Was ist "mediale Integration"? - FORSCHUNG - BR

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Was ist "mediale Integration"? - FORSCHUNG - BR
FORSCHUNG
                  21/2008/1                                                                                           11

                                                    Rainer Geißler

           Was ist »mediale Integration«?
                    Die Rolle der Medien bei der Eingliederung von MigrantInnen

Vom »unerwünschten Ausländer«             Situation der MigrantInnen in            Integration« verwenden; so taucht sie
zur »notwendigen Migration und            Deutschland weiß, das weiß sie in der    z. B. im Nationalen Integrationsplan
Integration« – Massenmedien leis-         Regel vor allem aus den Massen-          auf (vgl. Presse- u. Informationsamt
ten einen Beitrag für die Verbrei-        medien.                                  der Bundesregierung 2007, S. 159).
tung von Bildern von MigrantIn-           Das Konzept der medialen Integra-
nen ebenso wie für die Integration        tion ist der Versuch, die Vielzahl der
von Menschen mit Migrationshin-           Probleme, die mit der Rolle der Mas-              »Interkulturelle
tergrund in die Medienproduktion.         senmedien bei der Integration von                   Integration«
                                          MigrantInnen zusammenhängen,
                                          »auf den Begriff zu bringen«. Es         Obwohl der Begriff »Integration« im

I
     n Deutschland hat sich der öffent-   wurde im Jahr 2001 im Wissen-            politischen Diskurs seit einiger Zeit
    liche Diskurs über MigrantInnen       schaftsbetrieb »erfunden«, als sich im   Hochkonjunktur hat, bleibt seine Be-
    im letzten Jahrzehnt grundlegend      politischen Raum noch niemand um         deutung unscharf, diffus und auch
geändert: Aus der Rede über »uner-        diese Probleme kümmerte (vgl. Geiß-      widersprüchlich. Nicht nur in der
wünschte Ausländer« ist ein Diskurs       ler/Pöttker 2001, Geißler 2005).         Politik, auch in der Migrationsfor-
über »notwendige Migration und In-        Die mediale Integration umfasst drei     schung wird »Integration« häufig mit
tegration« geworden. Der Slogan           miteinander verschränkte Aspekte:        »Assimilation« gleichgesetzt (vgl.
»Deutschland ist kein Einwande-            den Beitrag der Massenmedien           Geißler 2004). Gegen derartige Vor-
rungsland«, der die öffentlichen De-         zur Integration der MigrantInnen      stellungen wendet sich der Begriff
batten der 90er-Jahre dominierte, ist        in die deutsche Gesellschaft,         »interkulturelle Integration«.
verschwunden; stattdessen wird dis-        die Integration der MigrantInnen       Dieser orientiert sich an der Multi-
kutiert, wie die demografisch und            in das Mediensystem sowie             kulturalismus-Idee des klassischen
ökonomisch notwendige Einwande-            die Integration der MigrantInnen       Einwanderungslandes Kanada, das
rung sinnvoll gesteuert werden und           in die medial hergestellte Öffent-    sich seit mehr als 3 Jahrzehnten mit
wie Deutschland die Herausforderung          lichkeit.                             Stolz als multikulturelle Gesellschaft
bewältigen kann, die Einwanderer in       Mediale Integration hat einen Dop-       versteht und die multikulturelle Inte-
die deutsche Gesellschaft zu integrie-    pelcharakter: Sie ist einerseits ein     gration seiner vielen ethnischen Be-
ren.                                      analytisches Konzept zur wissen-         völkerungsgruppen als angemesse-
Im Zusammenhang mit der Debatte           schaftlichen Untersuchung der Rol-       nen Mittelweg zwischen den Polen
um Integration wird in den letzten        le der Massenmedien bei der Einglie-     Assimilation und Segregation ansieht
Jahren auch über die Rolle der Mas-       derung der MigrantInnen. Auf der         und auch sehr erfolgreich praktiziert
senmedien im Prozess der Integration      anderen Seite ist sie aber auch ein      (vgl. Fleras/Elliott 2002, Geißler
gesprochen. Zwar ist das Herzstück        politisch-normatives Konzept und         2003).
der Integration die Eingliederung in      enthält Ziele – bestimmte Vorstellun-    Interkulturelle Integration basiert auf
den Arbeitsmarkt und damit zusam-         gen darüber, wie sich die Integration    drei Grundprinzipien:
menhängend die Integration der Mi-        der MigrantInnen vollziehen soll und     1. »Living together with differences«
grantenkinder in das Bildungssystem.      welche Rolle die Massenmedien da-           nach dem Grundsatz von Einheit-
Aber auch die Massenmedien spielen        bei wahrzunehmen haben. Daher ist           in-Verschiedenheit (»unity-within-
eine wichtige Rolle. Was die Bevöl-       es nicht verwunderlich, dass in letz-       diversity«): Mehrheit und Minder-
kerung über die Bedeutung von Mi-         ter Zeit auch PolitikerInnen und Me-        heiten leben miteinander (nicht
gration und Integration und über die      dienschaffende die Formel »mediale          nebeneinander) auf der Basis ge-
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   meinsamer Sprache, Regeln und               Interkulturelle mediale                 und Talkmaster, SchauspielerIn-
   Grundwerte (»Einheit«) und im                     Integration                       nen u. a. wahrnehmen, mit denen
   gegenseitigen Respekt für ihre je-                                                  sie sich identifizieren können.
   weiligen sozialen und kulturellen                                                Medieninhalte der Ethnomedien sind
   Besonderheiten (»Verschieden-           Im Konzept der »interkulturellen         interkulturell integrativ, wenn sie sich
   heit«).                                 medialen Integration« werden die         nicht ausschließlich auf die Her-
2. Chancengleichheit: Allen ethni-         skizzierten Prinzipien auf das gesell-   kunftskultur konzentrieren oder gar
   schen Gruppen werden gleiche            schaftliche Subsystem Medien/Öf-         eine »überlegene« Herkunftskultur
   Chancen auf Teilhabe in den wich-       fentlichkeit übertragen. In Deutsch-     mit einer einseitig-negativ präsentier-
   tigen Bereichen der Aufnahmege-         land hat dieses Subsystem seit den       ten Kultur des Aufnahmelandes kon-
   sellschaft und deren Institutionen      60er-Jahren eine für Einwanderungs-      frontieren, sondern auch Integrations-
   – z. B. gleiche Teilhabe an Öffent-     gesellschaften typische duale Struk-     hilfen bei spezifischen Problemen
   lichkeit und Medien – gewährt.          tur entwickelt: Die deutschen Main-      ihrer ethnischen Gruppen anbieten.
3. Aktive Akzeptanz von Migration          stream-Medien haben – ausgelöst          In das Medienpersonal sind die Mi-
   und Integration mit den Einsich-        durch technische Innovationen wie        grantengruppen integriert, wenn sie
   ten: (Gesteuerte) Einwanderung ist      Video, Satellitenübertragung, Digita-    in den deutschen Mainstream-Medien
   notwendig und nützlich, Einwan-         lisierung, Internet – zunehmende         angemessen als RedakteurInnen,
   derer müssen interkulturell inte-       Konkurrenz von den Ethnomedien           ModeratorInnen, Ressortleiter, Pro-
   griert werden und: Interkulturelle      der diversen Migrantengruppen er-        grammdirektorInnen, Talk- und
   Integration entwickelt sich nicht       halten. Als »Ethnomedien« werden         Showmaster, RegisseurInnen, Schau-
   von selbst, sondern bedarf erheb-       Medienangebote bezeichnet, die sich      spielerInnen usw. vertreten sind. Sie
   licher politischer und gesellschaft-    vorrangig an zugewanderte ethnische      bringen ihr spezifisches Wissen, ihre
   licher Anstrengungen der Aufnah-        Gruppen richten, häufig in deren Her-    spezifischen Erfahrungen und Sicht-
   megesellschaft (»diversity main-        kunftsländern, seltener in Deutschland   weisen in die Medienproduktion ein
   streaming«) und der Einwanderer.        hergestellt werden und meist in der      und verkörpern im mehrdimensiona-
                                           Herkunftssprache, ab und zu auch         len Pluralismus des deutschen Me-
       Mittelweg zwischen                  zwei- oder mehrsprachig oder auf         diensystems eine besondere Dimen-
        Assimilation und                   Deutsch verfasst sind (vgl. Weber-       sion – die Ethnodimension, die
                                           Menges 2006).                            gleichberechtigt neben anderen plu-
          Segregation
                                           Mediale Integration findet in drei       ralen Dimensionen wie z. B. Ge-
                                           Bereichen des Mediensystems statt,       schlecht, Altersgruppen, Religionsge-
Das Konzept der interkulturellen           die miteinander verzahnt sind: bei den   meinschaften oder Interessenverbän-
Kommunikation hat gegenüber dem            Medieninhalten, beim Medienperso-        den steht.
Assimilationskonzept zwei Vorzüge:         nal und bei der Mediennutzung.           Die Nutzung der deutschen Medien
Es ist humaner, weil es den empirisch      Medieninhalte in den deutschen           ist für MigrantInnen unabdingbar,
nachweisbaren Bedürfnissen der Ein-        Mainstream-Medien sind interkultu-       denn ohne Kenntnisse über die aktu-
wanderer Rechnung trägt, nicht völ-        rell integrativ,                         ellen Vorgänge in Deutschland und
lig mit ihrer Herkunftskultur zu bre-       wenn sie ethnische Diversität als      deren Hintergründe ist eine angemes-
chen. Und: Es fordert dazu heraus,            gesellschaftliche Normalität zei-     sene Wahrnehmung ihrer Teilnahme-
die innovativen und produktiven Po-           gen und sich bei der Darstellung      chancen nicht möglich. Die Ethnome-
tenziale von Diversität zu nutzen, statt      von Migration oder Integration am     dien stellen eine sinnvolle Ergänzung
diese unreflektiert »wegzuassimilie-          Prinzip der aktiven Akzeptanz ori-    der deutschen Mainstream-Medien
ren«.                                         entieren;                             dar, denn die deutschen Medien sind
Das Konzept der interkulturellen In-        wenn sowohl die Probleme und           angesichts der ethnischen Vielfalt
tegration schließt nicht aus, dass sich       Schwierigkeiten der multiethni-       nicht in der Lage, die Bedürfnisse der
in Deutschland auch Assimilations-            schen Einwanderungsgesellschaft,      diversen Migrantengruppen nach ei-
prozesse vollziehen – insbesondere            aber auch deren Chancen und Er-       ner »Brücke zur Heimat«, nach infor-
langfristig und über Generationen             folge in einer ausgewogenen Ba-       mativen und emotionalen Kontakten
hinweg –, die für die Aufnahmege-             lance präsentiert werden;             mit ihrer Herkunftskultur und Spra-
sellschaft durchaus vorteilhaft sein        wenn MigrantInnen sich mit ihren       che zu befriedigen. Interkulturell in-
können. Aber als vorrangiges Ziel             Befindlichkeiten in den deutschen     tegrativ ist also ein Medien-Mix bei
einer Integrationspolitik ist Assimi-         Medien wiederfinden, u. a. auch       der Nutzung durch MigrantInnen –
lation untauglich.                            dadurch, dass sie »Medienperso-       die Nutzung sowohl der deutschen als
                                              nen« wie JournalistInnen, Show-       auch der ethnischen Medien.
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Was wissen wir über Entwicklung            tung (vgl. Thiele 2005) zeigt, dass   Wie ist es nun um die Inhalte der Eth-
und Zustand der medialen Integration       viele Filme, Krimis oder krimiähn-    nomedien bestellt?
in Deutschland (vgl. Geißler/Pöttker       liche Filme sozialkritisch auf All-
2005; Geißler/Pöttker 2006)?               tagsrassismus hinweisen, auf          2. Türkische Ethnomedien
                                           Flüchtlingselend oder auf eine in-    An Ethnomedien wurden fast aus-
1. Darstellung von MigrantInnen            humane Asyl- und Flüchtlingspo-       schließlich die türkischen Medien
in deutschen Medien                        litik. Und auch in den quotenstar-    untersucht. Über die Medien anderer
Am besten erforscht ist die Darstel-       ken Tatort-Krimis ist das Migran-     großer Minderheiten wie Russland-
lung der MigrantInnen im Sektor In-        tenbild sehr facettenreich.           deutsche, Kurden, MigrantInnen aus
formation und Dokumentation der            Auf der einen Seite werden viele      Italien, Polen, Griechenland oder den
deutschen Printmedien. Die vielen          positive Modelle des Miteinanders     arabischen Ländern wissen wir so gut
vorliegenden Inhaltsanalysen kom-          von Einheimischen und Zuwande-        wie nichts. Wenig ermutigend ist, was
men zu übereinstimmenden Ergeb-            rern vorgeführt, andererseits tau-    inhaltsanalytisch über die türkischen
nissen: Es wird vergleichsweise we-        chen auch klischeehafte und nega-     Medien herausgefunden wurde, über
nig über die MigrantInnen und ihre         tiv besetzte Figuren mit Migra-       die Inhalte von häufig gesehenen
Situation in Deutschland berichtet,        tionshintergrund auf (vgl. Ortner     Fernsehsendern wie TRT-INT, atv,
und das Wenige taucht häufiger in          2007). Die Fernsehunterhaltung        EuroD, InterStar oder Kanal 7 und
negativen als in positiven Kontexten       bildet offensichtlich zumindest       wichtigen Tageszeitungen wie Hür-
auf (»Negativismus«).                      teilweise einen integrativen Ge-      riyet, Türkiye, Milliyet oder Milli
MigrantInnen werden häufig darge-          genpol zum integrationshemmen-        Gazete.
stellt                                     den Informationsbereich. Nicht
 als Bedrohung für die öffentliche        untersucht sind auch Casting-
                                                                                   Eher integrationshemmend
   Sicherheit – »MigrantInnen als          shows u. Ä. wie z. B. Deutschland
   Kriminelle« oder seit dem 11. Sep-      sucht den Superstar, wo »visible              als -förderlich
   tember 2001 auch als Terroristen;       minorities« – wie die Kanadier sa-
 als Belastung für das soziale Netz       gen (übers.: »sichtbare Minderhei-    Der Informationsteil in diesen Medi-
   und die öffentlichen Haushalte;         ten«) – zu den Gewinnern und          en ist stark türkeizentriert und natio-
 als »Problemgruppen«, die Proble-        Stars gehören.                        nalistisch, bei einigen auch islamisch-
   me haben und den Deutschen Pro-      2. Exakte Forschung braucht Zeit –       dogmatisch oder islamistisch. Über
   bleme machen.                           zwischen Forschungsergebnissen        die Situation der türkischen Migran-
                                           und einer sehr dynamischen Rea-       tInnen in Deutschland wird nur we-
                                           lität entsteht ein Zeitverzug. Und    nig mitgeteilt, und das Bild über
  Zu wenig und eher negativ
                                           es wäre schon verwunderlich,          Deutschland und die Deutschen
  verzerrte Berichterstattung              wenn sich der eingangs erwähnte       bleibt sehr fragmentarisch und eher
                                           Paradigmenwechsel in der Wahr-        negativ eingefärbt (vgl. Müller
Diese Verzerrung ins Negative ist          nehmung von Migration und Inte-       2005a).
auch für die Fernsehnachrichten be-        gration nicht auch in den Medien      Zu den Unterhaltungssendungen des
legt. So kommt eine Studie zu den          widerspiegeln würde. Leider fehlt     türkischen Fernsehens liegen bisher
Hauptnachrichtensendungen von              es bisher weitgehend an handfes-      keine systematischen Analysen vor.
ARD, ZDF, RTL und SAT.1 im Jahr            ten Längsschnittanalysen, die die-    Einzelbeispiele weisen darauf hin,
2003 zu dem Ergebnis, dass mehr als        se Entwicklungen genauer einfan-      dass auch Filme mit Norm- und Wert-
ein Drittel der Berichte über Migran-      gen können. Eine Studie zur Sie-      vorstellungen gezeigt werden, die
tInnen und Migrantenthemen in ei-          gener Lokalpresse (Siegener Zei-      gegen deutsche Gesetze verstoßen.
nem Zusammenhang mit dem Dis-              tung, Westfälische Rundschau)         So lief kürzlich in einem der in
kurs über Terror und Terrorismus ste-      weist auf derartige Verbesserungen    Deutschland meist genutzten türki-
hen (vgl. Ruhrmann u. a. 2006).            in der Darstellung von MigrantIn-     schen Sender ein Spielfilm mit Sze-
Nach dieser Grobskizze zur Domi-           nen hin: Der Negativismus hat sich    nen aus der Türkei, die Ehrenmorde
nanz der integrationsfeindlichen Ne-       zwischen 1996 und 2006 deutlich       indirekt rechtfertigen: Ein verlasse-
gativbilder müssen zwei Relativie-         abgeschwächt und dies insbesonde-     ner Ehemann erschießt seine Ex-Frau
rungen eingebracht werden:                 re im Lokalteil, wo MigrantInnen      sowie die Moderatorin einer Fernseh-
1. Die Erkenntnisse über den Infor-        häufiger als integrierte NachbarIn-   Talkshow, in der seine Ex-Frau ihre
   mationsbereich dürfen nicht vor-        nen sowie wirtschaftlich, sozial      Geschichte erzählt. Vor dem anschlie-
   schnell verallgemeinert werden.         oder kulturell engagierte BürgerIn-   ßenden »göttlichen Richter« hat sich
   Eine Studie zur Fernsehunterhal-        nen auftauchen (vgl. Fick 2006).      nicht der Mörder zu verantworten,
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                                                                                                         schen      Medienproduktion
                                                                                                         stark unterrepräsentiert sind
                                                                                                         (vgl. Müller 2005b, Oulios
                                                                                                         2007). So sind z. B. in drei
                                                                                                         Vierteln der Redaktionen der
                                                                                                         gut 600 deutschen Tageszei-
                                                                                                         tungen die Einheimischen im
                                                                                                         Jahr 2008 unter sich, nur in
                                                                                                         einem Viertel sind Journalis-
                                                                                                         tInnen mit Migrationshinter-
                                                                                                         grund (häufig als freie Mitar-
                                                                                                         beiter) beteiligt – so ein Er-
Abb. 1: Einschätzungen der Medien: »Die deutschen (türkischen, italienischen, russischen) Medien fördern gebnis einer neuen repräsen-
ein gutes Klima zwischen Deutschen und Türken (Italienern, Russlanddeutschen).«                          tativen Studie an der Univer-
                                                                                                         sität Siegen.
                                                                                                         Allerdings ist in dieses Feld
sondern die beiden ermordeten Frau- Türken geradezu spiegelbildlich-ge- inzwischen Bewegung gekommen.
en. Beide werden in die Hölle ver- gensätzlich aus: Insbesondere gegen- Als Erste haben die Gestalter der
dammt: die eine, weil sie ihren Mann über den russischen, aber auch gegen- Fernsehunterhaltungsprogramme –
verlassen hat, die andere, weil sie die- über den deutschen Medien überwie- insbesondere in den Privatsendern –
ses »Verbrechen« in ihrer Sendung gen die integrativen Einschätzungen, erkannt, dass »Colour in the Media«
präsentiert hat.                               nur eine kleine Minderheit von 12 % (übers.: »Farbe in den Medien«) Zu-
                                               bzw. 13 % lehnt die Aussage ab, dass schauerInnen anziehen kann. Sie ha-
3. Die Einschätzung der Medien                 die Medien ein gutes Klima zwischen ben daher »visible minorities« vor die
durch die MigrantInnen                         Einheimischen und Russlanddeut- Kameras geholt – als Musikmodera-
Die inhaltsanalytischen Ergebnisse zu schen fördern. Offensichtlich ist die torInnen (z. B. Minh-Khai Phan-Thi
den eher integrationshemmenden mediale Integration vor allem ein oder Mola Adebisi), als Talkmaster
Mehrheitsmedien und Ethnomedien deutsch-türkisches Problem, weniger (z. B. Arabella Kiesbauer), als Komi-
werden – wie Weber-Menges (2007) ein deutsch-italienisches und gar kein ker und Kabarettisten (z. B. Kaya
zeigt – durch die diesbezüglichen Ein- deutsch-russlanddeutsches Problem. Yanar oder Django Asül), als Krimi-
schätzungen der türkischstämmigen                                                                 nalkommissare (z. B. Miroslav Ne-
MigrantInnen bestätigt (s. Abb. 1).            4. Kaum ethnische Diversität in                    mec oder Sinan Toprak) sowie eine
                                               der Medienproduktion                               Vielzahl von Musikgruppen, Sänge-
          Medien werden oft                    Zu   den   wichtigen      Ursachen     für  die    rInnen und RapperInnen.
          als nicht integrativ                 unzureichende        mediale     Präsenz    der
                                               Probleme von Migration und Integra-                      Medienschaffende mit
            wahrgenommen
                                               tion gehört die mangelhafte Beteili-
                                                                                                        Migrationshintergrund
                                               gung von MigrantInnen an der Me-
Der Aussage »Die deutschen Medi- dienproduktion. Während wir seit 2
                                                                                                       sollen gefördert werden
en fördern ein gutes Klima zwischen Jahren (endlich!) wissen, dass in
Deutschen und uns« stimmen ledig- Deutschland jeder 5. Einwohner zu- Im letzten Jahr haben schließlich
lich 17 % der Zuwanderer aus der gewandert ist oder aus einer Zuwan- Spitzenpolitiker wie Schäuble, Böh-
Türkei zu. Und bei einer entsprechen- dererfamilie stammt (vgl. Duschek mer oder Rüttgers sowie einige In-
den Aussage über die türkischen u. a. 2006), gibt es keine repräsenta- tendanten der öffentlich-rechtlichen
Medien gibt es sogar noch weniger tiven Studien darüber, wie hoch ihr Rundfunkanstalten erstmals öffent-
Zustimmung – nur 14 % schätzen die- Anteil unter den JournalistInnen und lich gefordert, mehr MigrantInnen in
se als »integrativ« ein. MigrantInnen Medienschaffenden der deutschen die Medien zu holen – eine Forde-
aus Italien beurteilen den Beitrag der Mainstream-Medien ist. Schätzungen rung, die durchaus Früchte getragen
deutschen Medien und insbesondere gehen von 2 bis 3 % aus. Sicher ist, hat: Ingo Zamperoni moderiert seit
der italienischen Medien zur Integra- dass Angehörige aus Einwandererfa- März 2007 das ARD-Nachtmagazin
tion ausgewogener.                             milien – und damit deren spezifische und Dunja Hayali seit Juni 2007 das
Und die Einschätzung der Russland- Erfahrungen, Kenntnisse, Kompeten- heute journal. In einigen Sendern
deutschen fällt im Vergleich zu den zen, Blickwinkel, Befindlichkeiten (SWR, WDR) gibt es auch seit eini-
FORSCHUNG
                  21/2008/1                                                                                              15

gen Jahren Integrationsbeauftragte.           sind, je schlechter sie die deutsche    mission 2007, Windgasse 2007, Bon-
Erwähnenswert sind auch die inten-            Sprache beherrschen, je niedriger ihr   fadelli 2007).
siven Bemühungen der Medien,                  Bildungsniveau und ihr Berufsstatus     MigrantInnen sind aber auch nicht
Menschen aus Einwandererfamilien              sind und je kürzer sie in Deutschland   »medial assimiliert«. Nur Minderhei-
zu JournalistInnen auszubilden (vgl.          wohnen, umso häufiger nutzen sie        ten nutzen ausschließlich deutsche
Presse- und Informationsamt der               ihre Ethnomedien. Allerdings ist die    Medien, z. B. unter den Russland-
Bundesregierung 2007, S. 163 f.).             vielfach geäußerte Furcht vor ethni-    deutschen. Die Mehrheit nutzt einen
                                              schen Mediengettos unbegründet.         Medien-Mix aus deutschen und eth-
5. Keine Mediengettos, sondern                                                        nischen Medien. Um es modisch aus-
hybride Mediennutzung                                                                 zudrücken: Das Typische ist die »hy-
                                                Medien-Mix aus deutschen
Hat der Boom der Ethnomedien zu                                                       bride Mediennutzung«. Wir wissen
einer integrationshemmenden media-               und ethnischen Medien                aus anderen Bereichen der Integra-
len Gettoisierung der MigrantInnen                                                    tionsforschung, z. B. aus Identitäts-
geführt? Ethnomedien stellen für vie-         Nur sehr kleine Minderheiten der        studien (vgl. z. B. Schubert 2006),
le MigrantInnen eine wichtige Brü-            MigrantInnen nutzen ausschließlich      dass MigrantInnen in der Regel eine
cke zur Heimat (1. Generation) bzw.           Ethnomedien; bei den MigrantInnen       Doppelidentität ausbilden mit Bin-
zum Herkunftsland ihrer Familie (2.           aus der Türkei sind diese etwas grö-    dungen sowohl an das Aufnahme- als
und 3. Generation) dar. Etwa drei             ßer als bei anderen Gruppen (s.         auch an das Herkunftsland. Dies gilt
Viertel der Menschen mit türkischem           Abb. 2). Am größten ist das türkische   auch für die 2. und 3. Generation so-
und italienischem Migrationshinter-           »Fernseh-Getto« – ein Drittel sieht     wie für Personen, die in der Aufnah-
grund geben an, dass ihnen die türki-         ausschließlich türkisches Fernsehen.    megesellschaft erfolgreich und sehr
schen bzw. italienischen Medien da-           Vom Internet gehen, entgegen man-       gut integriert sind. Wiederum mo-
bei helfen, die Sprache und Kultur            cher Befürchtungen, kaum Gettoisie-     disch ausgedrückt: Die große Mehr-
ihres Herkunftslandes zu bewahren             rungsgefahren aus – nur 6 % der Mi-     heit der MigrantInnen hat »hybride
sowie die Sehnsucht nach der Türkei           grantInnen aus der Türkei nutzen aus-   Identitäten«, eine Folge davon ist eine
bzw. nach Italien zu bewältigen (vgl.         schließlich türkische Internetangebo-   hybride Mediennutzung.
Weber-Menges 2007). Je älter sie              te (vgl. auch ARD-ZDF-Medienkom-

Abb. 2: Mediennutzung von MigrantInnen 2006
FORSCHUNG
16                                                                                                                                              21/2008/1

                   Fazit                                             LITERATUR
                                                                                                            heiten in Deutschland. Bielefeld: transcript 2005b,
                                                                                                            S. 223-237.

Die Präsentation der MigrantInnen in                                                                        Ortner, C.: Tatort: Migration. Das Thema Einwan-
                                                   ARD/ZDF-Medienkommission (Hrsg.): Migranten              derung in der Krimireihe Tatort. In: Medien und
den deutschen Mainstream-Medien                                                                             Kommunikation, 55/2007/1, S. 5-23.
                                                   und Medien. Ergebnisse einer repräsentativen Stu-
weist – insbesondere im Nachrichten-               die der ARD/ZDF-Medienkommission. o. O.: 2007.           Oulios, M.: Weshalb gibt es so wenig Journalisten
und Informationssektor – erhebliche                                                                         mit Einwanderungshintergrund in deutschen Mas-
                                                   Bonfadelli, H.: Keine Belege für die »Ghetto-The-
                                                                                                            senmedien? Manuskript. Siegen: Univ. Siegen 2007.
Defizite im Hinblick auf die interkul-             se«. In: Journalistik Journal, 10/2002, S. 18-19.
                                                   Duschek, K.-J.; Weinmann, J.; Böhm, K.; Laue, E.;        Presse- u. Informationsamt der Bundesregierung
turelle mediale Integration auf. Eine                                                                       (Hrsg.): Der Nationale Integrationsplan. Berlin:
                                                   Brückner, G.: Leben in Deutschland. Haushalte,
der Ursachen ist die weitgehend mo-                Familien und Gesundheit - Ergebnisse des Mikro-          Presse- u. Informationsamt der Bundesregierung
                                                                                                            2007.
noethnisch-deutsche Medienproduk-                  zensus 2005. Wiesbaden: Statist. Bundesamt 2006.
                                                   Fleras, A.; Elliott, J. L.: Engaging Diversity. Multi-   Ruhrmann, G.; Sommer, D.; Uhlemann, H.: TV-
tion, d. h. der gravierende Mangel an                                                                       Nachrichtenberichterstattung über Migranten –
                                                   culturalism in Canada. Toronto: Nelson Thomson
ethnischer Diversität unter den Ge-                2002.                                                    Von der Politik zum Terror. In: Geißler, R.; Pöttker,
                                                                                                            H. (Hrsg.): Integration durch Massenmedien. Bie-
stalterInnen ihrer Angebote.                       Fick, P.: Die Darstellung ethnischer Minderheiten        lefeld: transcript 2006, S. 45-75.
Auch die Inhalte der türkischen Eth-               in Lokalmedien. Gegenwärtige Zustände – Verän-
                                                                                                            Schubert, H.-J.: Integration, Ethnizität und Bildung.
                                                   derungen im letzten Jahrzehnt. Manuskript. Siegen:
nomedien – über andere liegen keine                Univ. Siegen 2006.                                       Die Definition ethnischer Identität Studierender tür-
wissenschaftlichen Analysen vor –                                                                           kischer Herkunft. In: Berliner Journal für Soziolo-
                                                   Geißler, R.: Multikulturalismus in Kanada – Mo-          gie 16/2006/3, S. 291-212.
sind eher integrationshemmend als                  dell für Deutschland? In: Aus Politik und Zeitge-
                                                                                                            Thiele, M.: Flucht, Asyl und Einwanderung im Fern-
integrationsfördernd. Die Furcht vor               schichte, -/2003/B 26, S. 19-25.
                                                                                                            sehen. Konstanz: UVK 2005.
                                                   Geißler, R.: Einheit-in-Verschiedenheit. Die inter-
großen ausgeprägten ethnischen Me-                 kulturelle Integration von Migranten – ein huma-         Weber-Menges, S.: Die Entwicklung der Ethno-
diengettos ist allerdings unbegründet:             ner Mittelweg zwischen Assimilation und Segregati-       medien in Deutschland. In: Geißler, R.; Pöttker, H.
                                                   on. In: Berliner Journal für Soziologie, 14/2004/3,      (Hrsg.): Integration durch Massenmedien. Biele-
Die große Mehrheit der MigrantIn-                                                                           feld: transcript 2006, S 121-145.
                                                   S. 287-298.
nen nutzt sowohl deutsche als auch                                                                          Weber-Menges, S.: Mediennutzung und Integration
                                                   Geißler, R.: Mediale Integration von ethnischen
ethnische Medien.                                  Minderheiten. In: Geißler; R.; Pöttker, H. (Hrsg.):      von Migranten. Manuskript. Siegen: Univ. Siegen
                                                                                                            2007.
In den deutschen Medien zeichnen                   Massenmedien und die Integration ethnischer Min-
                                                   derheiten in Deutschland. Bielefeld: transcript          Windgasse, T.: Die Radionutzung von Migranten
sich – sowohl in den Inhalten als auch             2005, S. 71-80.                                          im Kontext anderer Medien. In: Media Perspekti-
in der Produktion – erste Schritte zu              Geißler, R.; Pöttker, H.: Mediale Integration von        ven, -/2007/3, S. 153-161.
einer Besserung medialer Integration               ethnischen Minderheiten. In: Kulturwissenschaft-
                                                   liches Forschungs-Kolleg »Medienumbrüche«. Sie-
ab, die vor allem dem Paradigmen-                  gen: Univ. Siegen 2001, S. 141-165.
wechsel im politischen Diskurs über                Geißler, R.; Pöttker, H. (Hrsg.): Massenmedien und                      DER AUTOR
Migration und Integration geschuldet               die Integration ethnischer Minderheiten in Deutsch-
sind. Da die Zahl der RezipientInnen               land. Problemaufriss – Forschungsstand – Biblio-
                                                   graphie. Bielefeld: transcript 2005.                        Rainer Geißler, Dr.
mit Migrationshintergrund wachsen                  Geißler, R.; Pöttker, H. (Hrsg.): Integration durch         phil., ist seit 1981
wird und da unter PolitikerInnen und               Massenmedien. Medien und Migration im interna-              Professor für So-
MedienmacherInnen die Integrations-                tionalen Vergleich. Bielefeld: transcript 2006.             ziologie an der
herausforderung an die Medien zu-                  Müller, D.: Die Inhalte der Ethnomedien unter dem           Universität Sie-
                                                   Gesichtspunkt der Integration. In: Geißler, R.; Pött-
nehmend erkannt wird, ist davon aus-               ker, H. (Hrsg.): Massenmedien und die Integration
                                                                                                               gen. Er ist Mit-
zugehen, dass weitere Schritte auf                 ethnischer Minderheiten in Deutschland. Bielefeld:          glied des Rates für Migration, der
dem langen und mühsamen Weg zur                    transcript 2005a, S. 323-355.                               die Zuwanderungs- und Integra-
                                                   Müller, D.: Ethnische Minderheiten in der Medien-           tionspolitik in Deutschland kritisch
interkulturellen medialen Integration              produktion. In: Geißler, R.; Pöttker, H. (Hrsg.): Mas-      begleitet und berät.
folgen werden.                                     senmedien und die Integration ethnischer Minder-

                                                                   IMPRESSUM
Herausgeber: Internationales Zentralinstitut       Satz: Text+Design Jutta Cram,                            Anschrift der Redaktion:
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beim Bayerischen Rundfunk                          www.textplusdesign.de                                    und Bildungsfernsehen (IZI)
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