Vorwahlkampf in Frankreich - Deutsch-Französisches Institut
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Deutsch- Aktuelle Frankreich-Analysen Nr. 31 November 2016 ISSN 1430-5844 Französisches Institut Vorwahlkampf in Frankreich Dominik Grillmayer Warum Vorwahlen? Wie wird man Kandidat? Die Kandidaten und ihre Strategien Was beeinflusst den Ausgang?
Dominik Grillmayer* Vorwahlkampf in Frankreich Einleitung * Dominik Grillmayer ist Die Franzosen stehen vor einem wich- Das aktuelle französische Wahlsystem Wissenschaftlicher Mit tigen Wahljahr. 2017 wird die zweite sieht vor, dass sich beliebig viele Kandi- 3 Aktuelle Frankreich-Analysen arbeiter am dfi Parlamentskammer, die Assemblée daten im ersten Wahlgang um das Amt Mitarbeit: Simon Besançon, Nationale, erneuert. Im Zentrum der der Präsidenten bewerben dürfen, wenn Eileen Keller, Aufmerksamkeit steht aber die Präsiden- sie bestimmte Voraussetzungen erfül- Stefan Seidendorf tenwahl, die in zwei Wahlgängen Ende len (siehe 3.). In die Stichwahl kommen 1 Vgl. Adolf Kimmel: Das April und Anfang Mai 2017 stattfinden allerdings nur die beiden bestplatzierten politische System der wird. Mit der Gründung der V. Republik Kandidaten. In der Regel lief es auf ein V. französischen Republik: Ausgewählte Aufsätze. 1958 erhielt der französische Staats- Duell zwischen einem linken und einem Baden-Baden: Nomos 2014. präsident eine besonders herausgeho- konservativen Präsidentschaftsbewerber bene Stellung, die mit der besonderen hinaus. Das Debakel von 2002, als kein Legitimität gerechtfertigt wird, die er aus einziger Kandidat der Linken, stattdessen der 1962 eingeführten Direktwahl durch aber Jean-Marie Le Pen vom Front national das Volk zieht. Offiziell ist er zwar nur (FN) im zweiten Wahlgang vertreten war, in einigen Bereichen die unmittelbare bildete die scheinbare Ausnahme. Der exekutive Gewalt im Staat – Regierungs- kontinuierliche Aufstieg der Rechtspo- chef ist der vom Präsidenten ernannte pulisten in den vergangenen Jahren hat und vom Parlament gewählte Premier- die Ausgangslage allerdings grundlegend minister – aber die politische Praxis der verändert. Vor allem deshalb organisieren letzten Jahrzehnte hat zu einer immer sowohl die Sozialistische Partei (PS) als stärkeren Konzentration auf das Amt auch die Bürgerlichen (Les Républicains, des Président de la République geführt. LR) Vorwahlen, die so genannten Primaires. Diese Tendenz ist durch die Verkürzung der Amtszeit auf 5 Jahre (vorher 7 Jahre) Die vorliegende Analyse beleuchtet zu noch verstärkt worden. Im „semi- nächst die bisherige Funktionsweise der präsidentiellen System“ der V. Repu- in zwei Runden ablaufenden Präsident- blik, das von einigen Forschern als im schaftswahlen und geht dann auf die sys- Grunde parlamentarisches System mit temischen Veränderungen ein, die sich aus Präsident1 bezeichnet wurde, haben dem Erstarken des Front national ergeben sich die Gewichte nun deutlich hin zum haben und die beiden traditionellen Lager Präsidenten verschoben. Die Präsiden- zu einer Reaktion zwangen. Im Folgenden tenwahl geht außerdem der Wahl der werden die Rahmenbedingungen und der Abgeordneten der Assemblée Nationale formale Ablauf der Vorwahlen beschrieben voraus. Damit wollte man sicherstellen, und die wichtigsten Kandidaten vorgestellt. dass der gewählte Präsident auch über Abschließend geht es um Strategien und eine politische Mehrheit seiner eigenen mögliche Szenarien für den Ausgang – Couleur im Parlament verfügt. sowohl der Vorwahlen im Herbst/Winter als auch der Präsidentschaftswahlen im Frühjahr kommenden Jahres.
1. Warum Vorwahlen? 2 Vgl. Dominik Grillmayer: Profile Aus der herausgehobenen Stellung und Auch die französischen Konservativen und Konstanten der französi- der Direktwahl des Präsidenten folgt eine zeigten sich immer wieder gespalten schen Linken, in: Politische Studi- en Nr. 447 (Januar-Februar 2013), starke Personalisierung im Wahlkampf, und es entstanden Pattsituationen S. 38-49. so dass Parteien und deren Programme wie 1995, als der erste Wahlgang der bei der Wahlentscheidung seit jeher Präsidentschaftswahlen zum öffentlichen 3 Dieses Amt hatte Jospin zuvor schon einmal inne. Er hatte es eine weniger starke Rolle spielen als die Austragungsort eines parteiinternen von François Mitterrand nach Persönlichkeit der Kandidaten. Warum Machtkampfes wurde. Damals traten dessen Wahlsieg 1981 über bedarf es nunmehr offenbar der Organi- mit dem amtierenden Premierminister nommen und bis 1988 ausgeübt. sation von Vorwahlen, um eine Führungs- Eduard Balladur und dem Pariser Bürger- figur zu identifizieren, die anschließend meister und Ex-Premier Jacques Chirac im Präsidentschaftswahlkampf auf die gleich zwei aussichtsreiche Vertreter Unterstützung nicht nur der Partei, son der damaligen Regierungspartei RPR dern möglichst vieler Sympathisanten des (Rassemblement pour la République) jeweiligen Lagers, auch und gerade der an – mit dem besseren Ende für Chirac. unterlegenen Wettbewerber, zählen kann? Nicolas Sarkozy hatte damals übrigens für Edouard Balladur Partei ergriffen, was ihm Jacques Chirac als Präsident lange Keine natürliche nachgetragen hat. Führungsfigur Gegner Chiracs im zweiten Wahlgang Die derzeitige Situation zeigt zunächst 1995 war Lionel Jospin, der sich zuvor einmal, dass es – im Unterschied zum in einem parteiinternen Zweikampf bei 4 Aktuelle Frankreich-Analysen Front national – heute weder beim PS den Sozialisten gegen den damaligen noch bei LR eine Führungspersönlichkeit Parteivorsitzenden Henri Emmanuel- gibt, die für sich die Kandidatur bean- li durchgesetzt hatte – und zwar per spruchen bzw. von den Parteimitgliedern Mitgliederbefragung. Er hatte damit die als natürlicher Anwärter akzeptiert wür- ersten Vorwahlen einer französischen de. Diese Situation ist aufgrund der tradi- Partei zur Bestimmung des Präsident- tionell starken Flügelbildung innerhalb schaftskandidaten gewonnen. der großen französischen Parteifamili- en nicht neu und hat schon mehrfach zu Obwohl er im Nachgang der Präsident- heftigen internen Richtungsstreitigkeiten schaftswahlen, die er in der zweiten geführt. Die Zeit François Hollandes Runde relativ knapp gegen Chirac verlor, als Parteichef der Sozialisten (1997 bis zwischenzeitlich den Parteivorsitz über- 2008) ist dafür ein gutes Beispiel. Stets nahm3 und im Anschluss an die Auflö- auf Ausgleich und Kompromiss bedacht, sung des Parlaments und den Wahlsieg konnte er dennoch eine Spaltung des PS der Sozialisten 1997 Premierminister beim Referendum über den europäischen wurde, war Jospins Führungsanspruch in Verfassungsvertrag im Jahr 2005 nicht der Partei in der Folge allerdings keines- verhindern. Ein Riss, der bis heute nach- wegs unumstritten. Gleichwohl erklärte wirkt. Zu diesen internen Auseinander- er im Vorfeld der Präsidentschaftswah- setzungen kommt hinzu, dass vor allem len 2002 seine erneute Kandidatur, das linke Parteienspektrum historisch ohne sich dieses Mal parteiintern einer bedingt stark zersplittert ist2. Entspre- Vorwahl stellen zu müssen. Fünf Jahre chend schwer war und ist es, bei den Prä- Regierungszeit hatten die Spannungen sidentschaftswahlen eine linke Mehrheit innerhalb des linken Parteienspektrums zu organisieren, und umso euphorischer jedoch so stark erhöht, dass Jospin sich wurden die Wahlsiege Mitterrands 1981 am Ende sieben weiteren linken Präsi- und Hollandes 2012 gefeiert. In beiden dentschaftsbewerbern gegenübersah. Fällen folgte auf die Euphorie aber schon bald bittere Ernüchterung, so dass die Die Situation, dass ein Kandidat in gerade errungene Einheit in Regierungs- seinem eigenen Lager nicht mit uneinge- verantwortung schnell wieder zu bröckeln schränkter Unterstützung im Wahlkampf begann und Fliehkräfte freisetzte, die rechnen kann und sich konkurrierenden einen Keil in die mühsam gezimmerte Bewerbern stellen muss, ist angesichts Parteienkoalition trieben oder sogar der erwähnten Flügelbildung und der einen Riss durch ein und dieselbe Partei Existenz von Klein- und Kleinstparteien verursachten. also nicht neu. Traditionell gab es im ers- ten Wahlgang eine verhältnismäßig hohe
Zahl an (meist chancenlosen) Bewerbern, widerspiegelt und im republikanischen deren Ziel es ist, durch ihre Kandidatur Diskurs führender Politiker von PS und Sichtbarkeit zu erzeugen. Daher kam es LR bis heute meist nicht vorkommt. regelmäßig zu Konstellationen, in denen die erste Runde der Präsidentschafts- Die Sozialisten zogen die Lehre aus dem wahlen dazu diente, die politischen Debakel und kürten 2006 zum zweiten Präferenzen der Bürger sichtbar zu Mal ihren Kandidaten per interner Mit- machen. Durch das in der V. Republik gliederbefragung, bei der sich Ségolène geltende Mehrheitswahlrecht werden die Royal klar gegen ihre beiden Mitbewerber Parlamentswahlen regelmäßig auf Links- Dominique Strauss-Kahn und Laurent Rechts-Zweikämpfe reduziert (der Front Fabius durchsetzte. Obwohl das Legi- national verfügt bspw. derzeit nur über timitätskapital aus den Vorwahlen zu zwei Abgeordnete, obwohl er landesweit einer größeren Einheit der Linken führte zwischen 15 - 20% der Stimmen erhielt). und sie die zweite Runde der Präsident- Um den zweiten Wahlgang gewinnen zu schaftswahl ungefährdet erreichte, unter- können, mussten die Vertreter der beiden lag sie dann aber Nicolas Sarkozy (2007). großen Parteien sich dann die Unterstüt- Der Front national – 2004 aufgrund des zung der unterlegenen Bewerber ihres Konflikts zwischen Jean-Marie Le Pen Lagers im zweiten Wahlgang „erkaufen“, und seinem innerparteilichen Konkur- indem sie entweder Wahlkreise oder renten Bruno Mégret vorübergehend in Ministerämter anboten. seiner Existenz bedroht – konnte das überraschende Ergebnis von 2002 nicht wiederholen. Der Schock von 2002 2011 schließlich entschied sich der PS, 5 Aktuelle Frankreich-Analysen Bei den Präsidentschaftswahlen von zum ersten Mal offene Vorwahlen 2002 hat das Ergebnis des Front natio- abzuhalten, an denen sich nicht nur Par- nal (16,86 %) dieser Funktionsweise des teimitglieder, sondern alle in den Wäh- ersten Wahlgangs jedoch ein abruptes lerlisten eingetragenen Bürger beteiligen Ende bereitet. Aufgrund der Zersplit- konnten, wenn sie sich durch Unterzeich- terung des linken Lagers schied Lionel nung einer Erklärung zu den „Werten der Jospin mit 16,18 % im ersten Wahlgang als Linken und der Republik“ bekannten. Drittplatzierter aus, was seinerzeit eine Außerdem stand es auch anderen Par- Schockwelle auslöste. Denn trotz des teien des linken Spektrums offen, einen klaren Siegs Chiracs im zweiten Wahlgang Kandidaten aufzustellen. Darauf ließ sich zeichnete sich bereits damals ab, dass allerdings nur der Parti radical de gauche der Erfolg von Jean-Marie Le Pen mögli- unter seinem Vorsitzenden Jean-Michel cherweise kein Unfall der Geschichte war, Baylet ein. Neben ihm konkurrierten fünf sondern der Anfang vom Ende des bi- Bewerber aus den Reihen des PS um die polaren Systems – auch wenn sich diese Nominierung zum Präsidentschaftskandi- Entwicklung aufgrund des Mehrheitswahl- daten (siehe Kasten Seite 6). systems noch nicht in den Parlamenten Anzahl Kandidaten in der 1. Runde der Präsidentschaftswahlen
Bisherige Vorwahlen: Sozialisten: Grüne: Mitgliederbefragung 1995 Offene Vorwahlen 2011 Lionel Jospin 65,85 % 1. Runde Henri Emmanuelli 34,15 % Eva Joly 49,74 % Nicolas Hulot (parteilos) 40,22 % Mitgliederbefragung 2006 Henri Stoll 5,02 % Ségolène Royal 60,65 % Stéphane Lhomme (parteilos) 4,64 % Dominique Strauss-Kahn 20,69 % 2. Runde Laurent Fabius 8,66 % Eva Joly 58,16 % Nicolas Hulot (parteilos) 41,34 % Offene Vorwahlen 2011 1. Runde François Hollande 39,17 % Martine Aubry 30,42 % Arnaud Montebourg 17,19 % Ségolène Royal 6,95 % Manuel Valls 5,63 % Jean-Michel Baylet (PRG) 0,64 % 2. Runde 6 Aktuelle Frankreich-Analysen François Hollande 56,57 % Martine Aubry 43,43 % 4 Bei der Analyse des Wahler- gebnisses von 2012 darf man Der Sieg François Hollandes bei der Der Front national Primaire und anschließend bei den allerdings nicht vergessen, dass viele Wähler damals in erster Präsidentschaftswahlen 2012 scheint der bestimmt das Spiel Linie gegen Nicolas Sarkozy damals verfolgten Strategie rückblickend stimmten, ohne sich zwangsläu- fig stark mit dem Kandidaten Recht zu geben. Der öffentlich ausgetra- Der Front national ist nach der Über- François Hollande zu identifi- gene Wettbewerb eines halben Dutzends nahme des Parteivorsitzes durch Marine zieren. Kandidaten im Vorwahlkampf hat der Le Pen im Jahr 2011 und ihrer Politik der 5 Vgl. hierzu vertiefend: Kim-Yvonne Kampagne sicherlich Dynamik verliehen „Entdämonisierung“ (dédiabolisation) Köhler, Stefan Seidendorf, Nils und eine starke Mobilisierung derjenigen wieder innerlich geeint und konnte Thieben: Neuer Kopf, alte Ideen? ausgelöst, die dem linken Lager zuneigen. schon bei den Präsidentschaftswahlen „Normalisierung“ des Front National unter Marine Le Pen, Aktuelle Fast drei Millionen Franzosen beteiligten 2012 mit 17,9 % das Ergebnis von 2002 Frankreich-Analysen Nr. 25, Juni sich seinerzeit an den Vorwahlen und tru- übertreffen.5 Angesichts der Unzufrie- 2011. gen dazu bei, dass sich die Partei hinter denheit mit Präsident Hollande und einer ihrem Kandidaten scharte.4 vorübergehend führungslosen konservati- ven Oppositionspartei, die sich nach dem Nach viereinhalb Jahren Regierungsver- Rückzug Sarkozys einen monatelangen antwortung liegt die damals gefundene Streit um dessen Nachfolge als Parteivor- Einheit in Trümmern. Die verbliebene so sitzender leistete, eilte der Front national genannte Regierungslinke (gauche du in den darauffolgenden Jahren von Wahl- gouvernement) ist stark geschwächt und erfolg zu Wahlerfolg. Bei den Kommu- praktisch ohne Mehrheit im Parlament, nalwahlen 2014 eroberte er landesweit und François Hollande als amtierender eine Reihe von Bürgermeisterämtern. Präsident nicht mehr natürlicher Kandidat Bei den Europawahlen 2014 (mit dem in für seine eigene Nachfolge. Grund hierfür Frankreich ungewöhnlichen Verhältnis- sind aber nicht nur seine schlechten wahlrecht) wurde er zur stärksten Partei Umfragewerte, sondern auch die durch Frankreichs. Und nur dem französischen den Aufstieg des Front national bedingten Wahlsystem ist es zu verdanken, dass tektonischen Veränderungen in der die Regionalwahlen 2015 den FN zwar französischen Parteienlandschaft. landesweit erneut zur stärksten Partei machten, er jedoch in keiner einzigen Region in einer Stichwahl die Mehrheit erzielen konnte. Dabei drängten sich in- folge der Terroranschläge und der Flücht-
lingskrise immer mehr die klassischen Der aus dieser neuen Konstellation er- Themen des FN in den Vordergrund: wachsene Zwang zur größtmöglichen Sicherheit und Identität. Folglich konnte Einheit noch vor dem ersten Wahlgang sich Marine Le Pen damit begnügen, ihre stellt die beiden traditionellen Parteien Forderungen zu wiederholen, und gleich- vor eine große Herausforderung, der sie zeitig beobachten, wie sich nicht nur der mit der Organisation von Primaires be- zurückgekehrte Nicolas Sarkozy, sondern gegnen wollen. Ihr Ausgang wird bereits sogar der sozialistische Präsident und maßgebliche Weichenstellungen für die sein Premierminister Manuel Valls diesen Präsidentschaftswahlen vornehmen. Ent- immer mehr annäherten. Zudem verfügt sprechend werden sie auf beiden Seiten die Partei an den politischen Rändern zur Spielwiese für taktisches Verhalten über keinerlei ernsthafte Konkurrenz – und politische Ränkespiele. Die Organi- weder links noch rechts – und kann daher sation von Vorwahlen hat zwar durchaus fast das komplette Potenzial an Protest- auch positive Begleiterscheinungen: wählern abschöpfen. Selbst das Zerwürf- Die Kandidatenkür wird durch offene nis zwischen der neuen Parteichefin und Vorwahlen demokratisch legitimiert, weil ihrem Vater im vergangenen Jahr änderte sie das Ergebnis eines umfangreichen nichts an ihrer unangefochtenen Stellung. Beteiligungsprozesses ist, und kann auf Für ihre Entscheidung, diesen aufgrund diese Weise zur Befriedung von Konflik- seiner fortwährenden verbalen Entglei- ten innerhalb einer Partei oder eines sungen aus der Partei ausschließen zu Lagers beitragen. Gleichzeitig besteht lassen, fand sich eine breite Mehrheit. aber auch das Risiko, dass die im Der Front national befindet sich somit Vorwahlkampf offen zutage getretenen sechs Monate vor den Präsidentschafts- Meinungsverschiedenheiten zwischen wahlen in einer komfortablen Situation. den Konkurrenten die erhoffte Einheit 7 Aktuelle Frankreich-Analysen Marine Le Pen gilt Meinungsumfragen anschließend als sehr brüchig und wenig zufolge für die zweite Runde mehr oder glaubhaft erscheinen lassen. weniger als gesetzt. 2. Wer führt Vorwahlen durch? 6 Die Statuten des PS sehen Mit der Annahme der Parteistatuten auf ten für seine eigene Nachfolge – stellen, zwar seit Herbst 2012 in jedem dem Gründungsparteitag der Républi- war intern zunächst umstritten.6 Mitte Fall die Organisation einer Vorwahl vor. Drei PS-Mitglieder, cains (LR) im Mai 2016 mit über 90 % Juni 2016 hat der aus 204 Mitgliedern die aufgrund des anfänglichen sprachen sich die Mitglieder der bishe- bestehende Nationalrat (Conseil natio- Zögerns der Parteiführung im rigen UMP (Union pour un Mouvement nal) des PS dann aber einstimmig deren Februar 2016 eine Klage einge- reicht hatten, sind vor Gericht populaire, vormals RPR) auch für die Durchführung im Januar 2017 beschlos- allerdings gescheitert. Die Rich- Organisation offener Vorwahlen „des bür- sen. Es war allerdings schnell klar, dass ter erkannten Widersprüche in gerlichen Lagers und des Zentrums“ aus. keine realistische Aussicht darauf be- den Parteistatuten und erklärten die Regelung zur Organisation Neben LR beteiligen sich an der anstehen- stand, diese Vorwahlen auf das gesamte von Vorwahlen daher als nicht den Vorwahl aber nur die seit langem eng linke Lager auszudehnen. So werden bindend. mit der Ex-UMP verbundenen Christde- sich weder der Parti de Gauche (PG) mokraten (Parti chrétien-démocrate). Die noch die Kommunisten (PCF) beteiligen. LR nahestehende Zentrumspartei UDI (Union des Démocrates et Indépendants, Die Partei der Grünen (Europe Ecologie in der Tradition von Giscards UDF), sowie – Les Verts, EELV), die 2012 Hollande das Mouvement Démocrate (MoDem) von unterstützt und mehrere Mitglieder in François Bayrou, der in den Jahren 2002, die Regierung von Jean-Marc Ayrault 2007 und 2012 als Präsidentschaftskandi- entsandt hatte, sich nach der Ernennung dat angetreten war, haben sich gegen eine von Manuel Valls zum Premierminister Teilnahme entschieden. Die „Primaire de im Frühjahr 2014 aber mehrheitlich vom la droite et du centre“ ist so faktisch zu Kurs des Präsidenten distanzierte und einer Vorwahl der Rechten zusammenge- ihre Minister wieder aus dem Kabinett schrumpft. abzog, hat im Sommer entschieden, eigene Vorwahlen durchzuführen. EELV Die Frage, ob die Sozialisten wie 2011 befindet sich derzeit allerdings in einer erneut offene Vorwahlen organisieren schwierigen Phase, die sich als exis- sollen, obwohl sie mit François Hollande tenzbedrohend erweisen könnte. Seit den amtierenden Präsidenten – und da- August 2015 haben mehrere Mitglieder, mit eigentlich den natürlichen Kandida- darunter auch ein Dutzend Abgeordnete
Vorwahlen Les Républicains / Parti chrétien-démocrate: 1. Wahlgang am 20. November 2016 2. Wahlgang am 27. November 2016 Website: http://www.primaire2016.org Vorwahlen bei der Linken (Belle Alliance populaire): 1. Wahlgang am 22. Januar 2017 2. Wahlgang am 29. Januar 2017 Website: http://www.lesprimairescitoyennes.fr Vorwahlen bei den Grünen (Europe Écologie – Les Verts, EELV) Abstimmung per Briefwahl Ergebnis 1. Wahlgang: Yannick Jadot: 35,61 % Michèle Rivasi: 30,16 % Cécile Duflot: 24,41 % Karima Delli: 9,82 % Die Ergebnisse der Stichwahl zwischen Yannick Jadot und Michèle Rivasi werden am 7. November 2016 veröffentlicht Website: https://primaire-ecologie.fr Präsidentschaftswahlen: 8 Aktuelle Frankreich-Analysen 1. Wahlgang am 23. April 2017 2. Wahlgang am 7. Mai 2017 7 Mael Thierry, Emmanuelle der Nationalversammlung, die Partei aus um den Abgeordneten François de Rugy Cosse, ex-punk, ex-chef d‘EELV et Protest gegen den neuen, dezidiert links firmiert mittlerweile unter dem Namen le maintenant ministre ! Le Nouvel Observateur, 11.02.2016, orientierten Kurs von EELV verlassen. parti écologiste und wird sich ebenso an http://tempsreel.nouvelobs. Sechs der fünfzehn grünen Abgeordneten den linken Vorwahlen beteiligen wie der com/politique/20160211. haben sich der sozialistischen Mehrheits- Front démocrate, ein Zusammenschluss OBS4527/emmanuelle-cosse- ex-punk-ex-chef-d-eelv-et-main- fraktion im Parlament angeschlossen, drei von Linkszentristen.8 Sie sind damit tenant-ministre.html ehemalige EELV-Mitglieder sind im Zuge Teil der vom Parteichef der Sozialisten, (abgerufen am 25.10.2016). der Kabinettsumbildung im Februar 2016 Jean-Christophe Cambadélis, ins Leben 8 AFP 2017: les écolos „réformis- neu in die Regierung eingetreten. Beson- gerufenen Belle Alliance populaire. Da- tes“ sur le „fil“ de leur alliance ders bitter für die Partei war, dass sie bei handelt es sich um den Versuch, trotz avec le PS, Le Point, 21.09.2016, dabei praktisch über Nacht sogar ihre Par- der tiefen Zerwürfnisse im linken Lager http://www.lepoint.fr/ politique/2017-les-ecolos- teivorsitzende, Emmanuelle Cosse, verlor, ein Bündnis aus Parteien sowie Vertretern reformistes-sur-le-fil- auch wenn dieser Bruch sich bereits seit von Gewerkschaften und Vereinen zu de-leur-alliance-avec-le- Längerem angekündigt hatte.7 schmieden, das in gemeinsamen Vorwah- ps-21-09-2016-2070276_20.php (abgerufen am 25.10.2016). len einen Kandidaten für die Präsident- Die neue Formation „reformorientierter schaftswahlen kürt. Grüner“, wie sie sich selbst bezeichnen, 3. Wie wird man Kandidat? ten von französischen Mandatsträ- Präsidentschaftswahlen gern (die sog. parrainages) beibringen – von Abgeordneten der Nationalver- Wer bei den französischen Präsident- sammlung und des Europaparlaments, schaftswahlen antreten will, muss einige von Senatoren, Bürgermeistern, Mitglie- Voraussetzungen erfüllen. Neben forma- dern von Regional- und Départementrä- len Vorgaben in Bezug auf das passive ten, Präsidenten französischer Kommu- Wahlrecht (Besitz der französischen nalverbände usw. Ausgenommen sind Staatsbürgerschaft, Mindestalter, etc.) Gemeinderäte. Dennoch kamen bei den muss jeder Bewerber 500 Unterschrif- letzten Präsidentschaftswahlen über
9 Vgl. Conseil Constitutionnel, 42.000 gewählte Personen (davon rund démocrate. Neben ihm qualifizierten http://www.conseil-constitution- 37.000 Bürgermeister) als Fürsprecher sich sechs weitere Kandidaten für die nel.fr/conseil-constitutionnel/fran- cais/election-presidentielle-2012/ (parrains) in Frage.9 Um sicherzustellen, Primaire, deren Nominierungsfrist im parrainages/parrainages-election- dass die Kandidatur auch landesweit September endete. presidentielle-2012.104284.html Unterstützung findet, müssen die Unter- (abgerufen am 25.10.2016). zeichner zudem aus 30 verschiedenen Die Sozialisten greifen auf die so Départements oder Überseegebieten genannte 5 %-Regel zurück, die schon kommen, und insgesamt dürfen nicht bei den Vorwahlen 2011 zur Anwendung mehr als 10% aller gesammelten Un- kam. Demnach benötigt ein Kandidat terschriften aus ein- und demselben die Unterschriften von Département stammen. ▯▯ 5 % der sozialistischen Abgeordneten der Nationalversammlung, des Se- nats oder des Europaparlaments Vorwahlen ▯▯ oder 5 % der Bürgermeister von Städ- ten mit über 10.000 Einwohnern aus Um zu verhindern, dass zu viele Be- vier unterschiedlichen Regionen und werber ihren Hut in den Ring werfen, 10 unterschiedlichen Départements haben auch Sozialisten und Républicains ▯▯ oder 5 % der Regional- oder Dépar- Hürden für eine Kandidatur eingebaut, tementräte aus 4 unterschiedlichen die sich an den Regeln für die Präsident- Regionen und 10 unterschiedlichen schaftswahlen orientieren. Départements ▯▯ oder 5 % der Mitglieder des Conseil Um an den Vorwahlen der Républicains national der Sozialistischen Partei teilnehmen zu können, mussten folgende Voraussetzungen erfüllt werden: Wie bei LR sind auch bei den Sozialisten 9 Aktuelle Frankreich-Analysen ▯▯ Unterschriften von mindestens die Vorsitzenden kleiner Parteien, die 250 Mandatsträgern aus 30 verschie- sich an der Vorwahl beteiligen wollen, denen Départements, darunter nicht von diesen Regeln ausgenommen. Die mehr als 10% aus ein- und demselben Frist zur Einreichung von Bewerbungen Département und mindestens 20 Ab endet am 15. Dezember. geordnete. ▯▯ Unterstützung durch mindestens Um bei den Vorwahlen der Grünen 2.500 Parteimitgliedern aus mindes- antreten zu können, mussten Bewerber tens 15 verschiedenen Départements, die Unterstützung von 36 Mitgliedern des darunter nicht mehr als 10 % aus ein- Conseil fédéral der Partei nachweisen, ei- und demselben Département. nes Rats von insgesamt 240 Delegierten. Jedes Mitglied durfte sich nur für einen Diese Regeln kamen bei ebenfalls teil- Kandidaten aussprechen, so dass sich nehmenden Kleinparteien nicht zur An- insgesamt nicht mehr als sechs Kandida- wendung. Das betraf nur Jean-Frédéric ten zur Wahl stellen konnten. Zugelassen Poisson als Chef des Parti chrétien- wurden letztlich vier Bewerber. 4. Formaler Ablauf der Vorwahlen 10 Sinngemäße Übersetzung: „Ich teile die republikanischen Werte Wer darf wählen? Bei den Sozialisten heißt es: „Ma signature des bürgerlichen Lagers und der sur cette liste d’émargement vaut engage- politischen Mitte, und ich setze ment de reconnaissance dans les valeurs mich für einen Politikwechsel ein, damit das Wiedererstarken Frank- Wahlberechtigt bei den offenen Vorwahlen de la Gauche et des écologistes dont j’ai reich gelingen kann.“ der beiden großen Parteien sind alle Bür- pris connaissance et confirmation de ma ger, die auf den Wählerlisten eingetragen contribution aux frais d’organisation des 11 Sinngemäß: „Mit meiner Unterschrift auf dieser Wahlliste sind und sich schriftlich zu den Werten Primaires citoyennes“.11 bekenne ich mich zu den von des jeweiligen Lagers bekennen. mir zur Kenntnis genommenen Wahlberechtigt bei den Grünen sind alle Werten der Linken und der Grünen und bestätige meinen Beitrag zu Die „Charte de l’alternance“ (Charta des Mitglieder sowie Bürger, die sich bis 1. Ok- den Organisationskosten dieser politischen Wechsels) der Républicains tober 2016 online registriert haben. Dass Vorwahlen“. liest sich wie folgt: „Je partage les valeurs hierfür nicht einmal ein Identitätsnachweis 12 So ist es etwa einer Journalistin républicaines de la droite et du centre erforderlich war, hat der Partei jedoch von Le Monde gelungen, ihre Katze et je m’engage pour l’alternance afin de Kritik eingebracht, da Zweifel an einem für die Vorwahlen zu registrieren. réussir le redressement de la France.“10 ordnungsgemäßen Verlauf laut wurden.12
Jérémie Baruch, Alexandre Le- Wie wird gewählt? 13 Ausgaben in Höhe von fünf bis acht marié et Matthieu Goar, Primaire de la droite: 10 228 bureaux de Millionen Euro. Hauptkostenpunkt ist die vote stratégiquement répartis, Bereitstellung der Wahllokale, die von Le Monde, 30.09.2016, Um den Präsidentschaftskandidaten der der Partei in zahlreichen Fällen bei den http://abonnes.lemonde.fr/ election-presidentielle-2017/ Républicains zu bestimmen, wird am oftmals klammen Kommunen angemie- article/2016/09/30/primaire- 20. und 27. November 2016 in landes- tet werden müssen. Um die Vorwahlen de-la-droite-10-228-bureaux- weit über 10.000 Wahllokalen (inklusive zu finanzieren, müssen Bürger, die sich de-vote-strategiquement-repar- tis_5005831_4854003.html Überseegebiete) abgestimmt, von denen an der Abstimmung beteiligen, pro (abgerufen am 25.10.2016). es besonders viele dort geben wird, wo Wahlgang 2 Euro zahlen. Wenn also an Konservative und Zentristen 2012 über- beiden Runden zwei Millionen Menschen durchschnittliche Ergebnisse erzielt ha- teilnehmen, sind die von der Partei vor- ben. Da MoDem und UDI derzeit eher dem gestreckten Kosten gegenfinanziert. Dies Kandidaten Alain Juppé zuneigen, war bis gilt als sehr wahrscheinlich. Die Partei zuletzt umstritten, ob auch deren Hoch- rechnet damit, dass sich mehr Bürger be- burgen berücksichtigt werden sollten, weil teiligen als bei den Vorwahlen der Sozia- dies zulasten Sarkozys gehen könnte.13 listen 2011. Damals hatten 2,66 Millionen in der ersten und 2,86 Millionen in der Die Sozialisten rechnen mit einer weit- zweiten Runde ihre Stimme abgegeben. aus geringeren Beteiligung als im Jahr Die Ausgaben für ihre Wahlkampagne 2011, haben aber trotzdem angekündigt, müssen alle Kandidaten selbst tragen. landesweit mindestens 8.000 Wahllokale für die Abstimmung am 22. und 29. Ja- Wer an den Vorwahlen der Belle nuar 2017 einzurichten. Weitere Details Alliance populaire teilnehmen möchte, sind noch nicht bekannt. muss pro Wahlgang 1 Euro zahlen. Außerdem stellen die Sozialisten – im 10 Aktuelle Frankreich-Analysen Die Grünen können aus finanziellen Gegensatz zu LR – allen Kandidaten der Gründen ihre Vorwahlen nicht mit einem eigenen Partei ein Budget in Höhe von ähnlichen Aufwand wie LR und PS durch- 50.000 Euro für den Wahlkampf zur führen. Abgestimmt wird per Briefwahl. Verfügung. Bei den Grünen ist die Abstimmung für Wer trägt die Kosten? Parteimitglieder gratis, Nichtmitglieder zahlen 5 Euro. Die für den reibungslosen Ablauf der Vorwahlen im konservativen Lager zuständige Haute Autorité kalkuliert mit 5. Die Kandidaten und ihre Strategien Die Entscheidung für die Organisation lung, Jean-François Copé. Die daraufhin von Vorwahlen ist, wie bereits angedeu- durchgeführte Mitgliederbefragung lieferte tet, weniger basisdemokratischen Über- ein äußerst knappes Ergebnis zugunsten legungen geschuldet, als vielmehr stra- von Copé, das Fillon nicht akzeptieren tegischen Abwägungen in beiden Lagern wollte. Die so entstandene Pattsituation sowie dem Machtkalkül aussichtsreicher hat dem Ansehen der Partei massiv ge- Kandidaten. Die Zeit der Planspiele für schadet und sie in der Wahrnehmung ihrer den Ausgang der Vorwahlen sowie die Rolle als größte Oppositionspartei ge- erste und zweite Runde der Präsident- lähmt. Der Kompromiss bestand am Ende schaftswahlen hat längst begonnen. darin, dass Copé den Vorsitz eineinhalb Jahre lang ausübte und ihn im Sommer 2014 vorübergehend an ein Dreierkollegi- Les Républicains um übertrug, dem Fillon, der Ex-Premier und Bürgermeister von Bordeaux, Alain Nachdem Nicolas Sarkozy im Anschluss Juppé, und Ex-Premier Jean-Pierre Raffarin an seine verfehlte Wiederwahl 2012 sei angehörten, ehe im Herbst desselben nen „endgültigen Abschied von der Politik“ Jahres Nicolas Sarkozy an die Parteispit- verkündet hatte, meldeten zwei Kandida- ze zurückkehrte. Dieser konnte daraus ten Ansprüche auf den Vorsitz der UMP aber keinen natürlichen Anspruch auf die an, Ex-Premier François Fillon und der Präsidentschaftskandidatur ableiten, denn Ex-Fraktionschef in der Nationalversamm schon im August 2014 hatte Alain Juppé
seinen Hut in den Ring geworfen. Daher das Rathaus von Bordeaux zurück, wur- wurde im Sommer 2016 beschlossen, de 2007 erneut gewählt und übernahm Vorwahlen durchzuführen. unter der Präsidentschaft Sarkozys zusätzlich Ministerämter (zunächst Ver- Neben Juppé und Sarkozy treten fünf teidigungs-, dann Außenminister). Das weitere Kandidaten bei den Vorwah- durch die Auseinandersetzung zwischen len an: Die gescheiterten Thronfolger François Fillon und Jean-François Copé Fillon und Copé, Ex-Landwirtschaftsmi- entstandene Machtvakuum nutzte er nister Bruno Le Maire, der Vorsitzende 2014, um seine Kandidatur bei den der Christdemokraten, Jean-Frédéric nächsten Präsidentschaftswahlen anzu- Poisson, sowie – als einzige Frau – die kündigen. ehemalige Umweltministerin Nathalie Kosciusko-Morizet. Laut Umfragen Nicolas Sarkozy spricht jedoch alles für einen Zweikampf Juppé gegen Sarkozy – und dabei prallen zwei völlig unterschiedliche Konzepte Nach seiner fünfjährigen Amtszeit und Strategien aufeinander. als Präsident, in der Nicolas Sarkozy (*1955) zahlreiche heiße Eisen angefasst hatte, aber letztlich nur einige wenige Alain Juppé der von ihm angekündigten Reformen zu Ende bringen konnte (u.a. mehr Auto- Alain Juppé (*1945) hat eine erstaun- nomie für die Universitäten und eine liche Karriere hinter sich, die in den Rentenreform), verabschiedete sich der 1980er Jahren im Pariser Rathaus am Ende ungeliebte „Hyperprésident“ 11 Aktuelle Frankreich-Analysen begann – unter dem damaligen Bür- 2012 zunächst aus dem Politikbetrieb. germeister Jacques Chirac. Es folgten Er hatte im Vorfeld seiner Wahl zum Ministerposten unter den Premiermi- Präsidenten 2007 durch seinen Dis- nistern Chirac (1986–88) und Édouard kurs- und Politikstil viele Franzosen für Balladur (1993-95). 1995 unterstützte sich einnehmen können, weil er sich er Chirac gegen Balladur im Präsident- damit aus ihrer Sicht wohltuend von den schaftswahlkampf und wurde nach restlichen Spitzenpolitikern mit ihren dessen Sieg zum Regierungschef er- stromlinienförmigen Biographien abhob, nannt. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit denen oft Weltfremdheit und mangelnde musste er allerdings eine seiner größten Kenntnis der gesellschaftlichen Rea- politischen Niederlagen hinnehmen: Die litäten im Land vorgeworfen wird. Als geplante Rentenreform musste er ange- Person polarisierte er jedoch von Anfang sichts monatelanger Streiks, zu denen an stark, was dazu führte, dass ihm am die Gewerkschaften aufgerufen hatten, Ende seiner Amtszeit von der Mehrheit zurückziehen. Nachdem Präsident Chi- der Bevölkerung Ablehnung entgegen- rac 1997 das Parlament in der falschen schlug. Umso überraschender war seine Annahme aufgelöst hatte, Neuwahlen Rückkehr an die Spitze der UMP im würden der konservativen Fraktion eine November 2014. Das Wahlergebnis von komfortable Mehrheit bescheren, muss- 64,5 % der Stimmen zeigte zwar, dass er te Juppé infolge des überraschenden auch in der Partei nicht unumstritten ist. Wahlsiegs der Sozialisten das Amt an Dennoch gelang es ihm in der Folge, die Lionel Jospin übergeben. So konzentrier- Mehrheit der Mitglieder auf seinen Kurs te er sich auf sein Amt als Bürgermeister einzuschwören, die dann auch die von von Bordeaux (seit 1995), wo er eine ihm im Mai 2015 angebahnte Umbe- umfassende Stadterneuerung einleitete nennung der UMP in Les Républicains und 2001 wiedergewählt wurde. Wenig unterstützte. An seiner Kandidatur bei später holte ihn allerdings seine Zeit als den Vorwahlen bestand seitdem nie ein Mitarbeiter Chiracs im Pariser Rathaus Zweifel. Dennoch wartete er bis Ende ein. In der Affäre um illegale Parteienfi- August 2016, ehe er im Vorwort seines nanzierung durch die Schaffung fiktiver neu erschienenen Buches ankündig- Arbeitsplätze in der Pariser Verwaltung te, sich bei den Primaires zur Wahl zu wurde Juppé zu einer Bewährungsstrafe stellen. und zur Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte verurteilt und musste deshalb 2004 alle politischen Ämter ab- geben. Nach Verbüßung der Strafe von zwei Jahren kehrte er 2006 umgehend in
nur als offizieller Kandidat der sozialis- Alexandre Boudet: Ce que ré- La Belle Alliance populaire 14 clame Arnaud Montebourg pour tischen Partei eine (gleichwohl geringe) participer à la primaire du PS, Le Huffington Post, 05.10.2016, Chance bei den Präsidentschaftswahlen http://www.huffingtonpost. Auch wenn sich François Hollande erst hätte. Als unabhängiger Bewerber wäre fr/2016/10/02/arnaud-mon- im Dezember, also nach der Kür des er hingegen auf verlorenem Posten. Das tebourg-primaire-ps-exigences- participation_n_12261042.html republikanischen Kandidaten, festle- unterscheidet ihn im Übrigen von Emma- (abgerufen am 25.10.2016). gen wird, ob er an den Vorwahlen der nuel Macron (siehe Seite 13).14 „Regierungslinken“ teilnimmt, beeinflusst seine mögliche Kandidatur naturge- Benoît Hamon mäß die taktischen Überlegungen der Konkurrenten im eigenen Lager – und darüber hinaus. Zwei seiner schärfsten Der ehemalige Erziehungsminister Benoît parteiinternen Kritiker, die beiden dem Hamon (*1967) ist sich in vielen Punk- linken Flügel angehörenden Ex-Minister ten einig mit Montebourg. Das hat dazu Arnaud Montebourg und Benoît Hamon, geführt, dass auch Hamon im August haben bereits ihre Kandidatur bei den 2014 seinen Kabinettsposten verlor, Vorwahlen verkündet. Hinzu kommen nachdem er sich der öffentlichen Kritik vier chancenlose Bewerber: die sozialisti- Montebourgs am Kurs des Präsidenten sche Senatorin Marie-Noelle Lienemann, angeschlossen hatte. Im Gegensatz zu der Parteilinke Gérard Filoche sowie seinem Parteikollegen verfügt der ehe- Jean-François Rugy (parti écologiste) und malige Chef der Jungsozialisten allerdings Jean-Luc Bennahmias (Front démocrate). nicht über das notwendige parteiinterne Gewicht und das Charisma, um zum Favoritenkreis bei den Vorwahlen gezählt Arnaud Montebourg 12 Aktuelle Frankreich-Analysen werden zu können. Der Parteilinke Arnaud Montebourg Warten auf François Hollande (*1964) war 2007 Sprecher der Präsi- dentschaftskandidatin Ségolène Royal und sorgte bei den Vorwahlen 2011 für Der amtierende Präsident hält sich eine Überraschung, als er mit 17 % der weiterhin bedeckt. Daraus darf man Stimmen im ersten Wahlgang unerwar- allerdings nicht schließen, dass Fran- tet auf dem dritten Platz landete. Als çois Hollande (*1954) angesichts einer Wirtschaftsminister im Kabinett von äußerst durchwachsenen Bilanz seiner Jean-Marc Ayrault avancierte er rasch zu Präsidentschaft und miserabler Umfra- einem der Schwergewichte der Partei. gewerte bereits entschieden hat, nicht Nach dem angebotspolitischen Schwenk erneut anzutreten. Ganz im Gegenteil: Er des Präsidenten in der Wirtschaftspo- gibt sich kämpferisch. Doch gleichzeitig litik kam es jedoch immer häufiger zu offenbart er ungewohnt fehlendes Ge- Differenzen zwischen Montebourg und spür beim Umgang mit den Medien. Der Hollande, die sich nach den verlorenen unlängst veröffentlichte Interviewband Kommunalwahlen im Frühjahr 2014 und mit dem vielsagenden Titel „Un président der darauffolgenden Ernennung von ne devrait pas dire ca…“ (Ein Präsident Innenminister Manuel Valls zum Premi- sollte das nicht sagen…), in dem sich erminister weiter verschärften und im Hollande ungewohnt offen zu zahlreichen August desselben Jahres eskalierten. Bei Themen äußert, hat ihm starke Kritik an seiner traditionellen Rede zum Ferienen- seinem Amtsverständnis eingebracht und de in seinem Heimatwahlkreis in Frangy- selbst treue Gefolgsleute irritiert. Zu al- en-Bresse kritisierte Montebourg offen lem Überfluss stellte die Veröffentlichung den Kurs des Präsidenten und seines das am gleichen Tag erschienene lange Regierungschefs. Die unmittelbare Folge Interview im Wochenmagazin „L’Obs“ in war sein Ausscheiden aus dem Kabinett. den Schatten, auf dessen Titelseite der Er zog sich vorübergehend aus dem Präsident mit der Aussage „Je suis prêt“ Politikbetrieb zurück, um dann im August (ich bin bereit) zitiert wurde. 2016 seine Kandidatur zu verkünden. Dabei ließ er anfänglich offen, ob er als Was macht Manuel Valls? Bewerber bei den Vorwahlen oder direkt bei den Präsidentschaftswahlen antritt. Tatsächlich gab es für ihn aber nie eine Der sozialistische Premierminister gibt Alternative, da er angesichts seiner sich loyal an der Seite des Präsidenten dezidiert linken Positionen auf einen La- und verteidigt dessen Reformkurs gegen gerwahlkampf angewiesen ist und somit Kritiker aus der eigenen Partei und der
Opposition. Entsprechend wird Manuel Valls (*1962) sich nicht an den Vorwah- Weitere Kandidaten für die len beteiligen, wenn François Hollande im Präsidentschaftswahlen Dezember seine Kandidatur ankündigt. Sollte dieser wider Erwarten verzichten, Neben den drei Gewinnern der Vor- könnte Valls hingegen seinen Hut in wahlen und der in der eigenen Partei den Ring werfen und den reformorien- unangefochtenen Marine Le Pen werden tierten Flügel der Partei repräsentieren. noch einige weitere Bewerber antreten, Derzeit wird aber eher vermutet, dass deren Ergebnis im ersten Wahlgang sich er sich nach der erwarteten Niederlage überwiegend zwischen 1 und 5 % bewe- der Linken im kommenden Jahr für die gen dürfte – mit zwei Ausnahmen. Präsidentschaftswahlen 2022 in Stellung bringt. Jean-Luc Mélenchon Die Grünen Wie schon 2012 wird sich auch im kom- menden Jahr wieder Jean-Luc Mélenchon EELV hat bereits im Vorfeld der ver- (*1951) von der französischen Linkspartei gangenen drei Präsidentschaftswahlen (Parti de gauche) zur Wahl stellen. Der Vorwahlen durchgeführt. 2012 setzte Linkspopulist holte vor vier Jahren im sich dabei völlig überraschend die ersten Wahlgang 11,10 % der Stimmen. gebürtige Norwegerin Eva Joly gegen Mélenchon hatte es von vornherein eine der Galionsfiguren der ökologischen abgelehnt, mit seiner Partei an den linken Bewegung Frankreichs, Nicolas Hulot, Vorwahlen teilzunehmen, und hätte dort durch und entschied damit den parteiin- auch keine Chance auf ein gutes Ergeb- 13 Aktuelle Frankreich-Analysen ternen Machtkampf zugunsten des linken nis. Zwar ist auch seine direkte Kandida- Flügels. Bei den Präsidentschaftswahlen tur für das Präsidentenamt aussichtslos. errang sie anschließend aber gerade Sie bietet ihm aber die Möglichkeit, sich einmal 2,31% der Stimmen. Der Ent- als erklärten Gegner einer reformorien- schluss, auch im Vorfeld der kommenden tierten Politik in Szene zu setzen. Im Ge- Wahlen wieder eine „primaire écologiste“ gensatz zur letzten Wahl tritt der Parti de zu organisieren, fiel Anfang Juli. Obwohl gauche wohl nicht im Linksbündnis (Front die einflussreiche ehemalige Wohnungs- de gauche) zusammen mit der Kommu- bauministerin und Ex-Vorsitzende Cécile nistischen Partei Frankreichs (PCF) an. Es Duflot als aussichtsreichste Kandidatin ist derzeit noch offen, wie der traditions- galt, verfügte sie nicht über ausreichend reiche PCF sich verhalten wird. Rückhalt in der Partei, um ihre direkte Kandidatur für die Präsidentschafts- wahlen erklären zu können, ohne dabei Emmanuel Macron Widerstand zu riskieren. In den Vorwah- len Mitte Oktober traf sie dann auf drei Viel spannender ist freilich, ob wie Europaabgeordnete von EELV, von denen erwartet auch François Hollandes sie programmatisch nicht viel unter- ehemaliger Wirtschaftsminister Em- schied. Um eine Richtungsentscheidung manuel Macron (*1977) seinen Hut in wie noch 2012 ging es dieses Mal nicht. den Ring wirft. Der 38jährige Absol- Der Streit um die Ausrichtung der Partei vent der Eliteverwaltungsschule ENA war mit dem Ausstieg einflussreicher und Ex-Banker trat im August 2014 die Mitglieder, die den Kurs der Regierung Nachfolge von Arnaud Montebourg an, unterstützten (siehe 2.), bereits zuvor nachdem er schon zuvor den Präsiden- entschieden worden. Dies dürfte dazu ten in Wirtschaftsfragen beraten hatte beigetragen zu haben, dass die Beteili- und maßgeblich an der Ausarbeitung der gung an der Primaire, die 2011 mit rund von Hollande im Januar 2013 angesto- 32.000 Wählern vergleichsweise hoch ßenen angebotspolitischen Maßnahmen ausgefallen war, 2016 (zumindest im ers- beteiligt war. Als Minister avancierte ten Wahlgang) nur noch bei rund 12.500 Macron innerhalb kurzer Zeit zu einem lag. Trotzdem hielt der Ausgang der ers- der beliebtesten Politiker Frankreichs, ten Runde eine Überraschung parat: Die obwohl die von ihm verantworteten Favoritin Cécile Duflot landete nur auf Gesetzespakete (u.a. zur Liberalisierung dem dritten Platz. Die Entscheidung fällt von Ladenöffnungszeiten und des Fern- nun zwischen den Europaabgeordneten busverkehrs) teilweise sehr umstritten Yannick Jardot und Michèle Rivasi. waren. Weil ihm schon bald Unzufrieden- heit mit den Entscheidungsspielräumen
15 Mitte Oktober hat Macron der als Minister und gleichzeitig persönliche zwischen fortschrittsorientierten und Wirtschaftszeitung Challenges Ambitionen auf das politische Spitzen- rückwärtsgewandten Linken sind. ein ausführliches Interview gege- ben, in dem er seine Standpunkte amt nachgesagt wurden, war allerdings erläutert hat, seit längerem über seinen Rückzug aus Macron steht für eine teilweise Über- http://www.challenges.fr/ dem Kabinett spekuliert worden. Bereits windung des starren Links/Rechts- election-presidentielle-2017/ interview-exclusive-d-emmanuel- im Juli hatte er die Bewegung En Marche! Schemas, aus seiner Sicht ein Relikt des macron-je-ne-crois-pas-au-presi- ins Leben gerufen und damit begonnen, vom Klassenkampf geprägten Industrie dent-normal_432886 Unterstützer und Gleichgesinnte um sich zeitalters. Er argumentiert, dass die (abgerufen am 25.10.2016). zu scharen. Im August folgte dann der Frontlinie heute vor allem zwischen erwartete Rücktritt, der besonders dem Globalisierungsbefürwortern und -geg- Präsidenten übel aufstieß, weil er ihn als nern verläuft und die Funktionsweise Akt fehlender Loyalität interpretierte. des französischen Staates sowie der François Hollande hatte den raschen Auf- politische Diskurs in den vergangenen stieg Macrons erst ermöglicht und muss- Jahrzehnten nicht Schritt gehalten ha- te nun zur Kenntnis nehmen, dass ihm ben mit den gesellschaftlichen Verände- auf diese Weise ein neuer Konkurrent rungen.15 Seine Positionen lassen sich erwachsen ist. Auch wenn Macron seine am besten als linksliberal beschreiben, Kandidatur noch nicht verkündet hat, so womit er in der zersplitterten und teil- spricht vieles dafür, dass er sich um das weise ideologisierten französischen Lin- Präsidentenamt bewirbt. In diesem Fall ken häufig auf Skepsis bis hin zu offener würde er jedoch nicht den Umweg über Ablehnung stößt. Gleichzeitig findet er die Vorwahlen der Sozialisten gehen, die als Vertreter der politischen Mitte mit nach seiner Interpretation Schauplatz seinen Ansichten zum Teil auch Gehör einer überholten Auseinandersetzung bei konservativen Wählern. 14 Aktuelle Frankreich-Analysen 6. Was beeinflusst den Ausgang? steht die Abstimmung grundsätzlich Les Républicains auch Wählern offen, die sich politisch links vom Zentrum verorten. Das ver- Mit Alain Juppé und Nicolas Sarkozy sucht Alain Juppé für sich zu nutzen. Er stehen sich zwei grundlegend verschiede- hat explizit darauf hingewiesen, dass ne Persönlichkeiten gegenüber, die völlig die Mitte links-Wähler, die 2012 auf unterschiedliche Strategien verfolgen. François Hollande gesetzt hatten und Während sich Juppé als Versöhner und enttäuscht wurden, bei den Vorwahlen Mann der Mitte gibt, der die entstande- der Konservativen willkommen sind. nen tiefen Gräben in der französischen Umfragen bescheinigen Juppé einen Gesellschaft zuschütten will, führt Sar- komfortablen Vorsprung auf Sarkozy, kozy einen knallharten Lagerwahlkampf, wenn sich Sympathisanten des linken bei dem er nicht selten in die Nähe zu Lagers in nennenswerter Zahl an den Positionen des Front national gerät – und Vorwahlen der Républicains beteiligen. das mit voller Absicht. Auch wenn Bei- Nicolas Sarkozy, der unter Parteianhän- spiele aus anderen Ländern zeigen, dass gern besonders hohe Zustimmungswer- populistischen Parteien kaum beizukom- te genießt, kontert diese Strategie mit men ist, indem man ihre Forderungen scharfen Angriffen gegen seinen par- übernimmt, hat er sich entschieden, im teiinternen Gegner und dem Vorwurf, Wahlkampf neben klassischen Wirt- Linkswähler machten sich des Meineids schaftsthemen die Sicherheits- und Iden- schuldig, wenn sie eine Charta unter- titätskarte zu spielen. Mit dieser Strategie zeichneten, deren Inhalt sie in Wahrheit ist es ihm nach der Ankündigung seiner nicht unterstützten. Kandidatur in kürzester Zeit gelungen, zu dem in den Umfragen enteilten Juppé Wenn das Rennen gelaufen ist und nahezu aufzuschließen. der Kandidat der Républicains für die Präsidentschaftswahlen feststeht, Eine der interessantesten Fragen ist bleibt abzuwarten, inwieweit es gelingt, nun, wie sich das System der offenen das konservative Lager hinter ihm zu Vorwahlen auswirken wird. Wenngleich versammeln. Dabei kommt es natürlich sich die teilnehmenden Bürger durch vorrangig auf die unterlegenen Mitbe- die Unterzeichnung einer Charta zu den werber an, die mit der Unterzeichnung konservativen Werten bekennen müssen, einer Art Ehrenkodex bei der Einreichung
16 Eigene Darstellung, Vorwahlen der Bürgerlichen und des Zentrums: Umfrage von Ipsos/Sopra basierend auf: Ipsos / Sopra Steria: La primaire Steria nach der ersten TV-Debatte am 13. Oktober 16 de la droite et du centre au lendemain du premier débat entre les candidats. Préparé pour le Parisien-Aujourd’hui en France et BFMTV, 16 1. Runde octobre 2016 (http://www. ipsos.fr/sites/default/files/ doc_associe/la_primaire_a_ droite_leparisien_bfmtv.pdf, abgerufen am 27.10.2016). 15 Aktuelle Frankreich-Analysen 2. Runde ihrer Kandidatur versichern mussten, den ausgesprochen hatte, aber aktuell wenig Sieger der Vorwahlen zu unterstützen. Zweifel daran lässt, dass er Alain Juppé Gleichwohl könnte im Zweifel nicht ver- unterstützt. Sollte Nicolas Sarkozy die hindert werden, dass einer der Verlierer Vorwahlen gewinnen, behält er sich eine dennoch bei den Präsidentschaftswahlen eigene Kandidatur bei den Präsident- antritt, solange er die hierfür erforderli- schaftswahlen vor. chen Unterstützer findet (siehe 3.). Da ist zum anderen die UDI, die eben- falls bereits verkündet hat, Alain Juppé Rolle der Zentristen zu unterstützen. Sie muss nun hoffen, auf den am Ende erfolgreichen Kandida- Als zweiter Faktor kommt die Rolle der ten gesetzt zu haben. Denn um als kleine beiden Zentrumsparteien hinzu, die Partei im französischen Mehrheitswahl- sich nicht an den Vorwahlen beteiligen system existieren zu können, ist sie mit wollten. Blick auf die Parlamentswahlen 2017 auf einen Deal angewiesen, bei dem die Da ist zum einen François Bayrou, der Républicains ihr einige Wahlkreise über- sich nach seinem Ausscheiden in der lassen, um den Einzug von UDI-Kandida- ersten Runde der Präsidentschaftswah- ten ins Parlament zu ermöglichen. Das len 2012 für die Wahl François Hollandes ist ihre einzige Chance, wieder eine Frak-
Wahlabsichten bei den Präsidentschaftswahlen 2017: Test von 6 Hypothesen für die 1. Runde 17 Gewinner Vorwahlen Juppé Sarkozy Juppé Sarkozy Juppé Sarkozy Hollande Hollande Hollande Hollande Montebourg Montebourg Mögliche weitere Kandidaten Bayrou Macron Bayrou Bayrou Macron Kandidat Les Républicains 37% 22% 33% 20% 39% 22% Kandidat Sozialisten 11% 13% 9% 9,5% 9% 10% Marine Le Pen 29% 27,5% 26% 25% 29% 28% Jean-Luc Mélenchon 12,5% 14% 12% 12% 13% 15% Emmanuel Macron 11% 14% Francois Bayrou 14% 10% 15% Andere 10,5% 9,5% 9% 9,5% 10% 10% 17 Eigene Darstellung, basie- tion bilden zu können (dafür sind 15 Ab- wäre davon auszugehen, dass er in den rend auf einer Umfrage BVA- SalesForce für die französische geordnete nötig). Eine Arbeitsgruppe der zweiten Wahlgang der Vorwahl einziehen Regionalpresse und Orange, Partei ist bereits in Verhandlungen mit würde. Im Falle eines Aufeinandertreffens Oktober 2016. dem Team von Alain Juppé eingetreten, mit Arnaud Montebourg werden diesem um eine solche Vereinbarung zu schlie- aber durchaus Siegchancen eingeräumt. 16 Aktuelle Frankreich-Analysen http://www.ladepeche. fr/article/2016/10/21/ ßen. Sollte der Sieger der Vorwahlen 2443754-sondage-exclusif- allerdings Nicolas Sarkozy heißen, wäre Wie auch bei LR stellt sich für die Zeit juppe-confirme-macron-recu- le-melenchon-progresse.html die UDI möglicherweise in ihrer Existenz nach den Vorwahlen ferner die Frage, wie (abgerufen am 26.10.2016) bedroht. Profitieren könnte dann Hervé sich die unterlegenen Kandidaten verhal- Morin, ein Vertrauter Sarkozys, dessen ten werden. Das gilt vor allem für den Fall Partei Nouveau Centre eigentlich Teil der eines Wahlsiegs Hollandes. Es scheint UDI ist, die Entscheidung zugunsten des schwer vorstellbar, dass sich auch dieje- Kandidaten Juppé aber nicht mitträgt. nigen, die seine Politik seit mehr als zwei Jahren massiv kritisieren, im Anschluss für ihn in den Wahlkampf ziehen. Sozialisten Da das Feld der Kandidaten erst Mitte „Störfaktor“ Macron Dezember endgültig feststehen wird, lassen sich momentan nur bedingt Aus Da Emmanuel Macron in beiden Lagern sagen über den Ausgang treffen. Viel wird Zustimmung findet, würde seine Kandi- natürlich davon abhängen, ob François datur bei der Präsidentschaftswahl die Hollande antritt oder nicht. Das von Par- Ergebnisse nochmals durcheinander- teichef Cambadélis, einem Unterstützer wirbeln. In Umfragen, in denen neben Hollandes, festgelegte Timing für die Vor- den anderen Kandidaten auch Macron wahlen spielt dem Präsidenten in jedem vorgeschlagen wird, sinken die Werte Fall in die Karten. So kann er die Ent- fast aller anderen Bewerber (mit Aus- scheidung über eine Beteiligung vom Aus- nahme der großen Außenseiter) in der gang der Primaire bei den Republikanern ersten Runde um mindestens zwei bis abhängig machen. Vieles spricht derzeit drei Prozentpunkte ab. Besonders hoch dafür, dass er im Falle eines Sieges fallen interessanterweise die Verluste für Juppés auf eine Kandidatur verzichtet. den Kandidaten der Républicains aus. Seine wohl einzige Chance liegt in einem Nichtsdestotrotz wäre dies nach derzeiti- erneuten Aufeinandertreffen mit dem von gem Stand nur Ergebniskosmetik – wenn breiten Bevölkerungsschichten abgelehn- François Hollande bei den Vorwahlen ten Nicolas Sarkozy – umso mehr, als in der Linken antritt und gewinnt. Denn es dem Fall vermutlich auch François Bayrou würde nichts an der Tatsache ändern, in das Rennen einsteigen würde. dass in der zweiten Runde der Präsident- schaftswahl der republikanische Bewer- Sollte sich der Präsident für eine Kandida- ber auf Marine Le Pen trifft. Der Kandidat tur entscheiden, so ist die Vorwahl aber Hollande scheidet in jeder Konstellation dennoch kein Selbstläufer für ihn. Zwar nach dem ersten Wahlgang aus.
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