Regionalwahlen in Frankreich - Konrad-Adenauer-Stiftung

 
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Regionalwahlen in Frankreich - Konrad-Adenauer-Stiftung
Juni 2021

Auslandsbüro Frankreich

Bild: https://unsplash.com/photos/wzKHNVTZmZo

Regionalwahlen in Frankreich
Stimmungstest ein Jahr vor den Präsidentschaftswahlen?

Henriette Heimbach – Wissenschaftlerin an der Universität Luxemburg
Caroline Kanter – Leiterin, KAS-Auslandsbüro Paris
Am 20. und 27. Juni 2021 finden Regional- und Départementswahlen in Frankreich statt. Sie sind der
letzte Urnengang vor den Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr und gelten daher als Stim-
mungstest für die Parteien. Im Fokus ist die bürgerlich-konservative Wählerschaft, um die von drei Sei-
ten geworben wird. Daher verwundert auch nicht das Top-Thema des Wahlkampfs: Sicherheit. Die Re-
gierungspartei von Präsident Macron hat kaum Chancen bei den Regionalwahlen. Wohingegen die
rechtspopulistische Partei von Marine Le Pen möglicherweise erstmals einen oder auch mehrere Regio-
nalpräsidenten stellen könnte. Die traditionellen Volksparteien Les Républicains (LR) und Parti Socialiste
(PS) müssen mit Verlusten rechnen, werden aber voraussichtlich die Mehrheit der von ihnen regierten
Regionen behaupten können.

Bestandsaufnahme                                        den 95 Départements des Landes gewählt. Die
                                                        Wahl findet – wie auch die Kommunalwahlen im
Bei der Wahl im Juni bestimmen die Französinnen         vergangenen Sommer – im Kontext der Corona-
und Franzosen über 1.910 Regionalräte in 13 Re-         Pandemie statt, aufgrund derer sie um drei Mo-
gionen Zentralfrankreichs und in den Überseere-         nate nach hinten verschoben wurde.
gionen Französisch-Guayana, Guadeloupe, Mar-            Die Regionalwahlen, die alle sechs Jahre durchge-
tinique und La Réunion. Zeitgleich wird auch in         führt werden, sind nicht nur als Probelauf für die
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Länderbericht                                                                                            Juni 2021   2

Präsidentschaftswahlen von Bedeutung. Die regi-                sowie von zwei Regionalparteien (Korsika, Mar-
onalen Gebietskörperschaften bestimmen zum                     tinique) regiert. Alle Amtsinhaberinnen und -inha-
Beispiel über regionale Wirtschafts- und Kultur-               ber treten erneut an. Ein Großteil hat eine
förderung, den öffentlichen Verkehr, Verteilung                Chance auf Wiederwahl. Das bürgerlich-konser-
von EU-Fördermitteln, Raumplanung, Berufsaus-                  vative Lager angeführt von LR geht mit den meis-
bildung und über die weiterführenden Schulen.                  ten Regionen in den Wahlgang und wird auch da-
Seit der Territorialreform im Jahr 2015, bei der               nach wahrscheinlich die Mehrheit der Regional-
die Regionen von 27 auf 17 in Zentralfrankreich                präsidentinnen und -präsidenten stellen. Auch
reduziert wurden, haben sie an Gewicht gewon-                  der PS wird sich in einigen Regionen behaupten
nen. Sie können nun geschlossener ihre Interes-                können. Dagegen ist der Rassemblement national
sen vertreten. Trotz dieser Reform ist der Einfluss            (RN) im Aufwind und kann womöglich zum ersten
der Regionen im zentralistischen Staatssystem                  Mal den Regionalpräsidenten in der Region Pro-
Frankreichs begrenzt, insbesondere im Vergleich                vence-Alpes-Côte d’Azur (PACA) und möglicher-
zur Stellung der Bundesländer in Deutschland.                  weise in Centre-Val de Loire sowie Grand Est be-
Auch die aktuelle Gesundheitskrise hat zum Zu-                 setzen. Die auf regionaler Ebene kaum veran-
sammenwachsen und zur Stärkung der neuen                       kerte Regierungspartei La République en Marche
Regionen beigetragen. Den Regionalpräsidentin-                 (LREM) hat wohl ledglich in den zwei Regionen
nen und -präsidenten ist es gelungen, sich als Kri-            Bretagne und Pays de la Loire eine Chance.
senmanager zu präsentieren. So haben sie zum
Beispiel erfolgreich Wiederaufbaupläne für die                 Wie wird in den Regionen gewählt?
regionale Wirtschaft mit der nationalen Regie-
rung ausgehandelt. Der gewachsene Einfluss der                 Die französischen Regionalräte werden nach dem
Regionen zeigt sich auch an den Wahllisten für                 Verhältniswahlrecht mit Mehrheitsbonus be-
die Regionalwahlen, die ein starke Präsenz natio-              stimmt. Das heißt, dass paritätisch – abwech-
naler Politikerinnen und Politiker aufzeigt. An-               selnd von Frauen und Männern – besetzte Kandi-
dersherum werden nicht wenigen Regionalpräsi-                  datenlisten in zwei Wahlgängen gewählt werden.
dentinnen und -präsidenten, die sich im Juni zur               Es sei denn eine Liste erlangt die absolute Mehr-
Wiederwahl stellen, Ambitionen auf das Präsiden-               heit bereits im ersten Wahlgang. Zumeist findet
tenamt nachgesagt.                                             aber ein zweiter Wahlgang statt, an dem alle Par-
                                                               teien bzw. Wahlbündnisse teilnehmen, die im ers-
Wahlaussichten und Strategien der                              ten Wahlgang mehr als 10 Prozent erreicht ha-
Parteien                                                       ben. Die übrigen Parteien, die diese Hürde nicht
                                                               genommen, aber mindestens 5 Prozent erreicht
So sind die Regionen bisher regiert 1                          haben, können sich erfolgreichen Parteien an-
                                                               schließen. Vielfach werden neue Wahlbündnisse
                                                               zwischen dem ersten und zweiten Wahlgang ge-
                                                               bildet. Die Liste, die dann die relative Mehrheit
                                                               erlangt, erhält einen Mehrheitsbonus von 25 Pro-
                                                               zent, der ihr eine komfortable Mehrheit im Regio-
                                                               nalrat gibt. Die übrigen Sitze werden nach dem
                                                               Verhältniswahlrecht an die Parteien verteilt, die
                                                               mindestens 5 Prozent erreicht haben.

                                                               Wenig Chancen für das Regierungsbündnis
                                                               LREM/Modem

                                                               Die Partei des Präsidenten Macron La République
Zurzeit werden die Regionen von acht bürgerlich-               en Marche (LREM) nimmt erstmals an den Regio-
konservativ-zentristischen und sieben linken Re-               nalwahlen teil, da sie erst vor fünf Jahren gegrün-
gionalpräsidentinnen und -präsidenten angeführt                det wurde. In vielen Regionen tritt LREM mit ih-

1
  https://fr.wikipedia.org/wiki/%C3%89lections_r%C3%A9giona-
les_fran%C3%A7aises_de_2015#/media/Fichier:French_regio-
nal_elections_2015.svg
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Länderbericht                                                                                    Juni 2021   3

rem Bündnispartner auf nationaler Ebene Mouve-        Franche-Comté Marie-Guite Dufay wird vom RN
ment démocrate (Modem) und anderen zentris-           unter Druck gesetzt. Zwei Regionen (Bretagne
tisch-liberalen Parteien an. Insgesamt werden ihr     und Centre-Val de Loire) könnte der PS verlieren.
geringe Chancen bei den Regionalwahlen ausge-         Grund für diese schlechten Wahlaussichten ist
rechnet. Das liegt daran, dass LREM weiterhin         die Zersplitterung und Uneinigkeit des linken La-
kaum in den Regionen verankert ist und auf das        gers, die sich auch bei den anstehenden Regio-
Machtzentrum Paris fokussiert bleibt, das haben       nalwahlen deutlich zeigt. Bemühungen einzelner
auch die Kommunalwahlen im vergangenen Som-           Parteien, breite Wahlbündnisse für mehr Durch-
mer zutage gebracht. Ursprünglich mit einem so-       schlagskraft zu schmieden, waren nur in der Re-
zialliberalen Ansatz gegründet, bemüht sich die       gion Hauts-de-France erfolgreich. Hier treten PS,
Partei von Macron heute hauptsächlich um die          die Grünen, LFI und linke Kleinstparteien gemein-
Gunst der politischen Mitte und der bürgerlich-       sam an und haben so die Chance in den zweiten
konservativen Wählerinnen und Wähler. Sie ver-        Wahlgang zu kommen. In der Region PACA
schiebt ihren Diskurs und ihre Positionen in Rich-    konnte sich LFI nicht zu einem Bündnis durchrin-
tung des bürgerlich-konservativen Lagers und be-      gen, hat aber zugunsten einer einheitlichen lin-
spielt zunehmend Themen wie innere Sicherheit.        ken Kandidatenliste auf eine eigene Liste verzich-
In die gleiche Richtung gehen die Versuche von        tet. In allen anderen Regionen ist das nicht gelun-
LREM, das gemäßigte Lager der Républicains zu         gen und die französischen Linken konkurrieren
sich ziehen, was schon in der Vergangenheit zu        zumeist mit zwei Kandidatenlisten. Das überra-
einer Reihe von Parteiübertritten von prominen-       schende Ergebnis das die Grünen bei den Kom-
ten Politikerinnen und Politikern von LR geführt      munalwahlen 2020 eingefahren haben, werden
hat (z.B. Wirtschaftsminister Bruno Le Maire).        sie nach aktuellen Prognosen bei den Regional-
LREM identifiziert daher die Partei von Marine Le     wahlen nicht wieder hervorbringen können. Das
Pen als Hauptgegnerin. Wegen der schlechten           liegt u. a. daran, dass sie hauptsächlich in den
Wahlaussichten hat Präsident Macron einen             großen Städten und weniger auf dem Land ver-
Großteil seines Kabinetts für die Regionalwahlen      ankert sind. Letzte Umfragen zeigen aber auch,
mobilisiert. Mehr als zehn Ministerinnen, Minister    dass die Grünen in der Region Pays-de-la-Loire
und Staatssekretäre treten auf regionalen Wahl-       im zweiten Wahlgang nach vorne preschen.
listen an – zumeist ohne die Aussicht in die Re-
gion wechseln zu müssen. In der Region Hauts-         Das bürgerlich-konservative Lager unter
de-France treten unter anderen Justizminister         Druck von zwei Seiten
Éric Dupond-Moretti und Innenminister Gérald
Darmanin an. Darüber hinaus macht Präsident           Das bürgerlich-konservative Lager angeführt von
Macron derzeit eine „Tour de France“ und reist        Les Républicains liegt in den Umfragen insgesamt
durch die französischen Regionen, um, wie er          vorne, muss aber davon ausgehen, dass es von
sagt, „den Puls zu messen“ für die Präsident-         bisher acht regierten Regionen möglicherweise
schaftswahlen im kommenden Jahr. Von seinen           zwei verlieren wird. Auf regionaler und kommu-
politischen Gegnern wird dies im Hinblick auf das     naler Ebene sind LR weiterhin eine wichtige politi-
Neutralitätsgebot im Vorfeld der Regionalwahlen       sche Kraft wie das Ergebnis der Kommunalwah-
kritisch gesehen.                                     len im vergangenen Jahr gezeigt hat. Hier konnte
                                                      LR mehr als die Hälfte der Städte mit über 9.000
Uneinigkeit bei den linken Parteien                   Einwohnerinnen und Einwohner für sich gewin-
                                                      nen. Nichtsdestotrotz hat sich die Partei nicht
Das linke politische Lager besteht aus einer Viel-    ausreichend von den schlechten Ergebnissen der
zahl von Parteien, zu denen unter anderem der         letzten Präsidentschaftswahl im Jahr 2017 und
Parti Socialiste (PS), die französischen Grünen Eu-   der Europawahl im Jahr 2019 erholt. Die Partei
rope Ecologie-les Verts (EELV) und La France Inso-    droht weiter zu schrumpfen. Ihr ist es vor allem
umise (LFI) gehören. Seit der Präsidentschafts-       auf nationaler Ebene nicht gelungen, sich perso-
wahl 2017 und dem vernichtenden Ergebnis für          nell und inhaltlich neu aufzustellen und als effizi-
den PS ist die traditionelle Volkspartei nicht mehr   ente Oppositionspartei zu formieren. Die Républi-
auf die Beine gekommen. Von fünf bisher regier-       cains zerreiben sich zum einen an der Frage nach
ten Regionen haben nur die Regionalpräsidentin        Unterstützung oder Abgrenzung zur Regierungs-
und -präsident von Nouvelle-Aquitaine und Occi-       mehrheit. Zum anderen besteht Uneinigkeit dar-
tanie eine gute Chance wiedergewählt zu werden.       über, ob sie sich dem rechtspopulistischen Ras-
Die aktuelle Regionalpräsidentin von Bourgogne-       semblement national annähern sollen. Zudem
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mangelt es an einer Führungsfigur, die die Partei
einen kann. Wird der LR-Politiker Laurent Wau-                  Die Rechtspopulisten könnten erstmals eine
quiez als Regionalpräsident in Auvergne-Rhône-                  oder mehrere Regionen gewinnen
Alpes mit einem guten Ergebnis im Amt bestätigt,
könnte er diese Rolle einnehmen wollen und sich                 Traditionell ist der rechtspopulistische Front nati-
als Präsidentschaftskandidat ins Spiel bringen.                 onal, der seit 2018 Rassemblement national (RN)
Aufgrund der ungeklärten parteiinternen Fragen                  heißt, besonders stark im Südosten und Nord-
haben viele prominente Politikerinnen und Politi-               westen Frankreichs. Im Fokus sind bei dieser
ker in den letzten Jahren die Partei verlassen, sich            Wahl die Regionen PACA, Hauts-de-France und
der Regierungspartei angeschlossen oder eine ei-                Centre-Val de Loire, aber auch im Grand Est und
gene Bewegung gegründet. Allen voran sind die                   in Bourgogne-Franche-Comté stehen die Chan-
Regionalpräsidentin der Île-de-France, Valérie                  cen des RN im ersten Wahlgang voraussichtlich
Pécresse, und der Regionalpräsident von Hauts-                  gut. Das Rassemblement national hat gute Aus-
de-France, Xavier Bertrand, aus der Partei ausge-               sichten erstmals in der französischen Geschichte
treten. Beide haben gute Gewinnchancen in ihrer                 einen oder gar zwei Regionalpräsidenten zu stel-
Region sowie ihre Ambitionen auf das Präsiden-                  len. Thierry Mariani liegt in den Umfragen für die
tenamt bereits erklärt. Wie störend dieser Kon-                 Region PACA im Südosten vorne. Mit der Aufstel-
flikt für die Regionalwahlen ist, wurde bei der                 lung Marianis, einem Ex-LR-Minister der Regie-
Aufstellung der Wahlliste der Républicains für die              rung von Nicolas Sarkozy, ist Marine Le Pen ein
Region PACA (siehe Infobox) deutlich. Innerlich                 strategischer Zug geglückt. Auch in der Region
uneins werden die Républicains zudem von außen                  Occitanie tritt mit Jean-Paul Garraud ein ehemali-
von zwei Seiten unter Druck gesetzt. Sowohl die                 ger LR-Politiker als Spitzenkandidat an. Dem RN
Partei von Marine Le Pen als auch die Regie-                    gelingt es zunehmend, sich als gemäßigte Partei
rungsmehrheit von Präsident Macron bemühen                      zu präsentieren – auch, weil er sich thematisch
sich um die bürgerlich-konservativen Wählerin-                  breiter aufstellt und einige seiner kontroversen
nen und Wähler und versuchen prominente LR-                     Kernforderungen, wie den EU-Austritt Frank-
Politikerinnen und Politiker zu vereinnahmen. Die               reichs oder die Rückkehr zum Franc, aufgegeben
einen, indem sie eine scheinbar gemäßigtere Po-                 hat. Laut einer aktuellen Umfrage von Ipsos und
litik machen und die anderen durch immer kon-                   Ifop sehen 42 Prozent der Französinnen und
servativere Positionen.                                         Franzosen keine Gefahr in der Partei. 2 Bei den
                                                                25- bis 34jährigen liegt der RN sogar vorne. Kein
Wahlbündnis gegen Rechtspopulisten scheitert in                 Wunder, dass Marine Le Pen viele junge Kandida-
der Region PACA                                                 tinnen und Kandidaten auf den ersten Listenplatz
                                                                gesetzt hat (z.B. in Auvergne-Rhône-Alpes oder
Provence-Alpes-Côte d’Azur (PACA) könnte die                    Île-de-France). Der Erfolg des RN im zweiten
erste Region werden, die vom rechtspopulisti-                   Wahlgang hängt entscheidend vom Verhalten der
schen Rassemblement national regiert wird. Der                  anderen Parteien und der Wahlbeteiligung ab.
RN-Kandidat Thierry Mariani liegt in den Progno-                Entschließt sich die Mehrheit der etablierten Par-
sen vorne gefolgt vom Amtsinhaber Robert Mu-                    teien dazu, eine „republikanische Front“ nach
selier (LR). Dessen Erfolgschancen sind durch ein               dem Motto „Barrage au RN“ (RN blockieren) zu
verfehltes Bündnis gegen die Rechtspopulisten                   bilden, die verbliebene Kandidatin oder Kandida-
getrübt worden. Ursprünglich wollte Muselier                    ten beim zweiten Wahlgang breit zu unterstützen
eine gemeinsame Liste mit der Regierungspartei                  und ist die Wahlbeteiligung gut, wird der RN die
LREM aufstellen, um einen Sieg von RN zu verhin-                Stichwahl voraussichtlich verlieren. Selbst wenn
dern. Nach heftigen parteiinternen Auseinander-                 der RN stärkste Kraft in einer Region wird, ist
setzungen, in Folge derer zwei prominente LR-Po-                längst noch nicht ausgemacht, dass der neu zu-
litiker, Christian Estrosi und Hubert Falco, aus der            sammengesetzte Regionalrat den RN-Kandidaten
Partei ausgetreten sind, beendete Muselier die                  in das Amt des Regionalpräsidenten wählen wird.
Allianz mit LREM. LREM verzichtet dennoch zu-
gunsten der Républicains auf eine eigene Liste bei
den Regionalwahlen.

2
  https://www.lemonde.fr/politique/article/2021/04/05/le-ras-
semblement-national-premier-parti-des-25-34-
ans_6075574_823448.html
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Sicherheit ist das Top-Thema im                                     Dem linken Lager gelingt es auch nicht, für das
Wahlkampf                                                           Thema Umweltschutz zu mobilisieren. Dabei han-
                                                                    delt es sich um die drittwichtigste Sorge der Fran-
Das Thema Sicherheit dominiert den Wahlkampf                        zösinnen und Franzosen und war bei den Kom-
und das, obwohl die Regionen keine Kompetenz                        munalwahlen letztes Jahr das Thema, das den
in diesem Bereich haben. Das verwundert zu-                         Grünen zum Überraschungserfolg verhalf. Zum
nächst, wird aber nachvollziehbar, wenn man auf                     Teil mag es daran liegen, dass sich die Parteien
die Themen schaut, die den Französinnen und                         des rechten Lagers dem Thema mittlerweile –
Franzosen am Herzen liegen. Ganz vorne er-                          vielleicht aus wahlstrategischen Gründen – eben-
scheint das Thema Innere Sicherheit (47 Prozent),                   falls angenommen haben. Selbst der Rassemble-
gefolgt von wirtschaftlicher Entwicklung und                        ment national hat den Umweltschutz inzwischen
Schaffung von Arbeitsplätzen (39 Prozent) sowie                     im Programm.
Umwelt und Lebensumstände (37 Prozent). 3 Das
gestiegene Bedürfnis nach Sicherheit ist zum ei-                    Ausblick
nen mit der Gesundheitskrise verbunden, die zu
großer Verunsicherung geführt hat. Zum anderen                      Laut der aktuellen Prognosen wird es in keiner
wurde Frankreich in den vergangenen Jahren                          Region ein eindeutiges Ergebnis nach dem ersten
mehrfach von islamistisch motivierten Terroran-                     Wahlgang geben. Vielerorts wird von einer Stich-
schlägen getroffen, die die Bevölkerung beunru-                     wahl zwischen zwei bis zu sogar vier Kandidaten-
higen. Zuletzt hat eine tödliche Messerattacke auf                  listen am 27. Juni ausgegangen. Für die Parteien
eine Verwaltungsangestellte der Polizei in Ram-                     bedeutet das, über Wahlbündnisse für den zwei-
bouillet bei Paris Ende April die Debatte über die                  ten Wahlgang nachzudenken, um sich eine mög-
innere Sicherheit befeuert. Großer Profiteur der                    lichst breite Unterstützung zu sichern. Davon
Sicherheitsdebatte sind die Rechtspopulisten, die                   hängt ab, wie der zweite Wahlgang ausgehen
die anderen Parteien vor sich hertreiben. Die Par-                  wird. Sorge bereitet den Parteien eine voraus-
tei von Marine Le Pen verbindet das Thema Si-                       sichtlich niedrige Wahlbeteiligung. Einer aktuellen
cherheit zudem mit ihren klassischen Wahl-                          Ifop-Umfrage zufolge plant eine Mehrheit der
kampfthemen Migration und Kriminalität.                             Französinnen und Franzosen (mindestens 55 Pro-
                                                                    zent) nicht wählen zu gehen. 4
Trotz fehlender regionaler Kompetenz münzen
die Kandidatinnen und Kandidaten aus dem mit-                       Die Regionalwahlen werden auch mit Spannung
tigen und rechten Parteienspektrum das Thema                        verfolgt, da sie ein letzter Stimmungstest für die
Sicherheit für die regionale Ebene um. So sollen                    Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr sind.
der Nahverkehr und die weiterführenden Schu-                        Schenkt man den Prognosen Glauben, werden
len sicherer werden. Das bürgerlich-konservative                    die französischen Regionen zukünftig mehrheit-
Lager fordert einhellig, die Polizeipräsenz in Bus-                 lich durch das bürgerlich-konservative Lager und
sen und Bahnen zu erhöhen und Sicherheitskon-                       möglicherweise auch durch die rechtspolitische
trollen am Eingang von Schulen zu etablieren                        Partei von Marine Le Pen regiert. Deutlich wird
bzw. das Sicherheitspersonal dort aufzustocken.                     schon jetzt, dass sich das französische Parteien-
LR geht noch weiter und plädiert dafür, Technik                     spektrum weiter fragmentiert. Die etablierte
zur Gesichtserkennung im Nahverkehr zu instal-                      Linke und Rechte habe große Schwierigkeiten, Ei-
lieren, die verdächtige Personen und verdächti-                     nigkeit in ihren Lagern herzustellen und mit
ges Verhalten aufspürt. Der Parti Socialiste setzt                  Stärke aufzutreten. In der Folge dieser Fragmen-
sich eher dafür ein, dass verstärkt Bahnpersonal                    tierung könnte es zu einer parteipolitischen Insta-
in Zügen zu kritischen Uhrzeiten kontrolliert.                      bilität in Frankreich kommen, was die Ränder der
Auch sollen Busse in unsicheren Gegenden                            extremen Rechten und Linken weiter stärkt. Falls
abends bei Bedarf außerhalb der Haltestellen                        der RN erstmals im zweiten Wahlgang eine oder
nah am Wohnort der Passagiere halten dürfen.                        mehrere Regionen gewinnen und einen Regional-
Insgesamt hat es das linke Lager schwer, Punkte                     präsidenten stellen sollte, dann ist das ein
bei dem Thema Sicherheit zu machen, da ihnen                        Tabubruch. Das Ergebnis der Rechtspopulisten
von den Wählerinnen und Wählern hier kaum                           bei dieser Wahl wird daher auch einen Einfluss
Kompetenz zugesprochen wird.                                        auf die Präsidentschaftswahlen im kommenden

3                                                                   4
  https://www.lesechos.fr/politique-societe/politique/regionales-     https://www.la-croix.com/France/Frederic-Dabi-partie-Fran-
la-securite-simpose-comme-le-theme-majeur-de-la-campagne-           cais-voter-devenu-vain-2021-05-29-1201158262
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Länderbericht                                                                                    Juni 2021   6

Jahr haben. Ebenso wird das Abschneiden der          Macron auch auf nationaler Ebene geschwächt
bürgerlich-konservativen Regionalpräsidentinnen      wird. Bereits jetzt wird spekuliert, ob der Präsi-
und -präsidenten Laurent Wauquiez, Valérie           dent die Regionalwahlen für eine weitere Regie-
Pécresse und Xavier Bertrand das Rennen um die       rungsumbildung nutzen und sein Team für den
Präsidentschaftskandidatur für das bürgerlich-       Präsidentschaftswahlkampf in Stellung bringen
konservative Lager anheizen.                         wird.
                                                     Aktuelle Umfragen zu den Präsidentschaftswah-
Gleichzeitig aber lassen die Ergebnisse der Regio-   len 2022 weisen auf eine Neuauflage des Duells
nalwahlen nur begrenzt Schlüsse über die Präsi-      von Emmanuel Macron und Marine Le Pen im
dentschaftswahlen zu. Das voraussichtlich schwa-     zweiten Wahlgang hin.
che Abschneiden der Regierungspartei LREM be-
deutet nicht zwangsläufig, dass Emmanuel

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