Vitale Gewässer in Baden-Württemberg - Leben im und am Gewässer - Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg
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Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg Vitale Gewässer in Baden-Württemberg Leben im und am Gewässer
IMPRESSUM HERAUSGEBER: LUBW Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg Postfach 100163, 76231 Karlsruhe www.lubw.baden-wuerttemberg.de WBW Fortbildungsgesellschaft für Gewässerentwicklung mbH Karlstraße 91, 76137 Karlsruhe www.wbw-fortbildung.de BEARBEITUNG: AG Vitale Gewässer in Baden-Württemberg Thorsten Kowalke, Dietmar Klopfer – Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg Bernd Karolus – LUBW Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg Harald Miksch, Dr. Sandra Röck – WBW Fortbildungsgesellschaft für Gewässerentwicklung Johannes Reiss, Kathrin Bross – Büro am Fluss e.V. TEXTBEITRÄGE: LUBW Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg, Abteilung Nachhaltigkeit und Naturschutz Fischereiforschungstelle Baden-Württemberg GESTALTUNG UND TEXTREDAKTION: xx Design Partner, Stuttgart LEKTORAT: Sigrid Englert, Stuttgart
INHALTSVERZEICHNIS IMPRESSUM 2 1 DER KLEINE MÄRCHENDRACHE – KAMMMOLCH (TRITURUS CRISTATUS) 4 2 DER LURCH IN DEN LANDESFARBEN – FEUERSALAMANDER (SALAMANDRA SALAMANDRA) 6 3 DIE SCHIMMERNDE SCHÖNHEIT – BLAUFLÜGEL-PRACHTLIBELLE (CALOPTERYX VIRGO) 8 4 DER BEGNADETE BAUMEISTER – EUROPÄISCHER BIBER (CASTOR FIBER) 10 5 DIE WANDERNDE RIESIN – SEEFORELLE (SALMO TRUTTA) 12 6 DIE ANSPRUCHSVOLLE SCHMAROTZERIN – BACHMUSCHEL (UNIO CRASSUS) 14 7 DIE FISCHERIN DER NACHT – WASSERFLEDERMAUS (MYOTIS DAUBENTONII) 16 8 DER RITTER MIT DEN SCHERENHÄNDEN – STEINKREBS (AUSTROPOTAMOBIUS TORRENTIUM) 18 9 DER KIESLIEBENDE CHARAKTERVOGEL – FLUSSREGENPFEIFER (CHARADRIUS DUBIUS) 20 10 DIE FLOTTIERENDE FILIGRANE – ZIERLICHE TELLERSCHNECKE (ANISUS VORTICULUS) 22 11 DAS LEBENDE FOSSIL – BACHNEUNAUGE (LAMPETRA PLANERI) 24 12 DIE BETÄUBENDE TAUCHERIN – WASSERSPITZMAUS (NEOMYS FODIENS) 26 13 DER FLIEGENDE EDELSTEIN – EISVOGEL (ALCEDO ATTHIS) 28 LEGENDE PIKTOGRAMME 30 © LUBW Vitale Gewässer in Baden-Württemberg 3
1 Der kleine Märchendrache Kammmolch (Triturus cristatus) Foto: Tümpel beim Nüstenbach im Neckar-Odenwald-Kreis, Jürgen Gerhardt; Kammmolch, Torsten Bittner Der ideale Lebensraum für den Kammmolch M it seinem auffälligen Rückenkamm, seiner präch- tigen Färbung und dem silbrigen Band an den Schwanzseiten, dem sogenannten „Milchstreifen“, Der Kammmolch braucht besonnte und fischfreie Stillgewässer. Dazu erinnert das Männchen des Kammmolchs im Hoch- zählen beispielsweise Altarme, Kiesgruben, zeitskleid an einen Märchendrachen. Wenn sich die Weiher, Tümpel und Gräben, die eine gut zersetzte, lehmige Schlammschicht an der Lurche zur Überwinterung gegen Ende des Sommers Gewässersohle besitzen und mit Wasserpflanzen bewachsen sind. Im nahen Umfeld des Laich in ihre Landlebensräume zurückziehen, bilden sich gewässers sollten sich Feucht- und Nass wiesen, Brachen oder lichte Wälder befinden, die Hautsäume des Rückenkamms zurück. Bei Gefahr wo Totholz, Steinhaufen und Holzstapel dem Kammmolch gute Versteck- und Über kann der Kammmolch ein milchiges Hautsekret ab- winterungsmöglichkeiten bieten. sondern, das beim Menschen Hautreizungen hervor- rufen kann. Sobald die Witterung nachts frostfrei bleibt, wandert der Kammmolch aus seinem Winter- quartier in die Laichgewässer. Einige Tiere überwin- tern auch direkt im Gewässer. In der Laichzeit zwi- schen April und Mai werben die Männchen mit einem 4 Vitale Gewässer in Baden-Württemberg © LUBW
Balztanz um die Gunst der Weibchen und tragen ihr Krebse, Würmer, Egel und Schnecken. Auch die Eier auffälliges Hochzeitskleid. Ist eine Partnerin gefun- und Larven anderer Amphibien verschmäht er nicht. den, legt das Männchen ein Samenpacket ab, das vom An Land werden Regenwürmer, Schnecken, Insek- Weibchen aufgenommen wird. Nach circa einer ten und ihre Larven gejagt. Die Molche werden Woche beginnt die Eiablage. Dafür faltet das Weib- ihrerseits von Vögeln, Schlangen und Raubfischen chen eine Tasche in den Blättern von Wasserpflanzen. gefressen. Über mehrere Wochen werden darin insgesamt bis zu 400 Eier abgelegt. GEFÄHRDUNG UND SCHUTZ VERBREITUNGSGEBIET In Baden-Württemberg ist der Kammmolch stark gefährdet. Er ist durch das Bundesnaturschutzgesetz In Deutschland ist der Kammmolch weit, aber lücken- besonders und streng geschützt und wird im Anhang haft verbreitet. Er fehlt vor allem in höheren Lagen und II und IV der Fauna-Flora-Habitat-Richtline (FFH- in stark landwirtschaftlich geprägten Gebieten. Richtlinie) geführt. Zu den wichtigsten Gefährdungs- ursachen zählen die Zerstückelung der Habitate und NAHRUNG das Erschweren der Wanderungen etwa durch den Bau von Straßen. Außerdem spielt der Verlust von Bei der Nahrungsaufnahme ist der Kammmolch nicht wertvollen Habitaten durch die Zerstörung oder Ent- wählerisch. Gerade während der Paarungszeit sind die wertung von Kleingewässern durch Verfüllung oder Molche auf ein reichhaltiges Nahrungsangebot ange- Trockenlegung eine große Rolle. Schutzmaßnahmen wiesen. Sie fressen allerlei Wassertiere wie kleine sind daher der Erhalt und die Neuanlage von geeig neten Laichgewässern und Wanderkorridoren, die Offenhaltung der Laichgewässer und die Verhinde- rung von Fischbesatz. Foto: Torsten Bittner Männlicher Kammmolch im Hochzeits kleid Larve eines Kammmolchs Foto: Piet Spaans, eigenes Werk, CC BY-SA 2.5, https://commons.wikimedia.org Foto: Piet Spaans, eigenes Werk, CC BY-SA 2.5, https://commons.wikimedia.org Embryo eines Kamm molchs in seiner Eihülle; für das Foto wurde das zusammen gefaltete Blatt aufge klappt © LUBW Vitale Gewässer in Baden-Württemberg 5
2 Der Lurch in den Landesfarben Feuersalamander (Salamandra salamandra) Foto: Monbach im Landkreis Calw und Feuersalamander, Torsten Bittner D er Feuersalamander ist mit einer Körperlänge von rund 20 Zentimeter unser größter heimi- scher Schwanzlurch und die einzige einheimische Der ideale Lebensraum Amphibienart, die fertig entwickelte Larven gebärt. für den Feuersalamander Erwachsene Tiere sind durch ihre variable schwarz- Der Feuersalamander ist die einzige heimische Amphibienart, die zur Fortpflanzung Fließ gelbe Zeichnung unverwechselbar. Feuersalamander gewässer bevorzugt. Geeignete Gewässer für gehören zu den besonders geschützten Arten. seine Larven sind naturnahe Waldbäche und Quellen. Aber auch stehende Kleingewässer können Salamanderlarven enthalten. Der typi sche Lebensraum der erwachsenen Feuer Der Feuersalamander kommt in der kalten Jahreszeit salamander sind feuchte Laub- und Mischwälder in der Umgebung der Fortpflanzungsgewässer. nur an besonders warmen und windstillen Tagen gele- Tagsüber dienen Erdlöcher, Baumstümpfe, Steine und Moos den dämmerungs- und nacht gentlich aus seinem Versteck. Besonders aktiv ist die aktiven Tieren als ideales Versteck. Art bei Regen und bei Temperaturen über acht Grad Celsius und bei Windstille, dem sogenannten „Sala- manderwetter“. Bei Frost zieht er sich in sein Winter- quartier zurück. Die Paarung findet zwischen April 6 Vitale Gewässer in Baden-Württemberg © LUBW
und September ausschließlich an Land statt. Nach der GEFÄHRDUNG UND SCHUTZ Paarung trägt das Weibchen die Embryonen etwa acht bis neun Monate aus, bevor es die kiementragenden Alle einheimischen Amphibienarten stehen gemäß Larven dann im Frühjahr in möglichst ruhigen Berei- Bundesnaturschutzgesetz unter besonderem Schutz. chen kleiner Bäche absetzt. Als charakteristisches Hierzu gehört auch der Alpensalamander, der als Merkmal des Feuersalamanders gelten die leuchtend alpine Art nur im äußersten Südosten Baden-Würt- gelben Flecken. Diese Warntracht soll anderen Tieren tembergs im Bereich der Adelegg vorkommt. Der signalisieren: Vorsicht giftig! Normalerweise verursa- Alpensalamander ist als Art des Anhangs IV der Fauna- chen seine giftigen Sekrete beim Menschen – wenn Flora-Habitat-Richtlinie zusätzlich „streng g eschützt“ überhaupt – nur ein leichtes Brennen auf der Haut. und bringt voll entwickelte Jungtiere zur Welt. VERBREITUNGSGEBIET In der App „Meine Umwelt“ oder über www.feuer salamander-bw.de können Feuersalamanderfunde ge- Der Feuersalamander ist in Deutschland vor allem in meldet werden. Jede Meldung hilft der LUBW, einen bewaldeten Landschaften beheimatet. Dies sind vor aktuellen Überblick über die Verbreitung der ver- allem Hügel- und Berglandschaften. Verbreitungs- steckt lebenden Art zu erhalten und dient somit als schwerpunkte gibt es im westlichen, mittleren und Grundlage für erfolgreiche Schutzmaßnahmen. südwestlichen Deutschland. In Baden-Württemberg ist der Feuersalamander relativ weit verbreitet. Natür- Im Frühjahr setzt das liche Verbreitungslücken bestehen im Bereich des Weibchen die Oberrhein-Tieflandes, auf der Schwäbischen Alb und Larven in kleine Bäche im Alpenvorland. und Flüsse ab. NAHRUNG Jeder Feuer- salamander Erwachsene Salamander ernähren sich weitgehend hat eine indivi duelle Farb- von wirbellosen Organismen wie Asseln, kleinen wei- zeichnung, Foto: Torsten Bittner deren Farb- chen Käfern sowie Wegschnecken. Daneben stehen intensität auch auch Regenwürmer, Spinnen und Insekten auf dem von der Umge bung beein Speiseplan. Die im Wasser lebenden Salamanderlar- flusst wird. ven verlassen im Dunkeln ihr Versteck und machen Jagd auf Insektenlarven, Bachflohkrebse, Wasseras- seln und Würmer. Larve des Foto: André Chatroux/Luna04, FreeArt Licence 1.3, https://commons.wikimedia.org Feuer salamanders Foto: Torsten Bittner © LUBW Vitale Gewässer in Baden-Württemberg 7
3 Die schimmernde Schönheit Blauflügel-Prachtlibelle (Calopteryx virgo) Fotos: Kurzach im Landkreis Ludwigsburg, Jürgen Gerhardt; Blauflügel-Prachtlibelle, Torsten Bittner, und TessarTheTegu, shutterstock.com Der ideale Lebensraum für die Blauflügel-Prachtlibelle Während viele Libellenarten an D as Männchen der Blauflügel-Prachtlibelle ist leicht an der metallisch blauen Farbe und den flächig blau gefärbten Flügeln zu erkennen. Das Weib- Stillgewässern leben, bevorzugt die Blauflügel-Prachtlibelle nährstoff chen trägt eine unscheinbarere bronzene bis kupferne arme, kalte Fließgewässer. Ein hoher Sauerstoffgehalt des Wassers ist dabei Färbung. Die Blauflügel-Prachtlibelle ist auf kalte, für die Larven überlebenswichtig, denn warmes und sauerstoffarmes Wasser sauerstoffreiche Bäche und Flüsse angewiesen. Dank kann die Libellenlarven schädigen. Die Larven der Blauflügel-Prachtlibelle leben ein oder der Verbesserung der Wasserqualität hat sich ihr Be- zwei Jahre am Gewässergrund und halten sich dabei überwiegend zwischen Wasserpflanzen stand in Baden-Württemberg deutlich erholt. Inzwi- und Wurzeln auf. Darüber hinaus werden schen zählt sie nicht mehr zu den gefährdeten Arten. auchTreibgut, Totholz, Steine und unterspülte Ufer von den Larven besiedelt. Die Blauflügel-Prachtlibelle hat ein außergewöhnli- ches Paarungsverhalten. Die Männchen erobern und verteidigen Reviere, die sich gut zur Eiablage eignen. Erreicht ein Weibchen die Reviergrenze, fliegt ihm das Männchen in einem Schwirrflug entgegen, wobei 8 Vitale Gewässer in Baden-Württemberg © LUBW
es die rötliche Unterseite seiner letzten drei Hinter- NAHRUNG leibsegmente („Laterne“) präsentiert. Die Flügel des Männchens bewegen sich dabei so schnell, dass man Wie alle Libellenlarven leben auch die Larven der nur einen breiten blauen Streifen sieht. Schwirrend Blauflügel-Prachtlibelle räuberisch. Sie ernähren sich zeigt das Männchen dem Weibchen geeignete Ei von Insektenlarven wie denen der Kriebel- und Zuck- ablageplätze auf. Ist das Weibchen überzeugt, zeigt es mücke, Stein- und Eintagsfliege sowie von Flohkreb- kein Abwehrverhalten mehr, sondern bleibt ruhig sen. Sie verteidigen ihren Sitzplatz gegenüber anderen sitzen, sodass die Paarung beginnen kann. Nach der Libellenlarven, vor allem vor denen der eigenen Art. Paarung macht sich das Weibchen an die Eiablage. Dazu fliegt es über geeignete Wasserpflanzen im Re- GEFÄHRDUNG UND SCHUTZ vier und sticht seine Eier im Bereich des Wasserspie- gels und darunter in den Stängel der Pflanze. Das Vor allem die Larven der Blauflügel-Prachtlibelle lei- Weibchen klettert dabei auch kopfabwärts am Stängel den unter Verschmutzung, Verbauung und fehlender hinab und kann – dank einer Luftblasenhülle – bis zu Beschattung von Gewässern. In Baden-Württemberg einer Stunde unter Wasser bleiben. Während der Ei- hat sich der Bestand der Blauflügel-Prachtlibelle ablage wird das Weibchen vom Männchen b eobachtet aufgrund der verbesserten Gewässerqualität in den und gegen andere Männchen verteidigt. Die aus den letzten Jahren gut erholt. Eine Verminderung der Eiern geschlüpften Larven leben ein oder zwei Jahre Nährstoffbelastung und der Erhalt bzw. die Wieder- im Gewässer und häuten sich in dieser Zeit zehn herstellung von vitalen Fließgewässerabschnitten mit bis zwölf Mal, bis sie rund 23 Millimeter groß sind. abschnittsweiser Uferbepflanzung sind wirksame Maß- Danach beginnen sie ihr Leben als ausgewachsene nahmen zum Erhalt dieser Art. Libelle oberhalb der Wasseroberfläche. Detailauf nahme des VERBREITUNGSGEBIET Kopfes der Foto: Maciej Olszewski, shutterstock.com Blauflügel- Prachtlibelle Die Blauflügel-Prachtlibelle findet man bis in Höhen von 900 Meter überall dort, wo sauerstoffreiches Was- ser und eine entsprechende Gewässervegetation vor- handen sind. Larve der Blauflügel- Prachtlibelle Foto: Robert Mertl, shutterstock.com Foto: Calopteryx virgo 19, Bosbeekjuffer, larva, Saxifraga-Frits Bink, www.saxifraga.nl Ein Männchen und ein Weibchen der Blauflügel- Prachtlibelle bei der Paarung © LUBW Vitale Gewässer in Baden-Württemberg 9
4 Der begnadete Baumeister Europäischer Biber (Castor fiber) Fotos: Lippach im Landkreis Tuttlingen, Jürgen Gerhardt; Biber, Podolnaya Elena, shutterstock.com D er Biber hat die Fähigkeit, als „geborener Was- serbaumeister“ seinen Lebensraum nach seinen Bedürfnissen zu gestalten. Durch seine Dammbau- Der ideale Lebensraum werke formt er sich und auch vielen Pflanzen und für den Europäischen Biber anderen Tieren einen geeigneten Lebensraum aus Der Biber bevorzugt langsam fließende und stehende Gewässer mit einem guten Angebot Bach- und Seenlandschaft. Der Biber ist der größte an Weichholzarten, wie zum Beispiel Weiden heimische Nager und unverkennbar durch seinen und Pappeln in Ufernähe. Wo diese nicht mehr vorhanden sind, zeigt sich der Biber aber Schwanz, die Biberkelle. Er ist ein Säugetier und kann sehr anpassungsfähig und siedelt sich auch an anderen Gewässern an. in Gefangenschaft bis zu 20 Jahre alt sowie bis zu 30 Kilogramm schwer werden. Nach dem Bundesnatur schutzgesetz ist der Biber eine streng geschützte Art. Der Körper des Bibers ist perfekt an seine Lebensweise im Wasser angepasst. So besitzt er Schwimmhäute an den Hinterpfoten. Beim Tauchen kann er Nase und 10 Vitale Gewässer in Baden-Württemberg © LUBW
Ohren wasserdicht verschließen und seine Augen nagen die Tiere die Rinde der Bäume ab. Zweige durch ein zusätzliches durchsichtiges Augenlid schüt- und Äste dienen darüber hinaus als Baumaterial für zen. 23.000 Fellhaare pro Quadratzentimeter erzeugen Dämme und für die Biberburg. eine wärmeisolierende Luftschicht, die gleichzeitig beim Schwimmen Auftrieb verleiht. Der breite, schup- GEFÄHRDUNG UND SCHUTZ pige Schwanz des Bibers ist ein ideales Steuerruder. Bei Gefahr warnt er damit auch seine Artgenossen, Der Europäische Biber steht auf der Vornwarnliste der indem er ihn klatschend auf das Wasser schlägt. Roten Liste der gefährdeten Säugetiere in Deutschland und ist über die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie eine in Biber leben monogam und können im Jahr ein bis Europa streng geschützte Art. vier Junge zur Welt bringen. In der Regel besteht eine Biberfamilie aus den Elterntieren und den letzten bei- Der Biber ist vor allem durch die Zerstörung seines den Jungtieren. Als Rückzugsort dient ihr ein Wohn- Lebensraumes, etwa durch den Gewässerausbau und bau, der Ergebnis einer umfangreichen Bautätigkeit die Fragmentierung der Landschaft, sowie durch den ist. Solche Biberbauten bestehen aus Wohnbauten Verkehrstod auf Straßen und Bahngleisen gefährdet. und Dämmen, die aus losen Ästen, Zweigen, Steinen, Schlamm und durch den Biber gefällte B äume errich- Die Ansprüche des Bibers an sein Habitat kollidieren tet werden. Als Wohnbau gräbt der Biber entweder oftmals mit gewässernahen Nutzungen von Men- ein Höhlensystem in Uferböschungen oder er schich- schen. Konflikte sind daher vorprogrammiert und es tet Äste, Zweige und anderes Baumaterial zu einer müssen Kompromisse für ein Miteinander erarbeitet Biberburg aufeinander, in deren Innerem sich ein werden. Da die meisten Biberaktivitäten in einem Wohnkessel befindet und die vollständig von Wasser schmalen Streifen beiderseits des Gewässers stattfin- umgeben ist. Der Zugang zu den Wohnbauten liegt den, kann bereits ein zehn Meter breiter gewässer zum Schutz vor Eindringlingen immer unter der typischer Gewässerrandstreifen vielfach helfen, das Wasseroberfläche; der Wohnraum selbst befindet sich Gefährdungspotenzial zu vermeiden. über der Wasseroberfläche. VERBREITUNGSGEBIET Aufgrund von Schutzmaßnahmen und der natürlichen Ausbreitung leben aktuell wieder mehrere tausend Auch das Fällen dicker Biber in Baden-Württemberg. Es ist zu erwarten, dass Bäume stellt für den Biber der Biber bald wieder flächendeckend an den Bächen mit seinen und Flüssen des Landes vorkommt. eisenoxid Foto: Procy, shutterstock.com haltigen Nage- zähnen kein Problem dar. NAHRUNG Als reiner Pflanzenfresser besteht die bevorzugte Nahrung des Bibers aus weichem Ufergehölz, Gräsern Schwimm häute an den und krautigen Pflanzen. Sofern gewässernah, werden Hinterpfoten und ein Foto: Podolnaya Elena, shutterstock.com auch Nutzpflanzen wie Mais und Zuckerrüben oder abgeflachter Obstbäume nicht verschmäht. Mit ihren durch eine Schwanz machen den eisenoxidhaltige Schmelzschicht geschützten Nage- Biber zu einem perfek- zähnen können Biber auch dickere Bäume fällen, um ten Schwim mer. an junge Triebe und Knospen zu kommen. Im Win- ter, wenn keine Knospen und Triebe zu finden sind, © LUBW Vitale Gewässer in Baden-Württemberg 11
5 Die wandernde Riesin Seeforelle (Salmo trutta) Fotos: Rotach im Bodenseekreis , Jürgen Gerhardt; Seeforelle, Peter Rey, Büro Hydra Der ideale Lebensraum D ie Seeforelle bewohnt größere Seen und wan- dert zum Laichen in die Zuflüsse bis in die Oberläufe auf. In der Regel bevorzugt sie dabei das für die Seeforelle Gewässer, in dem sie selbst aufgewachsen ist. Der Bodensee ist in Baden-Württemberg der Lebensraum der Seeforelle. Von hier aus wandert sie zu ihren Laichgebieten in die Ihre Laichgrube legt sie auf sauberen, überströmten Zuflüsse des Sees. Saubere, überströmte, gut mit Sauerstoff versorgte Kiessubstrate sind und gut mit Sauerstoff versorgten Kiessubstraten an. ideale Gewässerabschnitte zum Laichen. Diese können von den Seeforellen allerdings Im Bodensee und seinen Zuflüssen ist sie heimisch. nur erreicht werden, wenn die Durchgängigkeit der Gewässer gewährleistet ist. Um den Bestand zu sichern, sind durchgängige Laich gewässer Grundvoraussetzung. Die Seeforelle ist die größte Forellenart in Deutsch- land. Sie kann über einen Meter lang werden und 15 Kilogramm wiegen. Sie hat einen langestreckten, seitlich leicht abgeflachten Körper. Die meist sehr 12 Vitale Gewässer in Baden-Württemberg © LUBW
hellen Flanken sind mit unregelmäßigen schwärz NAHRUNG lichen, gelegentlich auch braunen oder rötlichen Punkten oder Ringen gemustert. Bei der Seeforelle Seeforellen ernähren sich überwiegend von Kleintie- handelt es sich im zoologischen Sinn nicht um eine ren, größere Seeforellen auch von kleineren Fischen eigenständige Art, sondern um eine großwüchsige, und Krebstieren. weit wandernde Bachforelle. GEFÄHRDUNG UND SCHUTZ Seeforellen nutzen dieselben Laichgewässer wie die Bachforellen. Die Jungfische verbleiben zunächst Aufgrund ihrer Laichwanderungen ist die fortpflan- im Geburtsgewässer und wandern meist im zweiten zungswillige Seeforelle auf durchwanderbare Bäche Lebensjahr in den Bodensee ab, um dort binnen und Flüsse angewiesen. In der Vergangenheit wurden weniger Jahre zu stattlichen Seeforellen heranzu zahlreiche Laichgewässer wieder zugänglich gestaltet. wachsen. Nach wie vor verhindert jedoch eine hohe Anzahl an Querbauwerken ein erfolgreiches Einwandern in VERBREITUNGSGEBIET geeignete Laichhabitate. Die Durchgängigkeit der Gewässer für den zügigen Auf- und Abstieg hat für Die wichtigsten baden-württembergischen Laichge- die Seeforelle daher höchste Priorität. Nur so können wässer der Seeforelle sind die Argen, die Schussen, zusammen mit Artenschutzmaßnahmen, wie zum Bei- die Rotach, die Seefelder Aach und die Stockacher spiel der gezielte Besatz mit erbrüteten Jungfischen, Aach sowie ihre Zuflüsse. die Seeforellenbestände dauerhaft gesichert werden. Junge Bachforelle über Kies substrat Foto: Angel L, shutterstock.com Bis zu 15 Kilo gramm schwer kann Foto: Rostislav Stefanek, shutterstock.com eine See forelle werden. Die Seeforelle ist keine eigenständige Art, sondern eine sehr große Bach forelle. Foto: Peter Rey, Büro Hydra © LUBW Vitale Gewässer in Baden-Württemberg 13
6 Die anspruchsvolle Schmarotzerin Bachmuschel (Unio crassus) Fotos: Schwarzbach im Landkreis Waldshut, Jürgen Gerhardt; Bachmuschel, Michael Pfeiffer Der ideale Lebensraum D ie Bachmuschel ist zur Fortpflanzung auf Wirts- fische angewiesen. Die durch die weiblichen Muscheln ins Wasser ausgestoßenen Larven nisten für die Bachmuschel sich in den Kiemen einiger Fischarten ein und schma- Die Bachmuschel benötigt als Lebensraum saubere, sauerstoffreiche Bäche und kleine rotzen dort. Nach der Entwicklung zur Jungmuschel Flüsse. Um sich in der Gewässersohle eingraben leben sie in sandigem bis feinkiesigem Substrat in sau- zu können, ist die Bachmuschel zudem auf lockeres Substrat und als Filtriererin auf beren, sauerstoffreichen Fließgewässern. Sie gehören fließendes Wasser angewiesen. Darüber hinaus setzt eine erfolgreiche Fortpflanzung der zu den streng geschützten FFH-Arten. Bachmuschel einen ausreichenden Bestand an Wirtsfischen voraus. Deshalb muss das Gewässer auch diesen ausgewählten Fischarten ideale Lebensbedingen bieten. Dazu zählen Die Bachmuschel gehört zu den Weichtieren und hat zum Beispiel ein entsprechender Struktur eine Lebenserwartung von bis zu 30 Jahren. Wie alle reichtum, Durchgängigkeit des Bachlaufs und ein Kieslückensystem für die Laichablage. Muscheln besitzt sie eine Schale mit zwei Klappen und einem kräftigen Schließmuskel. Die Schale kann bis zu zehn Zentimeter lang sein. Die Kiemen dienen der Atmung und der Aufnahme von Schwebstoffen im 14 Vitale Gewässer in Baden-Württemberg © LUBW
Wasser. Der kräftige Fuß der Bachmuschel dient GEFÄHRDUNG UND SCHUTZ zur Fortbewegung und zum Eingraben. Bachmuscheln sind getrenntgeschlechtlich. Zur Fortpflanzung gibt Die Belastung der Gewässer mit Nährstoffen und die männliche Bachmuschel Samen ins freie Wasser Feinsedimenten wird als wichtigste Ursache für den ab, die die weibliche einstrudelt. Die Spermien gelan- Rückgang der Bachmuschel angesehen. Diese ver gen über das Atemwasser des Weibchens zu den ein- stopfen das Lückensystem der Gewässersohle und gelagerten Eiern und befruchten diese. Die sich aus schaden damit nicht nur der Bachmuschel direkt, son- den Eiern entwickelnden Muschellarven werden von dern auch ihren Wirtsfischen, die unter einem Mangel den Muttertieren ins Wasser abgestoßen. Die Larven geeigneter Laichplätze leiden. Bachmuscheln sind aber haben nun maximal drei Tage, um sich an einen Wirts- auch auf eine naturschonende Gewässerunterhaltung fisch anzuheften, sonst sterben sie ab. Am Wirtsfisch angewiesen, um eine Störung ihrer Lebensräume und ernähren sich die Larven parasitär an dessen Kiemen. direkte Schädigung der Tiere durch Entnahme aus Bekannte Wirtsfischarten sind Döbel, Flussbarsch, dem Gewässer zu vermeiden. Weitere Informationen Elritze, Rotfeder, Kaulbarsch, dreistachliger Stich- findet man im LUBW-Artensteckbrief „Bachmuschel“. ling und Groppe. Nur ein sehr geringer Anteil der Muschellarven findet rechtzeitig einen Wirt. Dies schränkt den Fortpflanzungserfolg der Bachmuschel zwar ein, bietet der Art aber den Vorteil, sich über Unter idealen die Fische im Gewässer gut verbreiten zu können. Lebens bedingungen Der Bitterling ist die einzige Fischart, die den Spieß können Bach- umdreht und ihre Eier zum Schutz vor Fressfeinden in muscheln bis zu 30 Jahre alt Großmuscheln ablegt. Die Muscheln werden dabei werden. nicht beschädigt. VERBREITUNGSGEBIET Foto: Jiri Prochazka, shutterstock.com Die verbleibenden Vorkommen der Bachmuschel in Baden-Württemberg konzentrieren sich auf die mitt- Kiemen lere Oberrheinebene, die Einzugsgebiete von Jagst öffnung einer eingegrabenen und Kocher sowie Teile von Oberschwaben. Bachmuschel NAHRUNG Bachmuscheln filtrieren Plankton, Bakterien, Kiesel- algen und organische Schwebstoffe aus dem Gewäs- ser. Auf diese Weise reinigt ein erwachsenes Tier bis zu vier Liter Wasser pro Stunde. Foto: Kuttelvaserova Stuchelova, shutterstock.com Der Döbel – Foto: Michael Pfeiffer ein typischer Wirtsfisch für die Fortpflan zung der Bachmuschel © LUBW Vitale Gewässer in Baden-Württemberg 15
7 Die Fischerin der Nacht Wasserfledermaus (Myotis daubentonii) Fotos: Neckarwasen im Landkreis Esslingen, Jürgen Gerhardt; Wasserfledermaus, Dietmar Nill Der ideale Lebensraum D ie Wasserfledermaus verdankt ihren Namen ihrem Jagdrevier. Deshalb wird sie auch als Fischerin unter den Fledermäusen bezeichnet. Sobald für die Wasserfledermaus es dämmert, zieht sie im Tiefflug ihre Bahnen über Die Wasserfledermaus jagt im Tiefflug über langsam fließende Flüsse und Bäche sowie über der Wasseroberfläche von ruhigen Gewässern. Dort Stillgewässer. Im Sommer schläft sie während findet sie einen reich gedeckten Tisch mit wirbellosen des Tages in Baumhöhlen, Stammrissen, Fledermauskästen oder in Spalten von Brücken Beutetieren. Sie gehört zu den besonders und streng in Gewässernähe. Als Winterquartiere dienen Höhlen, Bunker, Stollen, Brunnen sowie geschützten Arten. Felsspalten. Dort verschläft sie etwa die Hälfte des Jahres. Die Wasserfledermaus gehört zur Familie der Glatt nasen. Sie hat kurze Ohren mit einem für Myotis- Arten ungewöhnlich kurzen, abgerundeten Ohrdeckel (Tragus) sowie auffallend große Füße. Ihr Rückenfell ist mittel- bis dunkelgraubraun und ihr Bauchfell grauweißlich getönt. 16 Vitale Gewässer in Baden-Württemberg © LUBW
Die Paarung erfolgt während der Winterschlafphase. GEFÄHRDUNG UND SCHUTZ Vor der Begattung wecken die Männchen die Weib- chen mit Bissen ins Genick auf. Ein Balzen um die Fledermäuse haben zwar kaum natürliche Feinde, Weibchen ist nicht vonnöten, da diese in der Auf- aber sie kämpfen mit den negativen Folgen einer in- wachphase noch geschwächt sind. Nach dem Paa- tensiven Land- und Forstwirtschaft. Die Belastung der rungsakt setzen beide Geschlechter den Winterschlaf Landschaft mit Pestiziden führt zu einem Rückgang fort. Im Mai finden sich dann die trächtigen Weibchen der Insekten und damit der Nahrungsgrundlage der zu Kolonien zusammen – den sogenannten Wochen- Fledermäuse. Zusätzlich wurden und werden viele stuben, wo sie in Baumhöhlen nur ein einziges Junges Fledermausquartiere, vor allem alte Bäume mit Höh- zur Welt bringen. len und Spalten an Gewässern, im Zuge von Gewäs- serausbau und -unterhaltung durch Gehölzpflege und VERBREITUNGSGEBIET Rodungsarbeiten zerstört. Die Wasserfledermaus lebt in ganz Baden-Württem- Die Fledermaus-Bestände sind in den letzten 50 Jah- berg überall dort, wo ein geeignetes Lebensraumange- ren dramatisch zurückgegangen. Wie alle 21 in Baden- bot besteht. Württemberg heimischen Fledermausarten steht auch die Wasserfledermaus auf der Roten Liste sowie auf NAHRUNG der FFH-Artenliste und ist nach dem Bundesnatur- schutzgesetz besonders und streng geschützt. Während der Sommernächte lassen sich Wasserfleder- mäuse an ruhigen Gewässern beim Jagen von Insek- ten beobachten. Mücken, Fliegen oder kleine Falter kann die Wasserfledermaus direkt von der Wasser- oberfläche mit dem Mund wegfangen. Oft nutzt sie aber ihre großen Füße oder die Schwanzflughaut als Kescher. Eine Pause gönnt sie sich nach einem erfolgreichen Beutefang nicht: Noch im Flug wird die Beute verspeist und wenige Sekunden später schon der nächste Fang eingeleitet. Beobachtungen ergaben, dass eine Wasserfledermaus durchschnittlich alle vier Sekunden einem Insekt nachjagt. Dies bedeutet mehr als 2.000 erbeutete Insekten pro Nacht. Foto: Dietmar Nill Wasserfleder maus bei der Jagd Kopf der Foto: D. Kucharski K. Kucharska, shutterstock.com Foto: D. Kucharski K. Kucharska, shutterstock.com Wasserfleder maus Flügeldetail © LUBW Vitale Gewässer in Baden-Württemberg 17
8 Der Ritter mit den Scherenhänden Steinkrebs (Austropotamobius torrentium) Fotos: Nüstenbach im Neckar-Odenwald-Kreis, Jürgen Gerhardt; Steinkrebs, Nenad Djordjevic, shutterstock.com D er Steinkrebs gehört neben seinen beiden engen Verwandten, dem Dohlenkrebs (Austropotamo bius pallipes) und dem Edelkrebs (Astacus astacus) zu den Der ideale Lebensraum mitteleuropäischen Flusskrebsarten. Mit einer maxi- für den Steinkrebs malen Körperlänge von acht Zentimeter ist er der Kleine, kalte Bäche, die auf kleinstem Raum kleinste heimische Flusskrebs. Sein Bestand ist – wie verschiedene naturnahe der seiner beiden Verwandten – stark gefährdet. Da- Strukturen bieten, sind das Habitat des Steinkrebses. Damit sich dieser her sind alle heimischen Flusskrebse streng geschützt. wohlfühlt, sind eine gute bis sehr gute Wasser qualität und – um das Eindringen fremder Krebs- arten zu verhindern – ein möglichst isolierter Bachoberlauf Voraussetzung. Idealerweise Der dornenlose, glatte Körper des Steinkrebses ist bedeckt ein steiniges Substrat das Bachbett. Tagsüber verkriecht sich der nachtaktive Stein meist beige-grau bis olivgrün-braun marmoriert. Auch krebs in Höhlen, die er ins Ufer gräbt, un blaue Exemplare kommen vor. Im Gegensatz zum ter Steinblöcken oder zwischen Baumwurzeln. Edelkrebs besitzt er nur eine statt zwei Augenleisten, das Rostrum ist auffallend stumpf. Die Steinkrebs- Männchen sind mit kräftigeren Scheren ausgestat- 18 Vitale Gewässer in Baden-Württemberg © LUBW
tet als die Weibchen. Die Unterseite der Scheren ist dem übertragen die nordamerikanischen Arten den immer hell gefärbt. Um wachsen zu können, muss sich pilzähnlichen Krebspesterreger (Aphanomyces astaci). der Steinkrebs regelmäßig seines Panzers entledigen Dieser führt bei heimischen Krebsarten nach ein bis und häuten. Während der Edelkrebs in Seen, Wei- zwei Wochen ausnahmslos zum Tod und kann in kür- hern und größeren Bächen oder Flüssen anzutreffen zester Zeit ganze Populationen auslöschen. Das Aus- ist, findet man den Stein- und den Dohlenkrebs in setzen nicht heimischer Flusskrebse in unsere Gewäs- kleineren Fließgewässern. ser ist daher unbedingt zu vermeiden. Darüber hinaus können Wanderbarrieren verhindern, dass exotische VERBREITUNGSGEBIET Krebsarten die Lebensräume heimischer Flusskrebs- arten erreichen können. Baden-Württemberg ist das einzige Bundesland, in dem alle drei mitteleuropäischen Flusskrebsarten In Baden-Württemberg sind der Edel- und der Stein- anzutreffen sind. Die Verunreinigung und der natur- krebs stark gefährdet, der Dohlenkrebs gilt als vom ferne Ausbau zahlreicher Gewässer haben die ehe- Aussterben bedroht. Edel- und Steinkrebs sind nach mals flächendeckend vorkommenden heimischen der Bundesartenschutzverordnung streng beziehungs- Flusskrebse massiv dezimiert. Die Restvorkommen weise besonders geschützt und gehören zu den FFH- des Steinkrebses beschränken sich auf kleine, oft iso- Arten (Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie). lierte Gewässeroberläufe. NAHRUNG Ein Steinkrebs kriecht aus seinem Der Steinkrebs ernährt sich von pflanzlichem Mate Versteck. rial, Wasserinsekten, kleinen Mollusken und von Aas. GEFÄHRDUNG UND SCHUTZ Ein blaues Die Einschleppung und Ausbreitung vieler nicht hei- Foto: Christoph Chucholl Exemplar des in der Regel mischer Flusskrebsarten – wie zum Beispiel der Gali- beige-grau bis zierkrebs (Pontastacus Ieptodactylus), der Kamberkrebs olivgrün-braun marmorierten (Faxonius limosus), der Signalkrebs (Pacifastacus leniuscu Steinkrebses lus) oder der Kalikokrebs (Faxonius immunis) – gefähr- den massiv die heimischen Flusskrebse. Vor allem der Signalkrebs verdrängt aufgrund seines aggressiven Verhaltens, seiner schnelleren Vermehrung und seiner überlegenen Größe die heimischen Flusskrebse. Zu- Foto: Christoph Chucholl Foto: Christoph Chucholl Eier an der Schwanz unterseite eines Stein krebs-Weib chens © LUBW Vitale Gewässer in Baden-Württemberg 19
9 Der kiesliebende Charaktervogel Flussregenpfeifer (Charadrius dubius) Fotos: Murg im Landkreis Rastatt, Jürgen Gerhardt; Flussregenpfeifer, aaltair, shutterstock.com Der ideale Lebensraum für den Flussregenpfeifer D er Flussregenpfeifer ist der Charaktervogel ur- sprünglicher dynamischer Flusslandschaften. Er ist der kleinste bei uns brütende Watvogel. Im Früh- Vor allem nach der Schneeschmelze jahr, nach seiner Rückkehr aus den warmen Gefilden, und nach Hoch sucht er vom Hochwasser frisch angelegte flache Kies- wasser formen wilde, dynamische, unverbaute Flüsse und Bäche immer wieder neue unbe bänke und Schotterinseln auf. Dort brütet er und wachsene Kiesbänke oder Rohböden, die der Flussregenpfeifer als eine der ersten Arten tarnt seine Eier, die er ohne Nest auf den Boden legt. besiedelt. Flache Mulden in den Kies- und Schotterinseln nutzt er zur Ablage der Eier, Die Brutflächen sind in Baden-Württemberg nur noch die perfekt der Umgebung angepasst sind. Ein seichter, schlammiger Uferbereich mit zahl selten vorhanden. Er gehört zu den streng geschützten reichen Würmern, Insekten und Mollusken dient Arten. ihm als Nahrungsquelle. Im Frühjahr, nach der Rückkehr von der langen Reise aus den Winterquartieren in Afrika, baut sich der Flussregenpfeifer sein Nest in Windeseile. Eine flache Mulde im Kies, allenfalls „ausgepolstert“ mit einigen 20 Vitale Gewässer in Baden-Württemberg © LUBW
Kieselsteinchen, reicht für das Gelege. Ein brütender GEFÄHRDUNG UND SCHUTZ Flussregenpfeifer ist aufgrund seines Gefieders, eben- so seine wie Kieselsteine gefärbten Eier, auf einer Durch naturfernen Ausbau, Aufstau oder Schiffbar Kiesbank für seine Feinde kaum auszumachen. Nähert machung der Flüsse ging deren natürliche Dynamik sich dennoch ein Nesträuber, beispielsweise ein Fuchs verloren. Bestehende Kiesbänke verschwanden oder oder Marder, dann gibt der Flussregenpfeifer seine wurden mit der Zeit von der Vegetation überwuchert. Tarnung auf und läuft vom Nest weg. Damit zieht er Neue unbewachsene Kiesbänke oder Schotterinseln die Aufmerksamkeit des Räubers auf sich. Gelingt das konnten nicht entstehen. Der natürliche Lebensraum nicht, ruft er laut und mimt den flügellahmen, schwer des Flussregenpfeifers ging mehr und mehr verloren. verletzten Vogel. Der Nesträuber wittert leichte Beute Allein seine Fähigkeit, auf Ersatzlebensräume – etwa und stürzt sich auf den vermeintlich einfach zu fan- Kiesabbaugebiete an Baggerseen oder große Baustel- genden Vogel, der jedoch auffliegt und sicher ent- len – auszuweichen, bewahrte den Flussregenpfeifer kommt. Da die Kiesbank beim nächsten Hochwasser vor dem Aussterben. Langfristig profitiert die Art wieder überschwemmt wird, verlässt das Küken nach allerdings nur von einer Wiederherstellung der natür- dem Ausschlüpfen schnell seine Brutstelle. lichen Flussdynamik. VERBREITUNGSGEBIET Flussregenpfeifer sind an ständig wechselnde Flussland- schaften gewöhnt. Daher gehören sie meist zu den ers- Das Vorkommen des Flussregenpfeifers variiert regio- ten Arten, die revitalisierte Flussabschnitte mit neuen nal recht stark, da die aufgesuchten Pionierstandorte Kiesbänken wieder besiedeln. oft nur kurzzeitig zur Brut geeignet sind. In Baden- Württemberg brüten ca. 250 Flussregenpfeiferpaare, davon mehr als die Hälfte in der Oberrheinebene. Flussregen pfeiferpärchen Dort besiedelt er oft Ersatzbiotope in Kiesgruben und bei der Balz auf Deponien. Foto: Erni, shutterstock.com NAHRUNG Die Flussregenpfeifer sind meist zu Fuß am Ufer des Flusses unterwegs und ernähren sich dort von Insekten, Spinnen, Würmern, Mollusken und kleinen Krebstieren. Diese suchen sie dicht unter der Boden- oberfläche im Uferschlamm. Flussregen pfeiferküken Perfekt der Umgebung angepasst: Foto: francesco de marco, shutterstock.com das Gelege des Fluss regenpfeifers Foto: FJAH, shutterstock.com © LUBW Vitale Gewässer in Baden-Württemberg 21
10 Die flottierende Filigrane Zierliche Tellerschnecke (Anisus vorticulus) Fotos: Rheinauen im Landkreis Rastatt, Jürgen Gerhardt; Zierliche Tellerschnecke, Ira Richling D ie Zierliche Tellerschnecke lebt im Wasser. Sie hat im Gegensatz zu anderen Wasserschnecken jedoch keine Kiemen. Um Luft zu holen, kommt die Tellerschnecke daher in regelmäßigen Abständen an Der ideale Lebensraum die Wasseroberfläche. Sie lebt zwischen dichten Was- für die Zierliche Tellerschnecke serpflanzenbeständen in der Verlandungszone vegeta- Die Zierliche Tellerschnecke liebt klares, kalk- haltiges und basenreiches Wasser, das reich an tionsreicher Stillgewässer sowie in langsam fließenden Sauerstoff und relativ arm an Nährstoffen ist. Wiesengräben. Die zierliche Tellerschnecke gehört zu Darüber hinaus ist ein üppiger Bewuchs mit Wasserpflanzen Voraussetzung für eine den besonders und streng geschützten Arten. Besiedelung des Gewässers durch die Zierliche Tellerschnecke. Bevorzugte Habitate sind Stillgewässer, langsam fließende Wiesengräben, die im Regelfall unter Grundwassereinfluss Die Zierliche Tellerschnecke zählt zu den kleinsten stehen,und dynamische Auen. Süßwasserschnecken Mitteleuropas. Sie besitzt ein scheibenförmiges Gehäuse, das einen Durchmesser von fünf bis sechs Milllimeter und eine Höhe von 0,8 Millimeter erreichen kann. Es weist fünf Umgänge 22 Vitale Gewässer in Baden-Württemberg © LUBW
auf, die sowohl auf der Ober- als auch auf der Unter- NAHRUNG seite konvex gewölbt sind. Das Gehäuse ist dünnwan- dig und glänzend bräunlich oder gelblich gefärbt. Die Während des Flottierens können die Tiere nicht nur Zierliche Tellerschnecke ist zwittrig mit der Fähigkeit Luft holen, sondern die Wasseroberfläche auch zur zur Selbstbefruchtung. Aber auch wechselseitige Nahrungsaufnahme nutzen. Denn an der Unterseite Befruchtung tritt auf. Die Lebensdauer beträgt etwa der Wasseroberfläche bilden sich große Algenbestände, ein Jahr. Tellerschnecken können an der Unterseite die die Schnecken abweiden. der Wasseroberfläche entlangkriechen. Diese Fortbe- wegungsweise ist durch die Oberflächenspannung des GEFÄHRDUNG UND SCHUTZ Wassers möglich und wird „flottieren“ genannt. Um Luft zu holen, kommt die Tellerschnecke in regel Die Zierliche Tellerschnecke gilt in Deutschland als mäßigen Abständen an die Wasseroberfläche. Ist der vom Aussterben bedroht. Die Verfüllung oder die Zugang zu Luftsauerstoff verwehrt – zum Beispiel Trockenlegung von Gewässern, aber auch unsach bei zugefrorenem Gewässer – können die Tiere den gemäße Gewässerunterhaltung wie zum Beispiel das Sauerstoff auch noch über die Haut aufnehmen. Als Entfernen der Wasservegetation bedrohen den Lebens- Anpassung an das Leben im Wasser hat sich hierfür raum der Art. Sie ist auf eine naturschonende Gewäs- eine besonders gut durchblutete Hautfalte nahe dem serunterhaltung angewiesen. Gehäuserand gebildet, die als Kiemenersatz dient. Algen – die Aquatische Schnecken sind in ihrem Lebensraum bevorzugte ständig wechselnden Bedingungen ausgesetzt, an die Nahrung der Zierlichen sich zahlreiche Arten mit den unterschiedlichsten Tellerschnecke Strategien angepasst haben. Die Artenvielfalt der Schnecken kann daher als Indikator für die Qualität eines Gewässers benutzt werden. VERBREITUNGSGEBIET Nach den bisher vorliegenden Erkenntnissen befindet sich der Verbreitungsschwerpunkt in Deutschland in der norddeutschen Tiefebene. In Baden-Württemberg liegen mehrere Nachweise für die Oberrheinniede- Foto: Peter Pfeiffer, Aquatic Photography rung (zum Beispiel Rußheimer Altrhein, Rheinauen bei Illingen und Au am Rhein) vor. Vereinzelte Nach- weise stammen darüber hinaus aus dem Donautal oberhalb von Ulm und bei Langenau, Oberschwaben und aus dem Bodenseebecken. Bei einem Gehäuse durchmesser von fünf bis sechs Milli meter zählt die Zierliche Foto: Matthias Klemm Tellerschnecke Foto: Ira Richling Zierliche Teller zu den kleins schnecken in ten Süßwas einem Auen serschnecken gewässer Mitteleuropas © LUBW Vitale Gewässer in Baden-Württemberg 23
11 Das lebende Fossil Bachneunauge (Lampetra planeri) Fotos: Wutach im Landreis Waldshut, Jürgen Gerhardt; Bachneunauge, Rostislav Stefanek, shutterstock.com D as Bachneunauge, ein Fisch mit neun Augen? Nein. Bachneunaugen sind biologisch betrach- tet keine Fische. Sie gehören zu den Rundmäulern. Der ideale Lebensraum Sieben Kiemenöffnungen, eine Nasenöffnung und ein für das Bachneunauge Auge – und somit neun „Augen“ in der Seitenansicht – Bachneunaugen bevorzugen saubere, struktur reiche Bäche und Flüsse der Mittelgebirge. gaben ihm seinen Namen. Bachneunaugen wandern im Die Querder genannten Larven sind auf ruhig Gegensatz zu Flussneunaugen nicht in das Meer ab, fließende Gewässerabschnitte angewiesen. Dort leben sie verborgen im Sand und Fein sondern bleiben in der Nähe ihrer Aufwuchshabitate. sediment der Gewässersohle – meist im Flach wasserbereich. Erwachsene Tiere benötigen Sie gehören zu den geschützten FFH-Arten. Das blei- rascher fließende Gewässerbereiche, die kiesige und steinige Strecken zum Ansaugen und zur stiftdünne, wurmförmige 10 bis 20 Zentimeter lange Fortpflanzung aufweisen. Bachneunauge ist ein lebendes Fossil, das sich seit 500 Millionen Jahren kaum verändert hat. Es g ehört somit zu den ältesten noch lebenden Wirbeltieren überhaupt. Es hat keine Schuppen und auch kein gewöhnliches Maul mit einem Ober- und Unterkiefer, 24 Vitale Gewässer in Baden-Württemberg © LUBW
sondern einen kreisförmigen Saugmund. Rund drei bis VERBREITUNGSGEBIET sechs Jahre – und somit den Großteil seines Lebens – wächst das Bachneunauge als augenlose Larve heran. Bachneunaugen waren in Baden-Württemberg ur- Diese als Querder bezeichnete Larve lebt meist verbor- sprünglich sehr weit verbreitet. Heute sind die gen im Feinsediment der Gewässersohle. Am Ende der Bestände lokal stark zurückgegangen. Larvenzeit wandelt sich der Querder in einer neun- bis zehnmonatigen Methamorphose zum erwachse- NAHRUNG nen Tier um: Es bilden sich Augen, Geschlechtsorgane und eine Rückenflosse aus. Der Körper des erwachse- Die Querder ernähren sich von feinsten organischen nen Tieres ist speziell auf die Fortpflanzung ausgerich- Partikeln und Mikroorganismen, die sie aus dem Was- tet. Abgelaicht wird zwischen April und Juni – wenn ser herausfiltern. Erwachsene Bachneunaugen nehmen die Wassertemperatur zehn bis elf Grad Celsius erreicht keine Nahrung mehr zu sich, da sich ihr Darm in der hat. Kleine Gruppen von sechs bis zwölf Tieren schla- Umwandlungsphase degeneriert hat. gen dabei Laichgruben in den Untergrund, in denen die Eier abgelegt werden. Nach der Eiablage und der GEFÄHRDUNG UND SCHUTZ Besamung sterben die Elterntiere ab. Die Art reagiert empfindlich auf Eingriffe in das In Baden-Württemberg sind neben dem Bachneun Gewässersystem. Schlechte Wasserqualität führt zu auge weitere Neunaugenarten heimisch: das Flussneun- Sauerstoffmangel im Sediment und in begradigten auge (Lapetra fluviatilis) und das Meerneunauge (Petro und strukturarmen Gewässern fehlen die typischen myzon marinus). Beide sind anadrom wandernde Arten. Feinsedimentstrukturen, in denen die Larven des Bachneunauges leben. Wehre und Staustufen stellen Das Bach unüberwindliche Hindernisse dar, die Bachneunau- neunauge – ein lebendes gen daran hindern, geeignete Laichsubstrate zu fin- Fossil seit 500 Millionen den. Die Verbesserung der Gewässerqualität und der Jahren Schutz naturnaher Gewässer haben in den letzten Foto: Peter Rey, Büro Hydra Jahren zu einer Erholung der Bestände der ganzjährig unter strengem Schutz (FFH-Art) stehenden Bach- neunaugen geführt. Teamwork beim Schlagen von Laich gruben in den Untergrund Foto: Clemens Ratschan Das Rundmaul des Bachneun auges Foto: Peter Rey, Büro Hydra © LUBW Vitale Gewässer in Baden-Württemberg 25
12 Die betäubende Taucherin Wasserspitzmaus (Neomys fodiens) Fotos: Erfa im Main-Tauber-Kreis, Büro am Fluss; Wasserspitzmaus, Erni, www.shutterstock.com Der ideale Lebensraum D ie Wasserspitzmaus ist für Raubzüge unter Was- ser bestens ausgerüstet: Die Deckhaare ihres dichten Fells sind so strukturiert, dass beim Tauchen für die Wasserspitzmaus Luftbläschen im Fell hängen bleiben. Die Luft umgibt Die Wasserspitzmaus benötigt als Lebensraum saubere, sauerstoffreiche Gewässer. Dazu die ans Wasser angepasste Spitzmaus wie eine silbrige, zählen naturnahe Wasserläufe genauso wie wärmende Taucherglocke. Ihr Revier sind Teiche und Teiche und Seen mitsamt den anschließenden Ufer- und Verlandungsbereichen. Als Versteck Bäche. Dort taucht sie nach an der Sohle lebenden nutzt die Wasserspitzmaus unverbaute Ufer mit dichtem Bewuchs, unterspülte Bereiche und Kleinstwasserlebewesen. Die Wasserspitzmaus gehört Baumwurzeln. zu den besonders geschützten Arten. Die Wasserspitzmaus ist die größte europäische Spitz- mausart. Sie kann bis zu zehn Zentimeter lang werden und zwischen 15 und 20 Gramm wiegen. An der Schwanzunterseite hat sie einen Borstenkiel, der als Ruder dient, und an den Hinterfüßen Borsten, die 26 Vitale Gewässer in Baden-Württemberg © LUBW
wie Schwimmflossen den Vortrieb fördern. Wie alle VERBREITUNGSGEBIET kleinen Säuger hat sie im Verhältnis zu ihrem Körper- volumen eine große Körperoberfläche, über die sie Die Wasserspitzmaus findet man in Baden-Württem- viel Wärme an die Umgebung verliert. Als Ausgleich berg an naturnahen Gewässerabschnitten wie zum für diesen stetigen Energieverlust ist sie fast ständig Beispiel in den Auen des Oberrheins, an der Donau auf der Jagd. oder an der Jagst und am Kocher. Zur Aufzucht ihres Nachwuchses gräbt die Wasser- NAHRUNG spitzmaus einen unterirdischen Bau. Mitunter richtet sie sich in verlassenen Bauten anderer Kleinsäuger Wasserspitzmäuse tauchen auf dem Grund von ein. Stets hat ihr Bau auch einen Ausgang zum Wasser Bächen und Teichen nach Kleinkrebsen, Insektenlar- hin. Die Fortpflanzung findet von April bis Sep ven und anderen kleinen Wassertieren aller Art und tember statt. Ein Weibchen wirft zwei- bis dreimal nutzen darüber hinaus zahlreiche weitere Nahrungs im Jahr, wobei ein Wurf jeweils vier bis elf Junge um- quellen. Wasserspitzmäuse gehören zu den wenigen fasst. giftigen Säugetieren Mitteleuropas. Ihre Beute wird mit Gift aus unter der Zunge liegenden Giftdrüsen Die Jungtiere wiegen bei der Geburt 0,6 Gramm. Ihre betäubt. Dabei sind sie überaus gefräßig. Sie verspei- Augen öffnen sich nach 20 bis 24 Tagen und die sen jeden Tag etwa eine ihrem eigenen Körpergewicht Säugezeit beträgt 38 bis 40 Tage. Wasserspitzmäuse entsprechende Menge an Nahrung. werden im Freiland maximal etwa 18 Monate alt. GEFÄHRDUNG UND SCHUTZ Die etwas kleinere Sumpfspitzmaus (Neomys anomalus) sieht der Wasserspitzmaus zum Verwechseln ähnlich. Die Wasserspitzmaus wird in Deutschland aufgrund Allerdings ist sie nicht so streng an das Leben im Was- ihrer engen Bindung an naturnahe Gewässer in der ser angepasst, sondern nutzt mehr sumpfige Uferbe- Roten Liste als „gefährdet“ geführt und ist nach dem reiche. Sie wurde erst 1907 als eigene Art erkannt. Bundesnaturschutzgesetz besonders geschützt. Wasserspitz maus beim Tauchengang Die Wasser spitzmaus ist eine der wenigen giftigen Säuge- tiere Mittel Foto: All2014, istockphoto.com europas. Neugeborene Wasserspitz mäuse in ihrem Nest Foto: Rudmer Zwerver, shutterstock.com Foto: All2014, shutterstock.com © LUBW Vitale Gewässer in Baden-Württemberg 27
13 Der fliegende Edelstein Eisvogel (Alcedo atthis) Fotos: Jagst, Heiko Lehmann, RP Stuttgart; Eisvogel, aaltair, shutterstock.com D er Eisvogel ist ein seltener, aber auch unver- wechselbarer Gewässerbewohner. Die bunte Färbung ist für seinen Lebensraum eine gute Tarnung. Der ideale Lebensraum Die blaue Oberseite des Eisvogels lässt ihn von oben für den Eisvogel mit der Wasseroberfläche verschmelzen, während ihn Der Eisvogel bevorzugt klare, mäßig fließende oder stehende die orangebraune Unterseite auf seiner Sitzwarte und Gewässer mit einem ausreichen an der Bruthöhle tarnt. Der Eisvogel gehört zu den den Bestand an kleinen Beute fischen. Als Sitzwarte dienen ihm besonders und streng geschützten Arten. häufig über das Wasser hängende Äste, von denen aus er nach Beute im Wasser Ausschau hält. Der Eisvogel brütet in Nisthöhlen, die er in Steilufer und in erodierte Prallhänge mit Der Eisvogel wird wegen seines schillernden Gefie- lehmig-sandigen Abbruchkanten gräbt. ders auch „Fliegender Edelstein“ genannt. In der Brut- zeit von März bis September gräbt er Bruthöhlen in Steilufer und zieht darin zwei, selten auch drei oder sogar vier Bruten auf. Bei diesen sogenannten Schach- telbruten legt das Weibchen bereits ein neues Gelege, 28 Vitale Gewässer in Baden-Württemberg © LUBW
während das Männchen die Jungen der vorherigen ihren Jungen zu fliegen, um diese zu füttern. Dies kann Brut noch füttert, bis sie das Nest verlassen. für die Küken tödlich enden. Kalte Winter und Hoch- wasser während der Brutzeit führen bei Eisvögeln zu Außerhalb der Paarungszeit leben Eisvögel als stand- einer hohen Sterblichkeitsrate. So kann die Popula orttreue Einzelgänger. Sie bleiben meist im ihrem tionsgröße von Jahr zu Jahr stark schwanken und teil- Revier, das einen Bach- oder Flussabschnitt von circa weise um bis zu 70 Prozent dezimiert werden. Eine einem Kilometer umfasst. hohe Fortpflanzungsrate gleicht solche Verluste in relativ kurzer Zeit aber wieder aus. VERBREITUNGSGEBIET Als FFH-Art ist der Eisvogel in Baden-Württemberg Da der Eisvogel ganz besonders auf naturnahe Fließ- besonders streng geschützt und steht auf der Vorwarn- gewässer angewiesen ist, findet man ihn in Baden- liste für gefährdete Arten. Da seine Beutefische auf Württemberg vor allem an naturnahen Gewässer gute Wasserqualität angewiesen sind und er natur abschnitten mit lehmig-sandigen Uferabbrüchen, bei- nahe Strukturen am Gewässer benötigt, ist der Eis spielsweise an der Jagst, am Kocher, an der Enz, am vogel ein guter Indikator für vitale Gewässer und als Neckar, an der Donau oder am Oberrhein. Schirmart für den Schutz vieler anderer Arten am und im Wasser geeignet. NAHRUNG Von einem über das Wasser hängenden Ast oder einem anderen geeigneten Sitzplatz hält der Eisvogel Abflug von der Ausschau nach Beute im Wasser. Hat er ein Beutetier, Bruthöhle meist ein kleiner Fisch, entdeckt, taucht er im Sturz- flug ins Wasser. Nach erfolgreicher Jagd wird die Beute an einem Stein oder Ast bewusstlos geschlagen, Foto: Daniel Dunca, shutterstock.com bevor der Eisvogel damit zur Bruthöhle fliegt, um den Nachwuchs zu füttern. Eisvögel GEFÄHRDUNG UND SCHUTZ auf einer typischen Sitzwarte Der Eisvogel hat wenig natürliche Feinde. Allerdings können einzelne Bruten durch Hauskatzen, Wiesel und Greifvögel gefährdet werden. Störungen durch die Anwesenheit von Menschen oder gar häufiger Trubel in der Nähe der Brutröhre hindern Altvögel daran, zu Foto: Joefrei, eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org Eintauchender Eisvogel beim Beutefang Foto: Marek Cech, shutterstock.com © LUBW Vitale Gewässer in Baden-Württemberg 29
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