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VERFASSUNGSRECHT
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Verfassungsrecht
                                                                                     Kapitel 5

                         VERFASSUNGSRECHT

                                      Hey Tina!
                           Was lernt man in diesem Kapitel?

   Ganz einfach, Tim! Hier lernt man alles über die österreichische Verfassung Die
    Verfassung eines Staates regelt die wichtigsten Angelegenheiten in diesem Land

                               Und wozu lernen wir das?

       Damit wir wissen, wie uns die österreichische Verfassung als österreichische
 Staatsbürger/innen beeinflusst und wir verstehen, wie unser Staatssystem aufgebaut ist
                                    und funktioniert.

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Verfassungsrecht
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INHALTSVERZEICHNIS

1     Österreichisches Verfassungsrecht ........................................................................................5
    1.1       Verfassungsrecht ...........................................................................................................5
    1.2       Begriffsklärungen........................................................................................................... 7
      1.2.1          Natürliche Person, juristische Person, Organ, Organwalter .................................... 7
      1.2.2          Staatselemente ..................................................................................................... 8
      1.2.3          Republik Österreich ............................................................................................... 9
      1.2.4          Neutralität ............................................................................................................ 11
2     Grundprinzipien der Verfassung .......................................................................................... 11
    2.1       Demokratisches Prinzip ............................................................................................... 11
      2.1.1          Wahlen ................................................................................................................. 11
      2.1.2          Direkte Demokratie .............................................................................................. 13
      2.1.3          Politische Parteien................................................................................................ 15
      2.1.4          Parlament............................................................................................................. 16
      2.1.5          Weg der Bundesgesetzgebung ............................................................................. 18
      2.1.6          Abgeordnete ........................................................................................................ 19
      2.1.7          Landtag und Weg der Landesgesetzgebung.........................................................20
    2.2       Republikanisches Prinzip ..............................................................................................20
      2.2.1          Bundespräsident .................................................................................................. 21
    2.3       Bundesstaatliches Prinzip ............................................................................................22
      2.3.1          Kompetenzverteilung ...........................................................................................22
      2.3.2          Unmittelbare und mittelbare Bundesverwaltung.................................................. 23
    2.4       Gewaltenteilendes Prinzip ...........................................................................................24
      2.4.1          Begriff der Gewaltenteilung .................................................................................24
      2.4.2          Organisation der Verwaltung................................................................................ 25
      2.4.3          Hoheitsverwaltung – Privatwirtschaftsverwaltung ...............................................26
      2.4.4          Bundesregierung ..................................................................................................26
      2.4.5          Bundesminister/in und Bundesministerium .......................................................... 27
      2.4.6          Landeshauptmann und Landesregierung .............................................................29
    2.5       Rechtsstaatliches Prinzip (Legalitätsprinzip) ................................................................29
      2.5.1          Stufenbau der Rechtsordnung .............................................................................. 30
      2.5.2          Anwendungsvorrang des EU-Rechts .................................................................... 31
      2.5.3          Kundmachung ...................................................................................................... 33
      2.5.4          Verfassungsgerichtshof ........................................................................................ 34

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    2.5.5          Verwaltungsgerichtshof ....................................................................................... 35
    2.5.6          Rechnungshof ...................................................................................................... 35
    2.5.7          Volksanwaltschaft ................................................................................................ 37
    2.5.8          Bundesverwaltungsgericht ................................................................................... 38
  2.6       Liberales Prinzip ........................................................................................................... 38
    2.6.1          Grundrechte ......................................................................................................... 38
    2.6.2          Einzelne Grundrechte ........................................................................................... 39
    2.6.3          Weitere Grundrechte ............................................................................................ 41

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Verfassungsrecht
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1      Österreichisches Verfassungsrecht

    Die Verfassung eines Staates regelt die wichtigsten Angelegenheiten des Landes. In
    unserer Verfassung ist die Gewaltenteilung festgelegt, die besagt, dass die Staatsgewalt
    in die gesetzgebende, die ausführende und die Recht sprechende Gewalt geteilt
    wird. Dort sind außerdem die wichtigsten Institutionen eines Staates aufgelistet und es
    werden auch die Menschenrechte definiert.

1.1     Verfassungsrecht

Die Verfassung eines Staates regelt die wichtigsten Angelegenheiten des Landes. Das
Verfassungsrecht bildet die rechtliche Grundlage dafür. Das österreichische
Verfassungsrecht kann man in materielles und formelles Verfassungsrecht einteilen.

                                       Verfassung-
                                          recht

                             im materiellen      im formellen
                                 Sinn                Sinn
Unter Verfassungsrecht im materiellen Sinn versteht man folgendes:

    Unter Verfassungsrecht im materiellen (= inhaltlichen) Sinn versteht man die
    wesentlichen rechtlichen Grundsätze des Staates. Beim Verfassungsrecht im materiellen
    Sinn kommt es also auf den Inhalt einer Rechtsnorm und nicht auf ihre Form an.

Diese rechtlichen Grundsätze enthält das Verfassungsrecht im inhaltlichen Sinn:

     die Einrichtung der Gebietskörperschaften sowie der wichtigsten Organe
     die Festlegung der Verfahren, mit welchen die Personen bestimmt werden, welche die
      obersten Staatsfunktionen ausüben
     die Verfahren der Gesetzgebung des Bundes und der Länder
     die Verfahren der Kontrolle: Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof und
      Oberster Gerichtshof
     die Grundrechte: diese verfassungsrechtliche Garantie der Grundrechte ist wichtig,
      weil dadurch bei einer Verletzung der Grundrechte der Verfassungsgerichtshof
      angerufen werden kann

Unter Verfassungsrecht im formellen Sinn versteht man folgendes:

    Unter Verfassungsrecht im formellen Sinn versteht man, dass Verfassungsrecht in
    einem besonderen Verfahren entsteht und durch eine entsprechende Bezeichnung als
    Verfassungsrecht gekennzeichnet wird.

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Verfassungsrecht
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Verfassungsrecht kann im Nationalrat nur beschlossen werden, wenn

      mindestens die Hälfte der Nationalratsmitglieder anwesend ist (man spricht von
       erhöhtem Präsenzquorum),
      die Bestimmung mit mindestens zwei Drittel der abgegebenen Stimmen beschlossen
       wurde, also einem Zweidrittelbeschluss (man spricht von erhöhtem Konsensquorum)
       und
      die entsprechenden Bestimmungen bei Kundmachung als Verfassungsrecht (konkret
       als „Bundesverfassungsgesetz“ oder als „Verfassungsbestimmung“) bezeichnet
       werden.

 Verfassungsrecht wird nicht nur in einem besonderen Verfahren erzeugt, sondern kann
 auch nur sehr schwer geändert werden. Es hat also eine erhöhte Bestandskraft, das
 nennt man Bestandsgarantie.

Das Verfassungsrecht ist die rechtliche Basis für das Funktionieren des Staates und regelt
das Zusammenleben verschiedener gesellschaftlicher Gruppen. Derart wichtige
Grundregelungen sollen nicht dem Einfluss wechselnder parlamentarischer Mehrheiten
ausgesetzt werden. Sie sind daher nicht mit einfachen Mehrheitsentscheidungen, wie
„normale“ Gesetze, veränderbar. Verfassungsrecht kann nur in derselben Art geändert
werden wie es erzeugt worden ist.

       Will man also die Verfassung ändern, muss auch mindestens die Hälfte der
 Nationalratsmitglieder anwesend sein und mindestens zwei Drittel davon müssen dafür
                                       stimmen.

Innerhalb des Verfassungsrechts im formellen Sinn gibt es einige wenige wichtige
Vorschriften, die sogenannten Grundprinzipien der Verfassung. Diese genießen einen ganz
besonderen Bestandsschutz. Für diese gilt neben den oben genannten Voraussetzungen,
dass eine wesentliche Änderung der verfassungsrechtlichen Grundprinzipien zusätzlich
eine Volksabstimmung benötigt, z.B. dass Österreich eine Demokratie ist (siehe Pkt. 2
Seite 11).

     Will man also die Grundprinzipien der Verfassung ändern, muss mindestens die Hälfte
     der Nationalratsmitglieder anwesend sein und mindestens zwei Drittel davon müssen
          dafür stimmen. Zusätzlich muss eine Volksabstimmung durchgeführt werden.

Rechtsquellen des Verfassungsrechts

Das österreichische Verfassungsrecht ist nicht in einer einzigen Verfassungsurkunde
zusammengefasst, sondern auf verschiedene Rechtsquellen aufgeteilt. Diesen Rechts-
quellen kommt jeweils ein Verfassungsrang zu. Charakteristisch in Österreich ist die
Zersplitterung des formellen Verfassungsrechts.

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Verfassungsrecht
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Hauptsächlich findet man österreichisches Verfassungsrecht in folgenden Rechtsquellen:

          Das „Bundes-Verfassungsgesetz“, mit „B-VG“ abgekürzt, enthält im
           Wesentlichen Verfassungsrecht im materiellen Sinn
          Daneben gibt es noch zahlreiche einzelne Bundesverfassungsgesetze, die mit
           „BVG“ (also ohne Bindestrich) abgekürzt werden, etwa das BVG über die
           immerwährende Neutralität Österreichs
          Landesverfassungen – jedes Land hat eine eigene Landesverfassung, die von
           den Landesparlamenten mit einer speziellen Mehrheit beschlossen wird
          Staatsverträge        mit    verfassungsändernden        Bestimmungen        –
           völkerrechtliche Verträge ändern oder ergänzen manchmal Verfassungsrecht (Bsp.
           Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK)
          „Verfassungsbestimmungen“ in einfachen Gesetzen (z.B. Datenschutzgesetz
           2000)
1.2       Begriffsklärungen

 Bevor wir näheres zur Verfassung und zum Verfassungsrecht lernen, müssen wir einige
                             wichtige Grundbegriffe klären

1.2.1 Natürliche Person, juristische Person, Organ, Organwalter

Unter einer natürlichen Person versteht man folgendes:

 Alle Menschen sind schon ab der Geburt Personen im Rechtssinn und können somit ab
 diesem Zeitpunkt Träger von Rechten und Pflichten sein. Menschen werden als
 „natürliche“ Personen bezeichnet.

Unter einer juristischen Person versteht man folgendes:

 Die Rechtsordnung bezeichnet mit „Person“ nicht nur Menschen, sondern auch
 Organisationen, Gesellschaften, Vereine. Diese, im Gegensatz zur natürlichen Person,
 werden „juristische Personen“ genannt, da sie nicht von der Natur, sondern von der
 Rechtsordnung geschaffen werden.

Zu den juristischen Personen zählen auch die Gebietskörperschaften, wie der Bund, die
Länder oder die Gemeinden. Innerhalb der juristischen Personen sind aber noch zwei
weitere Elemente zu erwähnen, nämlich Organ und Organwalter.

Unter einem Organ versteht man folgendes:

 Damit die juristischen Personen handeln können, bedürfen sie der Vertretung durch
 Organe. Diese Vertretung wird durch Menschen, die Organwalter, ausgeführt.

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Verfassungsrecht
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Unter einem Organwalter versteht man folgendes:

 Die Menschen, die in den Ämtern tätig sind, werden als „Organwalter“ bezeichnet.
 Diese Menschen haben insofern eine doppelte Stellung, als zu ihrer dienstlichen
 Stellung – also als Organwalter – auch noch ihre „Privatexistenz“ kommt.

So ist das Amt des Bundespräsidenten als Organ in der Verfassung verankert, unabhängig
davon, wer Bundespräsident ist. Damit wird eine organisatorische Kontinuität geschaffen,
welche den Wechsel der Organwalter überdauert.

1.2.2 Staatselemente

Staaten sind Organisationen, welche auf dem Staatsgebiet für die dort befindlichen
Menschen eine grundsätzlich umfassende Regelungsgewalt besitzen und durchsetzen. Die
staatliche Organisation setzt sich aus mehreren Komponenten zusammen, die auch in der
Verfassung geregelt werden:

                       Staatselemente

   Staatsgebiet            Staatsvolk           Staatsgewalt

Staatsgebiet

Unter Staatsgebiet versteht man folgendes:

 Das Staatsgebiet ist das räumliche Gebiet, welches der Staatsgewalt unterworfen ist
 und in dem bestimmte Rechtsnormen, also Gesetze, gelten.

Die Grundlage des Staates ist ein Staatsgebiet, auf dem die staatliche Herrschaft
ausgeübt wird. In Österreich wird das Staatsgebiet als „Bundesgebiet“ bezeichnet und
setzt sich aus den Gebieten der neun Bundesländer zusammen.

Staatsvolk

Unter Staatsvolk versteht man folgendes:

 Die Bürger des Staates bilden in ihrer Gesamtheit das Staatsvolk.

Dieser Begriff ist deshalb wichtig, weil grundsätzlich nur den Bürgerinnen und Bürgern das
Wahlrecht zusteht. Im Zusammenhang mit der EU wurden jedoch auch die EU-
Bürgerinnen und die EU-Bürger teilweise gleichgestellt. Bei Wahlen in den Gemeinden
sind auch sie wahlberechtigt.

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 In Österreich setzt sich das Staatsvolk z.B. folgendermaßen zusammen:

           Personen mit österreichischer Staatsbürgerschaft
           Österreichische Staatsangehörige im Ausland
           Fremde (v.a. EU-Bürger/innen), die sich auf dem Staatsgebiet aufhalten

Die Volksgruppen eines Staates, früher als „Minderheiten“ bezeichnet, sind
Staatsangehörige dieses Staates. Es ist ein besonderes Anliegen, den Bestand und die
kulturelle Identität (z.B. Sprache) der Volksgruppen zu erhalten.

 In Österreich gibt es folgende Volksgruppen:

           die burgenlandkroatische Volksgruppe
           die slowenische Volksgruppe
           die ungarische Volksgruppe
           die tschechische Volksgruppe
           die slowakische Volksgruppe
           die Volksgruppe der Roma

Staatsgewalt

Unter Staatsgewalt versteht man folgendes:

 Staatsgewalt bezeichnet die Organisation des Staates             und   die   tatsächlichen
 Machtmittel, welche dem Staat zur Verfügung stehen.

Der moderne Rechtsstaat sieht jedoch die „Staatsgewalt“ als wesensmäßig begrenzt an,
das heißt, es gibt folgende Einschränkungen der Staatsgewalt:

          Legalitätsprinzip: Die gesamte staatliche Verwaltung darf nur aufgrund der
           Gesetze ausgeübt werden. Auch Maßnahmen des sofortigen Polizeizwanges (z.B.
           eine Festnahme) dürfen nur bei Vorliegen der gesetzlich festgelegten Bedingungen
           erfolgen.
          Grundrechte: Auf Verfassungsebene wurden zahlreiche Grundrechte geschaffen,
           die von den Staatsorganen einzuhalten sind. Das Bundesverfassungsgesetz (B-VG)
           spricht nicht von Grundrechten, sondern von verfassungsrechtlich gewährleisteten
           Rechten.

1.2.3 Republik Österreich

Die Republik Österreich kann man folgendermaßen charakterisieren:

Der Text des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG) beginnt mit der Feststellung, dass
Österreich eine demokratische Republik ist. Somit geht ihr Recht vom Volk aus. Das heißt,
dass eigentlich das Volk über die Wahlen die Gesetze selbst bestimmt.

Außerdem ist die Republik Österreich ein Völkerrechtssubjekt, also ein Träger
völkerrechtlicher Rechte und Pflichten, und seit 1995 ein Mitgliedstaat der EU.

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Unter Völkerrecht versteht man folgendes:

 Das Völkerrecht ist eine überstaatliche Rechtsordnung, also zwischen zwei oder
 mehreren Staaten. Sie regelt die Beziehungen zwischen den Völkerrechtssubjekten
 (meist Staaten) auf der Grundlage der Gleichrangigkeit.

Eine Gebietskörperschaft hat – wie schon der Name besagt – in einem bestimmten Gebiet
für alle Personen, die sich dort aufhalten, eine hoheitliche Regelungskompetenz. Die
Republik Österreich besteht in organisatorischer Hinsicht aus mehreren solcher
Gebietskörperschaften, nämlich aus:

       Bund (Österreich)
       Länder (9 Bundesländer, z.B. Niederösterreich, Tirol)
       Gemeinden (2.357 Gemeinden, z.B. Korneuburg, Krems an der Donau)

                              Bund

                    Länder

                                                                             Gemeinden

 Aufteilung Österreichs in Länder und Gemeinden

Die Gemeinden werden von der Verfassung neben dem Bund und den Ländern ebenfalls
ausdrücklich zum Begriff der „Republik“ gezählt.

Für die Republik Österreich besteht eine einheitliche Staatsbürgerschaft. Diese ist
gleichzeitig die Grundlage für die Unionsbürgerschaft.

Die Republik Österreich ist nicht nur Mitglied der EU, sondern auch anderer internationaler
Organisationen, z.B. des Europarates und der UNO.

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1.2.4 Neutralität

Unter Neutralität versteht man folgendes:

 Der traditionelle Begriff der Neutralität besagt, dass ein Staat an einer kriegerischen
 Auseinandersetzung anderer Staaten nicht teilnimmt und sich zu den Konfliktparteien
 gleichermaßen distanziert verhält.

Unter dauernder (immerwährender) Neutralität versteht man folgendes:

 Der Begriff der dauernden Neutralität beinhaltet, dass neutrale Staaten bereits im
 Vorfeld eines Krieges eine solche neutrale Haltung einnehmen sollen. Dazu gehört etwa
 der Verzicht auf einen Beitritt zu einem Militärbündnis.

Durch die Bündnisverpflichtung im Kriegsfall werden nämlich alle Staaten, die einem
Militärbündnis mit einer solchen Beistandspflicht angehören, in den Krieg hineingezogen.

2     Grundprinzipien der Verfassung

Die    Wissenschaft    vom    Verfassungsrecht     und    die    Rechtsprechung    des
Verfassungsgerichtshofes haben einige Grundprinzipien der Verfassung herausgearbeitet:

          Demokratisches Prinzip
          Republikanisches Prinzip
          Bundesstaatliches Prinzip
          Rechtsstaatliches Prinzip
          Gewaltenteilendes Prinzip
          Liberales Prinzip

Diese Grundprinzipien sind gleichsam die Baugesetze der Verfassung. Diese
Grundprinzipien sind so wichtig, dass eine Änderung der Verfassung, bei der ein
Grundprinzip oder das Verhältnis der Grundprinzipien zueinander wesentlich geändert
wird, nur mit einer Volksabstimmung – zusätzlich zur Zweidrittelmehrheit im Parlament –
erlaubt ist. Eine derartige Verfassungsänderung nennt man „Gesamtänderung“, obwohl
dabei keineswegs die gesamte Bundesverfassung betroffen sein muss.

2.1       Demokratisches Prinzip

Demokratie bedeutet Volksherrschaft. Gemeint ist damit, dass das Volk in direkten
Wahlen jene Organe wählt, welche die Gesetze erlassen. Kennzeichen einer Demokratie
ist demnach die Mitwirkung des Volkes an der Rechtssetzung.

2.1.1 Wahlen

Das demokratische Prinzip drückt sich vor allem in Wahlen aus. Gewählt werden
Staatsorgane. Diese Staatsorgane schaffen Recht im Namen des Staates. Auf Bundes- und
Landesebene werden direkt gewählt:

          Bundespräsident
          Nationalrat

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      Landtag

Eine weitere Wahl stellt die Wahl zum Europäischen Parlament dar. Sie erfolgt ähnlich wie
die Wahl zum Nationalrat.

Wahl zum Nationalrat

Unter Nationalrat versteht man folgendes:

 Der Nationalrat ist die erste und wichtigste Kammer des österreichischen Parlaments ,
 die zweite Kammer ist der Bundesrat. Hauptaufgabe des Nationalrates ist es,
 gemeinsam mit dem Bundesrat, Gesetze zu beschließen.

Die Wahl des Nationalrates erfolgt auf Grund des

      allgemeinen (Frauen und Männer),
      gleichen (jede Stimme hat das gleiche Gewicht),
      unmittelbaren (ohne dazwischen geschaltete Wahlmänner),
      geheimen (Stimmabgabe ist anonym) und
      persönlichen (keine Stellvertretung)

Wahlrechts. Wahlberechtigt sind derzeit Personen, die am Wahltag das 16. Lebensjahr
vollendet haben.

 Das heißt also, ab dem Tag, an dem ich meinen 16. Geburtstag feiere, darf ich wählen
                                       gehen.

Wahl der/s Bundespräsidenten/in

Unter Bundespräsident/in versteht man folgendes:

 Der/die Bundespräsident/in ist das höchste Repräsentationsorgan der Republik
 Österreich, das heißt, er vertritt Österreich nach außen hin.

Der/die Bundespräsidentin wird direkt vom Volk gewählt. Die Funktionsperiode beträgt 6
Jahre. Eine Wiederwahl für die unmittelbar folgende Funktionsperiode ist nur einmal
zulässig. Das heißt, ein/e Kandidatin kann höchstens 12 Jahre hintereinander
Bundespräsident/in sein. Der/die Kandidatin gilt als gewählt, wenn er mehr als die Hälfte
aller gültigen Stimmen erhält (absolute Mehrheit).

Verwaltungsakademie des Bundes 2020                                                          12
Verfassungsrecht
                                                                                    Kapitel 5
Wahl zum Landtag

Unter Landtag versteht man folgendes:

 Der Landtag ist das Landesparlament. Er ist das gesetzgebende Organ des jeweiligen
 Bundeslandes und beschließt somit alle Landesgesetze.

Die Bedingungen für die Wahl zum Landtag dürfen nicht enger sein als die Bedingungen
der Bundesverfassung für die Wahl zum Nationalrat. Das bedeutet, dass all jene
Personen, die laut Bundesverfassung für die Wahl zum Nationalrat zugelassen sind, auch
an Wahlen zum Landtag teilnehmen dürfen. Es können aber auch andere
Personengruppen, wie gleichgestellte EU-Bürger/innen, zur Wahl zum Landtag zugelassen
werden.

Indirekte Wahl des Bundesrates

Unter Bundesrat versteht man folgendes:

 Der Bundesrat ist, neben dem Nationalrat, die zweite Kammer des Parlaments. Der
 Bundesrat hat aber deutlich weniger Macht als der Nationalrat.

Der Bundesrat verfügt bloß über eine indirekte demokratische Legitimation, da er vom
Landtag gewählt wird.

Gemeinderatswahl, Bürgermeister-Direktwahl

Nähere Informationen zum Thema Gemeinderatswahlen und Bürgermeister/innen siehe
Kapitel „Gemeinden“

2.1.2 Direkte Demokratie

Das demokratische Prinzip kennt vor allem zwei Umsetzungen:

      indirekte Demokratie
      direkte Demokratie

Verwaltungsakademie des Bundes 2020                                                        13
Verfassungsrecht
                                                                                     Kapitel 5

                         Demokratisches
                            Prinzip

    indirekte                                        direkte
   Demokratie                                      Demokratie

     Wahlen              Volksbegehren         Volksabstimmung      Volksbefragung

Die indirekte Demokratie drückt sich etwa bei den Wahlen aus. Die Wahlberechtigten
wählen Organwalter/innen, welche im Namen des Staates Rechtsakte setzen. Die
indirekte Demokratie wird auch „repräsentative Demokratie“ genannt, weil nicht die
Wählerinnen und Wähler selbst die Entscheidungen treffen, sondern die von den
Wählerinnen und Wähler            gewählten Repräsentanten/innen. Das wichtigste
Repräsentationsorgan ist das Parlament (Nationalrat, Landtag), sodass auch von der
„parlamentarischen“ Demokratie gesprochen wird. In Österreich werden hier eigentlich
politische Parteien gewählt (SPÖ, ÖVP, usw.). Diese bestimmen aus ihrer Mitte jene
Personen, die in den Nationalrat einziehen. Zusätzlich können wählbare Personen der
jeweiligen Partei durch eine Vorzugsstimme hervorgehoben werden.

Die direkte Demokratie hingegen ermöglicht es den Bürgerinnen und Bürgern, selbst
an der inhaltlichen Entscheidung mitzuwirken. Es sind vor allem drei Instrumente der
direkten Demokratie zu erwähnen.

1. Volksbegehren:
Bei einem Volksbegehren geht die Initiative zum Gesetzgebungsverfahren von den
Bürgerinnen und Bürgern aus. Gemäß dem B-VG ist ein Gesetzgebungsverfahren
einzuleiten, wenn 100.000 Stimmberechtigte dies verlangen. Freilich ist das
Volksbegehren nur ein Antrag an den Nationalrat, einen Gesetzesbeschluss zu erlassen.
Das Bundesgesetz kommt erst dann zustande, wenn der Nationalrat das Gesetz
beschlossen hat. In vielen Fällen führte ein Volksbegehren zu keinem Gesetzesbeschluss,
weil der Antrag im Nationalrat keine entsprechende Mehrheit fand.

 Hier einige Beispiele für Volksbegehren in Österreich:

       Bildungs-Volksbegehren (2011)
       Volksbegehren gegen Abfangjäger (2002)
       Gentechnik-Volksbegehren (1997)
       Anti-Zwentendorf-Volksbegehren (1980)

2. Volksabstimmung:

Verwaltungsakademie des Bundes 2020                                                         14
Verfassungsrecht
                                                                                         Kapitel 5
Bei besonders wichtigen Gesetzen (etwa einer Gesamtänderung der Bundesverfassung,
z.B. beim EU-Beitritt) bedarf der Gesetzesbeschluss des Nationalrates zusätzlich noch der
Abstimmung durch das gesamte Bundesvolk.

 In Österreich gab es bereits folgende zwei Volksabstimmungen:

       Volksabstimmung über ein Bundesgesetz zur friedlichen Nutzung der
        Kernenergie in Österreich (1978, Inbetriebnahme des Kernkraftwerks
        Zwentendorf)
       Volksabstimmung über den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union (1994)

3. Volksbefragung:

Angelegenheiten von grundsätzlicher und gesamtösterreichischer Bedeutung können
Gegenstand von Volksbefragungen (Antworten „ja“ oder „nein“ beziehungsweise zwei
Alternativen mit „entweder“ – „oder“) sein. Das Ergebnis einer Volksbefragung ist dem
Nationalrat und der Bundesregierung vorzulegen, es ist jedoch rechtlich nicht verbindlich.

 Hier einige Beispiele für Volksbefragungen:

       „Wien will‘s wissen“ (2010): Abstimmung über Citymaut, Nacht-U-Bahn,
        Hundeführschein etc.
       Volksbefragung zur Abhaltung der Weltausstellung EXPO 1995 in Wien (1991)

2.1.3 Politische Parteien

Parteiengesetz

Die Verfassungsbestimmung des § 1 des Parteiengesetzes besagt ausdrücklich, dass die
Existenz und Vielfalt politischer Parteien wesentliche Bestandteile der demokratischen
Ordnung der Republik Österreich sind.

Unter einer politischen Partei versteht man folgendes:

 Politische Parteien sind Vereinigungen von Menschen mit ähnlichen politischen Zielen.

Zu den Aufgaben der politischen Parteien gehört die Mitwirkung an der politischen
Willensbildung. Die Gründung politischer Parteien ist grundsätzlich frei, das heißt, grund-
sätzlich kann jeder eine politische Partei gründen.

Regierungskoalition

Eine Besonderheit der politischen Landschaft in Österreich ist es, dass es immer wieder
zur Bildung von Koalitionsregierungen kommt.

Verwaltungsakademie des Bundes 2020                                                             15
Verfassungsrecht
                                                                                        Kapitel 5
Unter einer Koalitionsregierung versteht man folgendes:

 Eine Koalitionsregierung ist eine Regierung, welche von zwei oder mehreren Parteien
 gebildet wird.

Die Voraussetzung für das Funktionieren einer Koalitionsregierung ist eine
parlamentarische Mehrheit. Das heißt also, dass die zwei Parteien, welche die
Koalitionsregierung bilden, insgesamt mehr als die Hälfte der Stimmen im Nationalrat
haben sollten. Dadurch wird gewährleistet, dass es zu keinem Misstrauensvotum des
Nationalrates gegen die Bundesregierung kommt.

Die Parteien der Koalition schließen eine Koalitionsvereinbarung, sie vereinbaren also
vertraglich die Bedingungen unter denen sie bereit sind, eine Koalition zu bilden. Die
Regierung stützt sich politisch auf die Koalitionsparteien, denen ihrerseits im Nationalrat
politisches Gewicht zukommt.

Unter einer Opposition versteht man folgendes:

 Als Opposition wird jene Gruppe von Abgeordneten eines Parlaments bezeichnet, deren
 Parteien nicht in der Regierung vertreten sind, sie stehen also der Regierung (bzw. der
 Parlamentsmehrheit) gegenüber.

Den Oppositionsparteien, also jenen Parteien, welche nicht die Regierung bilden, kommt
eine politische Kontrollfunktion zu. Die Bürgerinnen und Bürger haben die Möglichkeit, bei
der nächsten Wahl diese Konstellation zu ändern.

2.1.4 Parlament

In einer Demokratie ist das Parlament formal das wichtigste Staatsorgan, da es die
Bürgerinnen und Bürger repräsentiert. Deshalb ist das Parlament auch verantwortlich für
die Schaffung der höchsten Rechtsnormen (Verfassung, Gesetze).

Das österreichische Parlament befindet sich auf der Ringstraße in Wien.

Zweikammersystem - Einkammersystem

Im Bund hat das Parlament zwei Kammern, nämlich den Nationalrat (direkte Vertretung
der Bürger) und den Bundesrat (Vertretung der Länder). Nationalrat und Bundesrat bilden
gemeinsam die Bundesversammlung. In den Ländern bestehen die Landesparlamente nur
aus einer einzigen Kammer, nämlich dem Landtag.

                              Parlament

      Bundesver-     Nationalrat      Bundesrat
      sammlung

Verwaltungsakademie des Bundes 2020                                                            16
Verfassungsrecht
                                                                                              Kapitel 5

Nationalrat

Der Nationalrat ist folgendermaßen aufgebaut:

 Wer?                         Aufgabe
                              Umfasst 183 Abgeordnete, welche die
 Plenum
                              Gesetzesbeschlüsse fassen
                              Die drei Präsidenten haben abwechselnd die Leitung der
 3 Präsidenten
                              Plenarsitzungen inne            Sitzungssaal des Nationalrats
                              Vorbereitung der Plenarbeschlüsse in den Ausschüssen
 Ausschüsse
                              und Unterausschüssen
                              Vergleichbar mit Ministerien, ihre Aufgabe ist die
 Parlamentsdirektion
                              Unterstützung der Plenar- und Ausschussarbeit
                              Die parlamentarischen Klubs sind für die politische
 Parlamentarische Klubs
                              Entscheidungsvorbereitung der Parteien wichtig

Unter Ausschuss versteht man folgendes:

 Die Abgeordneten im Parlament haben viele Aufgaben zu erfüllen. Daher ist es nicht
 möglich, dass alle gleichzeitig bei allen Themen mitreden. Um dennoch Entscheidungen
 treffen zu können, werden Ausschüsse gebildet. Dort werden Themen so aufbereitet,
 dass sie dann im Nationalrat diskutiert und beschlossen werden können.

Unter parlamentarischen Klubs versteht man folgendes:

 Mindestens 5 Abgeordnete zum Nationalrat derselben Partei können sich zu
 parlamentarischen Klubs zusammenschließen. Erst durch die Bildung eines Klubs
 erhalten Abgeordnete die Möglichkeit der umfassenden Teilnahme am
 parlamentarischen Geschehen, denn nur als Klub sind sie z.B. in Ausschüssen vertreten.

Bundesrat

Als Ländervertretung kommt dem Bundesrat ein absolutes (verhinderndes) Veto
gegenüber Kompetenzänderungen (= Änderung der Zuständigkeiten) der Länder zu.
Ansonsten hat der Bundesrat nur die Möglichkeit eines suspensiven (aufschiebenden)
Vetos. Der Bundesrat kann also Gesetze höchstens verzögern, nicht aber verhindern.

Unter Veto versteht man folgendes:

 Das lateinische Wort veto bedeutet auf Deutsch ich verbiete. Wer ein Veto einlegt,
 macht damit klar, dass er oder sie einem bestimmten Vorschlag nicht zustimmt.

Der Nationalrat kann einen Beharrungsbeschluss fassen und sich damit über das
suspensive Veto des Bundesrates hinwegsetzen.

Verwaltungsakademie des Bundes 2020                                                                  17
Verfassungsrecht
                                                                                                    Kapitel 5

Unter Beharrungsbeschluss versteht man folgendes:

 Der Beharrungsbeschluss ist ein politisches Instrument in Österreich, womit ein Veto
 des Bundesrates durch den Nationalrat aufgehoben werden kann.

 Es gibt aber auch Angelegenheiten, in denen der Bundesrat in das parlamentarische
 Verfahren nicht einbezogen wird. Dazu gehört etwa das Budget, das lediglich vom
 Nationalrat ohne Mitwirkung des Bundesrates beschlossen wird.

2.1.5 Weg der Bundesgesetzgebung

Der Weg der Bundesgesetzgebung wird in sechs Schritte unterteilt:

1.                2.              3.               4.                    5.              6.

     Gesetzes-                         Beschluss        Mitwirkung des        Beurkund         Kund-
                       Beratung
     initiative                         fassung          Bundesrates            ung           machung

Diese sechs Schritte werden nun im Detail erklärt:

1. Gesetzesinitiative (Ausgangspunkt des Gesetzgebungsprozesses)

Es gibt vier Wege, ein Gesetzgebungsverfahren einzuleiten:
     Beschluss der Bundesregierung (Regierungsvorlage)
     Antrag von 5 Abgeordneten des Nationalrates (Initiativantrag)
     Antrag des gesamten Bundesrates oder eines Drittels der Mitglieder des
        Bundesrates
     Volksbegehren (mindestens 100.000 Stimmberechtigte)

2. Ausschussarbeit im Nationalrat – Beratung

Der Antrag wird im Plenum einem Ausschuss (z.B. Hauptausschuss, Justizausschuss,
Innenausschuss, Gesundheitsausschuss etc.) zugewiesen. Dieser berät im Vorhinein den
Antrag und legt dem Nationalrat dann einen Bericht über seine Ergebnisse vor.

3. Plenardebatten im Nationalrat – Beschlussfassung

Über ein Gesetzesvorhaben wird im Plenum debattiert und anschließend abgestimmt.

Folgende Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit ein Gesetz zustande kommt:

 Art des Gesetzes            Mehrheit                                    Anwesenheit
                             Einfache Mehrheit (>1/2 der
 Einfaches Gesetz                                                        >1/3 der Abgeordneten
                             abgegebenen Stimmen)
                             Zweidrittelmehrheit (>2/3 der
 Verfassungsgesetz                                                       >1/2 der Abgeordneten
                             abgegebenen Stimmen)

Verwaltungsakademie des Bundes 2020                                                                        18
Verfassungsrecht
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4. Mitwirkung des Bundesrates

Gesetzesbeschlüsse sind dem Bundesrat vorzulegen, sofern die Zuständigkeit des
Bundesrates nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist, wie z.B. beim Budgetgesetz.

Der Bundesrat hat folgende Möglichkeiten:
    Einspruch gegen den Gesetzesbeschluss binnen 8 Wochen
    Frist ablaufen lassen (gilt als Zustimmung)
    ausdrückliche Zustimmung

5. Beurkundung durch Bundespräsident/in und Bundeskanzler/in

Der/die Bundespräsident/in beurkundet das verfassungsmäßige Zustandekommen des
Gesetzes (prüft das Verfahren der Gesetzwerdung, nicht den Inhalt des Gesetzes).
Anschließend wird das Gesetz vom Bundeskanzler gegengezeichnet.

6. Kundmachung

Die Gesetze werden durch den/die Bundeskanzlerin im Bundesgesetzblatt (BGBl) kundge-
macht. Sie treten am Tag nach der Kundmachung in Kraft, sofern nichts Anderes im
jeweiligen Gesetz bestimmt ist.

2.1.6 Abgeordnete

 Weil in einem politischen System nicht alle Menschen alles gemeinsam erledigen
 können, brauchen wir Abgeordnete. Dies sind Personen, die in verschiedenen
 Parlamenten sitzen und in erster Linie die Aufgabe haben, Gesetze zu beschließen.

Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus.

Österreich ist aber auch eine parlamentarische Demokratie in der Weise, dass von den
Bürgerinnen und Bürgern gewählte Abgeordnete im Parlament wie in den Landtagen die
Gesetzgebung gestalten.

Abgeordnete verfügen über folgende Rechte, um die Ausübung ihrer parlamentarischen
Tätigkeit zu erleichtern:

      Freies Mandat
      Immunität
      Inkompatibilität

Freies Mandat

Unter einem Mandat versteht man folgendes:

 Ein Mandat ist ein Abgeordnetensitz, z.B. im Nationalrat, Landtag oder Gemeinderat.
 Abgeordnete werden daher auch als Mandatare bezeichnet.

Verwaltungsakademie des Bundes 2020                                                         19
Verfassungsrecht
                                                                                       Kapitel 5

Die Abgeordneten sind bei der Ausübung ihrer parlamentarischen Tätigkeit an keinen
Auftrag gebunden. Diese ausdrücklich in der Verfassung erwähnte Freiheit der
Abgeordneten     steht jedoch     in   einem gewissen      Spannungsverhältnis   zur
Parteizugehörigkeit der Abgeordneten. Die Abgeordneten werden nämlich aufgrund von
Wahlvorschlägen der politischen Parteien gewählt und sind in parlamentarischen Klubs
organisiert. In der Praxis der Parlamentsarbeit und insbesondere auch bei den
Abstimmungen kommt der sogenannten „Klubdisziplin“ ein nicht zu unterschätzender
Stellenwert zu.

Immunität

Die Abgeordneten genießen einen besonderen Schutz:
     für ihr Abstimmungsverhalten dürfen sie in keiner Weise verantwortlich gemacht
       werden
     wegen Äußerungen im Rahmen ihrer Abgeordnetentätigkeit sind sie nur dem
       Nationalrat verantwortlich
     wegen strafbarer Handlung dürfen sie nur mit Zustimmung des Nationalrates
       verfolgt werden

Inkompatibilität

Dieser Begriff bezeichnet die Unvereinbarkeit der Abgeordnetentätigkeit mit anderen
Tätigkeiten. Damit soll verhindert werden, dass Abgeordnete einerseits zeitlich von
anderen Tätigkeiten so in Anspruch genommen werden, dass sie für die Abgeordneten-
tätigkeit selbst kaum mehr Zeit haben. Andererseits soll auch die Vermischung von
Interessen vermieden werden.
Unvereinbar ist die Tätigkeit des Abgeordneten des Nationalrates z.B. mit der Mitglied-
schaft im Bundesrat oder im Europäischen Parlament, mit dem Amt des Bundespräsi-
denten und mit einer Tätigkeit in einem Höchstgericht. Die richterlichen Tätigkeiten sind
deshalb mit einer Abgeordnetentätigkeit unvereinbar, da den Gerichten eine Kontrolle
zukommt. Die Kontrolle soll von der vorausgehenden Rechtssetzung getrennt werden.

2.1.7 Landtag und Weg der Landesgesetzgebung

Informationen hierzu finden sich im Kapitel „Bundesländer“

2.2 Republikanisches Prinzip
Die Verfassung legt ausdrücklich fest, dass Österreich eine Republik ist. Das
republikanische Prinzip bezieht sich auf die Staatsform, also auf das Staatsoberhaupt. Der
Bundespräsident (Staatsoberhaupt) wird regelmäßig von den Bürgerinnen und Bürgern
gewählt. Die Republik ist ein Gegenbegriff zur Monarchie. Die anderen EU-Mitgliedstaaten
sind teils Republiken, teils Monarchien.

     Folgende EU-Mitgliedstaaten sind Monarchien: Niederlande, Spanien, Luxemburg,
                           Belgien, Dänemark und Schweden.

Verwaltungsakademie des Bundes 2020                                                           20
Verfassungsrecht
                                                                                      Kapitel 5
2.2.1      Bundespräsident

Das Republikanische Prinzip besagt, dass keine Monarchie besteht. Österreich war bis
1918 eine Monarchie, der Herrscher war ein Kaiser. Die Nachfolge des Kaisers wurde
nicht durch Wahlen entschieden, sondern vielmehr durch Erbfolge. In der Republik ist dies
anders: Das Amt des höchsten Staatsorganes, des Bundespräsidenten, ist zeitlich befristet
(Amtsperiode von sechs Jahren). Nach einer Amtsperiode ist der/die Amtsinhabe/inr des
höchsten Staatsamtes neu zu wählen.

Der/die Bundespräsident/in ist das oberste Repräsentationsorgan der Republik Österreich.
Er/sie ist das einzige oberste Organ der staatlichen Verwaltung, das direkt vom Volk
gewählt wird.

Alle Bundespräsidenten Österreichs (1. und 2. Republik)

                     Name                               Amtszeit       Partei
                                                        1919-1920      SDAPÖ
 Karl Seitz

                                                        1920-1928      ohne
 Michael Hainisch

                                                        1928-1938       CS
 Wilhelm Miklas

                                                        1945-1950       SPÖ
 Karl Renner

                                                        1951-1957       SPÖ
 Theodor Körner

                                                        1957-1965       SPÖ
 Adolf Schärf

                                                        1965-1974       SPÖ
 Franz Jonas

                                                        1974-1986      ohne
 Rudolf Kirchschläger

                                                        1986-1992       ÖVP
 Kurt Waldheim

                                                        1992-2004       ÖVP
 Thomas Klestil

                                                        2004-2016       SPÖ
 Heinz Fischer
Legende:
SDAPÖ - Sozialdemokratische Arbeiterpartei Österreich
CS - Christlichsoziale Partei Österreichs
SPÖ - Sozialdemokratische Partei Österreichs
ÖVP - Österreichische Volkspartei
ohne - keine Parteizugehörigkeit

Verwaltungsakademie des Bundes 2020                                                          21
Verfassungsrecht
                                                                                    Kapitel 5

Die wichtigsten Funktionen des/der Bundespräsidenten/in:

 Vertretung der Republik Österreich nach außen:
Der/die Bundespräsidentin schließt die Staatsverträge ab und empfängt und beglaubigt
die ausländischen Gesandten. Der/die Bundespräsiden/tin ist das wichtigste
völkerrechtliche Vertretungsorgan der Republik.

 Oberbefehl über das Bundesheer:
Dem/der Bundespräsidenten/in kommt der allgemeine Oberbefehl über das Bundesheer
zu. Hingegen liegt die konkrete Befehlsgewalt beim/bei der Bundesminister/in für
Landesverteidigung.

 Ernennung und Entlassung der Bundesregierung:
Der/die Bundespräsident/in ernennt den/die Bundeskanzler/in und auf dessen Vorschlag
die übrigen Mitglieder der Bundesregierung. Ebenso kann der/die Bundespräsident/in die
Bundesregierung entlassen.

 Notstandskompetenzen:
In Ausnahmesituationen kann der/die Bundespräsident/in Notverordnungen erlassen und
sogar den Nationalrat auflösen.

 Begnadigungsrecht:
Der/die Bundespräsident/in kann einzelne Personen, die von Gerichten rechtskräftig
verurteilt wurden, begnadigen oder die verhängten Strafen mildern.

Die formell dem/der Bundespräsidenten/in zustehende Machtfülle ist aber auf der anderen
Seite wiederum verfassungsrechtlich eingeschränkt. Der/die Bundespräsident/in darf bei
den meisten Rechtsakten nur handeln, wenn es einen entsprechenden Vorschlag der
Bundesregierung gibt. Das heißt, dass der/die Bundespräsidentin nicht handeln darf,
wenn ihm die Bundesregierung nicht diesen Rechtsakt vorschlägt.

2.3   Bundesstaatliches Prinzip

Das bundesstaatliche Prinzip wird auch das föderale Prinzip genannt. Der Bundesstaat
setzt sich aus dem Bund und den neun Bundesländern zusammen. Die konkrete
Ausgestaltung ergibt sich aus den Verfassungsbestimmungen, die die Staatsgewalt, also
die Macht des Staates, auf den Bund einerseits und die Länder andererseits aufteilen.

2.3.1 Kompetenzverteilung

Die Kompetenzverteilung regelt folgendes:

 Die Kompetenzverteilung beantwortet die Frage, wer für die Regelung von
 verschiedenen Angelegenheiten zuständig ist. Die Bundesverfassung regelt im
 Wesentlichen in den Artikeln 10, 11, 12 und 15 die Aufteilung der Gesetzgebungs- und
 Vollziehungskompetenzen zwischen Bund und Ländern.

Verwaltungsakademie des Bundes 2020                                                        22
Verfassungsrecht
                                                                                       Kapitel 5

            Inhalte (Beispiele)                  Bund                     Land
 Art. 10                                      Gesetzgebung             -------------
           Zivil-, Strafrechtswesen,          + Vollziehung
             öffentliche Sicherheit

 Art. 11                                      Gesetzgebung            Vollziehung
               Straßenverkehr,
                  Tierschutz

 Art. 12                                 Grundsatzgesetzgebung     Ausführungsgesetz-
              Krankenanstalten                                    gebung + Vollziehung
 Art. 15                                      -----------------      Gesetzgebung
            Baurecht, Naturschutz,                                   + Vollziehung
                  Jagdrecht

2.3.2 Unmittelbare und mittelbare Bundesverwaltung

Unmittelbare Bundesverwaltung

Wenn der Bund eine Angelegenheit ausschließlich mit eigenen Bundesbehörden besorgt,
spricht man von der „unmittelbaren Bundesverwaltung“. Zumeist sind die
Bundesministerinnen und Bundesminister die obersten Verwaltungsbehörden. Im Rahmen
der unmittelbaren Bundesverwaltung treten in der Unterinstanz ebenfalls Bundesbehörden
auf.

Mittelbare Bundesverwaltung

Das bundesstaatliche Prinzip in Österreich kennt jedoch noch eine Besonderheit: die
sogenannte „mittelbare Bundesverwaltung“. Diese ist eine spezielle Verbindung der
Landes- mit der Bundesverwaltung.

Unter mittelbare Bundesverwaltung versteht man folgendes:

 Angelegenheiten, die gemäß Art. 10 B-VG in die Vollziehung des Bundes fallen werden
 bei der mittelbaren Bundesverwaltung auf unterer Ebene von Landesbehörden
 vollzogen. Die Verwaltung wird also durch Landesorgane für den Bund vollzogen. Die
 Landesorgane sind dabei funktionell als Organe des Bundes tätig.

Zuständige      Träger  der     mittelbaren     Bundesverwaltung   sind      der
Landeshauptmann/Landeshauptfrau und die ihm unterstellten Landesbehörden. Der
Landeshauptmann/Landeshauptfrau    als    zentrales   Organ    der   mittelbaren
Bundesverwaltung ist an die Weisungen der zuständigen Bundesministerinnen und
Bundesminister bzw. der Bundesregierung gebunden und diesen gegenüber
verantwortlich.

Verwaltungsakademie des Bundes 2020                                                           23
Verfassungsrecht
                                                                                    Kapitel 5

2.4   Gewaltenteilendes Prinzip

Die Macht des Staates wird auf drei verschiedene Staatsgewalten aufgeteilt:

                        Staatsgewalt

      Gesetzgebung       Verwaltung        Gerichtsbarkeit

Die Gesetzgebung hat aufgrund des Legalitätsprinzips Vorrang gegenüber der Verwaltung
und der Gerichtsbarkeit. Verwaltung und Gerichtsbarkeit bilden zusammen die Vollziehung
der Staatsgewalt, sie müssen also dafür sorgen, dass die Gesetze eingehalten werden.

Die Gewalten sind voneinander getrennt, um so eine wirksame Kontrolle der Macht zu
ermöglichen. Man spricht dabei auch vom Grundsatz der organisatorischen Trennung.

2.4.1 Begriff der Gewaltenteilung

Unter Gewaltenteilung versteht man folgendes:

 Das gewaltenteilende Prinzip soll die Machtkonzentration bei einem einzigen Organ
 verhindern, also die Macht auf verschiedene Organe aufteilen. Das gewaltenteilende
 Prinzip ist charakteristisch für den modernen Staat (im Unterschied zum früheren
 Polizeistaat).

Gesetzgebung (Legislative)

Die Gesetzgebung schafft die maßgeblichen generellen Normen des Staates, nämlich die
Gesetze. Im modernen Staat ist die Gesetzgebung demokratisch organisiert, sie bedarf
der demokratischen Legitimation.

Unter demokratische Legitimation versteht man folgendes:

 Legitimation bedeutet Zustimmung. Demokratische Legitimation bedeutet also, dass das
 Volk zustimmen muss. Da das Volk den Nationalrat und den Landtag vorher direkt wählt
 und der Bundesrat vom Landtag entsandt wird, ist diese Legitimation gegeben.

Die Gesetzgebung gibt es nur bei Bund und Land, Gemeinden können keine Gesetze
schaffen.

                                          Volks-
                      wählt             vertretung:          entscheidet
                                        Regierung
Verwaltungsakademie des Bundes 2020                                                        24
Verfassungsrecht
                                                                                       Kapitel 5

            Volk
                                                                   Ergebnis:
                                                                    Gesetz

Verwaltung (Exekutive)

Die Verwaltung ist die klassische Staatstätigkeit und findet sich sowohl bei Bund, Land
und Gemeinden. Die Gemeinden haben nur Verwaltungstätigkeiten. Die Verwaltung setzt
sowohl generelle Normen (Verordnungen) als auch individuelle Normen (Bescheide).
Kennzeichnend für die Verwaltung ist die Überordnung und Unterordnung von Organen.

Gerichtsbarkeit (Judikative)

Unter Gerichtsbarkeit versteht man folgendes:

 Die Gerichtsbarkeit ist die rechtsprechende Gewalt. Richterinnen und Richter sorgen
 dafür, dass es in Streitfällen zu einer gültigen Regelung kommt. Die Gerichtsbarkeit ist
 von entscheidender Bedeutung für die Kontrolle des Rechtsstaates.

Die Gerichtsbarkeit ist charakterisiert durch ihre besondere Unabhängigkeit. Diese wird
nach außen hin durch ihre Richterinnen und Richter wirksam. Die Richterinnen und
Richter sind in Ausübung ihrer Funktion weisungsfrei, unversetzbar und unabsetzbar. Die
Gerichtsbarkeit ist dem Bund vorbehalten.

Neben den ordentlichen Gerichten für Zivilsachen und Strafsachen gibt es noch spezielle
(außerordentliche) Gerichte:

     Verwaltungsgerichtshof – VwGH:
      Dieser ist zuständig für Streitigkeiten aus dem Verwaltungshandeln.
    Verfassungsgerichtshof – VfGH:
      Dieser ist zuständig für Streitigkeiten aufgrund verfassungswidriger Gesetze.
    Bundesverwaltungsgericht – BvwG:
      Dieses ist zuständig für Beschwerden gegen Bescheide (im Gesetz geregelt)
    Bundesfinanzgericht – BfG:
      Dieses ist zuständig für Beschwerden gegen Finanzbescheide.
    9 Verwaltungsgerichte:
      Diese sind regional zuständig für Beschwerden gegen Bescheide (im Gesetz
      geregelt, z B. Verwaltungsstrafen, Gewerbestrafen, Maßnahmenbeschwerden)
Zunehmend bekommen auch internationale und supranationale Gerichte eine praktische
Bedeutung:

      Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte – EGMR:
       Dieser ist zuständig für Menschenrechtsbeschwerden nach der Europäischen
       Menschenrechtskonvention (EMRK).
      Europäischer Gerichtshof – EuGH:
       Dieser ist das höchste Gericht der Europäischen Gemeinschaft.

2.4.2 Organisation der Verwaltung

Folgende Elemente sind für die Organisation der Verwaltung kennzeichnend:

Verwaltungsakademie des Bundes 2020                                                           25
Verfassungsrecht
                                                                                    Kapitel 5

   Weisungen
   Amtsverschwiegenheit
   Auskunftspflicht
   Amtshilfe
Weisungen

Das vorgesetzte Verwaltungsorgan ist zur Weisungserteilung befugt, das nachgeordnete
Organ ist zur Befolgung der Weisung verpflichtet.

In Österreich ist die Verwaltung folgendermaßen gegliedert:

2.4.3 Hoheitsverwaltung – Privatwirtschaftsverwaltung

Die Verwaltung ist nach wie vor grundsätzlich als Hoheitsverwaltung zu sehen. Dazu
kommt jedoch zunehmend die Tätigkeit der Verwaltung im Rahmen der
Privatwirtschaftsverwaltung.

Mehr dazu in den Kapiteln „Verwaltungsverfahren“ und „Beschaffung, Inventar und
Material“

2.4.4 Bundesregierung

Die     Bundesregierung    ist   die    oberste kollegiale Verwaltungsbehörde     der
Bundesverwaltung, also generell das oberste Organ der Verwaltung. Sie wird vom
Bundespräsidenten ernannt. Die Bundesregierung ist auch schon deshalb so wichtig, weil
in ihr sämtliche Bundesminister vereint sind.

Zusammensetzung der Bundesregierung
                                                                    Bundes-
      Bundeskanzler/in                                             minister
      Vizekanzler/in                                      Vize-                Bundes-
                                                          kanzler               kanzler
      Bundesministerinnen und Bundesminister

Die Staatssekretärinnen und Staatssekretäre sind                     Bundes-
nicht formell Mitglied der Bundesregierung, sie                     regierung
nehmen aber an den Sitzungen des Ministerrates teil.

Verwaltungsakademie des Bundes 2020                                                        26
Verfassungsrecht
                                                                                       Kapitel 5

Bestellung der Bundesregierung

Die Bestellung der Bundesregierung erfolgt in mehreren Verfahrensschritten:

 1.                      2.                                3.
                          Bundeskanzler/in macht dem
                                                                Bundespräsident/in
    Bundespräsident/in      Bundespräsidenten einen
                                                                ernennt die übrigen
 ernennt Bundeskanzler/in Vorschlag für die übrigen Mit-
                                                                    Mitglieder
                          glieder der Bundesregierung

Entlassung der Bundesregierung

Es gibt zwei Möglichkeiten der Entlassung der Bundesregierung oder einzelner Mitglieder:

         Der/Die Bundespräsident/in entlässt von sich aus die gesamte Bundesregierung
          (und damit auch den Bundeskanzler).
         Der/Die Bundeskanzler/in schlägt die Entlassung eines Mitgliedes der
          Bundesregierung vor und der/die Bundespräsidentin entlässt dieses Mitglied der
          Bundesregierung.

Ohne Vorschlag des/der Bundeskanzlers/in kann der/die Bundespräsident/in jedoch kein
einzelnes Mitglied der Bundesregierung entlassen.

Politische und Rechtliche Verantwortlichkeit der Bundesregierung

Die Bundesregierung muss politisch und rechtlich verantwortlich handeln:

         Politische Verantwortlichkeit (Misstrauensvotum): Der Nationalrat kann mit
          einfacher Mehrheit (bei Anwesenheit der Hälfte der Mitglieder) der gesamten
          Bundesregierung oder einzelner ihrer Mitglieder das Vertrauen versagen. Im Falle
          eines solchen Misstrauensvotums hat der Bundespräsident die Bundesregierung
          oder die betreffenden Mitglieder zu entheben.

Unter Misstrauensvotum versteht man folgendes:

 Jede im Parlament vertretene Partei kann der Bundesregierung oder einzelnen
 Bundesministerinnen oder Bundesministern das Misstrauen aussprechen, das heißt, sie
 nicht mehr unterstützen. Meist bringen Abgeordnete dann ein Misstrauensvotum gegen
 Minister ein, wenn sie der Meinung sind, dass die betreffenden Personen ihre Aufgaben
 als Minister verletzt haben.

         Rechtliche Verantwortlichkeit: Die Mitglieder der Bundesregierung können
          wegen Gesetzesverletzung beim VfGH vom Nationalrat angeklagt werden.

2.4.5 Bundesminister/in und Bundesministerium

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Verfassungsrecht
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Das Bundesministeriengesetz (BMG) 1986 in seiner gültigen Fassung regelt die Zahl, den
Wirkungsbereich und die Einrichtung der Bundesministerien.

Durchschnittlich gibt es 12 bis 13 Bundesministerien, abhängig von den jeweiligen
politischen Einigungen. Es ist jedoch so, dass mit wenigen Ausnahmen nachstehende
Themenbereiche einem Bundesministerium zugewiesen werden.

1. Koordinierende Aufgaben,
2. europäische und internationale Angelegenheiten,
3. Integration,
4. Arbeit,
5. Soziales,
6. Konsumentenschutz,
7. Finanzen,
8. Gesundheit,
9. Inneres,
10. Justiz,
11. Landesverteidigung,
12. Sport,
13. Land- und Forstwirtschaft,
14. Umwelt und Wasserwirtschaft,
15. Bildung,
16. Frauen,
17. Verkehr, Innovation und Technologie,
18. Wirtschaft,
19. Familie und Jugend,
20. Wissenschaft und Forschung,
21. Kunst,
22. öffentlicher Dienst,
23. Medien
24. Tourismus
25. Klimaschutz

Die Bundesministerien werden von den jeweiligen Bundesminister/innen geleitet. Die
Bundesminister/innen tragen die Verantwortung und können ihren Mitarbeiter/innen des
Bundesministeriums Weisungen erteilen. Bundesministerien wirken in jenen Bereichen, die
ihnen aufgrund von bundesverfassungsrechtlichen Vorschriften und allgemeinen
Entschließungen des/der Bundespräsidenten/in übertragen wurden und müssen auch jene
Geschäfte erledigen, die ihnen durch den § 15 des Bundesministeriengesetzes
vorgeschrieben werden (siehe auch die obigen Themen).

Die Geschäfte sind in zweckmäßiger, wirtschaftlicher und sparsamer Weise zu besorgen.
Mit der zusammenfassenden Behandlung aller zum Wirkungsbereich eines Bundes-
ministeriums gehörenden Geschäfte kann ein/e Generalsekretär/in betraut werden.
(Führungsposition in der Regel für die Verwaltungsführung und das Tagesgeschäft
zuständig).

Es gibt 3 Vorschriften, welche die Amtsgeschäfte regeln:

1. die Geschäftseinteilung (Wie sind die Bundesministerien eingeteilt?)
2. die Geschäftsordnung (Wer ist wofür zuständig?)
3. die Kanzleiordnung (bis 2004) bzw. Büroordnung (ab 2004)

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