Vor 200 Jahren Napoleon besucht Köln

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Vor 200 Jahren Napoleon besucht Köln
Vor 200 Jahren
                                 Napoleon besucht Köln
                                            von Ingeborg Nitt
                       (Info-Heft der Akademie för uns kölsche Sproch, Mai-September 2004, S. 6)

Der Maire der Stadt Köln.
Auf den Bericht seines Polizei-Büros, dass - ohnerachtet des wiederholten Verbotes -
verschiedene Individuen sich erlauben, bei Gelegenheit von öffentlichen Lustbarkeiten auf den
Straßen zu schießen ..., [sind] den Einwohnern mehrere Polizei-Verfügungen, die auf die
gegenwärtige Epoche Bezug haben, in Erinnerung zu bringen und ihnen von einigen neuen
Obliegenheiten Kenntnis zu geben, die sie während des Aufenthaltes Seiner Majestät zu
erfüllen haben...
Art. 1 Es ist aufs neue verboten, auf den Straßen bei Gelegenheit von öffentlichen
       Lustbarkeiten zu schießen oder Roquette [Raketen] zu werfen, und die Zuwiderhan-
       delnden sollen auf der Stelle ergriffen werden.
Art. 2 Es ist verboten, Schutt auf die Straßen auszuschütten, und der aus dem Innern der
       Häuser herkommende Unrat muss in Körbe oder Kübel gesammelt und auf die zur
       Wegbringung des Kotes bestimmten Karren geschüttet werden.
Art. 4 Es ist verboten, Schweine durch die Straßen der Stadt herumirren zu lassen.
Art. 5 Die Eigentümer von Hunden, besonders die Metzger, sind verbunden, selbige zu Haus
       zu halten...
Art. 8 Es ist den hiesigen Blaufärbern untersagt, während nämlicher Zeit Leinwand auf die
       Straßen herabhängen zu lassen.
Art. 9 Für diejenigen, so in den Straßen der Stadt reiten oder fahren, ist während obbemelter
       Epoche nur der kleine Trott erlaubt.
Gegeben im Gemeinde-Haus der Stadt Köln am 16. Fructidor 12. J.
Unterzeichnet J. J. Wittgenstein Maire.
Von wegen des Maire der Sekretär en Chef,
unterzeichnet Dolleschall.
(Ausgewählte Quellen zur Kölner Stadtgeschichte IV. Siehe Literaturangaben)

Schweine oder andere unerwünschte Tiere irrten nicht durch die Straßen, als Napoleon und
seine Gattin Josephine vom 13. bis 17. September 1804 zum ersten Mal die Stadt Köln
besuchten, dafür waren umso mehr Menschen unterwegs, die ihrer Begeisterung über den
Staatsbesuch des Kaiserpaares freien Lauf ließen.
Köln war eine Station auf einer längeren Reise durch die eroberten linksrheinischen Gebiete,
die Napoleon kurz nach seiner Erhebung zum Kaiser am 18. Mai 1804 begann.
Am Abend des 13. Septembers war Napoleon in Köln angekommen und unter Kanonendon-
ner und Glockengeläut durch das Eigelsteintor bis zu seiner Unterkunft am Neumarkt
gefahren. Die Freude der Kölner über diesen Staatsbesuch war so groß, dass sie die Pferde
ausspannten und den Wagen Napoleons selbst durch die Stadt zogen. Bei seinem Quartier
handelte es sich um den Blankenheimer Hof, dem späteren Offizierskasino, das 1914
abgebrochen wurde. Am nächsten Morgen war der Kaiser, der nur wenig Schlaf benötigte und
der für seine Arbeitswut und Ungeduld in seiner Umgebung berüchtigt war, bereits um fünf
Uhr wieder unterwegs, um zu Pferde die Stadtmauer zu besichtigen. Begleitet wurde er von
seinem Gefolge und Mitgliedern der städtischen Behörden. Innerhalb einer halben Stunde ritt
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er vom Neumarkt zum Severinstor, von dort entlang der Stadtmauer bis zum Eigelsteintor und
wieder zurück zum Neumarkt. Während dieses Rittes wurde zusätzlich über das Thema
Befestigungen diskutiert, so dass es nicht ausbleiben konnte, dass einzelne Reiter stürzten.
Anschließend gab er bis in den Nachmittag hinein Audienzen, um ab fünf Uhr eine
zweistündige Musterung der Kölner Garnison auf dem Neumarkt vorzunehmen.

                       Der Neumarkt im Jahr 1794 mit dem von den Franzosen
                                   aufgestellten Freiheitsbaum
Für den Abend war ein prächtiges Schauspiel im Hafen vorgesehen, der dazu auf vielfältige
Art beleuchtet worden war. Lichter und Fackeln zogen sich am Ufer entlang, schmückten die
Schiffskräne an der Rheingasse und der Trankgasse sowie drei von den Hannoveranern
erbeutete, große Kanonen, die ebenfalls an der Trankgasse aufgestellt worden waren.
Auf dem Rhein ankerten in der Mitte die fliegende Brücke und drei Plattschiffe, an die sich auf
beiden Seiten holländische und oberländische Schiffe anschlossen. Sie waren ebenfalls
prächtig beleuchtet und mit Fahnen, Girlanden, Statuen und anderen Dekorationen
geschmückt. Von hier brannte der Pyrotechniker Monnet ein Feuerwerk ab, das an
Kunstfertigkeit und Pracht kaum zu übertreffen war.
Zusätzlich zu den Illuminationen gab es im und um den Freihafen herum Schmuck aller Art.
Transparente, Denkmäler, Ehrensäulen, Pyramiden nach ägyptischem Vorbild, Inschriften und
vieles mehr sollte Napoleon schmeicheln.
Die Inschriften waren von Ferdinand Franz Wallraf in lateinischer Sprache verfasst worden.
Sie lobten den Kaiser überschwänglich und verglichen ihn mit bekannten Persönlichkeiten der
rheinischen Geschichte wie Caesar, Agrippa, Agrippina der Jüngeren, Konstantin, Chlodwig
und Karl dem Großen.
Damit Napoleon und seine Gattin Josephine das Schauspiel umfassend bewundern konnten,
war der Turm des ehemaligen Zunfthauses der Fischmenger als Aussichtspunkt vorbereitet
worden. Ein Saal war mit prächtigen Möbeln und mit fünf großen Kupferstichen ausgestattet
worden, die die Taten und Schlachten Alexanders des Großen darstellten. Vor diesem Saal
befand sich ein Balkon, der mit einem Baldachin überdacht und mit Teppichen behangen
worden war.
Das Kaiserpaar betrachtete über eine Viertelstunde lang das Schauspiel. Napoleon hielt eine
kurze Dankesrede, in der er seiner Bewunderung für diesen Abend, für Köln und den Rhein
Ausdruck verlieh und deren Einmaligkeit betonte. Auf die anschließend geplante Rheinfahrt
verzichtete er und kehrte mit seiner Frau zurück zum Blankenheimer Hof.
Diese kaum zu zügelnde Begeisterung und die teilweise unerträglichen Schmeicheleien für
Napoleon hatten zwei Ursachen. Zum einen waren sie eine Folge der Erfahrungen, die die
Kölner in den vorangegangenen Jahren mit der französischen Besatzung gemacht hatten.
Zum anderen war der Aufstieg Napoleons aus ärmlichen Verhältnissen zum Kaiser und seine
militärischen Erfolge dazu prädestiniert, ihn zum Helden zu stilisieren.
Vor 200 Jahren Napoleon besucht Köln
Der Kaiser, der in Köln zu seiner Freude erfuhr, dass sogar der Papst zu den im Dezember
geplanten Krönungsfeierlichkeiten nach Paris kommen wollte, bedankte sich bei den Kölnern
mit einer Reihe von Zusagen und Privilegien. Er bestätigte das Stapelrecht und sicherte die
Rückgabe zahlreicher Gebäude zu, um dort kommunale Einrichtungen wie Schulen oder
Hospitäler einzurichten. Außerdem erhob er die Stadt Köln in den Rang einer bonne ville
erster Ordnung
Die anfänglichen Erfahrungen der Kölner mit den Franzosen waren überwiegend negativ,
obwohl die Bürger die Stadt kampflos übergeben hatten. Daher wurde Napoleon als der Mann
gefeiert, der die Revolution beendet und für Frieden und Ordnung sowie für einen Ausgleich
mit dem Papst gesorgt hatte, im katholischen Köln von besonderer Bedeutung.
Das entspricht jedoch nicht ganz den historischen Ereignissen.
                   Am 6. Oktober 1794 besetzten französische Truppen die Reichsstadt
                   Köln. Die einheimische Verwaltung blieb zunächst unangetastet. Das
                   einzige, um das die Besatzer sich im eigenen Interesse kümmerten, war
                   Sauberkeit und Ordnung in der Stadt – und das aus gutem Grunde:

                     Von aussen bietet die ungeheure Stadt Köln mit einem Wald von Mastbäumen
                     und den unzähligen Kirchthürmen einen prächtigen Anblick dar. Allein alle Pracht
                     verschwindet, sobald man einen Fuss unter das Thor gesetzt hat. Die Strassen
                     und die Einwohner sind gleich schmutzig und finster. ...
                     ...Im Umfang der Stadtmauern, die das ganze Gebiethe derselben einschliessen,
                     zählt man einige hundert Bauerngärten, worin alles Gemüs für die Stadt gezogen
                     und auch so viel Vieh unterhalten wird, als zur Versorgung derselben mit Milch,
                     Käs und Butter hinlänglich ist. In vielen Strassen liegt daher zu beyden Seiten der
                     Mist vor den Häusern....
                     (Briefe eines reisenden Franzosen über Deutschland an seinen Bruder zu Paris, 1784, in: Köln um
                     die Wende des 18. und 19. Jahrhunderts. Siehe Literaturliste)

                    Eine Müllabfuhr nahm ihren Dienst auf und die Einwohner wurden
                    verpflichtet, morgens den Straßendreck zu beseitigen und abends für
                    Beleuchtung zu sorgen. Wie vergeblich diese Maßnahmen waren,
beweist nicht nur unsere einleitende Quelle, sondern auch der Unfall, der dem französischen
Platzkommandanten 1813 auf dem Kattenbug passierte: er stürzte auf dem Weg ins Theater
wegen eines Müllhaufens so schwer, dass er fast umkam!
Zur besseren Orientierung schafften die Franzosen außer-
dem die bis dahin üblichen Namen der Häuser ab und
führten Hausnummern ein – dank 4711 eine der bekann-
testen Maßnahmen dieser Zeit.
Vorrangig verlangten sie jedoch die Zahlung von Kon-
tributionen und die Unterbringung und Verpflegung der
Soldaten. Dies führte zu einer erheblichen Steigerung der
städtischen Schulden, wie 1802 festgestellt wurde.
Außerdem versuchten sie, möglichst viele Kunstwerke und         Vergabe der Hausnummern
Altertümer zu beschlagnahmen und nach Paris zu schaffen.
Dazu hatten sie bereits 1793 eine „Commission temporaire des arts“, also eine Kunst-
kommission gebildet, die den Kunstraub organisierte. Eines der ersten betroffenen Gemälde
war „Kreuzigung Petri“ von Peter Paul Rubens, das bereits am 10. Oktober, also vier Tage
nach der Besetzung, aus St. Peter entwendet wurde. Die Franzosen suchten systematisch
Kirchen und Klöster nach Kunstschätzen und Handschriften ab und ließen auch das
Zeughaus, in dem sich wichtige Zeugnisse der Kölner Stadtgeschichte befanden, nicht
ungeschoren.
                                Das bedeutete, die besetzten Gebiete zahlten nur für den Krieg
                                ihrer Eroberer, ohne irgendwelche Reformen in Verwaltung und
                                Politik zu erreichen.
                                Neben der Beanspruchung durch den Krieg war ein weiterer
                                Grund für diese Vorgehensweise der Franzosen die Unent-
                                schlossenheit der Pariser Regierung, welchen Status die
                                eroberten Gebiete erhalten sollten. Sollten sie einen Ring von
                                Satellitenrepubliken um Frankreich herum bilden zu dessen
                                Schutz oder sollten sie einverleibt und der Rhein damit zur
                                natürlichen Grenze Frankreichs werden, wie schon häufiger in
                                der Geschichte gefordert.
                                Ca. drei Jahre später, am 4. September 1797 übernahmen die
                                Befürworter der zweiten Möglichkeit die Regierungsgeschäfte,
Peter Paul Rubens, Kreuzigung
                                was zu einer sofortigen und nachhaltigen Änderung der Verhält-
             Petri              nisse führte.
Zur gleichen Zeit begann Napoleon seinen Aufstieg.
Am 4. November 1797 übernahm ein Regierungskommissar die Verwaltung des Rheinlandes.
In den folgenden Jahren kam es zu einem grundlegenden Umbau von Verfassung und
Verwaltung. Alteingesessene Einrichtungen wie Zünfte und Gaffeln wurden rigoros
abgeschafft. Die Tätigkeit des Rates übernahm zunächst ein Magistrat, später eine
Munizipalität, die zuletzt durch die französische Bürgermeisterordnung abgelöst wurde. Die
Stadtverwaltung wurde in Fachressorts eingeteilt, z. B. für Polizei, Schifffahrt und Gewerbe,
Finanz- und Rechnungswesen und andere Gebiete.
Anstelle des unübersichtlichen Kölner Gerichtswesens mit 30 verschiedenen Gerichten trat
ein einheitlicher französischer Gerichtshof für Zivil- und Strafsachen, der der Vorläufer für den
Rheinischen Appellhof wurde. Höhere Schulen wurden ebenso geschlossen wie die
Universität. Fast alle kirchlichen Gemeinschaften fielen der Säkularisation zum Opfer.
                                     Moderne Behörden ersetzten also traditionsbelastete und
                                     umständliche Institutionen. Dazu gehörte auch die jährliche
                                     Erstellung eines Finanzplanes, den die Verwaltung ein-
                                     halten musste. Besonders wichtig war die Trennung von
                                     Verwaltung und Rechtsprechung. Ungleichheiten bei der
                                     Behandlung der Menschen wurden weitgehend abgestellt.
                                     Jeder männliche Einwohner Kölns war Bürger der Stadt,
                                     jedoch nicht Frauen und Kinder.
                                     Die Protestanten wurden den Katholiken gleichgestellt. Die
                                     Juden durften sich wieder in Köln niederlassen, waren
                                     jedoch nicht gleichberechtigt. Außerdem wurde die
                                     Handels- und Gewerbefreiheit gesetzlich festgelegt.
                                     Napoleon selbst griff hier einschränkend ein, als er den
                                     Kölnern, wie oben erwähnt, das alte Stapelrecht und einen
                                     Freihafen zusicherte.
                                Seit dem 23. September 1802 galt die französische Verfas-
  Das Rathaus in der Franzosenzeit
                                sung in ganz Frankreich einschließlich der besetzten
Gebiete am linken Rheinufer, also auch in Köln. Der Nachteil war, dass die bürokratischen
Wege bis nach Paris länger waren. Über dem Kölner Bürgermeister stand der Unterpräfekt
des Arrondissements Köln, über diesem der Präfekt des Roer-Departements in Aachen.
Dieser war den Ministern in Paris verantwortlich, die wiederum Napoleon. Der weitaus
größere Vorteil war, dass Verwaltung und Rechtsprechung nicht nur überschaubarer waren,
sondern sich auch an geschriebenes Recht halten mussten. Es gab fünf Gesetzbücher,
darunter der Code Civil, die ständig durch neue Veröffentlichungen von Gesetzen und
Verordnungen erweitert wurden.
Abschließend lässt sich sagen, dass erst die Franzosenzeit das Mittelalter in Köln beendete.
Knapp zwölf Jahre lang war Köln dann eine von vielen französischen Städten. Die
grundlegenden Reformen, die in dieser Zeit stattfanden, hatten später teilweise noch lange
Bestand und wurden sogar als rheinische Errungenschaften angesehen.

Quellen und Literatur zum Thema, die in der Bibliothek einsehbar sind
Ausgewählte Quellen zur Kölner Stadtgeschichte IV: Neuzeit 1794-1918, bearbeitet von Konrad Schilling,
J. P. Bachem Verlag Köln 1960
Köln um die Wende des 18. und 19. Jahrhunderts (1770-1830), geschildert von Zeitgenossen, hrsg. von Josef
Bayer, J. P. Bachem Verlag Köln 1912
Josef Bayer, Die Franzosen in Köln – Bilder aus den Jahren 1794-1814, Gilde-Verlag Köln 1925
Gerhard Brunn, Franzosen in Köln (1794-1814) – Ein Überblick, in: Geschichte in Köln, Heft 26, Janus
Verlagsgesellschaft Köln 1989, S. 19-41
Carl Dietmar/Werner Jung, Kleine illustrierte Geschichte der Stadt Köln, J. P. Bachem Verlag, 9. Aufl. Köln
2002
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