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Chronik September 2007 – August 2008 Dokumentation Zusammengestellt von Katrin Sold, Programm Frankreich deutsch- französische Beziehungen der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP)* 2007 September 2. 9. Nach langen Verhandlungen stimmen die Aufsichtsräte der beiden Ener- gieversorgungsunternehmen Suez und Gaz de France (GdF) einer Fusion zu. Der Staatskonzern GdF wird privatisiert, der Staat behält eine Sperr- minorität von 35 Prozent der Aktien. Mit der innerfranzösischen Fusion wird eine Übernahme des Suez-Konzerns durch den italienischen Energie- versorger Enel abgewendet. 3.9. Der ehemalige südafrikanische Präsident Nelson Mandela wird auf dem Flughafen Paris-Orly von Staatspräsident Sarkozy empfangen. 4.9. Außenminister Kouchner trifft in Paris seinen kolumbianischen Amtskol- legen Fernando Araujo Perdomo. Im Mittelpunkt des Gesprächs steht die aktuelle politische Lage in Kolumbien, insbesondere die Geiselnahmen durch die Rebellengruppe FARC, in deren Gewalt sich seit 2002 auch die französische Staatsbürgerin und Politikerin Ingrid Betancourt befindet. 4.9. Als erster Staatspräsident wendet sich Nicolas Sarkozy in einem vom „Lehrerbrief“ des Ministerpräsidenten und Bildungsreformers Jules Ferry aus dem Jahr 1883 inspirierten „Brief“ an die französischen Lehrer und kündigt Reformen im Bildungsbereich an. Im Mittelpunkt stehen die Werte der „republikanischen Schule“, eine Verbesserung des Lehrerbilds und eine Stärkung der schulischen Autorität. Gewerkschaften kritisieren, dass die Regierung zugleich Einsparungen im Bildungsbereich und eine Verringerung der Lehrerstellen plane. 10.9. Im Rahmen eines Blaseheim-Treffens kommen Staatspräsident Sarkozy und Außenminister Kouchner in Meseberg mit Bundeskanzlerin Merkel und Bundesaußenminister Steinmeier zusammen. Im Mittelpunkt der * Die Chronik erscheint in ausführlicher Version regelmäßig in „Dokumente. Zeitschrift für den deutsch-französischen Dialog“. Darüber hinaus ist sie einzusehen auf der Internetseite des Frank- reich-Programms der DGAP (www.dgap.org).
222 Dokumentation Gespräche steht die internationale Finanzpolitik. Beide Regierungschefs fordern mehr Transparenz bei Hedgefonds und Rating-Agenturen. Merkel unterstützt den Vorschlag Sarkozys zur Bildung eines „Rats der Weisen“, der mit der Entwicklung eines Zukunftskonzepts für die EU beauftragt werden soll. Ferner spricht sich Staatspräsident Sarkozy für eine energie- politische Zusammenarbeit Deutschlands und Frankreichs im Bereich der Atomenergie und der erneuerbaren Energien aus. Er macht dabei seine Zweifel am deutschen Ausstieg aus der Kernenergienutzung deutlich und ruft mit diesen Äußerungen deutliche Kritik in der SPD hervor. 10.9. Bei seinem ersten offiziellen Besuch in Israel und den palästinensischen Autonomiegebieten trifft Außenminister Kouchner mit dem israelischen Präsidenten Peres, Premierminister Olmert und Palästinenserpräsident Abbas zusammen. Ein Treffen mit Vertretern der Hamas ist nicht geplant. Wichtiger Gegenstand der Gespräche ist die Vorbereitung der Nahost- Friedenskonferenz, die im November in den USA stattfinden wird. Kouchner setzt seine Reise in Jordanien, Ägypten und dem Libanon fort. 11.9. Im Rahmen der jährlichen Verteidigungskonferenz in Toulouse kündigt Verteidigungsminister Morin eine Veränderung der Haltung Frankreichs gegenüber der NATO an. Frankreich strebe eine stärkere Einflussnahme auf die NATO an, die Morin als zentrales Instrument europäischer Vertei- digungspolitik betrachtet. Eine Rückkehr Frankreichs in die militärische Integration der NATO sei nicht ausgeschlossen. 14.9. In Evian findet das seit 1992 jährlich ausgerichtete deutsch-französische Unternehmertreffen statt, an dem auch Premierminister Fillon und die Europa-Beauftragten beider Länder, Jean-Pierre Jouyet und Günter Glo- ser, teilnehmen. Premierminister Fillon fordert beide Länder zur „Bünde- lung der Kräfte“ für die künftige wirtschaftliche Entwicklung auf. Er kündigt an, durch umfassende Reformen im Wirtschafts- und Sozialbe- reich in Frankreich eine ähnliche Wirtschaftsentwicklung wie in Deutsch- land anstoßen zu wollen. 14.9. Zur Vorbereitung der französischen EU-Ratspräsidentschaft besucht Staatspräsident Sarkozy Ungarn, das zugleich das Heimatland seines Vaters ist. In seiner Rede vor dem ungarischen Parlament nennt er Ener- gie, Immigration, Klima und Verteidigung als Eckpunkte der französi- schen Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2008. Die ungarische Regierung unterstützt den Vorschlag Sarkozys zur Bildung eines „Rats der Weisen“ über die Zukunft der EU. 15.9. Auf der „Fête de l’Humanité“ ruft die Vorsitzende der Kommunistischen Partei (PCF), Marie-George Buffet, die Linke zur Einigkeit auf und spricht sich für Absprachen zwischen den linken Parteien bereits im ersten Wahlgang der Kommunalwahlen im kommenden Jahr aus. Auch der Vorsitzende der PS, François Hollande, strebt eine verstärkte Zusammen-
Chronik September 2007 – August 2008 223 arbeit der linken Parteien an. Die Vertreter der PS, der PCF, der Grünen und der trotzkistischen Ligue communiste révolutionnaire sprechen sich im Rahmen des Festes für eine „Einheit gegen Sarkozy“ aus. 16.9. In der Politiksendung „Grand Jury-RTL-Le Figaro-LCI“ schließt Außen- minister Kouchner einen Krieg gegen den Iran nicht aus. Er kündigt die Vorbereitung wirtschaftlicher Sanktionen gegen den Iran auf europäischer Ebene an. Seine Äußerungen stoßen insbesondere in vielen europäischen Staaten auf Kritik, Deutschland betont, weiterhin „den Weg der Diploma- tie“ gehen zu wollen. Das iranische Atomprogramm löst weltweit seit Monaten scharfe Kritik aus. 18.9. In einer Grundsatzrede stellt Staatspräsident Sarkozy seine Pläne für eine Renten- und Sozialreform vor, die unter anderem eine weitere Lockerung der 35-Stunden-Woche vorsieht. Im Zentrum steht die Abschaffung von Sonderregelungen, die es bestimmten Berufsgruppen in öffentlichen Un- ternehmen ermöglichen, ohne bedeutende finanzielle Abschläge früher in Rente zu gehen. Die Gewerkschaften kündigen massive Proteste an. 19.9. Die Nationalversammlung verabschiedet ein neues Gesetz zu „Immigrati- on, Integration und Asyl“, das insbesondere die Regelungen zur Familien- zusammenführung verschärft. 19.9. In seiner zweiten Grundsatzrede innerhalb von zwei Tagen kündigt Staats- präsident Sarkozy Veränderungen im öffentlichen Dienst an. Nur noch jede zweite freiwerdende Stelle soll hier neu besetzt werden. Zudem sieht die Reform eine Individualisierung der Löhne, beispielsweise durch die Einführung von Elementen leistungsbezogener Bezahlung, sowie eine höhere Entlohnung von Überstunden vor. Allein im Jahr 2008 sollen 22.700 Stellen im öffentlichen Dienst gestrichen werden, davon fast die Hälfte im Bildungsbereich. Die Gewerkschaften sprechen von einem „Frontalangriff“ und einer „Kriegserklärung“ gegenüber dem öffentlichen Dienst. 19.9. Die deutsch-französische Hochschule (DFH) feiert ihr zehnjähriges Beste- hen. Sie ist ein Verbund von 150 deutschen und französischen Hochschu- len, die aktuell 140 deutsch-französische Studienprogramme anbieten, in denen 4.500 Studenten eingeschrieben sind. 22.9. Im Alter von 84 Jahren stirbt der Pantomime Marcel Marceau. 24.9. In einem Interview mit der Zeitung New York Times nennt Staatspräsi- dent Sarkozy Bedingungen für eine Rückkehr Frankreichs in die militäri- schen Strukturen der NATO: den gleichzeitigen Aufbau einer europäi- schen Verteidigungsstruktur sowie Posten für französische Vertreter in den Führungsgremien der NATO. 25.9. In einer Rede vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen spricht sich Staatspräsident Sarkozy für einen „ökologischen und ökonomischen
224 Dokumentation New Deal“ und eine „neue Weltordnung des 21. Jahrhunderts“ aus. 26.9. Der Minister für Haushaltsfragen, Eric Woerth, stellt den Haushaltsent- wurf für 2008 vor, der eine Neuverschuldung von knapp 42 Milliarden Euro und für Ende 2008 eine Staatsverschuldung von 64 Prozent des BIP vorsieht. Nach dem EU-Stabilitätspakt darf die Staatsverschuldung maxi- mal 60 Prozent des BIP betragen. Besonders kritisch ist die Haushaltssitu- ation aufgrund eines im Juli verabschiedeten Steuerpakets, das deutliche Steuererleichterungen für Unternehmen vorsieht. Woerth plant daher deutliche Einsparungen bei öffentlichen Ausgaben. 28.9. Bildungsminister Xavier Darcos kündigt die Einführung des unterrichts- freien Samstags für die Grundschule an. Die Zahl der Unterrichtsstunden für Grundschüler reduziert sich damit um zwei auf 24 Wochenstunden. Der freie Mittwoch für Grundschüler bleibt erhalten. Für Schüler mit besonderen Lernschwierigkeiten sollen unter der Woche zwei zusätzliche Unterrichtsstunden angeboten werden. Oktober 1.10. Der ehemalige außenpolitische Berater der französischen Regierung Ber- nard de Montferrand wird neuer französischer Botschafter in Deutschland. 2.10. Wirtschaftsministerin Christine Lagarde kündigt die Zusammenlegung der staatlichen „Agence nationale pour l’emploi“ mit der privaten Arbeitslo- senversicherung Unedic an. Ziel ist eine effizientere Betreuung der Ar- beitslosen und eine langfristige Senkung der Arbeitslosenquote. 3.10. Aus Anlass des Tags der Deutschen Einheit besucht Außenminister Kouchner Berlin, wo er im Rahmen der Preisverleihung des Quadriga- Preises die Laudatio für Königin Silvia von Schweden hält. 4.10. Nach zweijähriger Umbauphase wird in Paris das Goethe-Institut wieder- eröffnet. An der Veranstaltung nehmen Bundesaußenminister Frank- Walter Steinmeier sowie der französische Außenminister Bernard Kouch- ner teil. 9.10. Bei einem zweitägigen Besuch in Russland trifft Staatspräsident Sarkozy mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin zusammen. Nach einem privaten Treffen stehen kontroverse Themen im Mittelpunkt der Arbeitsgespräche, darunter das iranische Atomprogramm und die Zukunft des Kosovo. Bei beiden Themen werden deutliche Differenzen zwischen der russischen und der französischen Position deutlich. 9.10. Dem französischen Wissenschaftler Albert Fert wird gemeinsam mit dem Deutschen Peter Grünberg der Nobelpreis für Physik verliehen. Sie werden für ihre Forschung im Bereich des Magnetismus geehrt, die von zentraler
Chronik September 2007 – August 2008 225 Bedeutung für die Datensicherung ist. 16.10. Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen Schwarzgeldzahlungen gegen den Vorsitzenden der Arbeitgeberorganisation UIMM, Daniel Gautier-Sauvagnac, werden in Paris mehrere Büros durchsucht. Ihm wird die Veruntreuung von bis zu 18 Millionen Euro zwischen 2000 und 2007 vorgeworfen. Ein Teil des Geldes soll an Gewerkschaften geflossen sein. Die Vorsitzende des Dachverbands der Arbeitgeberorganisationen ME- DEF, Laurence Parisot, kündigt eine grundlegende Reform des Finanzsys- tems der Mitgliedsverbände an. 18.10. Aus Protest gegen die von der Regierung geplante Reform der Sonderre- gelungen im Rentenrecht, die einige Berufsgruppen betreffen, rufen meh- rere Gewerkschaften zum Streik im öffentlichen Nahverkehr auf. Ar- beitsminister Xavier Bertrand kündigt an, dass die Regierung trotz der Proteste ihren Reformweg nicht verlassen wird. 19.10. In seiner Rede zum Abschluss des EU-Gipfels in Lissabon lobt Staatsprä- sident Sarkozy die Verabschiedung eines Reformvertrags durch die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten und verspricht eine schnelle Ratifizierung durch das französische Parlament. 22.10. Einer Anweisung von Staatspräsident Sarkozy folgend, soll in allen wei- terführenden Schulen des Landes der Abschiedsbrief des Gymnasiasten Guy Môquet verlesen werden, der 1941 wegen seines Engagements im Widerstand von deutschen Truppen erschossen worden war. Von Lehrern und Historikern wird die angeordnete Lesung in den Schulen, die künftig jedes Jahr stattfinden soll, kritisiert. Sie sehen darin eine Form politischer Einflussnahme auf den Bildungsbereich. 24.10. In Paris beginnt als Abschluss viermonatiger Verhandlungen die zweitägi- ge Umweltkonferenz „Grenelle de l’environnement“, an der Vertreter aus der Politik sowie der Zivilgesellschaft teilnehmen. Im Beisein des EU- Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso und des Umweltaktivisten und Friedensnobelpreisträgers Al Gore kündigt Staatspräsident Sarkozy ein „umfangreiches nationales Programm nachhaltiger Investitionen“ vor allem im Bereich Energie, Biodiversität, Umwelt und Gesundheit an. Ein Umweltrahmengesetz soll im ersten Quartal 2008 verabschiedet werden. 28.10. Vor dem Hintergrund der jüngsten Unruhen in Birma, wo tausende Men- schen gegen das Militärregime protestiert hatten, trifft Außenminister Kouchner in Südostasien ein, um mit Vertretern aus Singapur, Thailand und anderen ASEAN-Staaten über die künftige Vorgehensweise gegen- über der Regierung von Birma zu beraten und die Mission des UN- Sondergesandten Ibrahim Gambari zu unterstützen. 29.10. In einem gemeinsamen Beitrag für die Tageszeitungen Le Figaro und Frankfurter Allgemeine Zeitung appellieren der deutsche und der französi-
226 Dokumentation sche Außenminister, Frank-Walter Steinmeier und Bernard Kouchner, an Russland, den KSE-Vertrag nicht auszusetzen und einen Konflikt zu vermeiden. Auf Grund der Diskussion um die Installation von US- Raketenabwehrsystemen in Europa hatte Russland für Dezember die Aussetzung des Vertrags angekündigt, der die Stationierung konventionel- ler Streitkräfte in Europa regelt. Russland fordert eine Neuverhandlung des 1990 abgeschlossenen Vertrags. 29.10. Bei einem Gespräch im Elysée-Palast sagt der Vorsitzende der Sozialisti- schen Partei (PS), François Hollande, Staatspräsident Sarkozy seine Un- terstützung für den in Lissabon verabschiedeten EU-Vertrag zu. Während sich Hollande für eine Ratifizierung des Vertrags im Parlament ausspricht, fordern andere führende Vertreter des PS, darunter Laurent Fabius, eine Entscheidung durch ein Referendum. 30.10. Auf Anregung von Staatspräsident Sarkozy findet eine Kabinettssitzung im korsischen Ajaccio statt. Beobachter werten dies als einen erneuten Beweis des speziellen Engagements Sarkozys für Korsika. 31.10. Die Chefin des französisch-amerikanischen Telekommunikationsausrüs- ters Alcatel-Lucent, Patricia Russo, kündigt einen Abbau von ungefähr 4.000 Stellen bis 2009 an. Der Konzern, der nach der Fusion von Alcatel und Lucent im Dezember 2006 in eine Krise geraten war, hatte bereits Anfang des Jahres den Abbau von 12.500 Stellen angekündigt, davon 1.468 in Frankreich. November 1.11. Der PS-Politiker und ehemalige Finanzminister im Kabinett Jospin, Do- minique Strauss-Kahn, übernimmt das Amt des geschäftsführenden Direk- tors des Internationalen Währungsfonds (IWF). 4.11. Bei einem überraschenden Besuch in der Republik Tschad erreicht Staats- präsident Sarkozy in Verhandlungen mit seinem Amtskollegen Idriss Déby die Freilassung von drei französischen Journalisten sowie sechs Mitgliedern der Besatzung eines spanischen Flugzeugs. Sie waren Ende Oktober zusammen mit Mitgliedern der französischen Kinderhilfsorgani- sation „Arche de Zoé“ festgenommen worden, nachdem sie versucht hatten, 103 angeblich elternlose Kinder aus dem Tschad auszufliegen, um sie an französische Familien zu vermitteln. Ihnen wird Kindesentführung vorgeworfen, da die meisten der Kinder augenscheinlich keine Waisen sind. Sarkozy fordert eine Auslieferung der übrigen sechs französischen Staatsbürger. 5.11. Der weltgrößte Luxusgüterkonzern LVMH übernimmt vom britischen Medienkonzern Pearsson die Wirtschaftszeitung „Les Echos“.
Chronik September 2007 – August 2008 227 6.11. Das Bureau national der Sozialistischen Partei spricht sich für den in Lissabon verabschiedeten vereinfachten EU-Vertrag aus. 7.11. Bei seinem ersten offiziellen Besuch in den USA betont Staatspräsident Sarkozy in einer Rede vor dem Kongress die Bedeutung der französisch- amerikanischen Freundschaft und kündigt die Weiterführung des französi- schen Engagements in Afghanistan an, wo aktuell ca. 1.900 französische Soldaten stationiert sind. Sarkozy bemüht sich, das Verhältnis zwischen Frankreich und den USA zu verbessern, das durch die Ablehnung einer französischen Beteiligung am Irak-Krieg durch die Regierung Chirac in eine Krise geraten war. Er sagt US-Präsident George W. Bush die Unter- stützung Frankreichs für dessen strikt ablehnende Haltung gegenüber dem Atomprogramm des Iran zu. 8.11. Mehrere Tausend Studenten protestieren in verschiedenen Universitäts- städten gegen das geplante Gesetz der Ministerin für Bildung und For- schung, Valérie Pécresse, zur Hochschulfinanzierung. Der Gesetzentwurf sieht vor, die Autonomie der Universitäten im Bereich der Finanzierung zu erhöhen und eine stärkere Anbindung an Unternehmen zu ermöglichen. 12.12. In Berlin findet der erste deutsch-französische Ministerrat in der Amtszeit von Staatspräsident Sarkozy statt. Im Mittelpunkt des Treffens steht das Thema Integration. Die Politiker informieren sich über unterschiedliche Integrationsprojekte in Berlin; so besuchen Staatspräsident Sarkozy und Premierminister Fillon das bilinguale Gymnasium Romain-Rolland, an dem viele Schüler mit Migrationshintergrund unterrichtet werden. Bun- desaußenminister Steinmeier und der französische Außenminister Kouch- ner singen in einem Tonstudio gemeinsam mit dem deutsch-türkischen Musiker Muhabbet. 14.11. Am Abend beginnt ein Streik der Mitarbeiter der staatlichen Eisenbahnge- sellschaft SNCF und der Pariser Verkehrsbetriebe RATP. Zahlreiche Fernzüge sowie Regionalzüge und Metros fallen aus. Die Arbeitnehmer protestieren gegen die geplanten Reformen des Rentensystems. 15.11. Der Verfassungsrat (Conseil constitutionnel) entscheidet über zwei stritti- ge Punkte des Gesetzes über Immigration, das am 23. Oktober verab- schiedet worden war. Er erkennt die Einführung von DNA-Tests zum Nachweis der Familienzugehörigkeit im Falle von Familienzusammenfüh- rungen „unter Vorbehalten“ als verfassungsgemäß an, lehnt dagegen die Einführung von „ethnischen Statistiken“ ab. Durch eine Änderung der Datenschutzbestimmungen ermöglicht das Gesetz die Sammlung von Informationen zur ethnischen Herkunft, was nach dem Urteil des Gerichts gegen den Grundsatz der Gleichheit verstoße. 21.11. Zum zweiten Mal seit dem Ende seiner Amtszeit muss sich der ehemalige Staatspräsident Jacques Chirac im Pariser Justizpalast im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen Unterschlagung äußern. Ihm wird vorgewor-
228 Dokumentation fen, in seiner Zeit als Pariser Bürgermeister zwischen 1977 und 1995 sogenannte „Gefälligkeitsjobs“ an Mitglieder seiner damaligen Partei RPR vergeben zu haben. Seit dem Ende seiner Amtszeit als Staatspräsident im Juni 2007 ist der Immunitätsschutz Chiracs aufgehoben. 22.11. In der Folge der Vereinbarung von Verhandlungen zwischen der Regie- rung, den Verkehrsunternehmen RATP und SNCF und den Eisenbahner- gewerkschaften haben die meisten der Beschäftigten, die sich seit neun Tagen im Ausstand befunden hatten, ihre Arbeit wieder aufgenommen. 24.11. In Avignon findet das erste „Forum der Erneuerung“ der Sozialistischen Partei seit der Niederlage Ségolène Royals bei den Präsidentschaftswahlen 2007 statt. 25.11. Staatspräsident Sarkozy trifft zu seinem ersten Staatsbesuch in der Volks- republik China ein. Er führt Gespräche unter anderem mit seinem Amts- kollegen Hu Jintao zu politischen Themen, darunter zur Umwelt- und Menschenrechtspolitik. Dabei spricht sich Sarkozy gegen die Unabhän- gigkeit Taiwans aus. Auf dem Programm stehen neben politischen Ge- sprächen auch umfassende Wirtschaftsverhandlungen. 25.11. Im Pariser Vorort Villiers-le-Bel sterben bei einem Zusammenstoß zwi- schen einem Moped und einem Polizeiwagen zwei Jugendliche. In der Nacht kommt es zu Ausschreitungen von Jugendlichen, Mülltonnen und Autos werden in Brand gesteckt. Die Unruhen halten mehrere Nächte an und greifen auch auf andere Städte wie Toulouse über. 29.11. Im Vorfeld des Besuchs von Staatspräsident Sarkozy in Algerien kommt es zu Spannungen zwischen den beiden Ländern, nachdem der algerische Minister für Kriegsveteranen, Cherif Abbès, Sarkozy vorgeworfen hatte, seine Politik an den Forderungen einer „jüdischen Lobby“ zu orientieren, die ihm an die Macht verholfen habe. Der algerische Präsident Bouteflika distanziert sich in einem Telefonat mit Sarkozy von den Äußerungen seines Ministers. 29.11. In einem mit Spannung erwarteten Fernsehinterview stellt Staatspräsident Sarkozy seinen Maßnahmenkatalog zur Erhöhung der Kaufkraft vor. Angesichts der schwierigen finanziellen Situation des französischen Staa- tes strebe er eine Lockerung der 35-Stunden-Woche, die Auszahlung von Überstunden sowie die Erleichterung von Sonntagsarbeit an. 29.11. Mehrere hundert Rechtsanwälte, Richter und Justizbeamte legen für einen Tag die Arbeit nieder, um gegen die geplante Justizreform zu protestieren. Diese sieht die Streichung von ungefähr 300 Gerichten vor allem in der Provinz vor.
Chronik September 2007 – August 2008 229 Dezember 1.12. Im Pariser Vorort Villepinte findet der Gründungskongress der neuen Partei „Mouvement démocrate“ (MoDem) des ehemaligen Präsident- schaftskandidaten François Bayrou statt, der zum ersten Präsidenten des MoDem gewählt wird. Die neue Organisation integriert die 1978 von Valérie Giscard d’Estaing gegründete Partei „Union pour la démocratie française“ (UDF). 3.12. Bei seinem ersten Staatsbesuch in Algerien verurteilt Staatspräsident Sarkozy das französische Kolonialregime in Algerien als „zutiefst un- gerecht“. Der algerische Innenminister Zerhouni wertet dies als positiv, aber doch unzureichend, da Sarkozy eine Entschuldigung beim algeri- schen Volk für das erlittene Unrecht der Kolonialzeit nicht in Betracht ziehe. 6.12. In Paris findet ein deutsch-französisches Treffen im Blaesheim-Format statt, an dem Staatspräsident Sarkozy und Bundeskanzlerin Merkel teil- nehmen. Im Mittelpunkt der Gespräche steht die Vorbereitung der franzö- sischen Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2008. Bundeskanzlerin Merkel zeigt sich dabei skeptisch gegenüber der französischen Idee einer Mittelmeerunion und äußert Bedenken, dass diese zu einer Spaltung zwi- schen Mittel-Ost-Europa und Süd-West-Europa führen könne. 7.12. In einer Rede bei einem Kongress der Vereinigung kleiner und mittelstän- discher Unternehmen (CGPME) kündigt Staatspräsident Sarkozy für das Jahr 2009 die Abschaffung der jährlichen Pauschalsteuer sowie weitere finanzielle Erleichterungen für kleinere und mittlere Betriebe an. 7.12. Im Rahmen des EU-Afrika-Gipfels in Lissabon führt Staatspräsident Sarkozy Gespräche mit Vertretern mehrerer afrikanischer Staaten, darun- ter mit dem Präsidenten von Ruanda, Paul Kagame, sowie dem Präsiden- ten der Elfenbeinküste, Laurent Gbagbo. Er spricht sich dabei für einen Neubeginn der Beziehungen Frankreichs zu den beiden afrikanischen Ländern aus. 10.12. Der libysche Präsident Muammar al-Gaddafi trifft im Rahmen eines mehr- tägigen Staatsbesuchs in Paris mit Staatspräsident Sarkozy zusammen. Der Besuch ist umstritten, da al-Gaddafi unter anderem von Nichtregierungs- organisationen immer wieder ein diktatorischer Führungsstil und die Verletzung von Menschenrechten vorgeworfen werden. 11.12. Bildungsminister Darcos kündigt für den Schulanfang 2008 eine Reform der „carte scolaire“ an, die de facto ihre Abschaffung beinhaltet. Die Karte regelt seit 1963 die Verteilung von Schülern an Schulen. 12.12. Staatspräsident Sarkozy kündigt in 97 Punkten eine umfassende Reform der öffentlichen Ausgaben an. Dank der durch die Reform ermöglichten Einsparungen soll es gelingen, das innerhalb der EU-Mitgliedstaaten
230 Dokumentation vereinbarte Ziel einzuhalten, bis 2010 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. 12.12. Die für die Hochschulbildung zuständige Ministerin Valérie Pécresse kündigt für die kommenden fünf Jahre zusätzliche Investitionen in die Hochschulen in Höhe von 300 Millionen Euro an. 13.12. Wie die Vertreter der anderen 26 EU-Mitgliedstaaten unterzeichnen Staatspräsident Sarkozy und Außenminister Kouchner in Lissabon den vereinfachten EU-Reformvertrag. Er sieht unter anderem Veränderungen im Entscheidungssystem der EU, eine Stärkung des Europäischen Parla- ments und die Schaffung des Amts eines Hohen Vertreters für Außen- und Sicherheitspolitik vor. Parallel zur Unterzeichnung des Vertrags wird, einem Vorschlag von Staatspräsident Sarkozy folgend, eine Reflexions- gruppe „Horizont 2020 – 2030“ eingesetzt, die Szenarien für die Zukunft der EU bis 2030 erarbeiten soll. Sie wird vom ehemaligen spanischen Premierminister Felipe González geleitet, soll 2008 ihre Arbeit aufnehmen und bis 2010 einen ersten Bericht vorlegen. 19.12. In Paris findet ein Sozialgipfel statt, auf dem Vertreter der Regierung sowie der Gewerkschaften und der Arbeitgeberverbände die Agenda der Sozialreformen des Jahres 2008 festlegen. Im Zentrum der Reformen sollen die Bereiche Kaufkraft, Arbeitsmarkt, Berufsausbildung, öffentli- cher Dienst und Armutsbekämpfung stehen. 20.12. Im Rahmen eines Staatsbesuchs im Vatikan erhält Staatspräsident Sarkozy eine Audienz bei Papst Benedikt XVI. Sarkozy betont dabei die „christli- chen Wurzeln Frankreichs“, die trotz des Grundsatzes der Trennung von Kirche und Staat Bestand hätten. 20.12. Die Mobilfunktochter SFR des Telekommunikations- und Medienkon- zerns Vivendi kauft vom Konzern Dreyfus 29,5 Prozent der Aktien am Mobilfunkanbieter Cegetel und baut damit ihre Beteiligung auf 70 Prozent aus. Ziel sei eine langfristige Übernahme, so der Chef von Vivendi Ber- nard Levy. Vivendi entwickelt sich damit zu einer starken Konkurrenz des Marktführers France Télécom. 22.12. Im Alter von 97 Jahren stirbt der französische Schriftsteller Julien Gracq. 2008 Januar 1.1. Mehrere neue Gesetze treten in Kraft, darunter ein Gesetz über Maßnah- men im Fall eines Streiks im öffentlichen Dienst. Es schreibt beispielswei- se eine rechtzeitige Information der Öffentlichkeit vor. Ein Mindestdienst
Chronik September 2007 – August 2008 231 im Streikfall, wie ihn Staatspräsident Sarkozy im Wahlkampf gefordert hatte, wird allerdings durch das Gesetz nicht garantiert. Auch das Rauch- verbot in öffentlichen Einrichtungen, darunter in der Gastronomie, wird bindend. 3.1. Zu Beginn des Jahres 2008 findet erstmalig die von Staatspräsident Sarko- zy im Wahlkampf angekündigte Evaluierung der Arbeit der einzelnen Minister statt, die künftig einmal pro Quartal wiederholt werden soll. 8.1. Auf der ersten Pressekonferenz des Jahres äußert sich Staatspräsident Sarkozy vor 600 Journalisten über die Ziele seiner künftigen Politik. Im Mittelpunkt stünden im Jahr 2008 die begonnenen institutionellen und wirtschaftlichen Reformen, darunter eine Initiative zur Verstärkung der Kaufkraft, Reformen in den Bereichen Arbeitsmarkt und Immigration sowie eine Stärkung der Rolle der Caisse des dépôts im Kampf gegen Spekulationsfonds. Außerdem bereite er eine Initiative zum Verbot von Werbung in den öffentlichen Fernsehsendern vor. Im Hinblick auf die EU- Ratspräsidentschaft Frankreichs im zweiten Halbjahr 2008 kündigt Sarko- zy an, sich für eine „Politik der Zivilisation“ und gegen eine unverhält- nismäßige Bürokratisierung der EU einzusetzen. Im Vordergrund europäi- scher Politik müssten der Schutz der Bevölkerung und eine „Moralisie- rung des Kapitalismus“ stehen. 11.1. Vertreter von Arbeitgeberorganisationen und Gewerkschaften einigen sich über eine Reform des Arbeitsmarktes. Im Mittelpunkt steht das Prinzip der „Flexecurity“. Das Konzept beinhaltet unter anderem die Möglichkeit einer Befristung von Arbeitsverträgen auf drei Jahre sowie einer Beendi- gung des Arbeitsverhältnisses „im Einvernehmen“ zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gegen eine Abfindungszahlung. Auch eine Verlänge- rung der Probezeit ist vorgesehen. Die Gewerkschaft CGT kündigt Protest gegen die Reform an. 15.1. Im Rahmen seiner Reise in den Golfstaaten unterzeichnet Staatspräsident Sarkozy in Abu Dhabi ein Abkommen zur Installation eines französischen Militärstützpunkts in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Durch die Stationierung von 400 bis 500 Soldaten aller Waffengattungen soll der Einfluss Frankreichs in der Region, vor allem gegenüber dem Iran, gesi- chert werden. 16.1. Die Nationalversammlung nimmt mit 304 gegen 77 Stimmen und 100 Enthaltungen die Änderungen der Verfassung an, die für eine Ratifizie- rung des EU-Reformvertrags notwendig sind. 20.1. Zum ersten Mal seit den Parlamentswahlen 2007 kommen bei einem Parteitag der PS aus Anlass des Kommunalwahlkampfs alle Führungsper- sönlichkeiten der Partei zusammen, darunter die ehemalige Präsident- schaftskandidatin Ségolène Royal, Parteichef François Hollande, Laurent Fabius und überraschend auch der Direktor des Internationalen Währungs-
232 Dokumentation fonds Dominique Strauss-Kahn. Sie signalisieren damit Einigkeit in ihrer Kritik an der Regierung Sarkozy und ein mögliches Ende der internen Streitigkeiten der PS. 22.1. Im Rahmen des deutsch-französischen Tages reist Europaminister Jouyet, zugleich Beauftragter für die deutsch-französische Zusammenarbeit, nach Berlin. Er trifft im Auswärtigen Amt mit seinem Amtskollegen Gloser zu einer Diskussion mit Schülern zusammen. 23.1. Die „Commission pour la libération de la croissance française“ unter Leitung von Jacques Attali legt einen Bericht mit 316 Vorschlägen zur Erhöhung des Wachstumspotenzials vor, darunter eine Erhöhung der Zuwanderungsquote von qualifizierten Arbeitskräften, die Abschaffung des obligatorischen Rentenalters, eine Reform der Gewerkschaften sowie die schrittweise Abschaffung der Departements. Staatspräsident Sarkozy kündigt eine Prüfung der Vorschläge an, lehnt eine Abschaffung der De- partements jedoch umgehend ab. 26.1. Bei einem Besuch in Ruanda gesteht Außenminister Kouchner „politische Fehler“ Frankreichs im Zusammenhang mit dem Völkermord im Jahr 1994 in Ruanda ein, lehnt jedoch eine „militärische Verantwortung“ ab. 29.1. Der Historiker und Romanautor Max Gallo wird zum Mitglied der Aca- démie française ernannt. 29.1. Auf einem Kongress der Regierungspartei UMP in Paris zum Thema Europa tritt Bundeskanzlerin Merkel auf und sichert Staatspräsident Sar- kozy die Unterstützung Deutschlands für seine Pläne einer Mittelmeeruni- on zu. Die französischen Pläne waren zu Beginn von der deutschen Regie- rung wiederholt kritisiert worden. Merkel warnt allerdings erneut vor einer Spaltung der Europäischen Union und betont, die geplante Mittelmeeruni- on müsse eine „gesamteuropäische Aufgabe“ sein. Zugleich begrüßt Mer- kel die Entscheidung Sarkozys, den EU-Reformvertrag im Parlament ratifizieren zu lassen, ohne ein Referendum durchzuführen. Februar 3.2. Die französische Armee beginnt im Tschad mit der Evakuierung von mehreren hundert ausländischen Staatsangehörigen. Sie handelt dabei nach der EU-Regelung des „konsularischen Schutzes“, durch die allen EU-Bürgern durch andere Mitgliedstaaten in einer Krisensituation in Drittländern Schutz geboten werden soll. 6.2. Nach mehreren Tagen endet ein Streik der Taxifahrer, die durch Arbeits- niederlegungen gegen die im Bericht der Attali-Kommission vorgebrach- ten Forderungen nach Deregulierung und Abschaffung von Lizenzen in einzelnen Berufssparten protestiert hatten. Premierminister Fillon sichert
Chronik September 2007 – August 2008 233 den Taxifahrern zu, ihre Berufsgruppe von Reformen auszunehmen. Zugleich sagt er eine Gehaltserhöhung von drei bis vier Prozent zu. 8.2. Der Senat ratifiziert den EU-Reformvertrag von Lissabon. Nationalver- sammlung und Senat hatten im Vorfeld einer Änderung von Artikel 15 der Verfassung zugestimmt, die für das Inkrafttreten des Vertrags notwendig ist. 8.2. Im Elysée-Palast stellt Staatspräsident Sarkozy den Plan „Espoir banlieue“ zur Verbesserung der Lebenssituation in den Vorortbezirken der Groß- städte vor. Die Vorschläge konzentrieren sich auf Verbesserungen in den Bereichen Jugendbeschäftigung, Erschließung der Vorortbezirke, Sicher- heit, Gesundheit und Wohnungswesen. 13.2. Der Chanson-Sänger und Komponist Henri Salvador, 1917 in Franzö- sisch-Guayana geboren, stirbt in Paris. 17.2. Mit dem Erscheinen von zwei Dekreten im Journal officiel wird die Re- form der Carte judiciaire offiziell festgeschrieben. Der Conseil d’Etat hatte der Reform zuvor zugestimmt, durch die bis 2011 über 300 Justizinstitu- tionen geschlossen werden sollen. 18.2. Frankreich erkennt offiziell die Autonomie des Kosovo an. Nach der Autonomieerklärung der ehemaligen serbischen Provinz am 17. Februar geben die meisten EU-Mitgliedstaaten ihre Anerkennung des Kosovo als eigenständigen Staat bekannt. 18.2. Der Schriftsteller und „Vater“ des Nouveau roman, Alain Robbe-Grillet, stirbt im Alter von 85 Jahren. 19.2. Der UMP-Politiker Philippe Douste-Blazy wird zum stellvertretenden UN-Generalsekretär ernannt und mit dem Finanzreformressort betraut. 19.2. Premierminister Fillon stellt vor dem Europäischen Parlament die Ziele der französischen EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte 2008 vor. Er nennt dabei insbesondere die Aushandlung eines Abkommens in der Klimapolitik, die Sicherung der Energieversorgung, ein europäisches Abkommen zur Einwanderungspolitik sowie eine Initiative zur Erhöhung der Transparenz auf den Finanzmärkten. 21.2. Staatspräsident Sarkozy sagt überraschend das für den 3. März geplante deutsch-französische Blaesheimtreffen mit Bundeskanzlerin Merkel ab. Als Grund werden Terminprobleme angegeben. Die Absage des seit 2001 regelmäßig stattfindenden Treffens wird von der deutschen und französi- schen Presse intensiv diskutiert. Hintergrund ist der Konflikt zwischen beiden Regierungen über Sarkozys Projekt einer Mittelmeerunion. 23.2. Auf der Landwirtschaftsmesse kündigt Staatspräsident Sarkozy an, im Rahmen der französischen EU-Ratspräsidentschaft eine Überarbeitung der Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union einzuleiten. Außer-
234 Dokumentation dem betont er, die Interessen der französischen und europäischen Land- wirtschaft im Rahmen der Gespräche der Welthandelsorganisation mit Nachdruck verteidigen zu wollen. 26.2. Europaminister Jouyet kündigt wichtige Veränderungen im französischen Projekt zu einer Mittelmeerunion an, die nun „Union für das Mittelmeer“ heißen soll. In Folge von anhaltenden Protesten der europäischen Nichtan- rainerstaaten, insbesondere gegen die Nutzung von EU-Fonds für das Projekt, kündigt Jouyet an, alle interessierten EU-Mitgliedstaaten in das Projekt einzubinden und bei der Finanzierung keine Regelung der EU zu verletzen. März 1.3. Der europäische Luft- und Raumfahrtkonzern EADS und seine Tochterge- sellschaft Airbus erhalten überraschend den Zuschlag der US-Luftwaffe für die Lieferung von 179 Tankflugzeugen. Damit setzen sie sich gegen den US-Konkurrenten Boeing durch. Das Volumen des Auftrags liegt bei ungefähr 40 Milliarden Euro. 3.3. Staatspräsident Sarkozy eröffnet gemeinsam mit Bundeskanzlerin Merkel die IT-Messe CeBit in Hannover. Im Anschluss kommen die beiden Staatschefs zu einem Arbeitsessen zusammen. Im Mittelpunkt der Gesprä- che steht das französische Projekt einer Mittelmeerunion, an dem Deutschland immer wieder Kritik geübt hatte. 6.3. In einem Interview mit der Zeitung „Le Figaro“ nennt Staatspräsident Sarkozy erste Details über eine Umgestaltung des Projekts der Mittel- meerunion, auf die er sich bei seinem Treffen am 3. März mit Bundes- kanzlerin Merkel geeinigt hatte. Hierzu zählt unter anderem die Einbezie- hung aller EU-Staaten, statt, wie im ursprünglichen französischen Vor- schlag vorgesehen, nur der Mittelmeeranrainerstaaten. Nach länger andau- ernden Differenzen zwischen Deutschland und Frankreich in der Frage der Mittelmeerpolitik betont Sarkozy, Merkel und er arbeiteten nun „Hand in Hand“. 10.3. Der israelische Präsident Schimon Peres trifft zu einem fünftägigen Be- such in Paris ein. 11.3. Außenminister Kouchner und Verteidigungsminister Morin treffen in Paris im Rahmen des französisch-russischen Verteidigungskooperationsra- tes mit ihren russischen Amtskollegen Lavrov und Serdioukov zusammen. 13.3. Bei einem EU-Gipfeltreffen in Brüssel stimmen die Staats- und Regie- rungschefs der EU-Mitgliedstaaten dem Projekt einer „Union für das Mittelmeer“ zu, dessen Grundzüge Staatspräsident Sarkozy gemeinsam mit Bundeskanzlerin Merkel vor der Abstimmung im Rahmen des Gipfel-
Chronik September 2007 – August 2008 235 treffens präsentiert hatte. 16.3. Beim zweiten Wahlgang der Kommunal- und Regionalwahlen verzeich- nen linke Parteien deutliche Gewinne; in mehreren großen Städten, darun- ter Toulouse und Straßburg, übernimmt die Linke die Kommunalregie- rung. Premierminister Fillon gesteht die Niederlage des rechten Lagers ein, lehnt aber Rückschlüsse von der Kommunalwahl auf die nationale Politik ab und kündigt eine Fortsetzung des Reformkurses an. 18.3. Staatspräsident Sarkozy stellt Veränderungen im Kabinett vor. Neben einigen Umstellungen in den Zuständigkeitsbereichen und dem Wechsel einzelner Minister und Staatssekretäre zwischen den Ressorts beinhalten diese vor allem die Berufung von sechs neuen Staatssekretären, darunter für die Bereiche Beschäftigung, Familie sowie Entwicklung der Haupt- stadtregion. 21.3. Bei der Vorstellung eines neuen Atom-U-Boots, das den Namen „Le Terrible“ trägt, betont Staatspräsident Sarkozy die Bedeutung der franzö- sischen Nuklearstreitkräfte für die Sicherheit Europas und ruft die europä- ischen Partnerstaaten dazu auf, einen verstärkten Dialog über die Funktion der Abschreckung und die Rolle der einzelnen EU-Mitgliedstaaten für ein Europa der Verteidigung zu führen. 27.3. Im Rahmen eines Staatsbesuchs in Großbritannien trifft Staatspräsident Sarkozy mit dem britischen Premierminister Gordon Brown zusammen. Beide bekräftigen ihren Willen zu einer Verstärkung der Kooperation zwischen den Staaten, insbesondere in den Bereichen der europäischen Verteidigungspolitik, der bilateralen Industriepolitik sowie bei den The- men Immigration, Transparenz der Finanzmärkte und Klimaschutz. April 3.4. Bei einem NATO-Gipfeltreffen in Bukarest kündigt Staatspräsident Sar- kozy eine weitere Annährung Frankreichs an die NATO an, die letztend- lich zu einer vollständigen Wiedereingliederung in die integrierte Kom- mandostruktur der NATO führen soll. 4.4. Im Kreis des Kabinetts kündigt Staatspräsident Sarkozy umfangreiche Reformen des Verwaltungssystems an, die zur Senkung der öffentlichen Ausgaben beitragen sollen. Die Veränderungen betreffen vor allem die Bereiche Verteidigung, Außenpolitik und Entwicklung. 7.4. Im Rahmen des olympischen Fackellaufs erreicht das olympische Feuer Paris. Aus Protest gegen die Tibet-Politik Chinas finden am Rande der Strecke des Fackellaufs mehrere Demonstrationen statt. 7.4. In ganz Frankreich fordern mehrere Tausend Menschen auf Kundgebun- gen die Freilassung der ehemaligen kolumbianischen Präsidentschaftskan-
236 Dokumentation didatin Ingrid Betancourt. Die Politikerin mit französischer und kolumbia- nischer Staatsbürgerschaft wird seit Februar 2002 von Rebellen der ko- lumbianischen Guerillaorganisation FARC festgehalten. In mehreren Videobotschaften an die Geiselnehmer hatte auch Staatspräsident Sarkozy die Freilassung der schwer erkrankten Betancourt gefordert. 9.4. In Berlin stellen Bildungsminister Darcos und der deutsche Bevollmäch- tigte für die deutsch-französische kulturelle Zusammenarbeit Wowereit den zweiten Band des deutsch-französischen Geschichtsbuchs vor, in dem die historische Entwicklung zwischen dem Wiener Kongress 1815 und dem Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 aus Perspektive beider Länder dargestellt wird. Der erste Band des Geschichtsbuchs war im Jahr 2006 erschienen. 10.4. Mit einer knappen Mehrheit vor allem aus Stimmen der Regierungspartei UMP wird in der Nationalversammlung ein neues Gesetz zum Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft verabschiedet. Es erleichtert den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen. 10.4. Der Schriftsteller Jean-Loup Dabadie wird zum neuen Mitglied der Aca- démie française gewählt. 17.4. Im Alter von 94 Jahren stirbt der Schriftsteller und Mitbegründer der kulturphilosophischen Emanzipationsbewegung „Négritude“, Aimé Césai- re. 19.4. Im Alter von 100 Jahren stirbt nahe Paris die Ethnologin und ehemalige Widerstandskämpferin gegen die Nationalsozialisten Germaine Tillion. Sie war zur Zeit der deutschen Besatzung in Frankreich führendes Mit- glied einer Widerstandsgruppe gewesen und nach ihrer Festnahme 1943 ins Konzentrationslager Ravensbrück deportiert worden. Nach dem Krieg hatte sie sich aktiv für ein Ende des Algerienkriegs eingesetzt und für ihre Bemühungen um die deutsch-französische Freundschaft das Bundesver- dienstkreuz sowie das Kreuz der Ehrenlegion erhalten. 23.4. Nach einem zweiwöchigen Streik mehrerer hundert Arbeitnehmer in der Region Paris, die ohne Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis oft seit mehreren Jahren in Frankreich beschäftigt sind, kündigt der Minister für Immigrati- on, Brice Hortefeux, eine Einzelfallprüfung an, lehnt jedoch die geforder- ten umfangreichen Legalisierungsmaßnahmen ab. 28.4. Arbeitsminister Bertrand stellt in Paris zentrale Punkte eines Reformvor- habens vor, das langfristig die Finanzierung der Renten sicherstellen soll. Die Dauer der Zahlung von Rentenversicherungsbeiträgen soll dabei von 40 auf 41 Jahre erhöht werden. Weitere Maßnahmen, beispielsweise fi- nanzielle Erleichterungen für Unternehmen mit einem hohen Anteil älterer Arbeitnehmer an der Belegschaft, sollen ein längeres Verbleiben der Ar- beitnehmer im Arbeitsmarkt fördern.
Chronik September 2007 – August 2008 237 Mai 1.5. Bei einem Festakt in Aachen hält Staatspräsident Sarkozy die Laudatio anlässlich der Verleihung des Internationalen Karlspreises an Bundeskanz- lerin Merkel. 12.5. Der französisch-japanische Autohersteller Renault-Nissan kündigt eine Zusammenarbeit mit dem indischen Autobauer Bajaj bei der Produktion eines Billigautos an, dessen Einkaufspreis für Großhändler nach momen- tanem Stand bei 2500 Euro liegen soll. 14.5. Ein Vermittlungsausschuss aus Vertretern des Senats und der Nationalver- sammlung hat nach der Ablehnung des Entwurfs zu einem neuen Gesetz über den Umgang mit gentechnisch veränderten Lebensmitteln durch das Parlament eine bereits am 16. April 2008 vom Senat angenommene Ver- sion des Gesetzes angenommen. 15.5. Nach einem Streik von Lehrern gegen den für das kommende Schuljahr vorgesehenen Stellenabbau im Bildungsbereich stellt Staatspräsident Sarkozy offiziell eine durch Bildungsminister Darcos bereits vor längerer Zeit angekündigte Gesetzesinitiative vor, die Lehrern vorschreiben soll, 48 Stunden vor Beginn eines Streiks anzugeben, ob sie an der Arbeitsnieder- legung teilnehmen. Die frühzeitige Information soll eine Mindestversor- gung an den Schulen sicherstellen. 16.5. In Nîmes findet der erste Kongress der Partei „Le Nouveau Centre“ statt. Der Partei, die bereits seit dem 29. Mai 2007 offiziell existiert, gehören Verteidigungsminister Hervé Morin als Präsident, drei Staatssekretäre sowie 22 Abgeordnete der Nationalversammlung an. Sie kooperiert mit der Regierungspartei UMP und verfügt inzwischen auf Regional- und Kommunalebene über etwa 2500 Abgeordnete. 21.5. Nach mehreren Tagen beenden französische Fischer ihren Streik und die Blockade mehrerer großer Seehäfen wie La Rochelle oder Marseille. Sie fordern eine stärkere staatliche Unterstützung angesichts der stark gestie- genen Diesel-Preise. Zusätzlich zu einer bereits Ende 2007 gewährten Summe von 310 Mio. Euro sagt der zuständige Minister Michel Barnier weitere 110 Mio. Euro Unterstützung zu. 22.5. In Folge eines gemeinsamen Aufrufs aller Gewerkschaften demonstrieren in Paris über 100.000 Menschen gegen eine Erhöhung der Rentenbeitrags- zeit von 40 auf 41 Jahre. 24.5. Beim Internationalen Filmfestival in Cannes erhält der Film „Entre les murs“ des französischen Regisseurs Laurent Cantet die Auszeichnung „Goldene Palme“. 25.5. Im Rahmen seiner ersten Auslandsreise als russischer Premierminister trifft Wladimir Putin zu einem zweitägigen Besuch in Paris ein, wo er mit
238 Dokumentation seinem Amtskollegen Fillon sowie mit Staatspräsident Sarkozy zusam- mentrifft. 28.5. Der ehemalige Co-Vorsitzende des europäischen Luft- und Raumfahrt- konzerns EADS, Noel Forgeard, wird wegen des Verdachts auf Insider- handel festgenommen. Im April hatte die französische Börsenaufsicht AMF ein Ermittlungsverfahren gegen 17 Manager des Konzerns eingelei- tet, von dem auch der deutsche Airbus-Chef Thomas Enders betroffen ist. Juni 1.6. Der Modeschöpfer Yves Saint Laurent stirbt im Alter von 71 Jahren. 2.6. Die Finanzminister der Eurogruppe lehnen einen Vorschlag von Staatsprä- sident Sarkozy ab, einen Höchstwert für die Mehrwertsteuer auf Öl einzu- führen, sobald der Preis für ein Barrel einen festgesetzten Wert überschrei- tet. Zugleich lockern die Minister die Sparziele der Euroländer. 3.6. Die Nationalversammlung nimmt mit 315 gegen 231 Stimmen, bei 23 Enthaltungen, den Gesetzentwurf zu einer Institutionenreform an, der im Folgenden im Senat verhandelt werden wird. Zentrale Punkte der Reform sind die Einführung eines Rechts des Staatspräsidenten, vor dem Parla- ment zu sprechen, die Beschränkung der Amtszeit des Staatspräsidenten auf zwei Legislaturperioden, die mögliche Rückkehr von Ministern ins Abgeordnetenamt, ein obligatorisches Referendum vor einem Beitritt eines Staates zur EU, dessen Bevölkerung mehr als ein Fünftel der EU- Bevölkerung repräsentiert, sowie zusätzliche Rechte des Parlaments bei der Vorlage von Gesetzentwürfen. 7.6. Im Rahmen einer außergewöhnlichen diplomatischen Reise trifft Staats- präsident Sarkozy heute gemeinsam mit den Vorsitzenden der großen französischen Parteien, François Fillon, François Hollande, François Bayrou und Marie-George Buffet, im Libanon ein. Als erster nicht- arabischer Staatschef trifft Sarkozy mit dem neu gewählten libanesischen Präsidenten Michel Sulaiman zusammen. 9.6. Im Rahmen des neunten deutsch-französischen Ministerrats kommen Staatspräsident Sarkozy und Bundeskanzlerin Merkel im bayerischen Straubing zusammen. Im Zentrum der Gespräche stehen die Themen Energie und Klima. Dabei erzielen die Verhandlungspartner nach monate- langen Diskussionen eine Einigung über Klimaschutzvorgaben für die Autoindustrie. Sie bestätigen damit die Einführung der von der EU- Kommission geforderten Beschränkungen des Schadstoffausstoßes für Neuwagen. Angela Merkel kündigt außerdem eine grundsätzliche Unter- stützung Frankreichs im Verlauf der französischen EU- Ratspräsidentschaft an.
Chronik September 2007 – August 2008 239 10.6. Im Rahmen der ersten nationalen Konferenz zum Thema Behinderung auf nationaler Ebene kündigt Staatspräsident Sarkozy die Schaffung von 50.000 neuen Stellen in der Behindertenbetreuung innerhalb von fünf Jahren an. 14.6. Auf ihrem Nationalkonvent in Paris verabschiedet die PS ihr neues Grundsatzprogramm. Es enthält als wichtigste Neuerungen ein Bekenntnis zur regulierten „sozialen und ökologischen Marktwirtschaft“ sowie zur europäischen Idee. 17.6. Staatspräsident Sarkozy stellt vor Vertretern des Militärs das neue Weiß- buch zur Verteidigung vor, das die Ziele der französischen Verteidigungs- politik für die kommenden fünfzehn Jahre absteckt und eine umfassende Reform des Militärwesens beinhaltet. Dabei sollen innerhalb der kom- menden sieben Jahre 54.000 der 320.000 Stellen beim Militär gestrichen, 30 Standorte geschlossen sowie mehrere Stützpunkte in Afrika zusam- mengelegt werden. Im Zentrum der neuen Militärstrategie stehen die Bereiche Aufklärung und Informationsbeschaffung, wofür das Verteidi- gungsbudget deutlich aufgestockt werden soll. 25.6. Staatspräsident Sarkozy schlägt ein Verbot von Werbung nach 20 Uhr in den öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern ab dem 1. Januar 2009 vor. Der Verlust von Werbeeinnahmen soll durch eine Gebühr ausgeglichen wer- den, die den Mobilfunk- und Internetanbietern auferlegt werden soll. 25.6. Der Senat verabschiedet nach erster Lesung einen Gesetzentwurf zu einer Institutionenreform, nimmt zuvor allerdings deutliche Veränderungen an dem bereits am 3. Juni vom Parlament verabschiedeten Entwurf vor. Juli 1.7. Zum 1. Juli beginnt die halbjährige EU-Ratspräsidentschaft Frankreichs. Staatspräsident Sarkozy steht in diesem Zeitraum als Vorsitzender dem Europäischen Rat vor. Schwerpunkte der französischen EU- Ratspräsidentschaft sind die Themen Zuwanderung, Landwirtschaft, E- nergie und Klima sowie Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Nach dem ablehnenden Referendum in Irland sowie der Ankündigung des polnischen Präsidenten Kaczynski am ersten Tag der französischen Ratspräsident- schaft, den EU-Reformvertrag von Lissabon nicht unterzeichnen zu wol- len, steht Frankreich vor der Aufgabe, im Verlauf seiner Ratspräsident- schaft einen Weg aus der europäischen Krise zu finden. 3.7. Die seit dem Jahr 2002 von der kolumbianischen Guerilla-Organisation FARC festgehaltene ehemalige Präsidentschaftskandidatin Kolumbiens, Ingrid Betancourt, ist frei. In einer Geheimaktion des kolumbianischen Militärs werden 14 Geiseln aus der Gewalt der FARC befreit. Betancourt, die neben der kolumbianischen auch die französische Staatsbürgerschaft
240 Dokumentation besitzt, dankt bei ihrer Ankunft in der kolumbianischen Hauptstadt Bogota dem kolumbianischen und dem französischen Volk sowie den beiden Präsidenten Uribe und Sarkozy für die langjährige Unterstützung. 7.7. Beim EU-Gipfel in Cannes verabschieden die Innenminister der 27 EU- Mitgliedstaaten einen ursprünglich von Frankreich eingebrachten Vor- schlag für einen „Pakt zu Einwanderung und Asyl“. Entgegen dem franzö- sischen Vorschlag erlaubt der Pakt jedoch breit angelegte Legalisierungs- maßnahmen illegaler Einwanderer aus wirtschaftlichen und humanitären Gründen. Insbesondere Spanien setzt sich hierbei gegen die Forderungen der französischen Ratspräsidentschaft durch. Der Pakt umfasst außerdem Regelungen für eine verschärfte Abschiebungspolitik, strengere Regelun- gen der legalen Zuwanderung sowie Maßnahmen zur verstärkten Kontrol- le der EU-Außengrenzen. 10.7. Nach dem Parlament stimmt auch der Senat mit der Stimmenmehrheit der Regierungspartei UMP und den Stimmen der Zentristen dem neuen Gesetz zur Modernisierung der Wirtschaft zu. Zentrale Ziele des Gesetzes sind eine Wachstumssteigerung um 0,3 Prozent im kommenden Jahr, die Schaffung von Arbeitsplätzen sowie die Einschränkung der Inflation. Als wichtige Maßnahmen zur Umsetzung der genannten Ziele gelten bei- spielsweise eine Ausweitung der genehmigungsfreien Ladenfläche von Geschäften von 300 auf 1000 Quadratmeter sowie die Möglichkeit für Lebensmittelketten, Preise und Rabatte direkt mit den Erzeugern auszu- handeln. 11.7. Eine Kommission unter dem Vorsitz von Alain Juppé und Louis Schweit- zer legt ein Weißbuch zur Außen- und Europapolitik vor, in dem unter anderem eine Neustrukturierung des diplomatischen Dienstes gefordert wird. 13.7. In Paris treffen 43 Staatschefs aus der Europäischen Union, Afrika und der Nahost-Region zur Gründung einer Union für das Mittelmeer zusammen. Im Rahmen der Union sollen entscheidende Zukunftsfragen der Region, darunter die Themen Energieversorgung, Umweltschutz und Klimawandel sowie Bildung und Forschung, diskutiert werden. Die Präsidentschaft der Union wird gemeinsam von einem EU- und einem Nicht-EU-Mitglied ausgeführt, die erste Ko-Präsidentschaft übernehmen Frankreich und Ägypten. 16.7. Zweieinhalb Jahre nach der Ankündigung der Fusion des staatlichen E- nergieversorgers Gaz de France und des privaten Energiekonzerns Suez wird die Verbindung rechtskräftig. Mit einem Gesamtumsatz von ca. 71 Milliarden Euro entsteht so der drittgrößte Energiekonzern weltweit. Die Aktionäre der beiden Konzerne stimmen der Fusion mit großer Mehrheit zu.
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