Regionalwahlen in Frankreich - Konrad-Adenauer-Stiftung
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Juni 2021 Auslandsbüro Frankreich Bild: https://unsplash.com/photos/wzKHNVTZmZo Regionalwahlen in Frankreich Stimmungstest ein Jahr vor den Präsidentschaftswahlen? Henriette Heimbach – Wissenschaftlerin an der Universität Luxemburg Caroline Kanter – Leiterin, KAS-Auslandsbüro Paris Am 20. und 27. Juni 2021 finden Regional- und Départementswahlen in Frankreich statt. Sie sind der letzte Urnengang vor den Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr und gelten daher als Stim- mungstest für die Parteien. Im Fokus ist die bürgerlich-konservative Wählerschaft, um die von drei Sei- ten geworben wird. Daher verwundert auch nicht das Top-Thema des Wahlkampfs: Sicherheit. Die Re- gierungspartei von Präsident Macron hat kaum Chancen bei den Regionalwahlen. Wohingegen die rechtspopulistische Partei von Marine Le Pen möglicherweise erstmals einen oder auch mehrere Regio- nalpräsidenten stellen könnte. Die traditionellen Volksparteien Les Républicains (LR) und Parti Socialiste (PS) müssen mit Verlusten rechnen, werden aber voraussichtlich die Mehrheit der von ihnen regierten Regionen behaupten können. Bestandsaufnahme den 95 Départements des Landes gewählt. Die Wahl findet – wie auch die Kommunalwahlen im Bei der Wahl im Juni bestimmen die Französinnen vergangenen Sommer – im Kontext der Corona- und Franzosen über 1.910 Regionalräte in 13 Re- Pandemie statt, aufgrund derer sie um drei Mo- gionen Zentralfrankreichs und in den Überseere- nate nach hinten verschoben wurde. gionen Französisch-Guayana, Guadeloupe, Mar- Die Regionalwahlen, die alle sechs Jahre durchge- tinique und La Réunion. Zeitgleich wird auch in führt werden, sind nicht nur als Probelauf für die
Konrad-Adenauer-Stiftung e. V. Länderbericht Juni 2021 2 Präsidentschaftswahlen von Bedeutung. Die regi- sowie von zwei Regionalparteien (Korsika, Mar- onalen Gebietskörperschaften bestimmen zum tinique) regiert. Alle Amtsinhaberinnen und -inha- Beispiel über regionale Wirtschafts- und Kultur- ber treten erneut an. Ein Großteil hat eine förderung, den öffentlichen Verkehr, Verteilung Chance auf Wiederwahl. Das bürgerlich-konser- von EU-Fördermitteln, Raumplanung, Berufsaus- vative Lager angeführt von LR geht mit den meis- bildung und über die weiterführenden Schulen. ten Regionen in den Wahlgang und wird auch da- Seit der Territorialreform im Jahr 2015, bei der nach wahrscheinlich die Mehrheit der Regional- die Regionen von 27 auf 17 in Zentralfrankreich präsidentinnen und -präsidenten stellen. Auch reduziert wurden, haben sie an Gewicht gewon- der PS wird sich in einigen Regionen behaupten nen. Sie können nun geschlossener ihre Interes- können. Dagegen ist der Rassemblement national sen vertreten. Trotz dieser Reform ist der Einfluss (RN) im Aufwind und kann womöglich zum ersten der Regionen im zentralistischen Staatssystem Mal den Regionalpräsidenten in der Region Pro- Frankreichs begrenzt, insbesondere im Vergleich vence-Alpes-Côte d’Azur (PACA) und möglicher- zur Stellung der Bundesländer in Deutschland. weise in Centre-Val de Loire sowie Grand Est be- Auch die aktuelle Gesundheitskrise hat zum Zu- setzen. Die auf regionaler Ebene kaum veran- sammenwachsen und zur Stärkung der neuen kerte Regierungspartei La République en Marche Regionen beigetragen. Den Regionalpräsidentin- (LREM) hat wohl ledglich in den zwei Regionen nen und -präsidenten ist es gelungen, sich als Kri- Bretagne und Pays de la Loire eine Chance. senmanager zu präsentieren. So haben sie zum Beispiel erfolgreich Wiederaufbaupläne für die Wie wird in den Regionen gewählt? regionale Wirtschaft mit der nationalen Regie- rung ausgehandelt. Der gewachsene Einfluss der Die französischen Regionalräte werden nach dem Regionen zeigt sich auch an den Wahllisten für Verhältniswahlrecht mit Mehrheitsbonus be- die Regionalwahlen, die ein starke Präsenz natio- stimmt. Das heißt, dass paritätisch – abwech- naler Politikerinnen und Politiker aufzeigt. An- selnd von Frauen und Männern – besetzte Kandi- dersherum werden nicht wenigen Regionalpräsi- datenlisten in zwei Wahlgängen gewählt werden. dentinnen und -präsidenten, die sich im Juni zur Es sei denn eine Liste erlangt die absolute Mehr- Wiederwahl stellen, Ambitionen auf das Präsiden- heit bereits im ersten Wahlgang. Zumeist findet tenamt nachgesagt. aber ein zweiter Wahlgang statt, an dem alle Par- teien bzw. Wahlbündnisse teilnehmen, die im ers- Wahlaussichten und Strategien der ten Wahlgang mehr als 10 Prozent erreicht ha- Parteien ben. Die übrigen Parteien, die diese Hürde nicht genommen, aber mindestens 5 Prozent erreicht So sind die Regionen bisher regiert 1 haben, können sich erfolgreichen Parteien an- schließen. Vielfach werden neue Wahlbündnisse zwischen dem ersten und zweiten Wahlgang ge- bildet. Die Liste, die dann die relative Mehrheit erlangt, erhält einen Mehrheitsbonus von 25 Pro- zent, der ihr eine komfortable Mehrheit im Regio- nalrat gibt. Die übrigen Sitze werden nach dem Verhältniswahlrecht an die Parteien verteilt, die mindestens 5 Prozent erreicht haben. Wenig Chancen für das Regierungsbündnis LREM/Modem Die Partei des Präsidenten Macron La République Zurzeit werden die Regionen von acht bürgerlich- en Marche (LREM) nimmt erstmals an den Regio- konservativ-zentristischen und sieben linken Re- nalwahlen teil, da sie erst vor fünf Jahren gegrün- gionalpräsidentinnen und -präsidenten angeführt det wurde. In vielen Regionen tritt LREM mit ih- 1 https://fr.wikipedia.org/wiki/%C3%89lections_r%C3%A9giona- les_fran%C3%A7aises_de_2015#/media/Fichier:French_regio- nal_elections_2015.svg
Konrad-Adenauer-Stiftung e. V. Länderbericht Juni 2021 3 rem Bündnispartner auf nationaler Ebene Mouve- Franche-Comté Marie-Guite Dufay wird vom RN ment démocrate (Modem) und anderen zentris- unter Druck gesetzt. Zwei Regionen (Bretagne tisch-liberalen Parteien an. Insgesamt werden ihr und Centre-Val de Loire) könnte der PS verlieren. geringe Chancen bei den Regionalwahlen ausge- Grund für diese schlechten Wahlaussichten ist rechnet. Das liegt daran, dass LREM weiterhin die Zersplitterung und Uneinigkeit des linken La- kaum in den Regionen verankert ist und auf das gers, die sich auch bei den anstehenden Regio- Machtzentrum Paris fokussiert bleibt, das haben nalwahlen deutlich zeigt. Bemühungen einzelner auch die Kommunalwahlen im vergangenen Som- Parteien, breite Wahlbündnisse für mehr Durch- mer zutage gebracht. Ursprünglich mit einem so- schlagskraft zu schmieden, waren nur in der Re- zialliberalen Ansatz gegründet, bemüht sich die gion Hauts-de-France erfolgreich. Hier treten PS, Partei von Macron heute hauptsächlich um die die Grünen, LFI und linke Kleinstparteien gemein- Gunst der politischen Mitte und der bürgerlich- sam an und haben so die Chance in den zweiten konservativen Wählerinnen und Wähler. Sie ver- Wahlgang zu kommen. In der Region PACA schiebt ihren Diskurs und ihre Positionen in Rich- konnte sich LFI nicht zu einem Bündnis durchrin- tung des bürgerlich-konservativen Lagers und be- gen, hat aber zugunsten einer einheitlichen lin- spielt zunehmend Themen wie innere Sicherheit. ken Kandidatenliste auf eine eigene Liste verzich- In die gleiche Richtung gehen die Versuche von tet. In allen anderen Regionen ist das nicht gelun- LREM, das gemäßigte Lager der Républicains zu gen und die französischen Linken konkurrieren sich ziehen, was schon in der Vergangenheit zu zumeist mit zwei Kandidatenlisten. Das überra- einer Reihe von Parteiübertritten von prominen- schende Ergebnis das die Grünen bei den Kom- ten Politikerinnen und Politikern von LR geführt munalwahlen 2020 eingefahren haben, werden hat (z.B. Wirtschaftsminister Bruno Le Maire). sie nach aktuellen Prognosen bei den Regional- LREM identifiziert daher die Partei von Marine Le wahlen nicht wieder hervorbringen können. Das Pen als Hauptgegnerin. Wegen der schlechten liegt u. a. daran, dass sie hauptsächlich in den Wahlaussichten hat Präsident Macron einen großen Städten und weniger auf dem Land ver- Großteil seines Kabinetts für die Regionalwahlen ankert sind. Letzte Umfragen zeigen aber auch, mobilisiert. Mehr als zehn Ministerinnen, Minister dass die Grünen in der Region Pays-de-la-Loire und Staatssekretäre treten auf regionalen Wahl- im zweiten Wahlgang nach vorne preschen. listen an – zumeist ohne die Aussicht in die Re- gion wechseln zu müssen. In der Region Hauts- Das bürgerlich-konservative Lager unter de-France treten unter anderen Justizminister Druck von zwei Seiten Éric Dupond-Moretti und Innenminister Gérald Darmanin an. Darüber hinaus macht Präsident Das bürgerlich-konservative Lager angeführt von Macron derzeit eine „Tour de France“ und reist Les Républicains liegt in den Umfragen insgesamt durch die französischen Regionen, um, wie er vorne, muss aber davon ausgehen, dass es von sagt, „den Puls zu messen“ für die Präsident- bisher acht regierten Regionen möglicherweise schaftswahlen im kommenden Jahr. Von seinen zwei verlieren wird. Auf regionaler und kommu- politischen Gegnern wird dies im Hinblick auf das naler Ebene sind LR weiterhin eine wichtige politi- Neutralitätsgebot im Vorfeld der Regionalwahlen sche Kraft wie das Ergebnis der Kommunalwah- kritisch gesehen. len im vergangenen Jahr gezeigt hat. Hier konnte LR mehr als die Hälfte der Städte mit über 9.000 Uneinigkeit bei den linken Parteien Einwohnerinnen und Einwohner für sich gewin- nen. Nichtsdestotrotz hat sich die Partei nicht Das linke politische Lager besteht aus einer Viel- ausreichend von den schlechten Ergebnissen der zahl von Parteien, zu denen unter anderem der letzten Präsidentschaftswahl im Jahr 2017 und Parti Socialiste (PS), die französischen Grünen Eu- der Europawahl im Jahr 2019 erholt. Die Partei rope Ecologie-les Verts (EELV) und La France Inso- droht weiter zu schrumpfen. Ihr ist es vor allem umise (LFI) gehören. Seit der Präsidentschafts- auf nationaler Ebene nicht gelungen, sich perso- wahl 2017 und dem vernichtenden Ergebnis für nell und inhaltlich neu aufzustellen und als effizi- den PS ist die traditionelle Volkspartei nicht mehr ente Oppositionspartei zu formieren. Die Républi- auf die Beine gekommen. Von fünf bisher regier- cains zerreiben sich zum einen an der Frage nach ten Regionen haben nur die Regionalpräsidentin Unterstützung oder Abgrenzung zur Regierungs- und -präsident von Nouvelle-Aquitaine und Occi- mehrheit. Zum anderen besteht Uneinigkeit dar- tanie eine gute Chance wiedergewählt zu werden. über, ob sie sich dem rechtspopulistischen Ras- Die aktuelle Regionalpräsidentin von Bourgogne- semblement national annähern sollen. Zudem
Konrad-Adenauer-Stiftung e. V. Länderbericht Juni 2021 4 mangelt es an einer Führungsfigur, die die Partei einen kann. Wird der LR-Politiker Laurent Wau- Die Rechtspopulisten könnten erstmals eine quiez als Regionalpräsident in Auvergne-Rhône- oder mehrere Regionen gewinnen Alpes mit einem guten Ergebnis im Amt bestätigt, könnte er diese Rolle einnehmen wollen und sich Traditionell ist der rechtspopulistische Front nati- als Präsidentschaftskandidat ins Spiel bringen. onal, der seit 2018 Rassemblement national (RN) Aufgrund der ungeklärten parteiinternen Fragen heißt, besonders stark im Südosten und Nord- haben viele prominente Politikerinnen und Politi- westen Frankreichs. Im Fokus sind bei dieser ker in den letzten Jahren die Partei verlassen, sich Wahl die Regionen PACA, Hauts-de-France und der Regierungspartei angeschlossen oder eine ei- Centre-Val de Loire, aber auch im Grand Est und gene Bewegung gegründet. Allen voran sind die in Bourgogne-Franche-Comté stehen die Chan- Regionalpräsidentin der Île-de-France, Valérie cen des RN im ersten Wahlgang voraussichtlich Pécresse, und der Regionalpräsident von Hauts- gut. Das Rassemblement national hat gute Aus- de-France, Xavier Bertrand, aus der Partei ausge- sichten erstmals in der französischen Geschichte treten. Beide haben gute Gewinnchancen in ihrer einen oder gar zwei Regionalpräsidenten zu stel- Region sowie ihre Ambitionen auf das Präsiden- len. Thierry Mariani liegt in den Umfragen für die tenamt bereits erklärt. Wie störend dieser Kon- Region PACA im Südosten vorne. Mit der Aufstel- flikt für die Regionalwahlen ist, wurde bei der lung Marianis, einem Ex-LR-Minister der Regie- Aufstellung der Wahlliste der Républicains für die rung von Nicolas Sarkozy, ist Marine Le Pen ein Region PACA (siehe Infobox) deutlich. Innerlich strategischer Zug geglückt. Auch in der Region uneins werden die Républicains zudem von außen Occitanie tritt mit Jean-Paul Garraud ein ehemali- von zwei Seiten unter Druck gesetzt. Sowohl die ger LR-Politiker als Spitzenkandidat an. Dem RN Partei von Marine Le Pen als auch die Regie- gelingt es zunehmend, sich als gemäßigte Partei rungsmehrheit von Präsident Macron bemühen zu präsentieren – auch, weil er sich thematisch sich um die bürgerlich-konservativen Wählerin- breiter aufstellt und einige seiner kontroversen nen und Wähler und versuchen prominente LR- Kernforderungen, wie den EU-Austritt Frank- Politikerinnen und Politiker zu vereinnahmen. Die reichs oder die Rückkehr zum Franc, aufgegeben einen, indem sie eine scheinbar gemäßigtere Po- hat. Laut einer aktuellen Umfrage von Ipsos und litik machen und die anderen durch immer kon- Ifop sehen 42 Prozent der Französinnen und servativere Positionen. Franzosen keine Gefahr in der Partei. 2 Bei den 25- bis 34jährigen liegt der RN sogar vorne. Kein Wahlbündnis gegen Rechtspopulisten scheitert in Wunder, dass Marine Le Pen viele junge Kandida- der Region PACA tinnen und Kandidaten auf den ersten Listenplatz gesetzt hat (z.B. in Auvergne-Rhône-Alpes oder Provence-Alpes-Côte d’Azur (PACA) könnte die Île-de-France). Der Erfolg des RN im zweiten erste Region werden, die vom rechtspopulisti- Wahlgang hängt entscheidend vom Verhalten der schen Rassemblement national regiert wird. Der anderen Parteien und der Wahlbeteiligung ab. RN-Kandidat Thierry Mariani liegt in den Progno- Entschließt sich die Mehrheit der etablierten Par- sen vorne gefolgt vom Amtsinhaber Robert Mu- teien dazu, eine „republikanische Front“ nach selier (LR). Dessen Erfolgschancen sind durch ein dem Motto „Barrage au RN“ (RN blockieren) zu verfehltes Bündnis gegen die Rechtspopulisten bilden, die verbliebene Kandidatin oder Kandida- getrübt worden. Ursprünglich wollte Muselier ten beim zweiten Wahlgang breit zu unterstützen eine gemeinsame Liste mit der Regierungspartei und ist die Wahlbeteiligung gut, wird der RN die LREM aufstellen, um einen Sieg von RN zu verhin- Stichwahl voraussichtlich verlieren. Selbst wenn dern. Nach heftigen parteiinternen Auseinander- der RN stärkste Kraft in einer Region wird, ist setzungen, in Folge derer zwei prominente LR-Po- längst noch nicht ausgemacht, dass der neu zu- litiker, Christian Estrosi und Hubert Falco, aus der sammengesetzte Regionalrat den RN-Kandidaten Partei ausgetreten sind, beendete Muselier die in das Amt des Regionalpräsidenten wählen wird. Allianz mit LREM. LREM verzichtet dennoch zu- gunsten der Républicains auf eine eigene Liste bei den Regionalwahlen. 2 https://www.lemonde.fr/politique/article/2021/04/05/le-ras- semblement-national-premier-parti-des-25-34- ans_6075574_823448.html
Konrad-Adenauer-Stiftung e. V. Länderbericht Juni 2021 5 Sicherheit ist das Top-Thema im Dem linken Lager gelingt es auch nicht, für das Wahlkampf Thema Umweltschutz zu mobilisieren. Dabei han- delt es sich um die drittwichtigste Sorge der Fran- Das Thema Sicherheit dominiert den Wahlkampf zösinnen und Franzosen und war bei den Kom- und das, obwohl die Regionen keine Kompetenz munalwahlen letztes Jahr das Thema, das den in diesem Bereich haben. Das verwundert zu- Grünen zum Überraschungserfolg verhalf. Zum nächst, wird aber nachvollziehbar, wenn man auf Teil mag es daran liegen, dass sich die Parteien die Themen schaut, die den Französinnen und des rechten Lagers dem Thema mittlerweile – Franzosen am Herzen liegen. Ganz vorne er- vielleicht aus wahlstrategischen Gründen – eben- scheint das Thema Innere Sicherheit (47 Prozent), falls angenommen haben. Selbst der Rassemble- gefolgt von wirtschaftlicher Entwicklung und ment national hat den Umweltschutz inzwischen Schaffung von Arbeitsplätzen (39 Prozent) sowie im Programm. Umwelt und Lebensumstände (37 Prozent). 3 Das gestiegene Bedürfnis nach Sicherheit ist zum ei- Ausblick nen mit der Gesundheitskrise verbunden, die zu großer Verunsicherung geführt hat. Zum anderen Laut der aktuellen Prognosen wird es in keiner wurde Frankreich in den vergangenen Jahren Region ein eindeutiges Ergebnis nach dem ersten mehrfach von islamistisch motivierten Terroran- Wahlgang geben. Vielerorts wird von einer Stich- schlägen getroffen, die die Bevölkerung beunru- wahl zwischen zwei bis zu sogar vier Kandidaten- higen. Zuletzt hat eine tödliche Messerattacke auf listen am 27. Juni ausgegangen. Für die Parteien eine Verwaltungsangestellte der Polizei in Ram- bedeutet das, über Wahlbündnisse für den zwei- bouillet bei Paris Ende April die Debatte über die ten Wahlgang nachzudenken, um sich eine mög- innere Sicherheit befeuert. Großer Profiteur der lichst breite Unterstützung zu sichern. Davon Sicherheitsdebatte sind die Rechtspopulisten, die hängt ab, wie der zweite Wahlgang ausgehen die anderen Parteien vor sich hertreiben. Die Par- wird. Sorge bereitet den Parteien eine voraus- tei von Marine Le Pen verbindet das Thema Si- sichtlich niedrige Wahlbeteiligung. Einer aktuellen cherheit zudem mit ihren klassischen Wahl- Ifop-Umfrage zufolge plant eine Mehrheit der kampfthemen Migration und Kriminalität. Französinnen und Franzosen (mindestens 55 Pro- zent) nicht wählen zu gehen. 4 Trotz fehlender regionaler Kompetenz münzen die Kandidatinnen und Kandidaten aus dem mit- Die Regionalwahlen werden auch mit Spannung tigen und rechten Parteienspektrum das Thema verfolgt, da sie ein letzter Stimmungstest für die Sicherheit für die regionale Ebene um. So sollen Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr sind. der Nahverkehr und die weiterführenden Schu- Schenkt man den Prognosen Glauben, werden len sicherer werden. Das bürgerlich-konservative die französischen Regionen zukünftig mehrheit- Lager fordert einhellig, die Polizeipräsenz in Bus- lich durch das bürgerlich-konservative Lager und sen und Bahnen zu erhöhen und Sicherheitskon- möglicherweise auch durch die rechtspolitische trollen am Eingang von Schulen zu etablieren Partei von Marine Le Pen regiert. Deutlich wird bzw. das Sicherheitspersonal dort aufzustocken. schon jetzt, dass sich das französische Parteien- LR geht noch weiter und plädiert dafür, Technik spektrum weiter fragmentiert. Die etablierte zur Gesichtserkennung im Nahverkehr zu instal- Linke und Rechte habe große Schwierigkeiten, Ei- lieren, die verdächtige Personen und verdächti- nigkeit in ihren Lagern herzustellen und mit ges Verhalten aufspürt. Der Parti Socialiste setzt Stärke aufzutreten. In der Folge dieser Fragmen- sich eher dafür ein, dass verstärkt Bahnpersonal tierung könnte es zu einer parteipolitischen Insta- in Zügen zu kritischen Uhrzeiten kontrolliert. bilität in Frankreich kommen, was die Ränder der Auch sollen Busse in unsicheren Gegenden extremen Rechten und Linken weiter stärkt. Falls abends bei Bedarf außerhalb der Haltestellen der RN erstmals im zweiten Wahlgang eine oder nah am Wohnort der Passagiere halten dürfen. mehrere Regionen gewinnen und einen Regional- Insgesamt hat es das linke Lager schwer, Punkte präsidenten stellen sollte, dann ist das ein bei dem Thema Sicherheit zu machen, da ihnen Tabubruch. Das Ergebnis der Rechtspopulisten von den Wählerinnen und Wählern hier kaum bei dieser Wahl wird daher auch einen Einfluss Kompetenz zugesprochen wird. auf die Präsidentschaftswahlen im kommenden 3 4 https://www.lesechos.fr/politique-societe/politique/regionales- https://www.la-croix.com/France/Frederic-Dabi-partie-Fran- la-securite-simpose-comme-le-theme-majeur-de-la-campagne- cais-voter-devenu-vain-2021-05-29-1201158262 1311119
Konrad-Adenauer-Stiftung e. V. Länderbericht Juni 2021 6 Jahr haben. Ebenso wird das Abschneiden der Macron auch auf nationaler Ebene geschwächt bürgerlich-konservativen Regionalpräsidentinnen wird. Bereits jetzt wird spekuliert, ob der Präsi- und -präsidenten Laurent Wauquiez, Valérie dent die Regionalwahlen für eine weitere Regie- Pécresse und Xavier Bertrand das Rennen um die rungsumbildung nutzen und sein Team für den Präsidentschaftskandidatur für das bürgerlich- Präsidentschaftswahlkampf in Stellung bringen konservative Lager anheizen. wird. Aktuelle Umfragen zu den Präsidentschaftswah- Gleichzeitig aber lassen die Ergebnisse der Regio- len 2022 weisen auf eine Neuauflage des Duells nalwahlen nur begrenzt Schlüsse über die Präsi- von Emmanuel Macron und Marine Le Pen im dentschaftswahlen zu. Das voraussichtlich schwa- zweiten Wahlgang hin. che Abschneiden der Regierungspartei LREM be- deutet nicht zwangsläufig, dass Emmanuel Konrad-Adenauer-Stiftung e. V. Auslandsbüro Frankreich www.kas.de/paris info.paris@kas.de Der Text dieses Werkes ist lizenziert unter den Bedingungen von „Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international”, CC BY-SA 4.0 (abrufbar unter: https://creativecom mons.org/licenses/ by-sa/4.0/legalcode.de) www.kas.de
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