Was ist eigentlich ein Interview? - www.bmtd.de

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Autor: Stefan Korol
                                                                            Kontakt: korol@bmtd.de

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Was ist eigentlich ein Interview?
Interview, Aussage, Statement, O-Ton, Zitat - Journalisten und Medien benutzen eine ganze Menge
Begriffe für das, was Interviewpartner sagen. Und oft ist es dem Interviewpartner gar nicht klar, was
der Journalist eigentlich will, wenn er ein Interview anfragt. (Dass der Journalist das selber nicht
weiß, kommt auch vor - sollte aber die Ausnahme sein….) Hier also ein kleiner Überblick, was sich
hinter dem Begriff „Interview“ alles verbirgt.

Recherche-Interviews

... sind erst einmal nur eine Menge Fragen
Journalisten bearbeiten ein Thema. Und sie benötigen dafür Informationen. Die holen sie sich bei
Google, im Lexikon, aus dem Archiv, bei Kollegen. Und sie rufen bei Experten an, stellen eine Menge
Fragen und hoffen auf schlaue Antworten. Ein solcher Anruf ist aber nicht schon ein Interview im
eigentlichen Sinne; er bedeutet nicht, dass der Journalist die Sätze des Experten auch veröffentlichen
möchte. Journalisten sollten zu Beginn eines Gespräches sagen, ob es "nur" ein Recherche-Interview
(nicht-öffentlich) ist, oder schon ein Produktions-Interview (zur Veröffentlichung). Wenn sie das nicht
tun, dann sollten Sie, der Experte, danach fragen.

Zitate, für Zeitung, Zeitschrift

... sind das Salz in der ("journalistischen") Suppe
Journalisten schreiben Texte. Und beziehen sich zwischendurch immer wieder auf Personen, mit
denen sie gesprochen haben. Diese Zitate (oder auch: Statements) werden entweder wortwörtlich
übernommen, als direkte Rede (So sagt Medientrainer Stefan Korol: "Ein Interview zu geben, das ist
Schwerstarbeit"). Oder die Zitate werden als indirekte Rede in den Text eingebaut ("so meint
Medientrainer Stefan Korol, dass Zitate Schwerstarbeit sind"). Wichtig und gut zu wissen: Zitate (und
zwar nur die, nicht der gesamte Artikel) müssen vor dem Druck vom Zitatgeber autorisiert werden.
Interviewpartner können also vor der Veröffentlichung lesen, mit welchen Worten sie später zitiert
werden.
O-Töne, für Radio und Fernsehen

... müssen sendefertig gesprochen werden
Zitate und Wortlaut-Interviews gibt es auch bei Radio und Fernsehen, nur heißt "Zitat" hier "O-Ton"
(Original-Ton). Auch beim Radio und Fernsehen werden die meisten Interviews geführt, um einen O-
Ton zu haben, den der Journalist in seinen Beitrag einbauen kann. Der Unterschied zum Print: Ein
Zitat für die Zeitung kann der Journalist "glätten": umstellen, kürzen, verständlicher schreiben. Das ist
bei einem O-Ton nicht möglich. Beim Radio kann der Journalist vielleicht noch einige "hhmm" und
"ähh" heraus- und einen zu langen Satz in der Mitte einfach abschneiden. Ein Satz abschneiden, das
geht auch beim Fernsehen, aber Stotterer herausschneiden, nicht. Ein Interview für Radio und
Fernsehen muss deswegen sprachlich viel besser sein, als für die Zeitung.

Wortlaut-Interviews

... sind die "echten" Interviews
Bei wichtigen Menschen und wichtigen Themen wollen Journalisten auch ein Wortlaut-Interview
haben. Das besteht nur aus Zitaten und den entsprechenden Fragen des Journalisten, ist also ein
echtes Frage-Antwort-Frage-Antwort-Interview. Wortlaut-Interviews sind, im Vergleich zu Zitaten,
eher selten. Auch hier gilt: Wenn das Interview für ein Printmedium ist, muss es dem Interviewten
vor der Veröffentlichung noch einmal vorgelegt werden; es können dann zum Beispiel auch noch
Antworten verändert werden. Diese Nachbearbeitung sollte aber nur in Maßen erfolgen: Wenn alle
interessanten und vielleicht auch angreifbaren Aussagen gestrichen werden, dann wird der Journalist
das Interview nicht mehr veröffentlichen wollen.

Wortlaut-Interviews in Radio und Fernsehen (Aufzeichnung)

Das Wortlaut-Interview ist auch beim Radio und Fernsehen die Ausnahme. Um es aufzunehmen
kommen die Journalisten entweder mit Mikrofon und Kamera(s) zu Ihnen, oder Sie gehen für die
Aufzeichnung ins Studio. Bei aktuellen Themen wird das Interview per Telefon geführt. Diese
aufgezeichneten Interviews werden noch geschnitten. Aber auch hier gilt: Änderungen sind nur
eingeschränkt möglich – aus einem stotternden Stammeln, aus langen Schlangensätzen, womöglich
noch gespickt mit Fachbegriffen, kann auch der beste Journalist keine verständliche, überzeugende
und sympathisch klingende Antwort schneiden.

Telefon-Interviews

Wenn die Zeit zu knapp oder der Weg ins Studio zu weit ist, dann wollen Journalisten das Interview
per Telefon führen. Inhaltlich macht das keinen Unterschied, aber formal gibt es einige Hürden: Es ist
nicht einfach, mit (s)einem Telefon/Handy so interessant und motivierend zu sprechen, wie in einem
persönlichen Gespräch. Der Interviewgeber sieht nicht die Reaktionen des Journalisten, hat damit
also kein Steuerungsinstrument. Botschaften müssen im Zweifel noch klarer, reduzierter und
überzeugender rübergebracht werden als von Angesicht zu Angesicht.

Zudem können bei Handys durch eine schlechte Übertragung Nebengeräusche entstehen, die lenken
sowohl den Sprechenden als auch den Zuhörenden ab. Zwei Vorteile des Telefon-Interviews können
aber sein: Der Interviewpartner kann sich vorher einige „Spickzettel“ mit den wichtigsten Infos und
Argumenten schreiben und hat dann eine Art Rettungsring. Und beim Telefoninterview kann sich der
Interviewpartner seine Lieblingsposition einnehmen: Eher superbequem sitzen, mit den Füßen auf
dem Schreibtisch. Oder stehen, für viel Präsenz und Spannung in der Stimme.

Und wie geht man mit Überraschungs-Anrufen um, z.B. wenn die Sekretärin krank ist? Die gute
Nachricht: Sie MÜSSEN gar nichts. Aber eine Interview-Anfrage ist natürlich eine Chance auf
Kommunikation. Wenn es gelingt, dem Journalisten zu signalisieren: „grundsätzlich gern, aber erst in
ca. einer Stunde“, haben Sie sich Luft verschafft und gehen in das Gespräch ohne künstlichen
Zeitdruck.

Live-Interviews

...sind die Königsdisziplin
Alles was Sie sagen und tun wird gesendet – und damit gehört und gesehen. Womöglich von
Millionen. Das sollte wissen, wer sich auf ein Live-Interview einlässt. Es gibt keinen Notausschalter,
keine Wiederholung, keinen zweiten Versuch. Das Live-Interview findet entweder im Sende-Studio
statt, oder der Interviewpartner wird zugeschaltet. Beim Radio entweder telefonisch oder über ein
externes Studio, beim Fernsehen in der Regel immer über ein externes Studio (die so genannte
"Schalte"). Fernseh-Studio bedeutet: Hektik, Hitze, grelles Licht, Menschen wuseln um Sie herum,
Ansagen, die Sie nicht verstehen. Und plötzlich ist Ruhe – und Sie sind auf Sendung. Da ist es nicht
einfach, einen klaren Kopf zu behalten, souverän und überzeugend zu reden. Schon gar nicht, wenn
Moderator (Nachrichtensendung) oder andere Gesprächspartner (Talkshow) Ihnen vielleicht ins Wort
fallen...

Interviews autorisieren

Wenn das Interview gelaufen ist, was dürfen die Journalisten dann damit machen? Im Prinzip – alles.
Und kann der Interviewpartner nichts dagegen tun? Doch – ein bisschen…

Fangen wir dem Gesetz an, genauer: mit dem Urheberrecht. Ein Interview hat immer zwei Urheber:
Den Journalisten und den Interviewpartner. Beide sind dadurch berechtigt, über den Text, der
veröffentlicht werden soll, zu entscheiden. Dieses Recht auch auszuüben wäre aber ziemlich
unpraktisch, es würde wahrscheinlich ziemlich lange dauern, bis Journalist und Interviewpartner sind
da einig werden. Außerdem greift ein solches Vorgehen aus Sicht des Journalisten möglicherweise in
seine Pressefreiheit ein. Deswegen ist die gängige Praxis: Der Journalist wählt die Antworten aus, die
er veröffentlichen will und legt diese Textstellen, und zwar nur diese, dem Interviewpartner vor. Der
kann noch minimale Änderungen vornehmen und gibt dann diese Textstellen frei (per Telefonat oder
per Mail). Sind die Änderungen grundsätzlicher Art, wird das dem Journalisten nicht gefallen und er
wird möglicherweise auf eine Veröffentlichung komplett verzichten. Es gibt aber auch Redaktionen,
die scheren sich nicht um das Urheberrecht und veröffentlichen Statements und Interviews ohne
Autorisierung. Der beste Tipp in diesem Mix aus Recht und Praxis: Vorher mit dem Journalisten
sprechen und vereinbaren, ob und wie das Interview autorisiert werden kann und soll. Für Radio und
Fernsehen gilt: O-Töne und Interviews gelten (so sie denn nicht live geführt wurden) als autorisiert,
wenn Reporter und Interviewgeber sich verabschiedet haben bzw. das Kamera-Team eingepackt hat
und alle „vom Hof“ sind. Wer da noch korrigierend eingreifen will, muss schon ein größeres Rad über
Anwälte und eine „einstweilige Verfügung“ drehen.
Interview-Anlässe

Die Themen für ein Interview sind unendlich. Aber hinsichtlich der Funktion von Interviewpartnern
gibt es vier Gruppen:

       Der Experte wird interviewt, wenn es um ein Thema geht, das erklärt werden soll: Infos,
        Einschätzungen, Hintergründe, Ausblick. Der Experte hilft Lesern, Hörern und Zuschauern ein
        Ereignis, ein Thema zu verstehen, es einzuordnen.
       Die Person wird interviewt, wenn es um Erlebnisse, Erfahrungen, eigene Erkenntnisse geht:
        Der Alleinsegler, die Extrembergsteigerin, die Managerin im Sabbatjahr, der Erfolgsautor.
       Der Verantwortliche wird interviewt, wenn es in seiner Abteilung, in seiner Zuständigkeit
        einen tatsächlichen oder auch nur vermutlichen Fehler gegeben hat.
       Der Täter wird interviewt, wenn es zu einer Krise oder Katastrophe gekommen ist: Pleite,
        tödlicher Unfall, Umweltkatastrophe, Gammelfleisch, Bestechung oder andere Straftaten.

Und entsprechend dieser Kategorien gibt es Interview-Anlässe:

       Sachinterview mit dem Experten
       Interview zur Person
       Konfrontatives Interview mit dem Verantwortlichen
       Krisen-Interview mit dem Täter

Sachinterview mit dem Experten

Viele Menschen, viele Experten, viele Unternehmen denken bei einem Interview vor allem an das
konfrontative Interview, an die Krise. An aggressive Journalisten, die fiese Fragen stellen und die nur
ihre Story haben wollen. Aber diese Situationen und solche Interviews sind die Ausnahme; die
meisten Interviews sind Sachinterviews: Experten, nämlich Interviewpartner, erklären, geben eine
Einschätzung, wagen einen Ausblick. Hört sich einfach an – ist es aber nicht. Denn Experten müssen
kompliziert denken, weil sie nur dann zu neuen Erkenntnissen kommen. Im Gegensatz dazu sind
Leser, Hörer und Zuschauer, was das Experten-Thema angeht, Laien. Das Ergebnis: Der Experte redet
an der Zielgruppe vorbei. Und beide Parteien fühlen sich im Recht: Der Experte kann nicht begreifen,
dass es Menschen gibt, die ihn nicht verstehen. Und die Zielgruppe kann nicht begreifen, wie jemand
so kompliziert und unverständlich reden kann.

Interview zur Person

Menschen interessieren sich für – Menschen. Wir wollen lesen, hören und sehen, was andere
Menschen Besonderes erlebt und gefühlt haben. Und genau das muss im Interview zur Person
kommen. Während der Experte erklärt, soll der Person-Interviewpartner Erlebnisse schildern und
erzählen, wie es ihm dabei erging. Aber Vorsicht, auch hier gilt: Hört sich einfach an, ist es aber nicht.
Was soll der Alleinsegler auf klassische Frage beim Interview zur Person „Was war denn der
gefährlichste Moment ihrer Reise“ antworten? Denn natürlich fallen ihm jetzt Dutzende gefährlicher
Momente ein, welchen soll er wählen? Dramatisch und authentisch soll es sein – aber bitte nicht
länger als 30 Sekunden. Bunt und mitreißend soll es sein – aber bitte nicht ausschweifen, nur das
Wichtigste! Sich an diese Regeln zu halten ist schon im normalen Leben und bei normalen Menschen
schwierig; wer Besonderes erlebt hat, der wird diese Interview-Regeln spontan in keinem Fall und
selbst mit Vorbereitung nur mit viel Disziplin einhalten können.

Konfrontatives Interview

Es besteht der Verdacht, dass Sie...... Oder: Sie haben viel gearbeitet und dabei leider einen Fehler
gemacht.... Das sind Situationen, in denen Sie ein konfrontatives Interview geben müssen. Es ist
nichts wirklich Schlimmes passiert, niemand ist verletzt oder ernsthaft zu Schaden gekommen. Aber
die Journalisten treten schon recht fordernd auf und wollen Einzelheiten wissen. Jetzt geht es nicht
um Ihr Wissen als Experte, sondern um Ihre mögliche Verantwortung für ein Fehlverhalten; egal, ob
fahrlässig oder vorsätzlich. Wenn alles nur Gerüchte sind, dann ist es jetzt Ihre Aufgabe, diese
Vorwürfe überzeugend zu entkräften. Sie sollten Fakten nennen und belegen können, ohne aber die
Journalisten anzugreifen. Und wenn die Vorwürfe stimmen: Raus damit – denn wer lügt, verliert.

Krisen-Interview

Ob Betriebsunfall, Produktfehler, Umsatzrückgang, Kündigungen – kein Unternehmen kann sich
davor schützen, in die Kritik und damit in die Schlagzeilen der Medien zu kommen. Schützen können
Sie sich aber davor, dass Sie im Falle eines Falles planlos und aufgeregt drauf los reden. Stattdessen
ziehen Sie aus der Schublade Ihren gut vorbereiteten und strukturierten Krisenplan und setzen ihn
um. Denn auch der Umgang mit einer Krise ist planbar; nur so können Sie sicher sein, dass die Krisen-
Situation nicht zur Kommunikations-Krise wird. Eines aber muss klar sein: Die Zeiten, in denen
Krisenkommunikation darin bestand abzuwiegeln, zu vertuschen oder zu verharmlosen sind vorbei.
Der falsche Weg war das schon immer, inzwischen aber ist er gar nicht mehr möglich, weil durch
Internet, facebook und Twitter ohnehin nichts mehr zu vertuschen ist. Gut so. Denn nun haben Sie
die Chance, durch aktive, offene und strukturierte Interviews einen guten, einen professionellen
Eindruck zu machen.

Fazit

Das gute Interview

Ein gutes Interview ist ein Gespräch, von dem Leser, Hörer und Zuschauer profitieren. Weil in diesem
Gespräch Informationen gegeben werden. Oder eine fundierte Meinung, eine Einschätzung. Oder
tolle Tipps, wie das Leben leichter, schöner und einfacher werden kann.

Fachwissen verständlich präsentiert

Ein gutes Interview ist ein Gespräch, bei dem Leser, Hörer und Zuschauer verstehen, was der
Interviewpartner sagt. Weil er strukturiert und einfach spricht. Weil er nur das sagt, was wirklich
wichtig ist. Und weil er all das womöglich auch noch so sagt, dass Leser, Hörer und Zuschauer sich für
dieses Thema interessieren.
Verständlichkeit bringt Sympathie

Ein gutes Interview ist ein Gespräch, bei dem der Interviewpartner (seine Arbeit, sein Unternehmen,
seine Produkte) gut "rüberkommt. Aber nicht weil er platte Werbung macht und sagt, wie toll er ist.
Sondern weil er weiß, was Leser, Hörer und Zuschauer wollen. Und das auch umsetzen kann.

Spontane Interviews – vergeudete Zeit

Ein gutes Interviews zu geben ist Schwerstarbeit. Und gute Interviews sind deswegen in Zeitung,
Zeitschrift, vor allem aber in Radio und Fernsehen eine Seltenheit. Stattdessen: Langweilige
Antworten ohne erkennbares Ziel; lange, unstrukturierte Sätze; stammelndes Fachchinesisch; eine
Aneinanderreihung von Binsenweisheiten. Oder es sind die glatten, schön klingenden, aber leider
auch diffusen Nebelsätze; weiche Watte, die uns einlullt und bei denen wir erst nach dem Aufwachen
merken, dass alles wieder einmal nur heiße Luft war. Schlechte Interviews sind vergeudete Zeit. Für
Leser, Hörer, Zuschauer. Und damit auch für die Interviewpartner.
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