VOGELSBERG.SEITEN Neues aus dem Naturschutzgroßprojekt Vogelsberg 2021
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VOGELSBERG.SEITEN Neues aus dem Naturschutzgroßprojekt Vogelsberg 2021 MEHR ALS SCHÖNE LANDSCHAFT LEBENSRAUM WASSER Quellen, Rinnsale, Bäche, Tümpel und Teiche, Feuchtwiesen und Auen – natürlicherweise sind Gewässer und Feuchtgebiete hochdynamische Ökosysteme, die einer Vielzahl von Pflanzen- und Tierarten eine wich- tige Lebensgrundlage bieten. Unbeeinflusst sind sie sich stets verändernde Habitate von großer Vielfalt. So ist das, was wir bei Spaziergängen als schöne und wohltuende Landschaft empfinden, ein wertvoller und gleichzeitig bedrohter Lebensraum für zahllose Spezialisten, die nur in solchen Habitaten leben und überleben können. Dennoch hat das menschliche Einwirken, wie das Begradigen von Gewässerläufen, der stetig wachsende Wasserbedarf, die Veränderungen der Uferrandbereiche, aber auch die Nutzung der Auenflächen als Wei- de- und Anbaufläche sowie Schadstoffeinträge vielen Gewässern erheblich zugesetzt. Durch die Veränderung des natürlichen Verlaufes ist die Fließgeschwindigkeit der Gewässer stark erhöht und angrenzende Flächen werden schneller entwässert. Bei Starkregener- eignissen führt das so abfließende Wasser häufiger zu Überschwemmungen. Neben der flächenhaften Entwässerung führt auch eine Übernutzung der Wasserreserven zu einem absinkenden Grundwasserspiegel. Feuchtgebiete und sogar Bäche fal- len trocken. Dieser zunehmende Wassermangel bedroht die Arten- und Lebens- raumvielfalt in den betreffenden Gebieten. Negative Entwicklungen zu stoppen, betroffene Gewässerbereiche wenn möglich zu renaturieren und damit die speziellen Lebensräume langfristig zu sichern, ist eine wichtige Aufgabe im Naturschutzgroßprojekt Vogelsberg (NGP). Welche Anstrengungen hierbei erforderlich sind und welche Erfolge sich bereits eingestellt haben, stellen wir im Innenteil vor.
NEU IM TEAM VO M R E I C H T U M D E R Q U E L L E N Aufgewachsen im hohen Kleiner Eingriff, große Wirkung: Eine Einfassung beeinträchtigt den Norden, entwickelte ich natürlichen Lebensraum Quelle schon in früher Kindheit stark und verhindert zum Beispiel eine Begeisterung für Wanderungen grundwasserbe- wohnender Arten. Der Rückbau Pflanzen, Natur und Gär- schafft die Voraussetzung für ten. Zum Studieren kam die Sicherung dieses besonde- ich nach Mittelhessen ren Kleinstlebensraumes. Die Maßnahme ist ein Beispiel für die und fühle mich hier mitt- Zusammenarbeit des NGP als lerweile heimisch. In der Projektpartner mit HessenForst und Zeit hier vertiefte ich in der Unteren Naturschutzbehörde. Rahmen von unzähligen Klaas Rüggeberg Fahrradtouren und Ex- auf Störungen wie sich ändernde Stellvertretende Projektleitung in Elternzeitvertretung kursionen praktisch mei- pH-Werte und den Eintrag von M. Sc. Physische Geographie Foto: A. Mrkvicka, CC-BY-SA-3.0 ne Kenntnisse, welche dann Schadstoffen. Ein besonderes auch zu einem Master mit Beispiel ist die mittlerweile aus- selbstgewähltem Schwerpunkt schließlich im Vogelsberg und in Vegetationskunde mündeten. Ich freue mich in der Rhön anzutreffende nur nun, meine erworbenen Fachkenntnisse zu ver- 2 mm große Rhön-Quellschnecke. tiefen und weiterzugeben. Gleichzeitig schätze Als sogenannte endemische Art ist ich es sehr, dass mir mit dem Erhalt und der sie weltweit nur noch in diesem kleinen 2 mm Pflege der einmaligen Vogelsberger Kultur- Areal verbreitet. Daher trägt der Vogels- Klein, aber ganz besonders: die landschaft eine verantwortungsvolle Aufgabe DER VOGELSBERG ist eines der quellen- berg eine hohe Verantwortung für diese Schne- Rhön-Quell- anvertraut wurde. reichsten Mittelgebirge Deutschlands. Als cke und den Erhalt ihres Lebensraumes. schnecke in Grenzlebensraum zwischen Grundwasser und 5-facher Vergröße- rung Oberflächengewässer haben Quellen eine be- Ein Ziel des Naturschutzgroßprojektes ist es, sondere Bedeutung für spezialisierte Tier- und die Quellen und Bäche im Vogelsberg in einem Pflanzenarten. Die Wassertemperaturen sind möglichst naturnahen und vom Menschen un- PRAKTIKUM IM NGP im Sommer wie im Winter gleichbleibend kühl beeinflussten Zustand zu erhalten oder sie in und die Wasserqualität hoch. einen solchen zurückzuführen. Dafür werden beispielsweise Quelleinfassungen und Quer- Das Naturschutzgroßprojekt bietet einmal im Zahlreiche Insektenarten, wie zum Beispiel verbaue zurückgebaut und Fichten an Quell- Jahr einen Praktikumsplatz für Bewerber*innen Käfer-, Köcherfliegen- und Steinfliegenlarven standorten ent- Eine ehema- aus Biologie, Geographie, Umwelt- oder Land- lige Prakti- nutzen die Quellen als Kinderstube und Nah- nommen. schaftsplanung, Forstwirtschaft oder verwand- kantin bei der rungsquelle. Viele Wasserlebewesen aus den ter Fachrichtungen an. Für die Praktikant*innen Bodenproben- Grundwasserleitern durchstöbern nachts die Entnahme am ermöglicht er als Unterstützung des Projekt- Ober-Mooser Quellen nach Nahrung. In diesen Kleinstlebens- Teams bei seinen Geländearbeiten einen viel- Mittelteich. räumen haben sich einige Arten über Jahrtau- fältigen Einblick in unterschiedliche Bereiche sende zu Überlebenskünstlern entwickelt, die der praktischen Naturschutzarbeit. Hier können nur noch hier existieren können. sie Erfahrungen sammeln, selbstständig kleine fortschritt und das Einpflegen der aktuellen Be- Sie reagieren in der Projekte betreuen und die Arbeitsabläufe im standsdaten in eine Datenbank. Regel empfindlich Projektalltag kennenlernen. Daneben finden in den Sommermonaten vor Eine wichtige Maßnahme ist z. B. die Bekämp- allem Nachpflegemaßnahmen auf Wiesen und Je nachdem, wie das Wasser aus fung der Lupine, die als invasiver Neophyt Weiden statt oder es wird Unterstützung beim dem Boden heraustritt, unterschei- det man Tümpelquellen, Sickerquel- eine besondere Gefährdung für artenreiche Dreschen von artenreichen Grünlandbestän- len und Sturzquellen Grünlandlebensräume darstellt. Zu den Prak- den benötigt. tikumsaufgaben gehören deshalb auch die Dokumentation des Lupinen-Bestandes, die Aber den notwendigen Spaß an körperlicher Kontrolle der Flächen während der Maßnahme, Arbeit im Gelände bringen die Bewerber*innen das Verfassen von Berichten zum Maßnahmen- sowieso mit. 2 3
Renaturierung Waaggraben der natur z ur Ü ckge b en GROSSES Einst bot der Waaggraben dy- Im Norden des Maßnahmengebietes ist großen und schweren POTENZIAL namische Habitate von außerdem eine Hochflutmulde angelegt Maschinen. großer Vielfalt. Aber worden, die sich zu einem wechselnas- Südwest- auch hier hat das sen Habitat entwickeln soll. Dies dient NUTZEN FÜR ALLE lich von menschliche Ein- zum einen der Erhöhung der Arten- und Grebenhain- wirken wie die Strukturvielfalt sowie der Entlastung der Die gesamte Maßnahme stellt eine Vaitshain hat Begradigung des Schwarza bei Starkregenereignissen. enorme naturschutzfachliche Aufwer- das NGP seit Verlaufes und tung der Aue dar und schafft ein noch Juli 2020 ca. 14 die stete Nutzung NATUR- UND HOCHWASSERSCHUTZ lange über die Projektlaufzeit hinaus Hektar Flächen auf der Auenflächen IN EINEM wirkendes wertvolles Habitat. der östlichen Uferseite der als Weide- und Schwarza langfristig von der Anbaufläche dem Das Schaffen zusätzli- Auf der anderen Seite wird sogar die Gemeinde Grebenhain Gebiet zugesetzt. cher potenzieller Was- Löschwasserentnahmestelle von der gepachtet. Als relativ serfläche beugt so Gemeinde wieder instand gesetzt, da- feuchtes Grünland mit EIN UMFASSENDES auch Überschwem- neben durch ein Umgehungsgerinne naturnahen Forstflä- MASSNAHMENPAKET mungen im Sied- die Durchlässigkeit des Gewässers her- chen bieten diese Be- lungsbereich vor gestellt. reiche großes Potenzi- Im Auftrag des NGP wird der vordere und Wasser wird al für eine umfassende Bereich des Waaggrabens seit 2019 mit länger in der Flä- Darüber hinaus hoffen das NGP und Renaturierung! den markanten Wasserbüffeln bewei- che gehalten, was die Gemeinde Grebenhain, durch die det. Auf diesen Weiden sind die alten vor allem in Hin- Renaturierung den Biber von den land- Die brach gefallenen Flä- Bachschlingen noch immer im Gelände blick auf immer tro- wirtschaftlich genutzten Flächen wegzu- chen waren einst Habitat für erkennbar und zeichnen den ehemali- ckener werdende Jahre locken. das selten gewordene Braun- gen Verlauf des Gewässers ab. von großer Bedeu- kehlchen und andere Wiesenbrüter. tung ist. Naturschutz und Seit 2019 wird das Gebiet im Auftrag Die Renaturierung des Waaggrabens Nutzung sind des NGP wieder schonend beweidet. gibt dem Gewässer nun auf mehr als ei- Dies alles kein Gegen- Im als Waaggraben bezeichneten Ge- nem Kilometer Länge wieder die Mög- zu ermög- satz. So wässerabschnitt hat mittlerweile der lichkeit natürliche Ufer auszubilden und lichen, bringt die Biber Einzug gehalten und versucht auf damit die Aue und deren ursprüngliche erforderte Renaturie- den umgebenden Weiden seine Wasser- Dynamik zu reaktivieren. Zusätzlich ist im Vorfeld rungsmaß- welten zu schaffen, was nicht ganz ohne ein störungsfreier und verlangsamter einen gro- nahme auf Beeinträchtigungen der angrenzenden Durchfluss durch das Anschließen eines ßen Pla- alle Fälle Flächennutzer geschieht. alten Gewässerarms hergestellt wor- nungs- sowie eine Win-win- den. Ebenso finden Strukturelemente Abstimmungs- Situation am aus Totholz und Wasserbausteinen ihren aufwand und Waaggraben. Platz, um die natürliche Dynamik des bedeutete für die Um- Gewässers zu fördern. setzung aufwändige Arbeiten – auch mit 4 5
Pflegemaßnahmen Ober-Mooser Teiche K U LT U R gut pflegen Die Maßnahme am Mittelteich: Rastplatz für zahl- Die dichte Vegetationsdecke bindet Biomasse reiche Zugvögel und Nährstoffe. Sie wird gemäht und abgeräumt. und Standort für Der vebliebene Schlamm wird ausgebaggert, viele seltene und abtransportiert und dünn auf naheliegende Äcker geschützte Pflanzen- ausgebracht, um die Fruchtbarkeit zu verbessern. arten Maßnahme am Obermooser Teich: Die sogenannte Sömmerung 2019. Der Teich wird über den Sommer bis zum Herbst trockengelegt NATURSCHUTZ ALS KULTURSCHUTZ Insgesamt 75 Pflanzenarten konnten in und an wurde. Durch das „Ausfrieren“ des Teichbo- den Teichen gezählt werden, von denen das dens wurden Nährstoffe freigesetzt und abge- Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, in Hessen stark gefährdete Sumpf-Blutauge baut. Dadurch konnte der Verschlammung ent- wurde der Teich über den Sommer bis zum hervorzuheben ist. Der bemerkenswerte Fund gegengewirkt werden. Erst im Frühjahr wurden Herbst trockengelegt. Diese Maßnahme mit von drei verschiedenen Tännel-Arten und die Teiche wieder gefüllt. verlängerter Trockenperiode wird als „Sömme- des Schlammkrautes weist zudem auf die in rung“ bezeichnet. Durch sie kann ein Schlamm- Deutschland vom Aussterben bedrohte Pflan- TEIL UNSERER KULTURLANDSCHAFT Nach langer Zeit der Nicht-Bewirtschaftung des abbau stattfinden, sowohl durch Mikroben, als zengesellschaft der Schlammlingsfluren hin. So Ober-Mooser Teichs war nun die Wassertiefe auch durch den Aufwuchs einer dichten Vege- ist der Ober-Mooser Teich nicht nur orni- Die vor Jahrhunderten angestauten Gewässer stark gesunken. Wird dieser Prozess nicht ge- tationsdecke, welche dem Teichboden Nähr- thologisch, sondern auch botanisch ein bei Ober-Moos wurden lange als Teiche für die stoppt, kommt es schließlich zur Verlandung, stoffe entzieht. Dort wo keine Samen im Boden Highlight der Region. Karpfenzucht genutzt. Seit 2003 sind diese aus- der Teich wächst zu und verschwindet gänzlich. lagerten, wurde zusätzlich eine nicht winterhar- schließlich dem Naturschutz vorbehalten. Sie te Pflanze wie z. B. Hafer eingesät, um die Nähr- Eine erneute Sömmerung sind wichtige Rast- und Brutplät- stoffbindung zu erhöhen. erfolgt in voraussicht- ze für Vögel und bieten lich sieben bis zehn mit ihren ausgedehn- Im Laufe des Jahres hatte sich eine dichte Ve- Jahren. ten Ufern insbesonde- getationsschicht aus verschiedenen Knöterich- re Zugvögeln Nahrung gewächsen sowie Hafer gebildet. Auch andere sowie Rast- und Erho- seltene und geschützte Pflanzenarten fanden lungsmöglichkeiten auf sich auf dem Teichboden wieder. Diese ihrer langen Reise. hatten genug Zeit, um die Samenrei- fe zu erreichen und die Samenbank Zur traditionellen Be- des Teichbodens wieder aufzufri- wirtschaftung der Tei- schen. Mit dem Mähen und Ab- che gehörte die soge- räumen der aufgewachsenen nannte „Winterung“, bei Vegetation im beginnenden der nach dem Abfischen Herbst durch das NGP wur- der Karpfen im Herbst de die Biomasse entnom- das Wasser abgelassen men. 6 7 Vegetationsentnahme mit speziell auf den feuch- ten Teichboden angepasstem Gerät
N G P - kalender ENDSPURT Ihr Lieblingsfoto im Kalender des Natur- schutzgroßprojek- tes Vogelsberg! Der Fotowettbe- werb des NGP geht in die letzte Runde. Bis Ende Juni gibt es noch Gelegenheit, sich am Wettbewerb zu betei- ligen, um als „Monatssieger“ Teil des neuen NGP-Kalenders zu werden. Viele eindrucksvolle Fotos wurden uns in den vergangenen Monaten zu den jeweiligen The- men schon zugesandt. Informationen finden Sie unter: www.naturschutzgrossprojekt-vogelsberg.de Das letzte Thema: Juni: Farbenfrohe Bergmähwiesen Die Siegerfotos im April „Blühende Heckenland- schaften“ (oben) und im Dezember „Lebensraum Totholz“ (unten) IMPRESSUM Herausgeber: Naturschutzgroßprojekt Vogelsberg Adolf-Spieß-Straße 34 | 36341 Lauterbach T. 06641 1869981 info@naturschutzgrossprojekt-vogelsberg.de www.naturschutzgrossprojekt-vogelsberg.de Du findest uns auf Redaktion und Gestaltung: Träger & Träger Visuelle Kommunikation, Kassel www.traegerundtraeger.de Fotos: NGP GEFÖRDERT DURCH
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