Vorhersage der solaren Wärmegewinne durch dezentrale Netzspeicher in hybriden Nahwärmenetzen - meteoblue
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Vorhersage der solaren Wärmegewinne durch dezentrale Netzspeicher in hybriden Nahwärmenetzen Wissenschaftliche Arbeit zur Erlangung des Grades M. Sc. an der Fakultät für Architektur / Ingenieurfakultät Bau, Geo Umwelt der Technischen Universität München Angefertigt am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme Betreut von Prof. Dipl.-Ing. Thomas Auer Lehrstuhl für Gebäudetechnologie und klimagerechtes Bauen Dipl.-Ing. Karl Martin Heißler Mehmet Elci, M.Sc. (Fraunhofer ISE) Eingereicht von Jakob Metz Gerberau 7 a 79098 Freiburg +49 761 61 24 60 84 Ort, Datum Freiburg, den 31. Mai 2017
Kurzfassung Die zentrale Einbindung solarthermisch erzeugter Wärme in Wärmenetze ist inzwi- schen eine erprobte Technik und trägt zur effizienten Nutzung von Solarwärme bei. Jedoch sind die Randbedingungen für eine zentrale Umsetzung insbesondere in urba- nen Strukturen nicht immer gegeben. Für das im Rahmen des Forschungsprojektes EnWiSol entstehende solare Nahwärmenetz im Neubaugebiet Freiburg Gutleutmatten ist deshalb eine dezentrale Einbindung der solaren Wärme in das auf Kraft-Wärme- Kopplung basierende Netz vorgesehen. Ein Vorteil der dezentralen Einspeisung ist die sommerliche Netzabschaltung, wenn eine solare Autarkie aller Einzelgebäude gege- ben ist. Für die effektive Abschaltung des Netzes ist eine modellbasierte Regelung, also eine Regelung auf Grundlage der zukünftigen Netzzustände, vorgesehen. Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist die Erstellung eines Netzmodells zur Vorher- sage des thermischen Netzverhaltens sowie der daraus hervorgehenden Regelgrößen. Zur Reduktion der Rechenzeit werden in Modelica energetische Teilmodelle eines So- larsystems und eines Schichtspeichers erstellt und als dezentrale Anlagen- Komponenten zu einem Netzmodell verschaltet. Neben der Güte der Teilmodelle liegt der Schwerpunkt damit auf der adäquaten Abbildung der Netzregelung. Das Modell des Solarsystems erreicht unter Berücksichtigung der Kollektorperipherie eine ausgezeichnete Genauigkeit der Temperatur- und Leistungsberechnung. Der Schichtspeicher wird durch ein auf multipler nichtlinearer Regression basierendes Ein- Knoten-Modell dargestellt und zeigt eine gute Performance bezüglich der Vorhersage einzelner Knotentemperaturen. Das somit resultierende Gesamtmodell bildet das ther- mische Verhalten auf Gebäude- und Netzebene sowie die Netzfunktionen adäquat ab und eignet sich damit für die Vorhersage des zukünftigen Netzverhaltens. Anhand einer hydraulischen Vergleichssimulation kann die Funktionalität der erstellten modellbasierten Regelung erfolgreich getestet und deren Richtigkeit nachgewiesen werden. Insbesondere für die Netzabschaltung und -reaktivierung wird die bestehende Netzregelung dadurch deutlich verbessert. III
Inhaltsverzeichnis Kurzfassung................................................................................................................. III Inhaltsverzeichnis ........................................................................................................ IV Abkürzungsverzeichnis ................................................................................................ VI Symbolverzeichnis ..................................................................................................... VIII 1. Einleitung ............................................................................................................... 1 1.1. Projekt EnWiSol .............................................................................................. 2 1.2. Problemstellung und Zielsetzung .................................................................... 3 1.3. Vorgehen ........................................................................................................ 5 2. Technische Umsetzung in Freiburg Gutleutmatten ................................................ 6 2.1. Systemkomponenten ...................................................................................... 7 3. Technische Grundlagen ......................................................................................... 8 3.1. Solarthermie.................................................................................................... 8 3.1.1. Solarkollektor ....................................................................................... 8 3.1.2. Solarthermisches System .................................................................. 12 3.2. Vorhersage der solaren Einstrahlung ............................................................ 14 3.3. Modelle in der Literatur ................................................................................. 16 3.4. Bewertungs- und Validierungsmechanismen................................................. 17 3.5. Modellbildung ................................................................................................ 21 4. Referenzmodell und exogene Inputs ................................................................... 22 4.1. Eingangsgrößen: Wettervorhersage und Wärmelastprofil ............................. 22 4.1.1. Historischer Wetterdatensatz 2011 .................................................... 22 4.1.2. Wettervorhersagedaten ..................................................................... 23 4.1.3. Wärmelastprofil .................................................................................. 25 5. Modell Solarthermie – EnerCol und EnerColPip .................................................. 28 5.1. Kollektormodell EnerCol ................................................................................ 28 5.1.1. Modellansätze ................................................................................... 28 5.1.2. Hydraulisches Referenzmodell EN12975-ISE .................................... 29 5.1.3. Energetisches Kollektormodell EnerCol auf Basis der DIN EN 12975 30 5.2. Modell des solarthermischen Systems EnerColPip ....................................... 31 5.2.1. Modellierung der Rohrverluste ........................................................... 32 5.2.2. Modellierung der Umwandlungsverluste im Wärmeübertrager ........... 35 IV
5.3. Kreuzvalidierung ........................................................................................... 37 5.3.1. Durchführung ..................................................................................... 37 5.3.2. Ergebnisse und Diskussion ................................................................ 37 6. Modell Schichtspeicher – EnerStor ...................................................................... 40 7. Prädiktionsmodell Gebäudeebene – EnerHAST .................................................. 41 8. Prädiktionsmodell Quartiersebene – EnerNet ...................................................... 42 9. Zusammenfassung und Ausblick ......................................................................... 43 Literaturverzeichnis ..................................................................................................... 44 Abbildungsverzeichnis ................................................................................................ 51 Tabellenverzeichnis .................................................................................................... 53 A. Abbildungsanhang ............................................................................................... 54 B. Quellcodeanhang ................................................................................................ 56 C. Parameterstudie EnerCol und EnerColPip ........................................................... 60 V
Abkürzungsverzeichnis Abkürzung Beschreibung API Application programming interface BHKW Blockheizkraftwerk CMV Cloud Motion Vector DIF Diffuse Horizontalstrahlung DNI Direkte Normalstrahlung Dymola Dynamic Modeling Laboratory DZL Dezentrale Regelung ECMWF Europäisches Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage EFH Einfamilienhaus EN12975-ISE Hydraulisches Kollektormodell nach EN 12975 (erstellt am ISE) EnerCol Energetisches Kollektormodell EnerColPip Energetisches Kollektormodell inkl. Kollektorperipherie EnerHAST Energetisches Modell einer Hausanschlussstation EnerNet Energetisches Netzmodell EnerStor Energetisches Speichermodell EnWiSol Solarthermie in der städtischen Energieversorgung GHI Globale Horizontalstrahlung GLM Gutleutmatten glmNet Hydraulisches Netzmodell Gutleutmatten HAST Hausanschlussstation HW Heizwasser HydStor-ISE Hydraulisches Speichermodell (erstellt am ISE) IEA Internationale Energieagentur VI
Abkürzung Beschreibung ISE Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme KfW Kreditanstalt für Wiederaufbau KWK Kraft-Wärme-Kopplung LP Lastprofil MAE Mittlerer absoluter Fehler (engl. mean absolute error) ME Mittlerer Fehler (engl. mean error), auch Bias MOS Model Output Statistic (Form der statistischen Nachbearbeitung) MPC Modellprädiktive Regelung (engl. model predictive control) NWP Numerische Wettervorhersage Pers. Person Prosumer Energie produzierender Konsument (engl. producer + consumer) PV Photovoltaik RL Rücklauf RMSE Standardabweichung (engl. root mean squared error) SHC Solar Heating and Cooling Programme SOC Speicherladezustand (engl. state of charge) ST Solarthermie TRNSYS Transient System Simulation TWW Trinkwarmwasser ÜGL Übergeordnete Regelung VL Vorlauf WÜ Wärmeübertrager WUFI Wärme und Feuchte instationär VII
Symbolverzeichnis Lateinische Symbole Symbol Beschreibung Einheit 1 … 12 Regressionskoeffizienten versch. Fläche m² Breite m 0 Einfallswinkelkorrektur-Parameter ST - 1 Linear temperaturabhängiger Verlustkoeffizient ST W⁄ m²K 2 Quadratisch temperaturabhängiger Verlustkoeffizient ST W⁄ m²K² 3 Temperaturabhängiger Verlustkoeffizient ST durch Wind J⁄ m3 K 4 Verlustkoeffizient ST durch langwelligen W⁄ Strahlungsaustausch zum Himmel m2 K 5 Flächenspezifische Wärmekapazität ST J⁄ m²K 6 Windabhängiger Verlustkoeffizient ST s/m , J Spezifische Wärmekapazität (bei Druck = const.) ⁄kgK Speicherkapazität J/K Durchmesser m Direkte Normalstrahlung W/m² Faktor - h Vorhersagehorizont (engl. forecast horizon) h i Vorhersageintervall (engl. forecast interval) h r Vorhersageauflösung (engl. forecast resolution) h Heat Removal Factor - ’ Collector Efficiency Factor - ’’ Collector Flow Factor - Wärmeleitwert W/K VIII
Symbol Beschreibung Einheit Θ Einfallswinkelkorrekturfaktor ST - Länge m Masse kg ̇ Massenstrom kg/s MAE Mittlerer absoluter Fehler (engl. mean absolute error) versch. ME Mittlerer Fehler (engl. mean error) versch. Anzahl - nMAE Normierter MAE % nME normierter ME % nRMSE Normierter RMSE % ̇ Wärmestrom W Korrelationskoeffizient - R2 Bestimmtheitsmaß - RMSE Standardabweichung (engl. root mean squared error) versch. RSS Residuenquadratsumme versch. Wandstärke (Rohr) m ̇ Spezifische solare Einstrahlung W/m² ̇ Solare Einstrahlung W Kovarianz, gemeinsame Streuung der Variablen versch. Zeit s Temperatur K m Arithmetische Mitteltemperatur K Geschwindigkeit m/s Wärmedurchgangskoeffizient W⁄ m²K Volumen m³ ̇ Wärmekapazitätsstrom W/K IX
Symbol Beschreibung Einheit ̂ Vorhersagewert der wahren Variable versch. Anteil - kol Reihenabstand ST m Griechische Symbole Symbol Beschreibung Einheit Wärmeübergangskoeffizient W⁄ m2 K kol Neigungswinkel ST Grad Optische Verluste Solarkollektor: - Produkt aus Absorptionsgrad und Transmissionsgrad Verschattungswinkel ST Grad ̂ Fehler versch. WÜ Wärmewirkungsgrad Wärmeübertrager - Wirkungsgrad - 0 Optischer Wirkungsgrad ST Wärmeleitfähigkeit W⁄ mK Dichte kg/m³ Stefan-Boltzmann-Konstante 5,67 ⋅ 10−8 W⁄ m2 K 4 Zeitraum s Θ Sonneneinfallswinkel Grad X
Indizes Symbol Beschreibung Symbol Beschreibung 1min 1 Minute inaktiv Inaktiv, inaktivieren a Außen int Integration (Rechenmodell) Abf Abfall (i.S.v. Reduktion) IR Infrarot (Strahlung) abs Absorber iso Isolation aktiv Aktiv, aktivieren jew Jeweils ape Apertur kol Kollektor, Kollektorkreis (Primärkreis) aus Austritt, austretend m Mittel b Direktstrahlung (engl. beam) max Maximal brut Brutto min Minimal Bias Bias-Korrektur, Bias-korrigiert ml Multiple lineare Regression Build Gebäude (engl. Building) mnl Multiple nichtlineare Re- gression ctrl Kontrollgröße Netz Wärmenetz cu Kupfer Plus Überschuss d Diffusstrahlung (engl. diffuse) RL Rücklauf DezPum Dezentrale Pumpe rohr Rohrleitung ein Eintritt, eintretend sim Simulation el Elektrisch skal Skalierung, skaliert Eval Evaluierung sol Solarkreis (Sekundärkreis) fl Fluid Sp,i Speicher, Volumensegment Nr. gen geneigte Fläche (Einstrahlung) spez Spezifisch glob Globalstrahlung ST Solarthermie HAST Hausanschlussstation HW Heizwasser stahl Stahl HZ Heizzentrale i Innen Laufvariable XI
Symbol Beschreibung th Thermisch TiefEntl Tiefenentladung tot Total, gesamt tr trocken, bzgl. Leergewicht TWW Trinkwarmwasser umg Umgebung verl Verluste, verlustbehaftet WÜ Wärmeübertrager VL Vorlauf wind Wind Wfl Wohnfläche XII
1. Einleitung Die Existenz des anthropogenen Klimawandels ist in der Wissenschaft und – abgese- hen von einigen Ausnahmen [1], [2] – auch in der Politik längst eine anerkannte Tatsa- che. Folglich wurden die Verpflichtungen des Kyoto-Protokolls durch das Abkommen von Paris unter der Zustimmung von inzwischen 137 der 197 Mitgliedsstaaten der Klimarahmenkonventionen gefestigt und verschärft. Hauptziele sind neben dem be- kannten 2 °C Ziel (mit Anstrengungen zu 1,5 °C) die Stärkung der Resilienz sowie die Vereinbarkeit der Finanzströme mit den Klimaschutzzielen [3]. Auf nationaler Ebene sollen Deutschlands Klimaverpflichtungen durch eine Minderung der Treibhausgasemissionen bis 2050 um 80 bis 95 Prozent gegenüber 1990 erreicht werden [4, S. 8f.]. Schlüsselelemente sind die Erneuerbaren Energien und die Effizi- enz in Erzeugung und Verbrauch. Der Primärenergieverbrauch soll bis 2050 halbiert werden, wobei im Gebäudesektor, der zur Zeit für circa ein Drittel der CO2-Emissionen verantwortlich ist, eine Reduktion um 80 % angestrebt wird [5]. Mit einem überwiegen- den Anteil von 83 % am Endenergieverbrauch in Privathaushalten, bieten Raumwärme (70 %) und Warmwasser (13 %) ein großes Einsparungspotential im Gebäudesektor [6, S. 34]. Bereits heute können 13,2 % des Endenergieverbrauchs für Wärme und Kälte durch erneuerbare Energien gedeckt werden. Hiervon basiert ein Großteil von 88 % auf Bio- masse wie Holz oder Biogas, deren Ressourcen in Deutschland flächenbedingt jedoch begrenzt sind. Solarthermische Wärme hingegen macht derzeit nur knapp 5 % aus und seit dem Höchstpunkt in 2008 wird in Deutschland sowie EU-weit eine leicht rückläufi- ge Zubaurate festgestellt [7, S. 13–16]. In Dänemark hingegen gibt es einen stetigen Zubau. Dieser resultiert aus der höheren Rentabilität bei Kopplung der Solarthermiean- lagen mit Wärmenetzen [7, S. 44f.]. In Deutschland werden solarthermische Kollektoren jedoch vorrangig in der dezentra- len Wärmeerzeugung für Ein- und Zweifamilienhäuser im Sinne einer Heizunterstüt- zung genutzt, obwohl über die Hälfte des Wärmebedarfs in Mehrfamilienhäusern an- fällt. Es ist das Ziel, den bis 2050 zu halbierenden Endenergiebedarf für Wärme zu 25 % mit Solarthermie zu decken. Dies ist nur durch einen steigenden Einsatz des energetisch und finanziell effizienteren netzgebundenen Betriebs der Kollektoren zu erreichen. Hierdurch kann der solare Deckungsgrad gegenüber Einzelanlagen mehr als verdoppelt werden [8, S. 761–781], [9]. 1
1 Einleitung Für die Umsetzung solarthermischer Netze existieren bereits Projekte, wie beispiels- weise das Wohngebiet Ackermannbogen in München [10], wobei in der Regel zentrale Solarthermie-Kollektorsysteme mit saisonalen Speichern zum Einsatz kommen und keine Kopplung mit konventionellen Netzen stattfindet. Nicht immer lässt die urbane Struktur zentrale Solar- und Speichersysteme zu. Dezentrale Anlagen hingegen kön- nen flexibler geplant und eingesetzt werden. Zudem ist es möglich, dezentrale Solar- thermiesysteme im Zuge einer Nachverdichtung in bestehende Wärmenetze zu integ- rieren. Damit ändern sich die Anforderungen an die Integrierbarkeit der Solarthermie (ST), die Eigenschaften des ST unterstützten Netzes sowie dessen Regelbarkeit. 1.1. Projekt EnWiSol Ein weiteres Potential stellt die dezentrale Einspeisung für die zunehmend stromorien- tierten Anlagen der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) dar, wie es in Abbildung 1-1 (b) dar- gestellt ist. Durch die KWK entsteht ein Schnittpunkt von elektrischem Netz und Wär- menetz, sodass nunmehr ein positives Zusammenwirken fluktuierender erneuerbarer Energien im Bereich Strom und Wärme möglich ist. Insbesondere für die Solarenergie entstehen durch den symmetrischen Verlauf von solarthermischer Wärmeleistung und Photovoltaik (PV) Leistung Synergien: Mit einem hohen Anteil PV-Strom gehen hohe solarthermische Erträge einher und die KWK-Anlage wird nicht benötigt. Produziert die KWK-Anlage im umgekehrten Fall Netzstrom, so weist auch das Wärmenetz eine hö- here Last auf und stellt zudem dezentrale Wärmespeicherkapazität bereit. An dieser Stelle setzt das Projekt Solarthermie in der städtischen Energieversorgung (EnWiSol) an, das erstmalig ein KWK-basiertes Wärmenetz mit dezentraler Solarthermie kombi- niert [11, S. 12]. Abbildung 1-1 Gegenüberstellung: (a) Konventionelles KWK-Fernwärmenetz mit zentralem Speicher und (b) KWK-Fernwärmenetz mit dezentraler Solareinspeisung und dezentralen Speichern [12, S. 562]. In einem Zusammenschluss der Stadt Freiburg, dem städtischen Energieversorger Badenova und dem Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) wurde für das Demonstrationsvorhaben Freiburg-Gutleutmatten (GLM) im Rahmen des Forschungs- programms für erneuerbare Energien des Bundesumweltministeriums ein Energiekon- zept für ein klimaneutrales Wohngebiet entwickelt [11, S. 12]. Das Projekt EnWiSol 2
1 Einleitung befindet sich derzeit in der Bauphase. Es findet ein sukzessiver Zubau statt, sodass einige Gebäude bereits bewohnt werden. Die wesentlichen Ziele des Projektes EnWiSol sind: Identifikation der Rolle der urbanen ST mit Fokus auf der gemeinsamen Be- trachtung von Strom und Wärme seitens Erzeuger und Verbraucher Demonstration der dezentralen Einkopplung von ST in ein zentral gespeistes Nahwärmenetz sowie der für Investor und Endkunden wirtschaftlichen Umset- zung Technischer und wissenschaftlicher Austausch im Rahmen des Kooperations- programms Solar Heating and Cooling (SHC) der Internationalen Energieagen- tur IEA im Task 521 Das Energiekonzept basiert auf der Einkopplung dezentraler ST in ein durch ein Block- heizkraftwerk (BHKW) gespeistes Nahwärmenetz. Für den ökologisch und wirtschaft- lich effizienten Betrieb sieht das Konzept eine sommerliche Netzabschaltung und da- mit einen autarken Gebäudebetrieb in Zeiten hoher solarthermischer Gewinne vor. Hierdurch werden der unwirtschaftliche Betrieb des BHKW sowie die hohen relativen Netzverluste im Sommer in einem kumulierten Abschaltzeitraum von circa drei Mona- ten vermieden [14]. Es wird erwartet, dass die sommerliche Netzabschaltung die Ver- teilungsverluste um circa 25 % reduziert [15, S. 5f.]. 1.2. Problemstellung und Zielsetzung Der Betrieb des aktiven Netzes entspricht netzseitig einem herkömmlichen Nahwärme- netz mit dezentralen Speichern und gebäudeseitig einem Solarsystem mit thermischer Zuheizung. Für beide Seiten existieren also bereits etablierte Regelungslösungen. Da- hingegen wurden im Rahmen des Projektes EnWiSol für die Steuerung der Netzab- schaltung Regelalgorithmen entwickelt und in einer hydraulischen Netzsimulation überprüft [16], [17]. Die Netzabschaltung auf Basis des zurückliegenden Netzverhaltens (Persistenz) stellt die einfachste Form der Regelung dar, birgt jedoch ein hohes Risiko der Fehlentschei- dung und damit des nicht effizienten Betriebs. Aus diesem Grund soll der Wechsel der 1 IEA SHC Task 52: Solar Heat and Energy Economics in Urban Environments [13]. 3
1 Einleitung Betriebsweise im Projekt EnWiSol anhand der Prädiktion der zukünftigen Netzzustände erfolgen. Die Vorhersage des thermischen Netzverhaltens in der solar-autarken, abgeschalteten Phase – und damit insbesondere die Vorhersage der dezentralen solaren Wärmege- winne – ist Thema der vorliegenden Arbeit. Die zentrale Forschungsfrage lautet: Wie kann die Wärmenutzung in einem dezentral solarthermisch unterstützten Nahwärme- netz durch Vorhersage des thermischen Netzverhaltens mit Fokus auf der solaren Au- tarkie optimiert werden? Ziel dieser Arbeit ist die Entwicklung eines Modells der Netzprädiktion. Um die Vorher- sage möglichst flexibel und effektiv zu nutzen, gilt eine geringe Rechenzeit des Modells als zentrale Anforderung. Diese soll durch einen energetischen Modellierungsansatz erfüllt werden, der ausschließlich Leistungen betrachtet und dabei hydraulische Effekte vereinfacht berücksichtigt. Zentrale Aufgaben der Arbeit sind damit • Die Erstellung energetischer Teilmodelle zur Abbildung von Solarkollektor und Schichtspeicher • Die Umsetzung eines energetischen Netzmodells mit einer adäquaten Ver- einfachung der tatsächlichen Netzregelalgorithmen Durch die Angliederung an das Projekt EnWiSol und als Teil der zentralen Netzrege- lungslogik ist in allen Arbeitsschritten ein enger Bezug zur praktischen Anwendung notwendig. 4
1 Einleitung 1.3. Vorgehen Zunächst werden in Kapitel 2 Grundlagen zum Nahwärmenetz in Gutleutmatten gelie- fert. Anschließend werden in Kapitel 2.1 technische Grundlagen der vorliegenden Ar- beit zusammengefasst. Die methodische Auseinandersetzung mit der Fragestellung der Arbeit findet in den Kapiteln 4 bis 8 statt. Diese detaillierte Gliederung wurde gewählt, da im Rahmen der Modellierung Zwischenergebnisse und -auswertungen produziert wurden, deren Kenntnis im weiteren Verlauf wichtig ist. Durch die Aufteilung kann in jedem methodi- schen Kapitel auf Teilergebnisse eingegangen werden, sodass ein verständliches, chronologisches Vorgehen möglich ist. Zu Beginn wird ein hydraulisches Netzmodell beschrieben, das die Arbeit im Weiteren als Referenzmodell begleitet (4 Referenzmodell und exogene Inputs). In Kapitel 5 Mo- dell Solarthermie – EnerCol und EnerColPip und 6 Modell Schichtspeicher – EnerStor wird die Erstellung der energetischen Teilmodelle Solarkollektor und Schichtspeicher behandelt. Diese werden in Kapitel 7 Prädiktionsmodell Gebäudeebene – EnerHAST zunächst regelungstechnisch zu einem Gebäudemodell zusammengefasst, bevor in Kapitel 8 Prädiktionsmodell Quartiersebene – EnerNet das finale Prädiktionsmodell auf Netzebene und die erstellten Regelungsgrößen erörtert werden. 5
2. Technische Umsetzung in Freiburg Gutleutmatten Gutleutmatten ist ein Quartier in Freiburg im Ortsteil Haslach mit 500 Wohneinheiten, einer Wohnfläche von circa 40.000 m² und im KfW-Effizienzhaus 55 Standard2 geplan- ten Gebäuden (vgl. Abbildung 2-1). Es werden ein Heizwärmebedarf (HW) von 35 kWh/m² und ein Trinkwarmwasser (TWW) Wärmbedarf von 20 kWh/m² angesetzt. So resultieren für das gesamte Quartier Wärmebedarfe von 1.400 MWh/a für Heiz- wärme sowie 1.200 MWh/a für TWW. Für die dezentralen ST-Anlagen kommen Flach- kollektoren mit einer Gesamtfläche von circa 2.000 m², aufgeteilt auf die Dachflächen der Einzelgebäude, zum Einsatz [12, S. 561f.]. Für die dezentralen Speicher ist ein Gesamtvolumen von etwa 160 m³ vorgesehen [15, S. 6]. West Ost Abbildung 2-1 3D-Ansicht des Quartiers Freiburg Gutleutmatten mit Kennzeichnung der Baugebiete Ost und West, [14, S. 736]. In der nachfolgenden methodischen Arbeit wird nicht das gesamte Netz sondern nur ein Ausschnitt von 3 Gebäuden betrachtet. Dies ist ein handlicher Maßstab für die Mo- dellbildung sowie für nachfolgende Modelltests und ermöglicht zugleich die Nachbil- dung der verschiedenen Betriebsführungsstrategien. Die ausgewählten Gebäude 4, 5 und 8 sind in der Abbildung 2-2 hervorgehoben dargestellt. Die Abbildung zeigt den Westteil des Netzes mit den geplanten Rohrdurchmessern sowie den Anschlussstellen der Gebäude. Eine analoge Darstellung des Ostteils befindet sich in der Abbildung A-1 im Anhang. 2 Der Jahres-Primärenergiebedarf pro Quadratmeter Wohnfläche darf nicht mehr als 55 % des Bedarfs des Referenzgebäudes nach EnEV (KfW 100) betragen [18]. 6
2 Technische Umsetzung in Freiburg Gutleutmatten Abbildung 2-2 Schemaplan Gutleutmatten West mit Gebäudenummern und Leitungsdurchmessern. 2.1. Systemkomponenten Kapitel 2.1 – 2.3 in Auszug nicht enthalten 7
3 Technische Grundlagen 3. Technische Grundlagen Das vorliegende Kapitel geht auf den technischen Hintergrund der in dieser Arbeit be- handelten Problemstellung ein. Zunächst werden das solarthermische System und insbesondere die Funktionsweise des Solarkollektors beschrieben, wobei wichtige Formelzusammenhänge erläutert werden (Kapitel 3.1). Das Kapitel 3.2 gibt einen Überblick zur Wettervorhersage und beschreibt dabei auch statistische Vorhersageme- thoden sowie probabilistische Ansätze in ihren Grundzügen. Ferner wird auf Mecha- nismen zur Bewertung und Validierung eingegangen (Kapitel 3.4). Abschließend weist das Kapitel 3.5 einen Überblick zur Modellierung und Simulation bezüglich der Anfor- derungen und der verwendeten Software auf. 3.1. Solarthermie Anders als bei der PV-Leistungsvorhersage, hängt die Vorhersage von solarer Wärme- leistung nicht ausschließlich von Wetterfaktoren wie der Solarstrahlung und der Umge- bungstemperatur ab, sondern weiterhin von der am Kollektor nutzbaren Temperaturdif- ferenz, welche maßgeblich durch die Speicheraustrittstemperatur bestimmt wird. Aus diesem Grund werden nicht nur die solaren Gewinne sondern das gesamte Solarkol- lektorsystem mit allen weiteren In- und Outputs betrachtet, um die nutzbaren solaren Gewinne zu ermitteln. Zu den In- und Outputs zählen der Heizwärme- und Trinkwarm- wasserbedarf sowie die Speicherverluste auf der Lastseite und die Solarthermie und Nach- oder Zuheizung auf der Leistungsseite. Letztere gilt es für gewöhnlich in der Solarwärmevorhersage zu optimieren, um den solaren Deckungsgrad zu maximieren. 3.1.1. Solarkollektor Die in Gutleutmatten verwendeten Solarkollektoren TiSUN PFM-S 2.01 m² sind vom Typ Flachkollektor. Flachkollektoren finden insbesondere in der HW- und TWW- Erwärmung sowie in industriellen Prozessen Anwendung und stellen Wärme mit bis zu 100 K über Umgebungstemperatur bereit. Da keine Konzentration der Strahlung er- folgt, kann direkte und diffuse Strahlung gleichermaßen in Wärme umgewandelt wer- den, sodass auch eine Nachführung nicht üblich ist. Hierdurch haben Flachkollektoren eine einfache mechanische Bauweise, was zu einer langen Lebensdauer und einem guten Verhältnis zwischen Preis und Leistung führt [21, S. 236]. Die Abbildung 3-1 zeigt den Aufbau eines Flachkollektors sowie den bei Einstrahlung stattfindenden Wärmetransport. Die Energiezufuhr erfolgt durch kurzwellige Strahlung (orange dargestellt) der Sonne. Das eingesetzte Solarglas mit hoher Transmission im 8
3 Technische Grundlagen kurzwelligen Bereich und geringer Transmission im langwelligen Bereich3 reduziert den Verlust durch Wärmestrahlung (rot dargestellt). Durch eine rückwärtige Wärmedäm- mung (im oberen Bereich hitzebeständig) werden Wärmeverluste an die Umgebung durch Wärmeleitung (grün) verringert. Konvektion außerhalb und innerhalb des Kollek- tors (blau) führt zu einer geringeren Effizienz des Kollektors und soll durch die Glasab- deckung und Dichtheit des Kollektors möglichst vermieden werden. Hier setzt zur wei- teren Optimierung die Technik der Vakuumröhrenkollektoren an [22]. Abbildung 3-1 Aufbau eines Flachkollektors und stattfindende Wärmtransportmechanismen: Kurzwellige Strahlung (orange), langwellige Strahlung (rot), Konvektion (blau) sowie Wärmeleitung (grün), nach [22]. Herzstück des Flachkollektors ist der solare Absorber. Dieses Element überträgt die solare Energie auf das durchströmende Fluid und ist grundsätzlich ein Wärmeübertra- ger, der solare Strahlungsenergie in Wärme umwandelt. Stationär betrachtet kann das Verhalten durch eine Energiebilanz aus solaren Gewinnen und Verlusten beschrieben werden. Es kann zwischen optischen Verlusten, welche die auf dem Absorber auftref- fende Strahlung reduzieren und thermischen Verlusten unterschieden werden. Erstere werden durch Transmission und Absorption in der Glasabdeckung verursacht und gehen als Reduktion der Globalstrahlung ̇glob in die Gleichung ein. Die thermischen Verluste werden durch den Wärmedurchgangskoeffizienten L und die Temperaturdif- ferenz zwischen Absorberebene abs und Umgebung umg bestimmt. Die Abbildung 3-2 Wirkungsgradkennlinie des Flachkollektors TiSUN PFM-S 2.01 m² verdeutlicht diese Verluste. Für einen Absorber der Fläche ape folgt die Gleichung (3-1) für den nutzba- ren Wärmegewinn ̇kol [21, S. 237]. ̇kol = ape [( ) ̇glob − L ( abs − umg )] (3-1) 3 Cut-Off-Wellenlänge: Hohe Transmission von ca. 90 % bei 0,3 µm < λ < 2,7 µm 9
3 Technische Grundlagen Die Absorbertemperatur abs stellt für einen Kollektor jedoch keine geeignete Messgrö- ße dar, deshalb ist ein Bezug auf die messbare Fluid-Eintrittstemperatur notwendig. Die Umrechnung erfolgt anhand des Heat Removal Factors , ein für den Kollektor charakteristischer Parameter, der analytisch oder durch Messungen bestimmt werden kann. Der Heat Removal Factor entspricht der Wirkungsgraddefinition eines Wärmeübertra- gers und bildet somit den Quotienten aus dem nutzbaren Energiegewinn und dem ma- ximal nutzbaren Energiegewinn des Kollektors (vgl. Gl. (3-2)). Analog zur Wärmeüber- trager-Gleichung wird der nutzbare Energiegewinn maximal, wenn die Kollektortempe- ratur der Fluid-Eintrittstemperatur ein entspricht [21, S. 262–264]. ̇ ( aus − ein ) = (3-2) ape [( ) ̇glob − L ( ein − umg )] Mit ein und aus als Fluidtemperatur am Ein- und Austrittspunkt, ̇ als Massenstrom durch den Kollektor und als spezifische Wärmekapazität des Mediums. Der Collector Efficiency Factor ’ geht aus der Beschreibung der Temperaturverteilung zwischen den einzelnen Absorberrohren hervor und beschreibt punktuell das Verhält- nis von den tatsächlich nutzbaren zu den maximal nutzbaren Wärmegewinnen am Ab- sorber. Letztere würden resultieren, wenn die Temperatur der Absorberfläche abs der lokalen Fluidtemperatur fl entspräche. Somit kann ’ als das Verhältnis zwischen den Wärmedurchgangskoeffizienten und o betrachtet werden, die zwischen Absorber und Umgebungsluft beziehungsweise Fluid und Umgebungsluft vorliegen. Damit bildet der Faktor ’ als massenstromabhängiger Kollektorkennwert die Güte des Wärme- übergangs zwischen Absorber und Fluid ab [22]. ape [( ) ̇glob − ( abs − umg )] o ’ = = (3-3) ape [( ) ̇glob − L ( fl − umg )] L Der Collector Flow Factor ’’ = ⁄ ’ weist das Verhältnis vom Kollektorwirkungsgrad zur Leistungsminderung durch nicht-idealen Wärmetransport im Absorber ’ auf und wird insbesondere zur graphischen Verdeutlichung verwendet. Physikalisch gilt ≤ ’ ≤ 1 und somit ’’ ≤ 1. Die eingangs beschriebene Gleichung der nutzbaren Wärmegewinne ̇kol kann nun unter Verwendung des Kollektorwirkungsgrades durch die in der Praxis messbaren Temperaturen ein und umg dargestellt werden [21, S. 290]: ̇kol = ape [( ) ̇glob − L ( ein − umg )] (3-4) 10
3 Technische Grundlagen Durch die Faktoren ’ und ’’ kann eine Umrechnung auf andere Bezugstemperaturen erfolgen. Für detaillierte Informationen sei auf [21] verwiesen. Der Wirkungsgrad des Kollektors kann schließlich durch das Verhältnis der nutzba- ren Wärmegewinne über eine definierte Zeitperiode zu der in ebendieser Zeitspanne auf den Kollektor treffenden solaren Einstrahlung bestimmt werden [21, S. 238], [22]. ∫ ̇kol = (3-5) ape ∫ ̇glob Entsprechend der Kollektorverluste wird zwischen dem optischen Wirkungsgrad 0 und dem thermischen Wirkungsgrad th unterschieden (vgl. Gl. (3-6)). Der optische Wir- kungsgrad entspricht dem Heat Removal Factor ( ) = 0 und definiert die maximal mögliche Kollektoreffizienz, er unterscheidet sich für verschiedene Kollektortypen bei gleichem Material und Aufbau kaum. Hingegen hat die Bauart durch den Wärmedurch- gangskoeffizienten L einen deutlichen Einfluss auf den thermisch beeinflussten Teil des Wirkungsgrades. Die Gleichung verdeutlicht weiterhin, dass eine Wärmeabgabe auf niedrigem Temperaturniveau anzustreben ist, um die Kollektoreffizienz zu erhöhen [22]. ein − umg th = ( ) − L (3-6) ̇glob Für das Prüfverfahren nach DIN EN 12975:2006-2 6.1 und 6.2 wurde die Temperatur- abhängigkeit in der stationäre Gleichung um einen parabolischen Term erweitert [23, S. 61]. Somit gilt für die flächenspezifische Leistung ̇kol 2 = 0 ̇gen − 1 ( m − umg ) − 2 ( m − umg ) (3-7) ape ein + aus mit der Kollektormitteltemperatur m = 2 . (3-8) Von Bengt Perers [24] wurde ein Testverfahren zum quasi-dynamischen Kollektortest entwickelt, welches heute Bestandteil der DIN EN 12975:2006-2 6.3 (quasi- dynamische Prüfung) ist [23, S. 61]. ̇kol 2 = ’( ) Θ,b ̇b,gen + ’( ) Θ,d ̇d,gen − 1 ( m − umg ) − 2 ( m − umg ) ape (3-9) m − 3 wind ( m − umg ) + 4 ( ̇IR − umg ) − 5 − 6 wind ̇glob Die Einstrahlung wird durch die Einfallswinkelkorrekturfaktoren Θ,b und Θ,d für Direkt- und Diffusstrahlung angepasst. Ferner werden Verluste durch Wind ( 3 und 6 ) und m langwellige Strahlung ( 4 ) berücksichtigt. Durch den differenziellen Term kann die 11
3 Technische Grundlagen Trägheit des Kollektors dargestellt werden, wobei 5 der flächenspezifischen Wärme- kapazität entspricht. Nur der Korrekturfaktor Θ,b der Direktstrahlung hängt vom Einfallswinkel Θgen ab [21, S. 289–295]: 1 Θ,b = 1 − 0 ( − 1) (3-10) cos(Θgen ) Dabei ist 0 eine Kenngröße des Kollektors und für den TiSUN PFM-S gilt entspre- chend Tabelle 2-2 0 = 0,234. 1 Optischer Wirkungsgrad 0 Wirkungsgrad bei 1000 W/m² 0,8 0,6 0,4 Thermischer Wirkungsgrad ℎ 0,2 0 0 0,03 0,06 0,09 0,12 0,15 delta T/ S [Km²/W] Abbildung 3-2 Wirkungsgradkennlinie des Flachkollektors TiSUN PFM-S 2.01 m². Die Abbildung 3-2 zeigt die Wirkungsgradkennlinie des TiSUN PFM-S 2.01 m² basie- rend auf der quadratischen Gleichung (3-7) für eine solare Globalstrahlung von 1000 W/m². Hierbei ist die auf der x-Achse aufgetragene Temperaturdifferenz zur Um- gebungstemperatur auf die solare Einstrahlung ̇ normiert. 3.1.2. Solarthermisches System Herkömmliche solarthermische Systeme für Ein- und Mehrfamilienhäuser umfassen neben dem Solarkollektor einen Nachheizer auf der Erzeugerseite und entsprechen lastseitig weitestgehend konventionellen Heizsystemen. Eine zentrale Bedeutung kommt dem Speicher zu, da erst hierdurch eine zeitliche Entkopplung von Wärmeer- zeugung und -verbrauch möglich ist. Heutzutage werden diese überwiegend als Ein- speicher-Schichtsysteme ausgeführt, hierbei stellen die oberen Zonen den TWW- und Heizungspufferbereich dar und die untere Zone dient der solaren Beladung auf gerin- gem Temperaturniveau. Durch einen externen Wärmeübertrager mit anschließendem Dreiwegeventil oder mittels eines Diffusors kann der solare Wärmestrom entsprechend seiner Temperatur im Speicher eingeschichtet werden, ohne diesen stark zu durchmi- 12
3 Technische Grundlagen schen. Somit können bereits kleine Wärmemengen bei geringer Einstrahlung genutzt werden und der Solareintrag kann gesteigert werden. Zugleich dient das kälteste Was- ser im Speicher dem Solarkollektor als Vorlauf, sodass durch eine geringere Kol- lektormitteltemperatur die Effizienz gesteigert wird. Üblicherweise wird der Kollektor- kreis mit einem Wasser-Glykol-Gemisch betrieben, sodass dieses bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt nicht erstarrt. Weiterhin sollte insbesondere bei innenliegen- dem Wärmeübertrager eine Schwerkraftsperre die nächtliche Entladung verhindern, andernfalls könnte der gegen den Nachthimmel auskühlende Kollektor den Speicher durch das umgekehrte Temperaturgefälle entladen [22]. Die Solarsysteme unterscheiden sich unter anderem in der Position des Nachheizers. Dieser hält entweder das obere Speichersegment auf der erforderlichen Mindesttempe- ratur oder dient im Sinne eines Durchlauferhitzers als Nachheizer für den Heizungs- und Trinkwarmwasservorlauf. Der im Sommer rein solarthermisch beheizte Speicher stellt in diesem Fall eine Rücklaufanhebung dar, die bei ausreichenden Wärmegewin- nen das Zuheizen überflüssig macht. Die in Abbildung 3-3 dargestellte Solarthermie- kombianlage stellt insofern eine Kombination beider Varianten dar. Bei nicht ausrei- chend solarthermischer Beladung kann das obere Speichersegment dank eines Drei- wegeventils durch den Kessel auf einer Mindesttemperatur gehalten werden. Abbildung 3-3 Schema einer Solarthermiekombianlage mit Rücklaufanhebung und Frischwasserstation [25, S. 14] Eine weitere Besonderheit ist die Frischwasserstation, das TWW wird hier nicht direkt aus dem Pufferspeicher entnommen sondern durch einen Wärmeübertrager bereitge- stellt. Deshalb kann bei einer kurzen TWW-Leitungslänge (< 3 m) die Legionellen- 13
3 Technische Grundlagen gefahr deutlich reduziert werden, ohne den Speicher regelmäßig auf über 60 °C zu erhitzen4. Eine Nachheizung ist nur notwendig, um Komfortkriterien sicherzustellen [25, S. 14–16]. 3.2. Vorhersage der solaren Einstrahlung Die Grundlage der solaren Leistungsprognose bildet die Vorhersage der solaren Ein- strahlung, die eine Vielzahl atmosphärischer Wechselwirkungen abbildet. Hierfür exis- tieren verschiedene Berechnungsmodelle, die sich hinsichtlich ihrer Genauigkeit und Reichweite unterscheiden. Deren zeitliche Eigenschaften können wie folgt definiert werden [26, S. 81]: Vorhersagehorizont h (engl. forecast horizon): Dauer zwischen Zeit = 0 und der maximalen Vorhersagezeit = 0 + h , bspw. h = 7 Tage Vorhersageauflösung r (engl. forecast resolution): Schrittweite der Vorhersa- gezeitreihe, bspw. r = 15 min Vorhersageintervall i (engl. forecast interval): Intervall in dem die Vorhersage aktualisiert wird, bspw. i = 12 Stunden Der Verlauf der solaren Einstrahlung hat zum Teil klar berechenbare Ursachen wie die Erdrotation, Ekliptik und Erdneigung, diese Einflüsse liegen den sogenannten Clear Sky Modellen zu Grunde. Diese geben die Solarstrahlung bei unbewölktem Himmel an und können durch geometrische Berechnungen bestimmt werden. Viele weitere Ein- flüsse sind jedoch nicht deterministisch zu bestimmen5 und müssen deshalb mit physi- kalischen oder statistischen Modellen angenähert werden [26]. Die zentralen Ansätze der Wettervorhersage werden nachfolgend beschrieben. Numerische Wettervorhersagen (NWP, engl. numerical weather prediction) sind das älteste computergestützte Berechnungsverfahren, daher sehr etabliert und Grundlage vieler Vorhersagemethoden [27]. NWPs liegt eine formelmäßige, physikalische Be- schreibung der Atmosphäre zugrunde. Der nutzbare Vorhersagehorizont beträgt 6 Stunden bis 10 Tage [28, S. 289], [29, S. 174]. Einstrahlungsprognosen waren nicht der ursprüngliche Nutzen von NWPs, sodass sie für die präzise Vorhersage in nahen Zeiträumen < 5 Stunden nicht geeignet sind [30, S. 52]. Es existieren globale Modelle 4 Legionellen sind im Wasser lebende Bakterien, die bei Einatmung Lungenentzündung auslösen können. Diese finden in stehenden Wasservolumina zwischen 25 und 40 °C ideale Wachstumsbedingungen. Legi- onellen sterben bei Erhitzung > 60 °C ab, weshalb das gesamte TWW-Volumen einmal wöchentlich über 60 °C erhitzt werden sollte [25, S. 15]. 5 Hier hat das Vorhandensein von Wolken den größten Einfluss [26, S. 95]. 14
3 Technische Grundlagen wie das europäische ECMWF und lokale Anpassungen mit räumlich und zeitlich höhe- rer Auflösung [28, S. 291f.]. Die einfachste Form der statistischen Vorhersage ist die Persistenz (lat. verharren). Demzufolge wird für die Vorhersage angenommen, dass die Vorhersagegröße sich nicht verändert, im Sinne von ̇ (t + h ) = ̇ (t). Dieser Ansatz liefert nur für äu- ßerst kurze Zeiträume von 1 bis 10 Minuten valide Ergebnisse [28, S. 289], [29, S. 174]. Anhand der Persistenzvorhersage ist das Grundprinzip statistischer Vorhersagen einfach erklärt. Sie beruhen auf historischen Daten in Form von Zeitreihen sowie auf momentanen Messdaten der Vorhersagegröße und finden Anwendung in der In- trastundenvorhersage. Durch die vorhergehenden Verläufe und sich wiederholende Muster wird das Modell trainiert und anhand von Momentanwerten werden zukünftige Werte der Zeitreihe extrapoliert. Hierfür werden sowohl klassische Methoden der Zeit- reihenanalyse als auch maschinelle Lernverfahren angewandt [28], [30]. Durch Cloud Motion Vectors (CMV) wird die Wolkenentwicklung durch terrestrische oder satellitenbasierte Imageverfahren nachverfolgt, indem durch aufeinanderfolgende Bilder Vektorfelder generiert werden. So ist eine Extrapolation zukünftiger Wolkenver- teilungsbilder möglich. Durch diese Technik sind solide Vorhersagen für einen Zeit- raum von 10 Minuten bis 5 Stunden möglich. Für die Abschätzung der resultierenden Solarstrahlung werden physikalische und statistische Modelle verwendet [28, S. 296]. Mit hybriden Verfahren, also der Kombination von mehreren Vorhersagemodellen, wird versucht die Genauigkeit zu erhöhen, indem Nachteile von Einzelmodellen ausge- glichen werden. Durch die Modellspezifischen Vorteile können höhere Genauigkeiten als für die Einzelmodelle erreicht werden. Etabliert ist das Post Processing, also das statistische Nachbearbeiten von Prognosen, insbesondere für NWP [28, S. 298]. Durch sogenannte Model Output Statistics MOS kann die Genauigkeit um 10 bis 15 % ver- bessert werden [30, S. 52]. Entsprechend der Schwerpunktsetzung weisen die aufgezeigten Modelle verschiedene Potentiale auf. Während kurze Zeiträume und hohe räumliche Auflösungen durch CMV sowie statistische Methoden abgedeckt werden, sind für große Vorhersagehorizonte und Auflösungen insbesondere NWPs nutzbar. Wie bereits die Persistenz zeigt, nimmt die Vorhersageunsicherheit mit zunehmendem Vorhersagehorizont zu. Dementspre- chend hat der zeitliche Horizont erwartungsgemäß den größten Einfluss auf die Ge- nauigkeit, insbesondere im Bereich null bis sechs Stunden. Darüber hinaus gibt es zudem eine deutliche Abhängigkeit von den klimatologischen Effekten Nebel, Schnee und Staub. Diese schlägt sich in den Jahreszeiten nieder, sodass die Vorhersagen im 15
3 Technische Grundlagen Frühjahr und Herbst mit wesentlich größeren Unsicherheiten belastet sind als im Sommer (vgl. Abbildung 3-4). Abbildung 3-4 Exemplarische Unsicherheit einer day-ahead Vorhersage. Jahresverlauf des RMSE Monatsmittel [30]. Ähnlich der Sensitivitätsanalyse, können bei Wettervorhersagen durch eine Variation der Inputgrößen Unsicherheit und Fehler der Prognosewerte abgeschätzt werden. Die- ses Verfahren wird Ensemble Vorhersage genannt und die Inputvariation kann inner- halb des Modells (Singlemodel Ensemble) oder durch die Betrachtung mehrerer Be- rechnungsmodelle (Multimodel Ensemble) erfolgen [31]. Auf Basis der Ensemble Vor- hersagen ist es möglich, die Eintrittswahrscheinlichkeit der Vorhersage durch ein Kon- fidenzintervall zu berechnen. Die damit resultierende probabilistische Vorhersage enthält Informationen über die zu erwartende Abweichung von der Vorhersage, die für die Risikoabschätzung eine wichtige Bedeutung hat, dazu: [26], [32–34]. 3.3. Modelle in der Literatur Insbesondere durch die steigende Nachfrage in der Produktion von PV-Strom, erfährt die Vorhersage solarer Leistung eine starke Entwicklung. Dahingegen ist die Anwen- dung solarer Wärmeprognosen weniger erforscht, jedoch ebenfalls Gegenstand aktuel- ler Forschung. Erstmals wird die prädiktive Solarregelung von Grünenfelder und Tödtli beschrieben, um die elektrische Energie des Zuheizers im solarthermischen System – und somit die Wärmegestehungskosten – zu minimieren. Dabei wird für einen 24-Stunden-Horizont der solare Wärmeertrag abgeschätzt und die Hilfsenergie be- rechnet, die benötigt wird, um einen festgelegten, konstanten Ladezustand zu errei- chen. Eine variable Last wird nicht berücksichtigt und die Wettervorhersage erfolgt sta- tistisch auf Basis vergangener Messwerte aus neun Jahren [35]. Halvgaard et al. und Pichler et al. haben jeweils eine Methodik zur Kostenminimierung auf Basis der modellprädiktiven Regelung (MPC, engl. model predictive control) entwi- ckelt. In beiden Fällen handelt es sich um solarthermische Systeme mit Zuheizung für 16
3 Technische Grundlagen Einfamilienhäuser (EFH). Halvgaard wählt einen Vorhersagehorizont von 36 Stunden und verwendet für die Prognose ein kontinuierliches, diskretes Zustandsraummodell des Speichers auf Basis einer Differentialgleichung erster Ordnung. Eine Vorhersage von Kollektorleistung und Wärmelast wird nicht betrachtet. Das Modell erreicht durch die ökonomische MPC eine Reduktion der Kosten um 25 bis 30 % [36]. Pichler berücksichtigt in seinem Modell die Berechnung der solaren Leistung durch ein quasi-dynamisches Kollektormodell und stellt den 5-Knotenspeicher ebenso mittels eines Zustandsraummodells dar. Dieses berücksichtigt den Wärmeaustausch zwischen den Schichten durch einen konstanten Wärmeübergangskoeffizienten und sieht die Be- und Entladeleistung in der oberen Schicht vor. Verglichen mit dem TRNSYS6 Type 340 hat das Modell eine Genauigkeit von ∆ = 1 ± 1 K am oberen Knoten und eine deutlich größere Abweichung am Boden ∆ = 1,6 ± 5 K. Eine Wettervorhersage wird nicht be- rüchtigt, sodass der Input einer idealen Vorhersage entspricht. Durch die verbesserte Regelung kann eine Reduktion des Hilfsenergiebedarfs um bis zu 40 % erreicht werden und der monatliche solare Deckungsanteil wird um 4 bis 5 % gesteigert [38]. Wissenschaftliche Arbeiten zur Vorhersage auf Netzebene liegen insbesondere mit einem Fokus auf der Lastvorhersage vor, da dies im konventionellen Wärmenetz die nichtsteuerbare Größe darstellt, siehe [39–41]. Für die Anwendung seitens der solaren Wärmeerzeugung wird in [42] ein vielversprechender modellprädiktiver Ansatz zur Op- timierung eines solaren Wärmenetzes vorgestellt. Ziel ist die Minimierung der fossilen Zuheizung sowie der erforderlichen Hilfsenergie für Pumpen. Bei Annahme idealer Vorhersagen für Wetter und Netzlast, kann der Primärenergieverbrauch um 5 % ge- genüber den konventionellen Regelungsstrategien reduziert werden. 3.4. Bewertungs- und Validierungsmechanismen Ziel dieser Arbeit ist es, die Regelung des Nahwärmenetzes durch eine Vorhersage zu Gunsten eines geringeren Primärenergieeinsatzes beziehungsweise einer höheren Nutzung solarer Wärme zu verbessern. Um die Genauigkeit der Prognose und die tat- sächliche Auswirkung auf die Regelung abschätzen zu können, ist die Bewertung und Validierung des erstellten Vorhersagemodells von großer Wichtigkeit. Die zu erwarten- de Genauigkeit bestimmt die Quantität von Sicherheitsfaktoren innerhalb des Vorher- sagealgorithmus. Weiterhin sind die in diesem Kapitel vorgestellten Methoden wichtige Werkzeuge im Optimierungsprozess der einzelnen Teilmodelle. 6 Grafik-basiertes Programm zur instationären Systemsimulation technischer Anlagen [37] 17
3 Technische Grundlagen Die nachfolgend dargestellten Methoden, die insbesondere der Fehlerbewertung die- nen, werden in der statistischen Programmiersprache und Umgebung R umgesetzt. R ist eine freie Software und erfährt deshalb eine ständige Weiterentwicklung und Ergän- zung durch sogenannte Packages. Der Schwerpunkt liegt auf statistischen Auswertun- gen sowie Darstellungsmethoden zur analytischen Auswertung. Durch das Arbeiten mit Arrays, Matrizen und Vektoren ist die effektive Handhabung großer Datenmengen problemlos möglich [43]. Korrelationsanalyse Die Stärke der Abhängigkeit zweier Variablen kann mathematisch durch den Korrelati- onskoeffizienten ausgedrückt werden. = [−1 ≤ ≤ 1] (3-11) ⋅ Hierbei beschreibt die Kovarianz die gemeinsame Streuung der Variablen und anhand der mittleren Abweichung der Daten von den jeweiligen Mittelwerten ̅ und ̅ 1 = ∑( − ̅ ) ⋅ ( − ̅) (3-12) =1 und beziehungsweise die Standardabweichung der der jeweiligen Beobachtungs- daten als die Quadratwurzel der Varianz: 1 = √ 2 = √ ∑( − ̅ )2 (3-13) =1 Durch die Normierung der Kovarianz auf das Produkt der Standardabweichungen ist | | ein relatives Maß für die Stärke des Zusammenhangs beider Variablen. Ist die ge- meinsame Streuung nicht größer als das Produkt der Einzelstreuungen, ist der Zu- sammenhang maximal | | = 1 [44, S. 149–155]. Streuungsdiagramm Visuell kann die durch die Korrelation ausgedrückte Abhängigkeit anhand von soge- nannten Streuungsdiagrammen analysiert werden. Hier wird in einem Punktdiagramm je eine der betrachteten Variablen auf der x- und y-Achse dargestellt, sodass die Ge- samtheit der untersuchten Daten veranschaulicht wird. Es wird bei über tendenziell zunehmenden -Werten von einem positiven Zusammenhang gesprochen ( > 0), andernfalls liegt bei über sinkenden -Werten ein negativer Zusammenhang vor ( < 0). 18
3 Technische Grundlagen Zeigt das Streuungsdiagramm eine kreisförmige Punktwolke oder einen Verlauf parallel zur x- oder y-Achse, so ist kein Zusammenhang gegeben ( = 0). Aus Form und Ten- denz lassen sich wichtige Erkenntnisse über Ausreißer und für eine anschließende Regressionsanalyse gewinnen. Ist beispielsweise ein konvexer oder konkaver Verlauf der Punktstreuung erkennbar, so wird für eine gute Abbildung des Verhaltens eine Po- lynomgleichung zweiten oder dritten Grades notwendig sein. Das Maß der Streuung gibt bereits Hinweise auf den zu erwartenden Fehler der Regressionsgleichung [44, S. 147–157]. Regressionsanalyse Durch die Regressionsanalyse kann der Zusammenhang von zwei oder mehr Variab- len durch eine Funktionsgleichung ausgedrückt werden. In einfacher Form bedeutet dies, es wird die Variable durch die Variable ausgedrückt: ̂ = ( ) = + ⋅ , als Beispiel der Schätzung durch eine lineare Regression. Aufgabe der Regressionsanaly- se ist es, den Fehler der Schätzung durch die zu bestimmenden Parameter und zu minimieren [44, S. 171–177]. In R wird die Funktion lm() angewendet, welche auf der Kleinste Quadrate Methode basiert und sich sowohl für lineare, nichtlineare und multip- le Zusammenhänge eignet. Für weiterführende Informationen sei auf [45] verwiesen. Insbesondere bei der Verwendung mehrerer Variablen (multiple Regression, ̂ = ( , , … )) ist ein Maß für die Notwendigkeit jeder Einzelvariable erforderlich, da eine Beurteilung aufgrund der Komplexität andernfalls nicht ohne weiteres möglich ist. Hierfür eignet sich der p-Wert, der als Wahrscheinlichkeitswert angibt, ob die betref- fende Variable mehr als einen zufälligen Einfluss auf die Zielvariable hat. Ist dies der Fall, so nimmt der p-Wert kleine Werte an, als signifikant werden Variablen bezeichnet, die einen p-Wert < 0,05 aufweisen [46, S. 143–145]. Bestimmtheitsmaß Der Determinationskoeffizient, bekannt als das Bestimmtheitsmaß R2 , ist ein Maß für die Güte der Anpassung einer Schätzung mittels Regression. Hierbei wird die Stan- dardabweichung der Schätzung auf die Standardabweichung der tatsächlichen Variab- lenwerte bezogen, oder anders ausgedrückt das Verhältnis von Schätzwertfehler und Standardabweichung gegenübergestellt (vgl. Gl. (3-14)). 2̂ RSS R2 = =1− (3-14) 2 ∑ =1( − ̅)2 Mit der Residuenquadratsumme RSS, welche die Summe der quadrierten Schätzwert- fehler ̂ angibt: 19
3 Technische Grundlagen RSS = ∑ ̂ 2 mit ̂ = ̂ − (3-15) =1 Ähnlich wie bei dem Korrelationskoeffizienten gilt 0 ≤ 2 ≤ 1 und ein Maß nahe 1 steht für eine hohe Güte der Regression [44, S. 181], [46, S. 196f.]. Mittlerer Fehler Der Mittelwert aller Schätzwertfehler wird als mittlerer Fehler (engl. mean error) oder Bias bezeichnet [47]. Es ist ein Maß für die Erwartungstreue, also die Unverzerrtheit der Vorhersage und zeigt, ob und wie viel der wahre Wert durch den Vorhersagewert systematisch unter- oder überschätzt wird [44, S. 437], [48, S. 65]. 1 ME = ∑ ̂ − (3-16) =1 Mittlerer Absoluter Fehler MAE Sobald positive und negative Fehler auftreten, verliert der ME als Maß für die mittlere Genauigkeit seine Wirkung. Deshalb wird für das Maß der Güte von Vorhersagen der mittlere absolute Fehler (engl. mean absolute error) gebildet [49, S. 434]. 1 MAE = ∑ | ̂ − | (3-17) =1 Standardabweichung RMSE Die Standardabweichung der Grundgesamtheit (vgl. Gl. (3-13)), als Wurzel des mittle- ren quadratischen Fehlers (engl. root mean squared error), dient der Abschätzung des Vorhersagefehlers unter Gewichtung des Fehlerwertes. Hierdurch fallen große Fehler stärker ins Gewicht und es gilt MAE ≤ RMSE [49, S. 434], [50], [51, S. 9]. 1 RMSE = √ ∑( ̂ − )2 (3-18) =1 Normierte Fehlergrößen Von den aufgeführten Fehlergrößen werden zur Abschätzung der Vorhersagegüte in dieser Arbeit insbesondere der MAE und der RMSE verwendet. Im Hinblick auf Leis- tungsprognosen ist hierbei eine Betrachtung der normierten Fehler zweckmäßig. Für die Größen nMAE und nRMSE erfolgt ein Bezug auf den Maximalwert der zu prognos- tizierenden Größe ymax [51, S. 9]. RMSE MAE nRMSE = bzw. nMAE = (3-19) ymax ymax 20
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