dank einer Luftblasen­hülle – bis zu                                                                        Beschattung von Gewässern. In Baden-Württemberg
 einer Stunde unter Wasser bleiben. Während der Ei-                                                                           hat sich der Bestand der Blauflügel-Prachtlibelle
 ablage wird das Weibchen vom Männchen b­ eobachtet                                                                           ­aufgrund der verbesserten Gewässerqualität in den
 und gegen andere Männchen ver­teidigt. Die aus den                                                                            letzten Jahren gut erholt. Eine Verminderung der
                                                                                                                               ­
 Eiern geschlüpften Larven leben ein oder zwei Jahre                                                                           Nährstoffbelastung und der Erhalt bzw. die Wieder-
 im Gewässer und häuten sich in dieser Zeit zehn                                                                               herstellung von vitalen Fließgewässerabschnitten mit
 bis zwölf Mal, bis sie rund 23 Millimeter groß sind.                                                                          abschnittsweiser Uferbepflanzung sind wirksame Maß-
 ­Danach beginnen sie ihr Leben als ausgewachsene                                                                              nahmen zum Erhalt dieser Art.
  ­Libelle oberhalb der Wasseroberfläche.
                                                                                                                                             Detailauf­
                                                                                                                                             nahme des
VERBREITUNGSGEBIET                                                                                                                           Kopfes der
                                                                                                                                                             Foto: Maciej Olszewski, shutterstock.com

                                                                                                                                             Blauflügel-
                                                                                                                                             Prachtlibelle
Die Blauflügel-Prachtlibelle findet man bis in Höhen
von 900 Meter überall dort, wo sauerstoffreiches Was-
ser und eine entsprechende Gewässervegetation vor-
handen sind.

Larve der
Blauflügel-
Pracht­libelle
                                                                                                                                                             Foto: Robert Mertl, shutterstock.com
                 Foto: Calopteryx virgo 19, Bosbeekjuffer, larva, Saxifraga-Frits Bink, www.saxifraga.nl

                                                                                                                                                                                                        Ein Männchen
                                                                                                                                                                                                        und ein Weibchen
                                                                                                                                                                                                        der Blauflügel-
                                                                                                                                                                                                        Prachtlibelle bei
                                                                                                                                                                                                        der Paarung

                                                                                                           © LUBW   Vitale Gewässer in Baden-Württemberg         9
Vitale Gewässer in Baden-Württemberg - Leben im und am Gewässer - Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg
4         Der begnadete Baumeister
          Europäischer Biber (Castor fiber)

                                                                                                                       Fotos: Lippach im Landkreis Tuttlingen, Jürgen Gerhardt; Biber, Podolnaya Elena, shutterstock.com
                                                              D     er Biber hat die Fähigkeit, als „geborener Was-
                                                                    serbaumeister“ seinen Lebensraum nach seinen
                                                              Bedürfnissen zu gestalten. Durch seine Dammbau-
Der ideale Lebensraum                                         werke formt er sich und auch vielen Pflanzen und
für den Europäischen Biber
                                                              anderen Tieren einen geeigneten Lebensraum aus
                                                              ­
Der Biber bevorzugt langsam fließende und
stehende Gewässer mit einem guten Angebot                     Bach- und Seenlandschaft. Der Biber ist der größte
an Weichholzarten, wie zum Beispiel Weiden                    heimische Nager und unverkennbar durch seinen
und Pappeln in Ufernähe. Wo diese nicht
mehr vorhanden sind, zeigt sich der Biber aber                Schwanz, die Biberkelle. Er ist ein Säugetier und kann
sehr anpassungsfähig und siedelt sich auch
an anderen Gewässern an.                                      in Gefangenschaft bis zu 20 Jahre alt sowie bis zu
                                                              30 Kilogramm schwer werden. Nach dem Bundesnatur­
                                                              schutzgesetz ist der Biber eine streng geschützte Art.

                                                              Der Körper des Bibers ist perfekt an seine Lebensweise
                                                              im Wasser angepasst. So besitzt er Schwimmhäute an
                                                              den Hinterpfoten. Beim Tauchen kann er Nase und

                              10   Vitale Gewässer in Baden-Württemberg   © LUBW
Ohren wasserdicht verschließen und seine Augen          nagen die Tiere die Rinde der Bäume ab. Zweige
durch ein zusätzliches durchsichtiges Augenlid schüt-   und Äste dienen darüber hinaus als Baumaterial für
zen. 23.000 Fellhaare pro Quadratzentimeter erzeugen    ­Dämme und für die Biberburg.
eine wärmeisolierende Luftschicht, die gleichzeitig
beim Schwimmen Auftrieb verleiht. Der breite, schup-    GEFÄHRDUNG UND SCHUTZ
pige Schwanz des Bibers ist ein ideales Steuerruder.
Bei Gefahr warnt er damit auch seine Artgenossen,      Der Europäische Biber steht auf der Vornwarnliste der
indem er ihn klatschend auf das Wasser schlägt.        Roten Liste der gefährdeten Säugetiere in Deutschland
                                                       und ist über die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie eine in
Biber leben monogam und können im Jahr ein bis Europa streng geschützte Art.
vier Junge zur Welt bringen. In der Regel besteht eine
Biberfamilie aus den Elterntieren und den letzten bei- Der Biber ist vor allem durch die Zerstörung seines
den Jungtieren. Als Rückzugsort dient ihr ein Wohn- Lebensraumes, etwa durch den Gewässerausbau und
bau, der Ergebnis einer umfangreichen Bautätigkeit die Fragmentierung der Landschaft, sowie durch den
ist. Solche Biberbauten bestehen aus Wohnbauten Verkehrstod auf ­Straßen und Bahngleisen gefährdet.
und Dämmen, die aus losen Ästen, Zweigen, Steinen,
Schlamm und durch den Biber gefällte B ­ äume errich- Die Ansprüche des Bibers an sein Habitat kollidieren
tet werden. Als Wohnbau gräbt der ­Biber entweder oftmals mit gewässernahen Nutzungen von Men-
ein Höhlensystem in Uferböschungen oder er schich- schen. Konflikte sind daher vorprogrammiert und es
tet Äste, Zweige und anderes Baumaterial zu einer müssen Kompromisse für ein Miteinander erarbeitet
Biberburg aufeinander, in deren Innerem sich ein werden. Da die meisten Biberaktivitäten in einem
Wohnkessel befindet und die vollständig von Wasser schmalen Streifen beiderseits des Gewässers stattfin-
umgeben ist. Der Zugang zu den Wohnbauten liegt den, kann bereits ein zehn Meter breiter gewässer­
zum Schutz vor Eindringlingen immer unter der typischer Gewässerrandstreifen vielfach helfen, das
­Wasseroberfläche; der Wohnraum selbst befindet sich ­Gefährdungspotenzial zu vermeiden.
 über der Wasseroberfläche.

VERBREITUNGSGEBIET

Aufgrund von Schutzmaßnahmen und der natürlichen
Ausbreitung leben aktuell wieder mehrere tausend                      Auch das
                                                                      Fällen dicker
Biber in Baden-Württemberg. Es ist zu erwarten, dass                  Bäume stellt
                                                                      für den Biber
der Biber bald wieder flächendeckend an den Bächen                    mit seinen
und Flüssen des Landes vorkommt.                                      eisenoxid­
                                                                                       Foto: Procy, shutterstock.com

                                                                      haltigen Nage-
                                                                      zähnen kein
                                                                      Problem dar.
NAHRUNG

Als reiner Pflanzenfresser besteht die bevorzugte
Nahrung des Bibers aus weichem Ufergehölz, Gräsern                    Schwimm­
                                                                      häute an den
und krautigen Pflanzen. Sofern gewässernah, werden                    Hinterpfoten
                                                                      und ein
                                                                                       Foto: Podolnaya Elena, shutterstock.com

auch Nutzpflanzen wie Mais und Zuckerrüben oder                       abgeflachter
Obstbäume nicht verschmäht. Mit ihren durch eine                      Schwanz
                                                                      machen den
eisenoxidhaltige Schmelzschicht geschützten Nage-                     Biber zu
                                                                      einem perfek-
zähnen können Biber auch dickere Bäume fällen, um                     ten Schwim­
                                                                      mer.
an junge Triebe und Knospen zu kommen. Im Win-
ter, wenn keine Knospen und Triebe zu finden sind,

                                   © LUBW    Vitale Gewässer in Baden-Württemberg          11
5        Die wandernde Riesin
         Seeforelle (Salmo trutta)

                                                                                                                     Fotos: Rotach im Bodenseekreis , Jürgen Gerhardt; Seeforelle, Peter Rey, Büro Hydra
Der ideale Lebensraum
                                                             D    ie Seeforelle bewohnt größere Seen und wan-
                                                                  dert zum Laichen in die Zuflüsse bis in die
                                                             Oberläufe auf. In der Regel bevorzugt sie dabei das
für die Seeforelle
                                                             Gewässer, in dem sie selbst aufgewachsen ist.
Der Bodensee ist in Baden-Württemberg
der Lebensraum der Seeforelle. Von hier aus
wandert sie zu ihren Laichgebieten in die                    Ihre Laichgrube legt sie auf sauberen, überströmten
Zuflüsse des Sees. Saubere, überströmte, gut
mit Sauerstoff versorgte Kiessubstrate sind                  und gut mit Sauerstoff versorgten Kiessubstraten an.
ideale Gewässerabschnitte zum Laichen.
Diese können von den Seeforellen allerdings                  Im Bodensee und seinen Zuflüssen ist sie heimisch.
nur erreicht werden, wenn die Durchgängigkeit
der Gewässer gewährleistet ist.                              Um den Bestand zu sichern, sind durchgängige Laich­
                                                             gewässer Grundvoraussetzung.

                                                             Die Seeforelle ist die größte Forellenart in Deutsch-
                                                             land. Sie kann über einen Meter lang werden und
                                                             15 Kilogramm wiegen. Sie hat einen langestreckten,
                                                             seitlich leicht abgeflachten Körper. Die meist sehr

                             12   Vitale Gewässer in Baden-Württemberg   © LUBW
hellen Flanken sind mit unregelmäßigen schwärz­                                                 NAHRUNG
lichen, gelegentlich auch braunen oder rötlichen
Punkten oder Ringen gemustert. Bei der Seeforelle                                               Seeforellen ernähren sich überwiegend von Kleintie-
handelt es sich im zoologischen Sinn nicht um eine                                              ren, größere Seeforellen auch von kleineren Fischen
eigen­ständige Art, sondern um eine großwüchsige,                                               und Krebstieren.
weit wandernde Bachforelle.
                                                                                                GEFÄHRDUNG UND SCHUTZ
Seeforellen nutzen dieselben Laichgewässer wie die
Bachforellen. Die Jungfische verbleiben zunächst     Aufgrund ihrer Laichwanderungen ist die fortpflan-
im Geburtsgewässer und wandern meist im zweiten      zungswillige Seeforelle auf durchwanderbare Bäche
Lebensjahr in den Bodensee ab, um dort binnen
­                                                    und Flüsse angewiesen. In der Vergangenheit wurden
weniger Jahre zu stattlichen Seeforellen heranzu­
­                                                    zahlreiche Laichgewässer wieder zugänglich gestaltet.
wachsen.                                             Nach wie vor verhindert jedoch eine hohe Anzahl
                                                     an Querbauwerken ein erfolgreiches Einwandern in
VERBREITUNGSGEBIET                                   geeignete Laichhabitate. Die Durchgängigkeit der
                                                     ­Gewässer für den zügigen Auf- und Abstieg hat für
Die wichtigsten baden-württembergischen Laichge- die Seeforelle daher höchste Priorität. Nur so können
wässer der Seeforelle sind die Argen, die Schussen, ­zusammen mit Artenschutzmaßnahmen, wie zum Bei-
die Rotach, die Seefelder Aach und die Stockacher spiel der gezielte Besatz mit erbrüteten Jungfischen,
Aach sowie ihre Zuflüsse.                             die Seeforellenbestände dauerhaft gesichert werden.

                                                                                                                                                                          Junge
                                                                                                                                                                          Bachforelle
                                                                                                                                                                          über Kies­
                                                                                                                                                                          substrat
                                                    Foto: Angel L, shutterstock.com

Bis zu 15 Kilo­
gramm
schwer kann
                                                                                                                             Foto: Rostislav Stefanek, shutterstock.com

eine See­­
forelle werden.

                                                                                                                                                                                        Die Seeforelle
                                                                                                                                                                                        ist keine
                                                                                                                                                                                        eigenständige
                                                                                                                                                                                        Art, sondern
                                                                                                                                                                                        eine sehr
                                                                                                                                                                                        große Bach­
                                                                                                                                                                                        forelle.
                  Foto: Peter Rey, Büro Hydra

                                                © LUBW                                Vitale Gewässer in Baden-Württemberg       13
6        Die anspruchsvolle Schmarotzerin
         Bachmuschel (Unio crassus)

                                                                                                                       Fotos: Schwarzbach im Landkreis Waldshut, Jürgen Gerhardt; Bachmuschel, Michael Pfeiffer
Der ideale Lebensraum
                                                             D      ie Bachmuschel ist zur Fortpflanzung auf Wirts-
                                                                    fische angewiesen. Die durch die weiblichen
                                                             Muscheln ins Wasser ausgestoßenen Larven nisten
für die Bachmuschel
                                                             sich in den Kiemen einiger Fischarten ein und schma-
Die Bachmuschel benötigt als Lebensraum
saubere, sauerstoffreiche Bäche und kleine                   rotzen dort. Nach der Entwicklung zur Jungmuschel
Flüsse. Um sich in der Gewässersohle eingraben               leben sie in sandigem bis feinkiesigem Substrat in sau-
zu können, ist die Bachmuschel zudem auf
lockeres Substrat und als Filtriererin auf                   beren, sauerstoffreichen Fließgewässern. Sie gehören
fließendes Wasser angewiesen. Darüber hinaus
setzt eine erfolgreiche Fortpflanzung der                    zu den streng geschützten FFH-Arten.
Bachmuschel einen ausreichenden Bestand an
Wirtsfischen voraus. Deshalb muss das
Gewässer auch diesen ausgewählten Fischarten
ideale Lebensbedingen bieten. Dazu zählen
                                                             Die Bachmuschel gehört zu den Weichtieren und hat
zum Beispiel ein entsprechender Struktur­                    eine Lebenserwartung von bis zu 30 Jahren. Wie alle
reichtum, Durchgängigkeit des Bachlaufs und
ein Kieslückensystem für die Laichablage.                    Muscheln besitzt sie eine Schale mit zwei Klappen
                                                             und einem kräftigen Schließmuskel. Die Schale kann
                                                             bis zu zehn Zentimeter lang sein. Die Kiemen dienen
                                                             der Atmung und der Aufnahme von Schwebstoffen im

                             14   Vitale Gewässer in Baden-Württemberg   © LUBW
Wasser. Der kräftige Fuß der Bachmuschel dient                                                                                  GEFÄHRDUNG UND SCHUTZ
zur Fortbewegung und zum Eingraben. Bachmuscheln
sind getrenntgeschlechtlich. Zur Fortpflanzung gibt                                                                             Die Belastung der Gewässer mit Nährstoffen und
die männliche Bachmuschel Samen ins freie Wasser                                                                                Feinsedimenten wird als wichtigste Ursache für den
ab, die die weibliche einstrudelt. Die Spermien gelan-                                                                          Rückgang der Bachmuschel angesehen. Diese ver­
gen über das Atemwasser des ­Weibchens zu den ein-                                                                              stopfen das Lückensystem der Gewässersohle und
gelagerten Eiern und befruchten diese. Die sich aus                                                                             schaden damit nicht nur der Bachmuschel direkt, son-
den Eiern entwickelnden ­Muschellarven werden von                                                                               dern auch ihren Wirtsfischen, die unter einem Mangel
den Muttertieren ins Wasser abgestoßen. Die Larven                                                                              ­geeigneter Laichplätze leiden. Bachmuscheln sind aber
haben nun maximal drei Tage, um sich an einen Wirts-                                                                             auch auf eine naturschonende Gewässerunterhaltung
fisch anzuheften, sonst sterben sie ab. Am Wirtsfisch                                                                            angewiesen, um eine Störung ihrer Lebensräume und
ernähren sich die Larven parasitär an dessen Kiemen.                                                                             direkte Schädigung der Tiere durch Entnahme aus
Bekannte Wirtsfischarten sind Döbel, Flussbarsch,                                                                                dem Gewässer zu vermeiden. Weitere Informationen
Elritze, Rotfeder, Kaulbarsch, dreistachliger Stich-
­                                                                                                                                findet man im LUBW-Artensteckbrief „Bachmuschel“.
ling und Groppe. Nur ein sehr g­eringer Anteil der
Muschellarven findet rechtzeitig einen Wirt. Dies
­
schränkt den Fortpflanzungserfolg der Bachmuschel
zwar ein, bietet der Art aber den Vorteil, sich über
                                                                                                                                                            Unter idealen
die Fische im Gewässer gut verbreiten zu können.                                                                                                            Lebens­
                                                                                                                                                            bedingungen
Der Bitterling ist die einzige Fischart, die den Spieß                                                                                                      können Bach-
­umdreht und ihre Eier zum Schutz vor Fressfeinden in                                                                                                       muscheln bis
                                                                                                                                                            zu 30 Jahre alt
 ­Großmuscheln ablegt. Die Muscheln werden dabei                                                                                                            werden.

  nicht beschädigt.

VERBREITUNGSGEBIET
                                                                                       Foto: Jiri Prochazka, shutterstock.com

Die verbleibenden Vorkommen der Bachmuschel in
Baden-Württemberg konzentrieren sich auf die mitt-                                                                                                                            Kiemen­
lere Oberrheinebene, die Einzugsgebiete von Jagst                                                                                                                             öffnung einer
                                                                                                                                                                              eingegrabenen
und Kocher sowie Teile von Oberschwaben.                                                                                                                                      Bachmuschel

NAHRUNG

Bachmuscheln filtrieren Plankton, Bakterien, Kiesel-
algen und organische Schwebstoffe aus dem Gewäs-
ser. Auf diese Weise reinigt ein erwachsenes Tier bis
zu vier Liter Wasser pro Stunde.
                 Foto: Kuttelvaserova Stuchelova, shutterstock.com

Der Döbel –
                                                                                       Foto: Michael Pfeiffer

ein typischer
Wirtsfisch für
die Fortpflan­
zung der
­Bachmuschel

                                                                     © LUBW   Vitale Gewässer in Baden-Württemberg                                        15
7         Die Fischerin der Nacht
          Wasserfledermaus (Myotis daubentonii)

                                                                                                                        Fotos: Neckarwasen im Landkreis Esslingen, Jürgen Gerhardt; Wasserfledermaus, Dietmar Nill
Der ideale Lebensraum
                                                              D      ie Wasserfledermaus verdankt ihren Namen
                                                                     ihrem Jagdrevier. Deshalb wird sie auch als
                                                                     ­
                                                              ­Fischerin unter den Fledermäusen bezeichnet. Sobald
für die Wasserfledermaus
                                                               es dämmert, zieht sie im Tiefflug ihre Bahnen über
Die Wasserfledermaus jagt im Tiefflug über
langsam fließende Flüsse und Bäche sowie über                  der Wasseroberfläche von ruhigen Gewässern. Dort
Stillgewässer. Im Sommer schläft sie während                   findet sie einen reich gedeckten Tisch mit wirbellosen
des Tages in Baumhöhlen, Stammrissen,
Fledermauskästen oder in Spalten von Brücken                   Beutetieren. Sie gehört zu den besonders und streng
in Gewässernähe. Als Winterquartiere dienen
Höhlen, Bunker, Stollen, Brunnen sowie                         geschützten Arten.
Felsspalten. Dort verschläft sie etwa die Hälfte
des Jahres.
                                                              Die Wasserfledermaus gehört zur Familie der Glatt­
                                                              nasen. Sie hat kurze Ohren mit einem für Myotis-­
                                                              Arten ungewöhnlich kurzen, abgerundeten Ohrdeckel
                                                              (Tragus) sowie auffallend große Füße. Ihr Rückenfell
                                                              ist mittel- bis dunkelgraubraun und ihr Bauchfell
                                                              grauweißlich getönt.

                              16   Vitale Gewässer in Baden-Württemberg   © LUBW
Die Paarung erfolgt während der Winterschlafphase.                                                                                           GEFÄHRDUNG UND SCHUTZ
Vor der Begattung wecken die Männchen die Weib-
chen mit Bissen ins Genick auf. Ein Balzen um die                                                                                            Fledermäuse haben zwar kaum natürliche Feinde,
Weibchen ist nicht vonnöten, da diese in der Auf-                                                                                            aber sie kämpfen mit den negativen Folgen einer in-
wachphase noch geschwächt sind. Nach dem Paa-                                                                                                tensiven Land- und Forstwirtschaft. Die Belastung der
rungsakt setzen beide Geschlechter den Winterschlaf                                                                                          Landschaft mit Pestiziden führt zu einem Rückgang
fort. Im Mai finden sich dann die trächtigen Weibchen                                                                                        der Insekten und damit der Nahrungsgrundlage der
zu Kolonien zusammen – den sogenannten Wochen-                                                                                               Fledermäuse. Zusätzlich wurden und werden viele
stuben, wo sie in Baumhöhlen nur ein einziges Junges                                                                                         Fledermausquartiere, vor allem alte Bäume mit Höh-
zur Welt bringen.                                                                                                                            len und Spalten an Gewässern, im Zuge von Gewäs-
                                                                                                                                             serausbau und -unterhaltung durch Gehölzpflege und
VERBREITUNGSGEBIET                                                                                                                           Rodungsarbeiten zerstört.

Die Wasserfledermaus lebt in ganz Baden-Württem- Die Fledermaus-Bestände sind in den letzten 50 Jah-
berg überall dort, wo ein geeignetes Lebensraumange- ren dramatisch zurückgegangen. Wie alle 21 in Baden-
bot besteht.                                           Württemberg heimischen Fledermausarten steht auch
                                                       die Wasserfledermaus auf der Roten Liste sowie auf
NAHRUNG                                                der FFH-Artenliste und ist nach dem Bundesnatur-
                                                       schutzgesetz besonders und streng geschützt.
Während der Sommernächte lassen sich Wasserfleder-
mäuse an ruhigen Gewässern beim Jagen von Insek-
ten beobachten. Mücken, Fliegen oder kleine Falter
kann die Wasserfledermaus direkt von der Wasser-
oberfläche mit dem Mund wegfangen. Oft nutzt sie
aber ihre großen Füße oder die Schwanzflughaut
als Kescher. Eine Pause gönnt sie sich nach einem
­erfolgreichen Beutefang nicht: Noch im Flug wird die
 Beute verspeist und wenige Sekunden später schon
 der nächste Fang eingeleitet. Beobachtungen ergaben,
 dass eine Wasserfledermaus durchschnittlich alle vier
 Sekunden einem Insekt nachjagt. Dies bedeutet mehr
 als 2.000 erbeutete Insekten pro Nacht.
                                                                                         Foto: Dietmar Nill

                                                                         Wasserfleder­
                                                                         maus bei der
                                                                         Jagd

Kopf der
                Foto: D. Kucharski K. Kucharska, shutterstock.com

                                                                                         Foto: D. Kucharski K. Kucharska, shutterstock.com

Wasserfleder­
maus

                                                                                                                                                                                      Flügeldetail

                                                                    © LUBW   Vitale Gewässer in Baden-Württemberg                                                      17
8         Der Ritter mit den Scherenhänden
          Steinkrebs (Austropotamobius torrentium)

                                                                                                                           Fotos: Nüstenbach im Neckar-Odenwald-Kreis, Jürgen Gerhardt; Steinkrebs, Nenad Djordjevic, shutterstock.com
                                                               D      er Steinkrebs gehört neben seinen beiden engen
                                                                      Verwandten, dem Dohlenkrebs (Austropotamo­
                                                               bius pallipes) und dem Edelkrebs (Astacus astacus) zu den
Der ideale Lebensraum                                          mitteleuropäischen Flusskrebsarten. Mit einer maxi-
für den Steinkrebs
                                                               malen Körperlänge von acht Zenti­meter ist er der
Kleine, kalte Bäche, die
auf kleinstem Raum                                             kleinste heimische Flusskrebs. Sein ­Bestand ist – wie
verschiedene naturnahe                                         der seiner beiden Verwandten – stark gefährdet. Da-
Strukturen bieten, sind das
Habitat des Steinkrebses. Damit sich dieser                    her sind alle heimischen Flusskrebse streng ­geschützt.
wohlfühlt, sind eine gute bis sehr gute Wasser­
qualität und – um das Eindringen fremder Krebs-
arten zu verhindern – ein möglichst isolierter
Bachoberlauf Voraussetzung. Idealerweise                       Der dornenlose, glatte Körper des Steinkrebses ist
bedeckt ein steiniges Substrat das Bachbett.
Tagsüber verkriecht sich der nacht­aktive Stein­
                                                               meist beige-grau bis olivgrün-braun marmoriert. Auch
krebs in Höhlen, die er ins Ufer gräbt, un­                    blaue Exemplare kommen vor. Im Gegensatz zum
ter Steinblöcken oder zwischen Baumwurzeln.
                                                               Edelkrebs besitzt er nur eine statt zwei Augenleisten,
                                                               das Rostrum ist auffallend stumpf. Die Steinkrebs-
                                                               Männchen sind mit kräftigeren Scheren ausgestat-

                              18    Vitale Gewässer in Baden-Württemberg   © LUBW
tet als die Weibchen. Die Unterseite der Scheren ist                                     dem übertragen die nordamerikanischen Arten den
­immer hell gefärbt. Um wachsen zu können, muss sich                                     pilzähnlichen Krebspesterreger (Aphanomyces astaci).
 der Steinkrebs regelmäßig seines Panzers entledigen                                     Dieser führt bei heimischen Krebsarten nach ein bis
 und häuten. Während der Edelkrebs in Seen, Wei-                                         zwei Wochen ausnahmslos zum Tod und kann in kür-
 hern und größeren Bächen oder Flüssen anzutreffen                                       zester Zeit ganze Populationen auslöschen. Das Aus-
 ist, findet man den Stein- und den Dohlenkrebs in                                       setzen nicht heimischer Flusskrebse in unsere Gewäs-
 kleineren Fließgewässern.                                                               ser ist daher unbedingt zu vermeiden. Darüber hinaus
                                                                                         können Wanderbarrieren verhindern, dass exotische
VERBREITUNGSGEBIET                                                                       Krebsarten die Lebensräume heimischer Flusskrebs-
                                                                                         arten erreichen können.
Baden-Württemberg ist das einzige Bundesland, in
dem alle drei mitteleuropäischen Flusskrebsarten                                         In Baden-Württemberg sind der Edel- und der Stein-
­anzutreffen sind. Die Verunreinigung und der natur-                                     krebs stark gefährdet, der Dohlenkrebs gilt als vom
 ferne Ausbau zahlreicher Gewässer haben die ehe-                                        Aussterben bedroht. Edel- und Steinkrebs sind nach
 mals flächendeckend vorkommenden heimischen                                             der Bundesartenschutzverordnung streng beziehungs-
 Flusskrebse massiv dezimiert. Die Restvorkommen                                         weise besonders geschützt und gehören zu den FFH-
 ­des Steinkrebses beschränken sich auf kleine, oft iso-                                 Arten (Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie).
  lierte Gewässeroberläufe.

NAHRUNG                                                                                                                                      Ein Steinkrebs
                                                                                                                                             kriecht aus
                                                                                                                                             seinem
Der Steinkrebs ernährt sich von pflanzlichem Mate­                                                                                           Versteck.

rial, Wasserinsekten, kleinen Mollusken und von Aas.

GEFÄHRDUNG UND SCHUTZ

                                                                                         Ein blaues
Die Einschleppung und Ausbreitung vieler nicht hei-
                                                                                                                  Foto: Christoph Chucholl

                                                                                         Exemplar des
                                                                                         in der Regel
mischer Flusskrebsarten – wie zum Beispiel der Gali-                                     beige-grau bis
zierkrebs (Pontastacus Ieptodactylus), der Kamberkrebs                                   olivgrün-braun
                                                                                         marmorierten
(Faxonius limosus), der Signalkrebs (Pacifastacus leniuscu­                              Steinkrebses

lus) oder der Kalikokrebs (Faxonius immunis) – gefähr-
den massiv die heimischen Flusskrebse. Vor allem der
Signalkrebs verdrängt aufgrund seines aggressiven
­Verhaltens, seiner schnelleren Vermehrung und seiner
 überlegenen Größe die heimischen Flusskrebse. Zu-
               Foto: Christoph Chucholl

                                                              Foto: Christoph Chucholl

Eier an der
Schwanz­
unterseite
eines Stein­
krebs-Weib­
chens

                                          © LUBW   Vitale Gewässer in Baden-Württemberg                              19
9        Der kiesliebende Charaktervogel
         Flussregenpfeifer (Charadrius dubius)

                                                                                                                       Fotos: Murg im Landkreis Rastatt, Jürgen Gerhardt; Flussregenpfeifer, aaltair, shutterstock.com
Der ideale Lebensraum
für den Flussregenpfeifer
                                                              D      er Flussregenpfeifer ist der Charaktervogel ur-
                                                                     sprünglicher dynamischer Flusslandschaften. Er
                                                              ist der kleinste bei uns brütende Watvogel. Im Früh-
Vor allem nach der
Schneeschmelze                                                jahr, nach seiner Rückkehr aus den warmen Gefilden,
und nach Hoch­                                                sucht er vom Hochwasser frisch angelegte flache Kies-
wasser formen wilde, dynamische, unverbaute
Flüsse und Bäche immer wieder neue unbe­                      bänke und Schotterinseln auf. Dort brütet er und
wachsene Kiesbänke oder Rohböden, die
der Flussregenpfeifer als eine der ersten Arten               tarnt seine Eier, die er ohne Nest auf den Boden legt.
besiedelt. Flache Mulden in den Kies- und
Schotterinseln nutzt er zur Ablage der Eier,                  Die Brutflächen sind in Baden-Württemberg nur noch
die perfekt der Umgebung angepasst sind. Ein
seichter, schlammiger Uferbereich mit zahl­
                                                              selten vorhanden. Er gehört zu den streng geschützten
reichen Würmern, Insekten und Mollusken dient                 Arten.
ihm als Nahrungsquelle.

                                                              Im Frühjahr, nach der Rückkehr von der langen Reise
                                                              aus den Winterquartieren in Afrika, baut sich der
                                                              Flussregenpfeifer sein Nest in Windeseile. Eine flache
                                                              Mulde im Kies, allenfalls „ausgepolstert“ mit einigen

                             20    Vitale Gewässer in Baden-Württemberg   © LUBW
Kieselsteinchen, reicht für das Gelege. Ein brütender                                                           GEFÄHRDUNG UND SCHUTZ
Flussregenpfeifer ist aufgrund seines Gefieders, eben-
so seine wie Kieselsteine gefärbten Eier, auf einer                                                             Durch naturfernen Ausbau, Aufstau oder Schiffbar­
Kiesbank für seine Feinde kaum auszumachen. Nähert                                                              machung der Flüsse ging deren natürliche Dynamik
sich dennoch ein Nesträuber, beispielsweise ein Fuchs                                                           verloren. Bestehende Kiesbänke verschwanden oder
oder Marder, dann gibt der Flussregenpfeifer seine                                                              wurden mit der Zeit von der Vegetation überwuchert.
Tarnung auf und läuft vom Nest weg. Damit zieht er                                                              Neue unbewachsene Kiesbänke oder Schotterinseln
die Aufmerksamkeit des Räubers auf sich. Gelingt das                                                            konnten nicht entstehen. Der natürliche Lebensraum
nicht, ruft er laut und mimt den flügellahmen, schwer                                                           des Flussregenpfeifers ging mehr und mehr verloren.
verletzten Vogel. Der Nesträuber wittert leichte Beute                                                          Allein seine Fähigkeit, auf Ersatzlebensräume – etwa
und stürzt sich auf den vermeintlich einfach zu fan-                                                            Kiesabbaugebiete an Baggerseen oder große Baustel-
genden Vogel, der jedoch auffliegt und sicher ent-                                                              len – auszuweichen, bewahrte den Flussregenpfeifer
kommt. Da die Kiesbank beim nächsten Hochwasser                                                                 vor dem Aussterben. Langfristig profitiert die Art
wieder überschwemmt wird, verlässt das Küken nach                                                               ­allerdings nur von einer Wiederherstellung der natür-
dem Ausschlüpfen schnell seine Brutstelle.                                                                       lichen Flussdynamik.

VERBREITUNGSGEBIET                                    Flussregenpfeifer sind an ständig wechselnde Flussland-
                                                      schaften gewöhnt. Daher gehören sie meist zu den ers-
Das Vorkommen des Flussregenpfeifers variiert regio- ten Arten, die revitalisierte Flussabschnitte mit neuen
nal recht stark, da die aufgesuchten Pionierstandorte Kiesbänken wieder besiedeln.
oft nur kurzzeitig zur Brut geeignet sind. In Baden-
Württemberg brüten ca. 250 Flussregenpfeiferpaare,
davon mehr als die Hälfte in der Oberrheinebene.                                                 Flussregen­
                                                                                                 pfeiferpärchen
Dort besiedelt er oft Ersatzbiotope in Kiesgruben und                                            bei der Balz
auf Deponien.
                                                                                 Foto: Erni, shutterstock.com

NAHRUNG

Die Flussregenpfeifer sind meist zu Fuß am Ufer
des Flusses unterwegs und ernähren sich dort von
­Insekten, Spinnen, Würmern, Mollusken und kleinen
 Krebstieren. Diese suchen sie dicht unter der Boden-
 oberfläche im Uferschlamm.

                                                                  Flussregen­
                                                                  pfeiferküken

Perfekt der
Umgebung
angepasst:
                Foto: francesco de marco, shutterstock.com

das Gelege
des Fluss­
regenpfeifers
                                                                                 Foto: FJAH, shutterstock.com

                                                             © LUBW   Vitale Gewässer in Baden-Württemberg                                21
10 Die flottierende Filigrane
   Zierliche Tellerschnecke (Anisus vorticulus)

                                                                                                                       Fotos: Rheinauen im Landkreis Rastatt, Jürgen Gerhardt; Zierliche Tellerschnecke, Ira Richling
                                                              D     ie Zierliche Tellerschnecke lebt im Wasser. Sie
                                                                    hat im Gegensatz zu anderen Wasserschnecken
                                                              jedoch keine Kiemen. Um Luft zu holen, kommt die
                                                              Tellerschnecke daher in regelmäßigen Abständen an
Der ideale Lebensraum                                         die Wasseroberfläche. Sie lebt zwischen dichten Was-
für die Zierliche Tellerschnecke
                                                              serpflanzenbeständen in der Verlandungszone vegeta-
Die Zierliche Tellerschnecke liebt klares, kalk-
haltiges und basenreiches Wasser, das reich an                tionsreicher Stillgewässer sowie in langsam fließenden
Sauerstoff und relativ arm an Nährstoffen ist.                Wiesengräben. Die zierliche Tellerschnecke gehört zu
Darüber hinaus ist ein üppiger Bewuchs
mit Wasserpflanzen Voraussetzung für eine                     den besonders und streng geschützten Arten.
­Besiedelung des Gewässers durch die Zierliche
 Tellerschnecke. Bevorzugte Habitate sind
 Stillgewässer, langsam fließende Wiesengräben,
 die im Regelfall unter Grundwassereinfluss                   Die Zierliche Tellerschnecke zählt zu den kleinsten
 stehen,und dynamische Auen.                                  Süßwasserschnecken Mitteleuropas. Sie besitzt ein
                                                              scheibenförmiges Gehäuse, das einen Durchmesser
                                                              von fünf bis sechs Milllimeter und eine Höhe von
                                                              0,8 Millimeter erreichen kann. Es weist fünf Umgänge

                              22   Vitale Gewässer in Baden-Württemberg   © LUBW
auf, die sowohl auf der Ober- als auch auf der Unter-                                                  NAHRUNG
seite konvex gewölbt sind. Das Gehäuse ist dünnwan-
dig und glänzend bräunlich oder gelblich gefärbt. Die                                                  Während des Flottierens können die Tiere nicht nur
Zierliche Tellerschnecke ist zwittrig mit der Fähigkeit                                                Luft holen, sondern die Wasseroberfläche auch zur
zur Selbstbefruchtung. Aber auch wechselseitige                                                        Nahrungsaufnahme nutzen. Denn an der Unterseite
­Befruchtung tritt auf. Die Lebensdauer beträgt etwa                                                   der Wasseroberfläche bilden sich große Algenbestände,
 ein Jahr. Tellerschnecken können an der Unterseite                                                    die die Schnecken abweiden.
 der Wasseroberfläche entlangkriechen. Diese Fortbe-
 wegungsweise ist durch die Oberflächenspannung des                                                    GEFÄHRDUNG UND SCHUTZ
 Wassers möglich und wird „flottieren“ genannt. Um
 Luft zu holen, kommt die Tellerschnecke in regel­                                                     Die Zierliche Tellerschnecke gilt in Deutschland als
 mäßigen Abständen an die Wasseroberfläche. Ist der                                                    vom Aussterben bedroht. Die Verfüllung oder die
 Zugang zu Luftsauerstoff verwehrt – zum Beispiel                                                      Trockenlegung von Gewässern, aber auch unsach­
 bei zugefrorenem Gewässer – können die Tiere den                                                      gemäße Gewässerunterhaltung wie zum Beispiel das
 ­Sauerstoff auch noch über die Haut aufnehmen. Als                                                    Entfernen der Wasservegetation bedrohen den Lebens-
  ­Anpassung an das Leben im Wasser hat sich hierfür                                                   raum der Art. Sie ist auf eine naturschonende Gewäs-
   eine besonders gut durchblutete Hautfalte nahe dem                                                  serunterhaltung angewiesen.
   ­Gehäuserand gebildet, die als Kiemenersatz dient.

                                                                                                                                                Algen – die
Aquatische Schnecken sind in ihrem Lebensraum                                                                                                   bevorzugte
ständig wechselnden Bedingungen ausgesetzt, an die                                                                                              Nahrung der
                                                                                                                                                Zierlichen
sich zahlreiche Arten mit den unterschiedlichsten                                                                                               Tellerschnecke

Strategien angepasst haben. Die Artenvielfalt der
Schnecken kann daher als Indikator für die Qualität
eines Gewässers benutzt werden.

VERBREITUNGSGEBIET

Nach den bisher vorliegenden Erkenntnissen befindet
sich der Verbreitungsschwerpunkt in Deutschland in
der norddeutschen Tiefebene. In Baden-Württemberg
liegen mehrere Nachweise für die Oberrheinniede-
                                                           Foto: Peter Pfeiffer, Aquatic Photography

rung (zum Beispiel Rußheimer Altrhein, Rheinauen
bei Illingen und Au am Rhein) vor. Vereinzelte Nach-
weise stammen darüber hinaus aus dem Donautal
oberhalb von Ulm und bei Langenau, Oberschwaben
und aus dem Bodenseebecken.

                                                                                                                                                Bei einem
                                                                                                                                                Gehäuse­
                                                                                                                                                durchmesser
                                                                                                                                                von fünf bis
                                                                                                                                                sechs Milli­
                                                                                                                                                meter zählt
                                                                                                                                                die Zierliche
                                                           Foto: Matthias Klemm

                                                                                                                                                Tellerschnecke
                    Foto: Ira Richling

Zierliche Teller­                                                                                                                               zu den kleins­
schnecken in                                                                                                                                    ten Süßwas­
einem Auen­                                                                                                                                     serschnecken
gewässer                                                                                                                                        Mitteleuropas

                                         © LUBW   Vitale Gewässer in Baden-Württemberg                                           23
11 Das lebende Fossil
   Bachneunauge (Lampetra planeri)

                                                                                                                       Fotos: Wutach im Landreis Waldshut, Jürgen Gerhardt; Bachneunauge, Rostislav Stefanek, shutterstock.com
                                                              D       as Bachneunauge, ein Fisch mit neun Augen?
                                                                      Nein. Bachneunaugen sind biologisch betrach-
                                                              tet keine Fische. Sie gehören zu den Rundmäulern.
Der ideale Lebensraum                                         ­Sieben Kiemenöffnungen, eine Nasenöffnung und ein
für das Bachneunauge
                                                               Auge – und somit neun „Augen“ in der Seiten­ansicht –
Bachneunaugen bevorzugen saubere, struktur­
reiche Bäche und Flüsse der Mittelgebirge.                     gaben ihm seinen Namen. Bachneunaugen wandern im
Die Querder genannten Larven sind auf ruhig                    Gegensatz zu Flussneunaugen nicht in das Meer ab,
fließende Gewässerabschnitte angewiesen.
Dort leben sie verborgen im Sand und Fein­                     sondern bleiben in der Nähe ihrer Aufwuchshabitate.
sediment der Gewässersohle – meist im Flach­
wasserbereich. Erwachsene Tiere benötigen                      Sie gehören zu den geschützten FFH-Arten. Das blei-
rascher fließende Gewässerbereiche, die kiesige
und steinige Strecken zum Ansaugen und zur                     stiftdünne, wurmförmige 10 bis 20 Zentimeter lange
Fortpflanzung aufweisen.                                       Bachneunauge ist ein lebendes Fossil, das sich seit
                                                               500 Millionen Jahren kaum verändert hat. Es g­ ehört
                                                               somit zu den ältesten noch lebenden Wirbeltieren
                                                               überhaupt. Es hat keine Schuppen und auch kein
                                                               ­gewöhnliches Maul mit einem Ober- und Unterkiefer,

                             24    Vitale Gewässer in Baden-Württemberg   © LUBW
sondern einen kreisförmigen Saugmund. Rund drei bis              VERBREITUNGSGEBIET
sechs Jahre – und somit den Großteil seines Lebens –
wächst das Bachneunauge als augenlose Larve heran.               Bachneunaugen waren in Baden-Württemberg ur-
Diese als Querder bezeichnete Larve lebt meist verbor-           sprünglich sehr weit verbreitet. Heute sind die
gen im Feinsediment der Gewässersohle. Am Ende der               B­estände lokal stark zurückgegangen.
Larvenzeit wandelt sich der Querder in einer neun-
bis zehnmonatigen Methamor­phose zum erwachse-                   NAHRUNG
nen Tier um: Es bilden sich Augen, Geschlechtsorgane
und eine Rückenflosse aus. Der Körper des erwachse-              Die Querder ernähren sich von feinsten organischen
nen Tieres ist speziell auf die Fortpflanzung ausgerich-         Partikeln und Mikroorganismen, die sie aus dem Was-
tet. Abgelaicht wird zwischen April und Juni – wenn              ser herausfiltern. Erwachsene Bachneunaugen nehmen
die Wassertemperatur zehn bis elf Grad Celsius erreicht          keine Nahrung mehr zu sich, da sich ihr Darm in der
hat. Kleine Gruppen von sechs bis zwölf Tieren schla-            Umwandlungsphase degeneriert hat.
gen dabei Laichgruben in den Untergrund, in denen
die Eier ­abgelegt werden. Nach der Eiablage und der             GEFÄHRDUNG UND SCHUTZ
Besamung sterben die Elterntiere ab.
                                                                 Die Art reagiert empfindlich auf Eingriffe in das
In Baden-Württemberg sind neben dem Bachneun­                    Gewässersystem. Schlechte Wasserqualität führt zu
                                                                 ­
auge weitere Neunaugenarten heimisch: das Flussneun-             Sauerstoffmangel im Sediment und in begradigten
auge (Lapetra fluviatilis) und das Meerneunauge (Petro­          und strukturarmen Gewässern fehlen die typischen
myzon marinus). Beide sind anadrom wandernde Arten.              Feinsedimentstrukturen, in denen die Larven des
                                                                 Bachneunauges leben. Wehre und Staustufen stellen
Das Bach­                                                        unüberwindliche Hindernisse dar, die Bachneunau-
neunauge –
ein lebendes                                                     gen daran hindern, geeignete Laichsubstrate zu fin-
Fossil seit
500 Millionen                                                    den. Die Verbesserung der Gewässerqualität und der
Jahren                                                           Schutz naturnaher Gewässer haben in den letzten
                Foto: Peter Rey, Büro Hydra

                                                                 ­Jahren zu einer Erholung der Bestände der ganzjährig
                                                                  unter strengem Schutz (FFH-Art) stehenden Bach-
                                                                  neunaugen geführt.

Teamwork
beim Schlagen
von Laich­
gruben in den
Untergrund
                                                                                              Foto: Clemens Ratschan

                                                                                                                       Das Rundmaul
                                                                                                                       des Bachneun­
                                                                                                                       auges
                Foto: Peter Rey, Büro Hydra

                                              © LUBW   Vitale Gewässer in Baden-Württemberg     25
12 Die betäubende Taucherin
   Wasserspitzmaus (Neomys fodiens)

                                                                                                                     Fotos: Erfa im Main-Tauber-Kreis, Büro am Fluss; Wasserspitzmaus, Erni, www.shutterstock.com
Der ideale Lebensraum
                                                            D     ie Wasserspitzmaus ist für Raubzüge unter Was-
                                                                  ser bestens ausgerüstet: Die Deckhaare ihres
                                                            dichten Fells sind so strukturiert, dass beim Tauchen
für die Wasserspitzmaus
                                                            Luftbläschen im Fell hängen bleiben. Die Luft umgibt
Die Wasserspitzmaus benötigt als Lebensraum
saubere, sauerstoffreiche Gewässer. Dazu                    die ans Wasser angepasste Spitzmaus wie eine silbrige,
zählen naturnahe Wasserläufe genauso wie                    wärmende Taucherglocke. Ihr Revier sind Teiche und
Teiche und Seen mitsamt den anschließenden
Ufer- und Verlandungsbereichen. Als Versteck                Bäche. Dort taucht sie nach an der Sohle lebenden
nutzt die Wasserspitzmaus unverbaute Ufer
mit dichtem Bewuchs, unterspülte Bereiche und               Kleinstwasserlebewesen. Die Wasserspitzmaus gehört
Baumwurzeln.
                                                            zu den besonders geschützten Arten.

                                                            Die Wasserspitzmaus ist die größte europäische Spitz-
                                                            mausart. Sie kann bis zu zehn Zentimeter lang werden
                                                            und zwischen 15 und 20 Gramm wiegen. An der
                                                            Schwanzunterseite hat sie einen Borstenkiel, der als
                                                            Ruder dient, und an den Hinterfüßen Borsten, die

                            26   Vitale Gewässer in Baden-Württemberg   © LUBW
wie Schwimmflossen den Vortrieb fördern. Wie alle                                                              VERBREITUNGSGEBIET
kleinen Säuger hat sie im Verhältnis zu ihrem Körper-
volumen eine große Körperoberfläche, über die sie                                                              Die Wasserspitzmaus findet man in Baden-Württem-
viel Wärme an die Umgebung verliert. Als Ausgleich                                                             berg an naturnahen Gewässerabschnitten wie zum
für diesen stetigen Energieverlust ist sie fast ständig                                                        Beispiel in den Auen des Oberrheins, an der Donau
auf der Jagd.                                                                                                  oder an der Jagst und am Kocher.

Zur Aufzucht ihres Nachwuchses gräbt die Wasser-                                                               NAHRUNG
spitzmaus einen unterirdischen Bau. Mitunter richtet
sie sich in verlassenen Bauten anderer Kleinsäuger       Wasserspitzmäuse tauchen auf dem Grund von
ein. Stets hat ihr Bau auch einen Ausgang zum Wasser     ­Bächen und Teichen nach Kleinkrebsen, Insektenlar-
hin. Die Fortpflanzung findet von April bis Sep­          ven und anderen kleinen Wassertieren aller Art und
tember statt. Ein Weibchen wirft zwei- bis dreimal        nutzen darüber hinaus zahlreiche weitere Nahrungs­
im Jahr, wobei ein Wurf jeweils vier bis elf Junge um-    quellen. Wasserspitzmäuse gehören zu den wenigen
fasst.                                                    giftigen Säugetieren Mitteleuropas. Ihre Beute wird
                                                          mit Gift aus unter der Zunge liegenden Giftdrüsen
Die Jungtiere wiegen bei der Geburt 0,6 Gramm. Ihre betäubt. Dabei sind sie überaus gefräßig. Sie verspei-
Augen öffnen sich nach 20 bis 24 Tagen und die sen jeden Tag etwa eine ihrem eigenen Körpergewicht
­Säugezeit beträgt 38 bis 40 Tage. Wasserspitzmäuse entsprechende Menge an Nahrung.
 werden im Freiland maximal etwa 18 Monate alt.
                                                          GEFÄHRDUNG UND SCHUTZ
 Die etwas kleinere Sumpfspitzmaus (Neomys anomalus)
 sieht der Wasserspitzmaus zum Verwechseln ähnlich. Die Wasserspitzmaus wird in Deutschland aufgrund
 Allerdings ist sie nicht so streng an das Leben im Was- ihrer engen Bindung an naturnahe Gewässer in der
 ser angepasst, sondern nutzt mehr sumpfige Uferbe- Roten Liste als „gefährdet“ geführt und ist nach dem
 reiche. Sie wurde erst 1907 als eigene Art erkannt.      Bundesnaturschutzgesetz besonders geschützt.

                                                                                                               Wasserspitz­
                                                                                                               maus beim
                                                                                                               Tauchengang

Die Wasser­
spitzmaus
ist eine der
wenigen
giftigen Säuge-
tiere Mittel­
                  Foto: All2014, istockphoto.com

europas.

Neugeborene
Wasserspitz­
mäuse in
ihrem Nest
                                                                      Foto: Rudmer Zwerver, shutterstock.com
                  Foto: All2014, shutterstock.com

                                                    © LUBW   Vitale Gewässer in Baden-Württemberg                                      27
13 Der fliegende Edelstein
   Eisvogel (Alcedo atthis)

                                                                                                                        Fotos: Jagst, Heiko Lehmann, RP Stuttgart; Eisvogel, aaltair, shutterstock.com
                                                               D     er Eisvogel ist ein seltener, aber auch unver-
                                                                     wechselbarer Gewässerbewohner. Die bunte
                                                               Färbung ist für seinen Lebensraum eine gute Tarnung.
Der ideale Lebensraum                                          Die blaue Oberseite des Eisvogels lässt ihn von oben
für den Eisvogel
                                                               mit der Wasseroberfläche verschmelzen, während ihn
Der Eisvogel bevorzugt klare,
mäßig fließende oder stehende                                  die orangebraune Unterseite auf seiner Sitzwarte und
Gewässer mit einem ausreichen­                                 an der Bruthöhle tarnt. Der Eisvogel gehört zu den
den Bestand an kleinen Beute­
fischen. Als Sitzwarte dienen ihm                              besonders und streng geschützten Arten.
häufig über das Wasser hängende Äste, von
denen aus er nach Beute im Wasser Ausschau
hält. Der Eisvogel brütet in Nisthöhlen, die
er in Steilufer und in erodierte Prallhänge mit                Der Eisvogel wird wegen seines schillernden Gefie-
lehmig-sandigen Abbruchkanten gräbt.                           ders auch „Fliegender Edelstein“ genannt. In der Brut-
                                                               zeit von März bis September gräbt er Bruthöhlen in
                                                               Steilufer und zieht darin zwei, selten auch drei oder
                                                               sogar vier Bruten auf. Bei diesen sogenannten Schach-
                                                               telbruten legt das Weibchen bereits ein neues Gelege,

                              28    Vitale Gewässer in Baden-Württemberg   © LUBW
während das Männchen die Jungen der vorherigen ihren Jungen zu fliegen, um diese zu füttern. Dies kann
Brut noch füttert, bis sie das Nest verlassen.         für die Küken tödlich enden. Kalte Winter und Hoch-
                                                       wasser während der Brutzeit führen bei Eisvögeln zu
Außerhalb der Paarungszeit leben Eisvögel als stand- einer hohen Sterblichkeitsrate. So kann die Popula­
orttreue Einzelgänger. Sie bleiben meist im ihrem tionsgröße von Jahr zu Jahr stark schwanken und teil-
­Revier, das einen Bach- oder Flussabschnitt von circa weise um bis zu 70 Prozent dezimiert werden. Eine
 einem Kilometer umfasst.                              hohe Fortpflanzungsrate gleicht solche Verluste in
                                                       ­relativ kurzer Zeit aber wieder aus.
 VERBREITUNGSGEBIET
                                                        Als FFH-Art ist der Eisvogel in Baden-Württemberg
 Da der Eisvogel ganz besonders auf naturnahe Fließ- besonders streng geschützt und steht auf der Vorwarn-
 gewässer angewiesen ist, findet man ihn in Baden- liste für gefährdete Arten. Da seine Beutefische auf
 Württemberg vor allem an naturnahen Gewässer­ gute Wasserqualität angewiesen sind und er natur­
 abschnitten mit lehmig-sandigen Uferabbrüchen, bei- nahe Strukturen am Gewässer benötigt, ist der Eis­
 spielsweise an der Jagst, am Kocher, an der Enz, am vogel ein guter Indikator für vitale Gewässer und als
 Neckar, an der Donau oder am Oberrhein.                Schirmart für den Schutz vieler anderer Arten am und
                                                        im Wasser geeignet.
 NAHRUNG

Von einem über das Wasser hängenden Ast oder
­einem anderen geeigneten Sitzplatz hält der Eisvogel
                                                                                                                                                                                                     Abflug von der
 Ausschau nach Beute im Wasser. Hat er ein Beutetier,                                                                                                                                                Bruthöhle

 meist ein kleiner Fisch, entdeckt, taucht er im Sturz-
 flug ins Wasser. Nach erfolgreicher Jagd wird die
 ­Beute an einem Stein oder Ast bewusstlos geschlagen,
                                                                                                                                                              Foto: Daniel Dunca, shutterstock.com

  bevor der Eisvogel damit zur Bruthöhle fliegt, um den
  Nachwuchs zu füttern.
                                                                                                                                                  Eisvögel
GEFÄHRDUNG UND SCHUTZ                                                                                                                             auf einer
                                                                                                                                                  typischen
                                                                                                                                                  Sitzwarte

Der Eisvogel hat wenig natürliche Feinde. Allerdings
können einzelne Bruten durch Hauskatzen, Wiesel
und Greifvögel gefährdet werden. Störungen durch die
Anwesenheit von Menschen oder gar häufiger Trubel
in der Nähe der Brutröhre hindern Altvögel daran, zu
                                                                       Foto: Joefrei, eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org

Eintauchender
Eisvogel beim
Beutefang
                Foto: Marek Cech, shutterstock.com

                                                     © LUBW   Vitale Gewässer in Baden-Württemberg                                                                29
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