Was ist "mediale Integration"? - FORSCHUNG - BR
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FORSCHUNG 21/2008/1 11 Rainer Geißler Was ist »mediale Integration«? Die Rolle der Medien bei der Eingliederung von MigrantInnen Vom »unerwünschten Ausländer« Situation der MigrantInnen in Integration« verwenden; so taucht sie zur »notwendigen Migration und Deutschland weiß, das weiß sie in der z. B. im Nationalen Integrationsplan Integration« – Massenmedien leis- Regel vor allem aus den Massen- auf (vgl. Presse- u. Informationsamt ten einen Beitrag für die Verbrei- medien. der Bundesregierung 2007, S. 159). tung von Bildern von MigrantIn- Das Konzept der medialen Integra- nen ebenso wie für die Integration tion ist der Versuch, die Vielzahl der von Menschen mit Migrationshin- Probleme, die mit der Rolle der Mas- »Interkulturelle tergrund in die Medienproduktion. senmedien bei der Integration von Integration« MigrantInnen zusammenhängen, »auf den Begriff zu bringen«. Es Obwohl der Begriff »Integration« im I n Deutschland hat sich der öffent- wurde im Jahr 2001 im Wissen- politischen Diskurs seit einiger Zeit liche Diskurs über MigrantInnen schaftsbetrieb »erfunden«, als sich im Hochkonjunktur hat, bleibt seine Be- im letzten Jahrzehnt grundlegend politischen Raum noch niemand um deutung unscharf, diffus und auch geändert: Aus der Rede über »uner- diese Probleme kümmerte (vgl. Geiß- widersprüchlich. Nicht nur in der wünschte Ausländer« ist ein Diskurs ler/Pöttker 2001, Geißler 2005). Politik, auch in der Migrationsfor- über »notwendige Migration und In- Die mediale Integration umfasst drei schung wird »Integration« häufig mit tegration« geworden. Der Slogan miteinander verschränkte Aspekte: »Assimilation« gleichgesetzt (vgl. »Deutschland ist kein Einwande- den Beitrag der Massenmedien Geißler 2004). Gegen derartige Vor- rungsland«, der die öffentlichen De- zur Integration der MigrantInnen stellungen wendet sich der Begriff batten der 90er-Jahre dominierte, ist in die deutsche Gesellschaft, »interkulturelle Integration«. verschwunden; stattdessen wird dis- die Integration der MigrantInnen Dieser orientiert sich an der Multi- kutiert, wie die demografisch und in das Mediensystem sowie kulturalismus-Idee des klassischen ökonomisch notwendige Einwande- die Integration der MigrantInnen Einwanderungslandes Kanada, das rung sinnvoll gesteuert werden und in die medial hergestellte Öffent- sich seit mehr als 3 Jahrzehnten mit wie Deutschland die Herausforderung lichkeit. Stolz als multikulturelle Gesellschaft bewältigen kann, die Einwanderer in Mediale Integration hat einen Dop- versteht und die multikulturelle Inte- die deutsche Gesellschaft zu integrie- pelcharakter: Sie ist einerseits ein gration seiner vielen ethnischen Be- ren. analytisches Konzept zur wissen- völkerungsgruppen als angemesse- Im Zusammenhang mit der Debatte schaftlichen Untersuchung der Rol- nen Mittelweg zwischen den Polen um Integration wird in den letzten le der Massenmedien bei der Einglie- Assimilation und Segregation ansieht Jahren auch über die Rolle der Mas- derung der MigrantInnen. Auf der und auch sehr erfolgreich praktiziert senmedien im Prozess der Integration anderen Seite ist sie aber auch ein (vgl. Fleras/Elliott 2002, Geißler gesprochen. Zwar ist das Herzstück politisch-normatives Konzept und 2003). der Integration die Eingliederung in enthält Ziele – bestimmte Vorstellun- Interkulturelle Integration basiert auf den Arbeitsmarkt und damit zusam- gen darüber, wie sich die Integration drei Grundprinzipien: menhängend die Integration der Mi- der MigrantInnen vollziehen soll und 1. »Living together with differences« grantenkinder in das Bildungssystem. welche Rolle die Massenmedien da- nach dem Grundsatz von Einheit- Aber auch die Massenmedien spielen bei wahrzunehmen haben. Daher ist in-Verschiedenheit (»unity-within- eine wichtige Rolle. Was die Bevöl- es nicht verwunderlich, dass in letz- diversity«): Mehrheit und Minder- kerung über die Bedeutung von Mi- ter Zeit auch PolitikerInnen und Me- heiten leben miteinander (nicht gration und Integration und über die dienschaffende die Formel »mediale nebeneinander) auf der Basis ge-
FORSCHUNG 12 21/2008/1 meinsamer Sprache, Regeln und Interkulturelle mediale und Talkmaster, SchauspielerIn- Grundwerte (»Einheit«) und im Integration nen u. a. wahrnehmen, mit denen gegenseitigen Respekt für ihre je- sie sich identifizieren können. weiligen sozialen und kulturellen Medieninhalte der Ethnomedien sind Besonderheiten (»Verschieden- Im Konzept der »interkulturellen interkulturell integrativ, wenn sie sich heit«). medialen Integration« werden die nicht ausschließlich auf die Her- 2. Chancengleichheit: Allen ethni- skizzierten Prinzipien auf das gesell- kunftskultur konzentrieren oder gar schen Gruppen werden gleiche schaftliche Subsystem Medien/Öf- eine »überlegene« Herkunftskultur Chancen auf Teilhabe in den wich- fentlichkeit übertragen. In Deutsch- mit einer einseitig-negativ präsentier- tigen Bereichen der Aufnahmege- land hat dieses Subsystem seit den ten Kultur des Aufnahmelandes kon- sellschaft und deren Institutionen 60er-Jahren eine für Einwanderungs- frontieren, sondern auch Integrations- – z. B. gleiche Teilhabe an Öffent- gesellschaften typische duale Struk- hilfen bei spezifischen Problemen lichkeit und Medien – gewährt. tur entwickelt: Die deutschen Main- ihrer ethnischen Gruppen anbieten. 3. Aktive Akzeptanz von Migration stream-Medien haben – ausgelöst In das Medienpersonal sind die Mi- und Integration mit den Einsich- durch technische Innovationen wie grantengruppen integriert, wenn sie ten: (Gesteuerte) Einwanderung ist Video, Satellitenübertragung, Digita- in den deutschen Mainstream-Medien notwendig und nützlich, Einwan- lisierung, Internet – zunehmende angemessen als RedakteurInnen, derer müssen interkulturell inte- Konkurrenz von den Ethnomedien ModeratorInnen, Ressortleiter, Pro- griert werden und: Interkulturelle der diversen Migrantengruppen er- grammdirektorInnen, Talk- und Integration entwickelt sich nicht halten. Als »Ethnomedien« werden Showmaster, RegisseurInnen, Schau- von selbst, sondern bedarf erheb- Medienangebote bezeichnet, die sich spielerInnen usw. vertreten sind. Sie licher politischer und gesellschaft- vorrangig an zugewanderte ethnische bringen ihr spezifisches Wissen, ihre licher Anstrengungen der Aufnah- Gruppen richten, häufig in deren Her- spezifischen Erfahrungen und Sicht- megesellschaft (»diversity main- kunftsländern, seltener in Deutschland weisen in die Medienproduktion ein streaming«) und der Einwanderer. hergestellt werden und meist in der und verkörpern im mehrdimensiona- Herkunftssprache, ab und zu auch len Pluralismus des deutschen Me- Mittelweg zwischen zwei- oder mehrsprachig oder auf diensystems eine besondere Dimen- Assimilation und Deutsch verfasst sind (vgl. Weber- sion – die Ethnodimension, die Menges 2006). gleichberechtigt neben anderen plu- Segregation Mediale Integration findet in drei ralen Dimensionen wie z. B. Ge- Bereichen des Mediensystems statt, schlecht, Altersgruppen, Religionsge- Das Konzept der interkulturellen die miteinander verzahnt sind: bei den meinschaften oder Interessenverbän- Kommunikation hat gegenüber dem Medieninhalten, beim Medienperso- den steht. Assimilationskonzept zwei Vorzüge: nal und bei der Mediennutzung. Die Nutzung der deutschen Medien Es ist humaner, weil es den empirisch Medieninhalte in den deutschen ist für MigrantInnen unabdingbar, nachweisbaren Bedürfnissen der Ein- Mainstream-Medien sind interkultu- denn ohne Kenntnisse über die aktu- wanderer Rechnung trägt, nicht völ- rell integrativ, ellen Vorgänge in Deutschland und lig mit ihrer Herkunftskultur zu bre- wenn sie ethnische Diversität als deren Hintergründe ist eine angemes- chen. Und: Es fordert dazu heraus, gesellschaftliche Normalität zei- sene Wahrnehmung ihrer Teilnahme- die innovativen und produktiven Po- gen und sich bei der Darstellung chancen nicht möglich. Die Ethnome- tenziale von Diversität zu nutzen, statt von Migration oder Integration am dien stellen eine sinnvolle Ergänzung diese unreflektiert »wegzuassimilie- Prinzip der aktiven Akzeptanz ori- der deutschen Mainstream-Medien ren«. entieren; dar, denn die deutschen Medien sind Das Konzept der interkulturellen In- wenn sowohl die Probleme und angesichts der ethnischen Vielfalt tegration schließt nicht aus, dass sich Schwierigkeiten der multiethni- nicht in der Lage, die Bedürfnisse der in Deutschland auch Assimilations- schen Einwanderungsgesellschaft, diversen Migrantengruppen nach ei- prozesse vollziehen – insbesondere aber auch deren Chancen und Er- ner »Brücke zur Heimat«, nach infor- langfristig und über Generationen folge in einer ausgewogenen Ba- mativen und emotionalen Kontakten hinweg –, die für die Aufnahmege- lance präsentiert werden; mit ihrer Herkunftskultur und Spra- sellschaft durchaus vorteilhaft sein wenn MigrantInnen sich mit ihren che zu befriedigen. Interkulturell in- können. Aber als vorrangiges Ziel Befindlichkeiten in den deutschen tegrativ ist also ein Medien-Mix bei einer Integrationspolitik ist Assimi- Medien wiederfinden, u. a. auch der Nutzung durch MigrantInnen – lation untauglich. dadurch, dass sie »Medienperso- die Nutzung sowohl der deutschen als nen« wie JournalistInnen, Show- auch der ethnischen Medien.
FORSCHUNG 21/2008/1 13 Was wissen wir über Entwicklung tung (vgl. Thiele 2005) zeigt, dass Wie ist es nun um die Inhalte der Eth- und Zustand der medialen Integration viele Filme, Krimis oder krimiähn- nomedien bestellt? in Deutschland (vgl. Geißler/Pöttker liche Filme sozialkritisch auf All- 2005; Geißler/Pöttker 2006)? tagsrassismus hinweisen, auf 2. Türkische Ethnomedien Flüchtlingselend oder auf eine in- An Ethnomedien wurden fast aus- 1. Darstellung von MigrantInnen humane Asyl- und Flüchtlingspo- schließlich die türkischen Medien in deutschen Medien litik. Und auch in den quotenstar- untersucht. Über die Medien anderer Am besten erforscht ist die Darstel- ken Tatort-Krimis ist das Migran- großer Minderheiten wie Russland- lung der MigrantInnen im Sektor In- tenbild sehr facettenreich. deutsche, Kurden, MigrantInnen aus formation und Dokumentation der Auf der einen Seite werden viele Italien, Polen, Griechenland oder den deutschen Printmedien. Die vielen positive Modelle des Miteinanders arabischen Ländern wissen wir so gut vorliegenden Inhaltsanalysen kom- von Einheimischen und Zuwande- wie nichts. Wenig ermutigend ist, was men zu übereinstimmenden Ergeb- rern vorgeführt, andererseits tau- inhaltsanalytisch über die türkischen nissen: Es wird vergleichsweise we- chen auch klischeehafte und nega- Medien herausgefunden wurde, über nig über die MigrantInnen und ihre tiv besetzte Figuren mit Migra- die Inhalte von häufig gesehenen Situation in Deutschland berichtet, tionshintergrund auf (vgl. Ortner Fernsehsendern wie TRT-INT, atv, und das Wenige taucht häufiger in 2007). Die Fernsehunterhaltung EuroD, InterStar oder Kanal 7 und negativen als in positiven Kontexten bildet offensichtlich zumindest wichtigen Tageszeitungen wie Hür- auf (»Negativismus«). teilweise einen integrativen Ge- riyet, Türkiye, Milliyet oder Milli MigrantInnen werden häufig darge- genpol zum integrationshemmen- Gazete. stellt den Informationsbereich. Nicht als Bedrohung für die öffentliche untersucht sind auch Casting- Eher integrationshemmend Sicherheit – »MigrantInnen als shows u. Ä. wie z. B. Deutschland Kriminelle« oder seit dem 11. Sep- sucht den Superstar, wo »visible als -förderlich tember 2001 auch als Terroristen; minorities« – wie die Kanadier sa- als Belastung für das soziale Netz gen (übers.: »sichtbare Minderhei- Der Informationsteil in diesen Medi- und die öffentlichen Haushalte; ten«) – zu den Gewinnern und en ist stark türkeizentriert und natio- als »Problemgruppen«, die Proble- Stars gehören. nalistisch, bei einigen auch islamisch- me haben und den Deutschen Pro- 2. Exakte Forschung braucht Zeit – dogmatisch oder islamistisch. Über bleme machen. zwischen Forschungsergebnissen die Situation der türkischen Migran- und einer sehr dynamischen Rea- tInnen in Deutschland wird nur we- lität entsteht ein Zeitverzug. Und nig mitgeteilt, und das Bild über Zu wenig und eher negativ es wäre schon verwunderlich, Deutschland und die Deutschen verzerrte Berichterstattung wenn sich der eingangs erwähnte bleibt sehr fragmentarisch und eher Paradigmenwechsel in der Wahr- negativ eingefärbt (vgl. Müller Diese Verzerrung ins Negative ist nehmung von Migration und Inte- 2005a). auch für die Fernsehnachrichten be- gration nicht auch in den Medien Zu den Unterhaltungssendungen des legt. So kommt eine Studie zu den widerspiegeln würde. Leider fehlt türkischen Fernsehens liegen bisher Hauptnachrichtensendungen von es bisher weitgehend an handfes- keine systematischen Analysen vor. ARD, ZDF, RTL und SAT.1 im Jahr ten Längsschnittanalysen, die die- Einzelbeispiele weisen darauf hin, 2003 zu dem Ergebnis, dass mehr als se Entwicklungen genauer einfan- dass auch Filme mit Norm- und Wert- ein Drittel der Berichte über Migran- gen können. Eine Studie zur Sie- vorstellungen gezeigt werden, die tInnen und Migrantenthemen in ei- gener Lokalpresse (Siegener Zei- gegen deutsche Gesetze verstoßen. nem Zusammenhang mit dem Dis- tung, Westfälische Rundschau) So lief kürzlich in einem der in kurs über Terror und Terrorismus ste- weist auf derartige Verbesserungen Deutschland meist genutzten türki- hen (vgl. Ruhrmann u. a. 2006). in der Darstellung von MigrantIn- schen Sender ein Spielfilm mit Sze- Nach dieser Grobskizze zur Domi- nen hin: Der Negativismus hat sich nen aus der Türkei, die Ehrenmorde nanz der integrationsfeindlichen Ne- zwischen 1996 und 2006 deutlich indirekt rechtfertigen: Ein verlasse- gativbilder müssen zwei Relativie- abgeschwächt und dies insbesonde- ner Ehemann erschießt seine Ex-Frau rungen eingebracht werden: re im Lokalteil, wo MigrantInnen sowie die Moderatorin einer Fernseh- 1. Die Erkenntnisse über den Infor- häufiger als integrierte NachbarIn- Talkshow, in der seine Ex-Frau ihre mationsbereich dürfen nicht vor- nen sowie wirtschaftlich, sozial Geschichte erzählt. Vor dem anschlie- schnell verallgemeinert werden. oder kulturell engagierte BürgerIn- ßenden »göttlichen Richter« hat sich Eine Studie zur Fernsehunterhal- nen auftauchen (vgl. Fick 2006). nicht der Mörder zu verantworten,
FORSCHUNG 14 21/2008/1 und Interessen – in der deut- schen Medienproduktion stark unterrepräsentiert sind (vgl. Müller 2005b, Oulios 2007). So sind z. B. in drei Vierteln der Redaktionen der gut 600 deutschen Tageszei- tungen die Einheimischen im Jahr 2008 unter sich, nur in einem Viertel sind Journalis- tInnen mit Migrationshinter- grund (häufig als freie Mitar- beiter) beteiligt – so ein Er- Abb. 1: Einschätzungen der Medien: »Die deutschen (türkischen, italienischen, russischen) Medien fördern gebnis einer neuen repräsen- ein gutes Klima zwischen Deutschen und Türken (Italienern, Russlanddeutschen).« tativen Studie an der Univer- sität Siegen. Allerdings ist in dieses Feld sondern die beiden ermordeten Frau- Türken geradezu spiegelbildlich-ge- inzwischen Bewegung gekommen. en. Beide werden in die Hölle ver- gensätzlich aus: Insbesondere gegen- Als Erste haben die Gestalter der dammt: die eine, weil sie ihren Mann über den russischen, aber auch gegen- Fernsehunterhaltungsprogramme – verlassen hat, die andere, weil sie die- über den deutschen Medien überwie- insbesondere in den Privatsendern – ses »Verbrechen« in ihrer Sendung gen die integrativen Einschätzungen, erkannt, dass »Colour in the Media« präsentiert hat. nur eine kleine Minderheit von 12 % (übers.: »Farbe in den Medien«) Zu- bzw. 13 % lehnt die Aussage ab, dass schauerInnen anziehen kann. Sie ha- 3. Die Einschätzung der Medien die Medien ein gutes Klima zwischen ben daher »visible minorities« vor die durch die MigrantInnen Einheimischen und Russlanddeut- Kameras geholt – als Musikmodera- Die inhaltsanalytischen Ergebnisse zu schen fördern. Offensichtlich ist die torInnen (z. B. Minh-Khai Phan-Thi den eher integrationshemmenden mediale Integration vor allem ein oder Mola Adebisi), als Talkmaster Mehrheitsmedien und Ethnomedien deutsch-türkisches Problem, weniger (z. B. Arabella Kiesbauer), als Komi- werden – wie Weber-Menges (2007) ein deutsch-italienisches und gar kein ker und Kabarettisten (z. B. Kaya zeigt – durch die diesbezüglichen Ein- deutsch-russlanddeutsches Problem. Yanar oder Django Asül), als Krimi- schätzungen der türkischstämmigen nalkommissare (z. B. Miroslav Ne- MigrantInnen bestätigt (s. Abb. 1). 4. Kaum ethnische Diversität in mec oder Sinan Toprak) sowie eine der Medienproduktion Vielzahl von Musikgruppen, Sänge- Medien werden oft Zu den wichtigen Ursachen für die rInnen und RapperInnen. als nicht integrativ unzureichende mediale Präsenz der Probleme von Migration und Integra- Medienschaffende mit wahrgenommen tion gehört die mangelhafte Beteili- Migrationshintergrund gung von MigrantInnen an der Me- Der Aussage »Die deutschen Medi- dienproduktion. Während wir seit 2 sollen gefördert werden en fördern ein gutes Klima zwischen Jahren (endlich!) wissen, dass in Deutschen und uns« stimmen ledig- Deutschland jeder 5. Einwohner zu- Im letzten Jahr haben schließlich lich 17 % der Zuwanderer aus der gewandert ist oder aus einer Zuwan- Spitzenpolitiker wie Schäuble, Böh- Türkei zu. Und bei einer entsprechen- dererfamilie stammt (vgl. Duschek mer oder Rüttgers sowie einige In- den Aussage über die türkischen u. a. 2006), gibt es keine repräsenta- tendanten der öffentlich-rechtlichen Medien gibt es sogar noch weniger tiven Studien darüber, wie hoch ihr Rundfunkanstalten erstmals öffent- Zustimmung – nur 14 % schätzen die- Anteil unter den JournalistInnen und lich gefordert, mehr MigrantInnen in se als »integrativ« ein. MigrantInnen Medienschaffenden der deutschen die Medien zu holen – eine Forde- aus Italien beurteilen den Beitrag der Mainstream-Medien ist. Schätzungen rung, die durchaus Früchte getragen deutschen Medien und insbesondere gehen von 2 bis 3 % aus. Sicher ist, hat: Ingo Zamperoni moderiert seit der italienischen Medien zur Integra- dass Angehörige aus Einwandererfa- März 2007 das ARD-Nachtmagazin tion ausgewogener. milien – und damit deren spezifische und Dunja Hayali seit Juni 2007 das Und die Einschätzung der Russland- Erfahrungen, Kenntnisse, Kompeten- heute journal. In einigen Sendern deutschen fällt im Vergleich zu den zen, Blickwinkel, Befindlichkeiten (SWR, WDR) gibt es auch seit eini-
FORSCHUNG 21/2008/1 15 gen Jahren Integrationsbeauftragte. sind, je schlechter sie die deutsche mission 2007, Windgasse 2007, Bon- Erwähnenswert sind auch die inten- Sprache beherrschen, je niedriger ihr fadelli 2007). siven Bemühungen der Medien, Bildungsniveau und ihr Berufsstatus MigrantInnen sind aber auch nicht Menschen aus Einwandererfamilien sind und je kürzer sie in Deutschland »medial assimiliert«. Nur Minderhei- zu JournalistInnen auszubilden (vgl. wohnen, umso häufiger nutzen sie ten nutzen ausschließlich deutsche Presse- und Informationsamt der ihre Ethnomedien. Allerdings ist die Medien, z. B. unter den Russland- Bundesregierung 2007, S. 163 f.). vielfach geäußerte Furcht vor ethni- deutschen. Die Mehrheit nutzt einen schen Mediengettos unbegründet. Medien-Mix aus deutschen und eth- 5. Keine Mediengettos, sondern nischen Medien. Um es modisch aus- hybride Mediennutzung zudrücken: Das Typische ist die »hy- Medien-Mix aus deutschen Hat der Boom der Ethnomedien zu bride Mediennutzung«. Wir wissen einer integrationshemmenden media- und ethnischen Medien aus anderen Bereichen der Integra- len Gettoisierung der MigrantInnen tionsforschung, z. B. aus Identitäts- geführt? Ethnomedien stellen für vie- Nur sehr kleine Minderheiten der studien (vgl. z. B. Schubert 2006), le MigrantInnen eine wichtige Brü- MigrantInnen nutzen ausschließlich dass MigrantInnen in der Regel eine cke zur Heimat (1. Generation) bzw. Ethnomedien; bei den MigrantInnen Doppelidentität ausbilden mit Bin- zum Herkunftsland ihrer Familie (2. aus der Türkei sind diese etwas grö- dungen sowohl an das Aufnahme- als und 3. Generation) dar. Etwa drei ßer als bei anderen Gruppen (s. auch an das Herkunftsland. Dies gilt Viertel der Menschen mit türkischem Abb. 2). Am größten ist das türkische auch für die 2. und 3. Generation so- und italienischem Migrationshinter- »Fernseh-Getto« – ein Drittel sieht wie für Personen, die in der Aufnah- grund geben an, dass ihnen die türki- ausschließlich türkisches Fernsehen. megesellschaft erfolgreich und sehr schen bzw. italienischen Medien da- Vom Internet gehen, entgegen man- gut integriert sind. Wiederum mo- bei helfen, die Sprache und Kultur cher Befürchtungen, kaum Gettoisie- disch ausgedrückt: Die große Mehr- ihres Herkunftslandes zu bewahren rungsgefahren aus – nur 6 % der Mi- heit der MigrantInnen hat »hybride sowie die Sehnsucht nach der Türkei grantInnen aus der Türkei nutzen aus- Identitäten«, eine Folge davon ist eine bzw. nach Italien zu bewältigen (vgl. schließlich türkische Internetangebo- hybride Mediennutzung. Weber-Menges 2007). Je älter sie te (vgl. auch ARD-ZDF-Medienkom- Abb. 2: Mediennutzung von MigrantInnen 2006
FORSCHUNG 16 21/2008/1 Fazit LITERATUR heiten in Deutschland. Bielefeld: transcript 2005b, S. 223-237. Die Präsentation der MigrantInnen in Ortner, C.: Tatort: Migration. Das Thema Einwan- ARD/ZDF-Medienkommission (Hrsg.): Migranten derung in der Krimireihe Tatort. In: Medien und den deutschen Mainstream-Medien Kommunikation, 55/2007/1, S. 5-23. und Medien. Ergebnisse einer repräsentativen Stu- weist – insbesondere im Nachrichten- die der ARD/ZDF-Medienkommission. o. O.: 2007. Oulios, M.: Weshalb gibt es so wenig Journalisten und Informationssektor – erhebliche mit Einwanderungshintergrund in deutschen Mas- Bonfadelli, H.: Keine Belege für die »Ghetto-The- senmedien? Manuskript. Siegen: Univ. Siegen 2007. Defizite im Hinblick auf die interkul- se«. In: Journalistik Journal, 10/2002, S. 18-19. Duschek, K.-J.; Weinmann, J.; Böhm, K.; Laue, E.; Presse- u. Informationsamt der Bundesregierung turelle mediale Integration auf. Eine (Hrsg.): Der Nationale Integrationsplan. 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S. 287-298. nen nutzt sowohl deutsche als auch Weber-Menges, S.: Mediennutzung und Integration Geißler, R.: Mediale Integration von ethnischen ethnische Medien. Minderheiten. In: Geißler; R.; Pöttker, H. (Hrsg.): von Migranten. Manuskript. Siegen: Univ. Siegen 2007. In den deutschen Medien zeichnen Massenmedien und die Integration ethnischer Min- derheiten in Deutschland. Bielefeld: transcript Windgasse, T.: Die Radionutzung von Migranten sich – sowohl in den Inhalten als auch 2005, S. 71-80. im Kontext anderer Medien. In: Media Perspekti- in der Produktion – erste Schritte zu Geißler, R.; Pöttker, H.: Mediale Integration von ven, -/2007/3, S. 153-161. einer Besserung medialer Integration ethnischen Minderheiten. In: Kulturwissenschaft- liches Forschungs-Kolleg »Medienumbrüche«. Sie- ab, die vor allem dem Paradigmen- gen: Univ. Siegen 2001, S. 141-165. wechsel im politischen Diskurs über Geißler, R.; Pöttker, H. 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Bielefeld: glied des Rates für Migration, der dem langen und mühsamen Weg zur transcript 2005a, S. 323-355. die Zuwanderungs- und Integra- Müller, D.: Ethnische Minderheiten in der Medien- tionspolitik in Deutschland kritisch interkulturellen medialen Integration produktion. In: Geißler, R.; Pöttker, H. (Hrsg.): Mas- begleitet und berät. folgen werden. senmedien und die Integration ethnischer Minder- IMPRESSUM Herausgeber: Internationales Zentralinstitut Satz: Text+Design Jutta Cram, Anschrift der Redaktion: für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) Spicherer Straße 26, 86157 Augsburg, Internationales Zentralinstitut für das Jugend- beim Bayerischen Rundfunk www.textplusdesign.de und Bildungsfernsehen (IZI) Druck: Druckhaus Köppl und Schönfelder oHG Rundfunkplatz 1, D-80335 München Redaktion: Dr. Maya Götz, Elke Schlote Ulmer Landstraße 287, 86391 Stadtbergen Telefon: 089/5900-2991, Fax: 089/5900-2379 Redaktionsassistenz: Rosemarie Hagemeister ISSN 0943-4755 Internet: http://www.izi.de E-Mail: IZI@brnet.de »TelevIZIon« erscheint zweimal jährlich in deutscher und einmal jährlich in englischer Sprache im Selbstverlag des IZI. Der Bezug ist kostenfrei. Bitte richten Sie Ihre Bestellung an die Redaktionsadresse. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Erlaubnis des Herausgebers.
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