WARUM WIR UNS KEINE WEITEREN VERLORENEN SIEBEN JAHRE LEISTEN KÖNNEN - EUROPAS AGRARPOLITIK JETZT REFORMIEREN!
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EUROPAS AGRARPOLITIK JETZT REFORMIEREN! WARUM WIR UNS KEINE WEITEREN VERLORENEN SIEBEN JAHRE © gaetano-cessati/unsplash LEISTEN KÖNNEN
Hintergrundpapier zur GAP-Reform nach 2020 EUROPAS AGRARPOLITIK JETZT REFORMIEREN! WARUM WIR UNS KEINE WEITEREN VERLORENEN SIEBEN JAHRE LEISTEN KÖNNEN Im Juni 2018 hat die EU-Kommission ihre Gesetzentwürfe für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) nach 2020 vorgelegt. Ihre bereits 1957 in den Römischen Verträgen festgelegten Ziele – eine gesteigerte Produktivität, eine gesicherte Versorgung, angemessene Verbraucherpreise und Einkommen in der Landwirtschaft sowie stabile Märkte – gelten bis heute fort. Über 30 Prozent des gesamten EU-Bud- gets werden so für eine immer intensivere Landbewirtschaftung ausgegeben, die Biologische Vielfalt bedroht und unsere Gewässer, Böden, Luft und Klima immer stärker belastet. Auch das Höfesterben setzt sich ungebremst fort. Eine solche Politik ist nicht zukunftsfähig. Weder ökologisch noch ökonomisch können wir uns weitere sieben verlorene Jahre leisten. Die derzeitigen Verhandlungen für die Ausrichtung der Agrar- politik nach 2020 sind die letzte Chance, die umfangreichen Finanzmittel von 58 Milliarden Euro pro Jahr für den Einstieg in einen Systemwechsel zu gestalten. GUT GEMEINT IST NICHT GUT GEMACHT: DIE NEUVORSCHLÄGE DER EU-KOMMISSION Am 1. Juni 2018 hat die Kommission drei Ver- DIREKTZAHLUNGEN ordnungsentwürfe für den zukünftigen Rechts- Die Direktzahlungen, die pauschal pro Hektar rahmen der GAP vorgelegt: die Verordnung über ausgezahlt werden und der Einkommenssiche- die GAP-Strategiepläne (gemeinsame Planungs- rung dienen sollen, werden damit proportional ge- grundlage für Maßnahmen der erste und zweite stärkt. Auf sie entfallen über 70 Prozent des ge- Säule), die von jedem Mitgliedstaat nach 2020 zu samten GAP-Budgets. Zwar soll der Bezug von erstellen sind, den Vorschlag über die Gemein- Direktzahlungen künftig an eine „erweiterte Kon- same Marktordnung, sowie über die Verordnung ditionalität“ gebunden sein, die im Vorschlag an über die Finanzierung, Verwaltung und Überwa- manchen Stellen über die aktuellen Umweltstan- chung der GAP. dards von Cross-Compliance hinausgehen. Doch auch hier ist den Mitgliedstaaten ein viel zu großer Die EU-Kommission selbst bezeichnet die Vor- Gestaltungsraum überlassen. Zudem ist offen, ob schläge als zielorientiertes und ambitioniertes die Vorschläge im Verlauf der Verhandlungen bei- Modell, das den Mitgliedstaaten mehrFlexibilität behalten oder weiter abgeschwächt werden. und Verantwortung einräumt. Im Grundsatz hält die EU-Kommission weiter am Prinzip der zwei GRÜNE ARCHITEKTUR Säulen fest. Die Kürzungen im Gesamtbudget in- Mit der geplanten überproportionalen Kürzung folge des Brexit sollen allerdings in der zweiten der Mittel für die zweite Säule sind die Förderun- Säule wesentlich deutlicher ausfallen (ca. 15-25 gen ländlicher Räume und von Maßnahmen zum Prozent, je nach Berechnungsgrundlage) als in Agrar- Umwelt- und Klimaschutz (AUKM) schon der ersten Säule (ca. fünf Prozent). jetzt die ausgemachten Verlierer der nächsten Hintergrundpapier zur GAP-Reform nach 2020 Seite 2
Förderperiode. Auch wenn in den Vorschlägen Standards von Fördermitteln für eine tiergerech- für die erste Säule erstmalig Fördermöglich- tere Haltung ausgeschlossen sind. Auch fehlen keiten für Umwelt und Klimaschutzziele vorgese- Anreize um ein nachhaltigeres Konsumverhalten hen sind, bietet das neue Modell der „grünen Ar- zu befördern, für eine gesunde Ernährung werben chitektur“, bestehend aus verpflichtenden Grund- und zu einer deutlichen Reduzierung des Fleisch- anforderungen (erweiterte Konditionalität) und konsums führen. neuen Öko-Regelungen (Eco-Schemes), zu wenig konkrete Ansätze und zu viele Freiräume, um die- Für die Bewilligung von Investitionsbeihilfen sieht ses Konstruktionsfehler ausgleichen zu können. die Kommission nur sehr schwache Mindest- Dabei sind die Herausforderungen enorm, um die anforderungen vor. Bisher existierende Vorgaben durch die immer intensivere Landnutzung beding- wurden sogar entfernt. Investitionsbeihilfen in der ten Biodiversitätsverluste überhaupt aufzuhalten. GAP sollten jedoch ökologischen Kriterien unter- liegen, sodass getätigte Investitionen zu einer NATIONALE STRATEGIEPLÄNE nachhaltigen Landwirtschaft beitragen und kei- Alle Maßnahmen, die in der ersten und zweiten nen Umweltschaden verursachen. Säule zum Schutz von Wasser, Boden und Luft angeboten werden, sollen künftig in gemeinsa- Die Konzentration und Spezialisierung landwirt- men nationalen Strategieplänen zusammen- schaftlicher Betriebe hat in den vergangenen Jah- gefasst werden. Sie sollen zugleich darstellen, ren immer mehr zugenommen. Die Folgen sind wie die Mitgliedstaaten die festgelegten Ziele eine zunehmende Abhängigkeit und Anfälligkeit erreichen wollen. Hier liegt allerdings ein wesent- der Betriebe für Preisvolatilitäten und Ernteaus- licher Schwachpunkt der Vorschläge. Denn dieser fälle. Die Risikomanagementinstrumente, die Ansatz muss durch effektive und starke Rechen- die Kommission in der neuen GAP vorschlägt, schafts- und Kontrollmechanismen begleitet wer- verstärken das Problem und bieten keine Anrei- den. Nur so kann sichergestellt werden, dass die ze für Landwirt*innen, ihre Produktion vielfältiger Ziele wirklich erreicht werden und das in einem und widerstandsfähiger aufzustellen. Rahmen fairen Wettbewerbs unter den Mitglied- staaten. Denn die Berichterstattungspflichten SUBSIDIARITÄT im Kommissionsvorschlag zielen nicht auf die Die starke Verlagerung von Zuständigkeiten von tatsächliche Umsetzung ab. Die Mitgliedstaaten der EU auf die Ebene der Mitgliedstaaten, die dokumentieren lediglich hauptsächlich ihre Flä- mit den nationalen Strategieplänen einhergeht, chen- oder Betriebsziele. Dies sagt aber noch ist besonders risikobehaftet. Die zuständigen nichts über die Qualität der durchgeführten Um- Behörden - sowohl auf EU-Ebene, als auch in den welt- oder Klimamaßnahmen aus. Zudem schafft Mitgliedstaaten – müssen die neue Aufgaben- es die Kommission mit ihrem Vorschlag nicht, die verteilung erst einmal vollziehen, um die neuen zahlreichen umweltschädlichen Subventionen Planungsansätze unter Einbeziehung aller Ak- innerhalb der GAP endlich abzubauen: teure und funktionale Kontrollmechanismen zu gewährleisten. Hinzu kommt, dass in föderalen Insbesondere die intensive Tierhaltung führt Staaten wie Deutschland und Österreich geteilte zu erheblichen Umweltbelastungen von Wasser Zuständigkeiten gelten und Agrar- und Umwelt- und Böden durch Überdüngung sowie zu durch maßnahmen nicht kohärent bzw. aufbauend auf- hohe Mengen an klimaschädlichen Emissionen, einander programmiert werden. wie Methan, Ammoniak und Lachgas. In den GAP-Vorschlägen sind keine Ansätze erkenn- Zum anderen wird das Ziel verfehlt, für alle bar, um die EU-Agrargelder an Auflagen für eine Mitgliedstaaten verbindliche EU-weite Ziele und verbesserte Umweltbilanz, z.B. durch eine Be- Standards zu definieren, die für faire und einheit- grenzung der Zahl gehaltener Tiere nach ver- liche Wettbewerbsbedingungen sorgen. Die Mit- fügbarer Fläche, zu binden. Gleiches gilt für die gliedstaaten können selbst festsetzen, welche Weiterentwicklung von Tierschutzstandards. Hier Ziele sie erreichen wollen. Um Sanktionen we- kommt es sogar vermutlich zu gegenteiligen Wir- gen Nichterreichung von Zielen auszuschließen kungen, da Mitgliedstaaten mit national höheren oder eine Benachteiligung heimischer Erzeuger Hintergrundpapier zur GAP-Reform nach 2020 Seite 3
gegenüber Wettbewerbern aus Staaten mit nied- werden sollten. Der letzte Stand im Rat zeigt rigeren Standards zu verhindern, ist davon auszu- viele Mitgliedstaaten, die die vorgeschlagenen gehen, dass die Mitgliedstaaten in ihren Strate- Grundanforderungen in der erweiterten Kon- gieplänen möglichst niedrige Kriterien ansetzen ditionalität als zu strikt ansehen und diese ab- werden. Auch will die Kommission die Pläne und die schwächen wollen. Zudem liegt ein starker Berichte der Mitgliedstaaten nur auf dem Papier Fokus auf Vereinfachung und Bürokratieabbau, prüfen. Damit fehlt ein echtes Anreiz- und Rechen- anstatt sich auf die eigentlichen inhaltlichen schaftssystem für ambitionierte Ziele, die in der Herausforderungen für die GAP zu konzentrieren. Praxis erkennbar und messbar sind. Diese Fehler Auch im EU-Parlament herrscht noch keine Einig- im System stehen im deutlichen Widerspruch zu keit über die Kommissionsvorschläge. Während der Vorgehensweise, die die EU-Kommission mit das EU-Parlament noch im Mai 2018 in einem ihren Vorschlägen erreichen will. Bericht das Festhalten an die pauschalen Direkt- zahlungen als Grundproblem der GAP bezeich- WAS MACHEN EU-AGRAR-MINIS- nete, plädiert die Parlamentsberichterstatterin TERRRAT UND EU-PARLAMENT? für die Strategieplanverordnung im Herbst 2019 Die aktuellen Verhandlungen in Rat und Parla- für eine Beibehaltung der Direktzahlungen in ment lassen zudem erkennen, dass die Vorschlä- ihrer jetzigen Form von 70 Prozent in der ersten ge der EU-Kommission noch weiter verwässert Säule. GEHT NOCH WENIGER? WIE DEUTSCHLAND REFORMIEREN WILL Seit Vorstellung der Vorschläge im Juni 2018 die Verhandlungen beeinflussen will. Die zustän- findet in Deutschland eine intensive Debatte dige Ministerin Julia Klöckner tritt für eine mög- über die konkrete Ausgestaltung der Pläne für lichst hohe Flexibilität und freiwillige Maßnahmen die neue Förderperiode ab 2021 statt. Trotz ein, die die GAP einfacher und weniger verwal- laufender Verhandlungen im EU-Ministerrat hat tungsintensiv machen sollen. Mit diesen Forde- sich die Bundesregierung aber noch nicht offiziell rungen lassen sich die zugleich angestrebten zu den Gesetzentwürfen der Kommission positio- höheren Umweltambitionen in der GAP keines- niert. Dennoch ist erkennbar, in welche Richtung falls erreichen. das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) WAS FÜR EINE ECHTE REFORM NÖTIG WÄRE Mehrere Expertengremien haben in den letzten erhaltung der gesellschaftlichen Funktionen der Jahren Vorschläge zur Reform der Gemeinsamen Landwirtschaft noch an der betrieblichen oder der Europäischen Agrarpolitik unterbreitet. personellen Bedürftigkeit der Landwirte ausge- richtet und werden zudem über den Bodenmarkt So hat der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpoli- zu einem großen Anteil an Bodeneigentümer tik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucher- durchgereicht.“ schutz (WBAE) beim BMEL zuletzt im April 2018 eine grundlegende Neuausrichtung der GAP an Der Europäische Rechnungshof kam nach der Gemeinwohlzielen angemahnt und davor gewarnt, Analyse der Kommissionsvorschläge im Novem- die erforderlichen Reformen erneut aufzuschie- ber 2018 zu dem Schluss, dass sich die vorge- ben. Besondere Kritik übte der Rat an einer Beibe- schlagenen politischen Optionen nur minimal von haltung der Direktzahlungen: „Diese Zahlungen, den aktuellen GAP-Regelungen unterscheiden. die zum größten Teil ausdrücklich Einkommens- Vor allem kritisiert der Rechnungshof die fehlen- zielen dienen sollen, sind verteilungspolitisch nicht den Instrumente und unrealistischen Annahmen zu rechtfertigen: Sie sind weder an der Aufrecht- zur Messung und Bewertung einer umweltfreund- Hintergrundpapier zur GAP-Reform nach 2020 Seite 4
licheren Agrarpolitik. So wäre argumentativ nicht Ansatz der GAP funktionieren kann, brauche nachvollziehbar, wie die Direktzahlungen zu es mehr Leistungsanreize und Ziele, die klar an diesem Ziel beitrügen. Zudem verfehlten selbst Outputs, Ergebnisse und Auswirkungen geknüpft diese Zahlungen das Ziel, Einkommen ange- sind. Darüber hinaus fehle ein System der exter- messen zu unterstützen, um den Strukturwandel nen Kontrolle, was die Gefahr einer Schwächung aufzuhalten. Damit der neue ergebnisorientierte der Rechenschaftspflicht mit sich bringe. UNSERE FORDERUNGEN Um den überfälligen Übergang der GAP hin zu einer umwelt-, tier- und sozial gerechten Wirtschafts- weise endlich anzugehen, müssen die Reformvorschläge wie folgt nachgebessert werden: ÆÆ Definition konkreter und ambitionierter Ziele, die in allen Phasen mit nachprüfbaren Indikatoren verknüpft sind. ÆÆ Mindestens 70 Prozent der GAP-Mittel müssen gezielt an den Schutz von Umwelt, Klima, Biodiversität sowie für den Tierschutz gebunden sein. ÆÆ Die unverhältnismäßige Kürzung der zweiten Säule muss verhindert werden. ÆÆ Das neue Instrument der Eco-Schemes bietet potenzielle Möglichkeiten, die Umweltleistungen in der GAP zu steigern. Diese Öko-Regeln müssen jedoch genauer definiert werden und auf Mitglied- staaten-Ebene verpflichtend sein. Zudem muss ein Mindestbudget von 30 Prozent zu Beginn der Förderperiode (mit jährlich ansteigendem Prozentsatz) festgelegt werden. ÆÆ Die Einhaltung der Grundanforderungen (Konditionalität) ist als verbindliche Voraussetzung für den Erhalt jeglicher Agrarsubventionen festzuschreiben. Die Bereitstellung von zehn Pro- zent der Acker- und Sonderkulturfläche als nicht-produktive ökologische Vorrangflächen, muss sichergestellt werden. Dazu gehört auch ein klares Verbot des Einsatzes von Pestiziden und chemisch-synthetischen Düngemitteln auf diesen Flächen. Auch die weiteren Anforderungen an den guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand (GLÖZ) wie müssen mindestens auf dem Niveau des Kommissionsvorschlags beibehalten werden und dürfen nicht zu freiwilligen Ins- trumenten in der GAP werden. Sie müssen zudem sicherstellen, dass die GAP zur Einhaltung von Zielen der EU-Umweltgesetzgebung (Wasserrahmen-Richtlinie, Nitrat-Richtlinie, FFH-Richtlinie, Pestizid-Gesetzgebung) beiträgt. Für Klimaschutzleistungen sind klare Kriterien statt pauschaler Berechnungen erforderlich. ÆÆ Um den Stand der Einhaltung von Zielen und Umsetzung von Maßnahmen im Laufe der Förder- periode bewerten zu können, ist ein starker Steuerungs- und Rechenschaftsrahmen zu etablieren. ÆÆ Umweltbehörden, Wissenschaft und Zivilgesellschaft sind eng in den Reformprozess ein- zubeziehen und in vollem Umfang an Verfahren zur Planung und Umsetzung der nationalen Programmierung zu beteiligen. KONTAKT DNR-Biodiversität Lavinia Roveran Ilka Dege Tel.: +49 (0)30 / 678 1775-901 Tel. +49 (0)30/6781775-917 lavinia.roveran@dnr.de ilka.dege@dnr.de www.dnr.de Januar 2019 Hintergrundpapier zur GAP-Reform nach 2020 Seite 5
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