Was wir über die COVID-19- Infektion gelernt haben - eine multidisziplinäre Präsentation - Dr. med. Manuel Bolognese, Oberarzt mbF Neurozentrum ...
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Frühjahrszyklus 2021 Was wir über die COVID-19- Infektion gelernt haben – eine multidisziplinäre Präsentation Dr. med. Manuel Bolognese, Oberarzt mbF Neurozentrum 18.03.2021
Fallbeispiel 1 75 J, männlich am 19.01. positiver COVID-Abstrich Am 02.02. beim Güetzli-Backen schwere Hemiparese sowie Aphasie (NIHSS: 17) Zuweisung LUKS Wolhusen Beginn intravenöse Lysetherapie und Verlegung ins LUKS Luzern für mechanische Thrombektomie 2
• 36.4 % (von 214 Patienten) mit neurologischen Symptomen • Viele unspezifisch (Schwindel, Kopfschmerzen) • Aber: • Riech- oder Geschmacksstörung 10.7% • Zerebrovaskuläre Erkrankungen 2.8% 4
Wie häufig ist «Neuro»-Covid? Grosse Variabilität der Frequenz in der Literatur (2 – 80%) Spital-basierte retrospektive Studie aus Chicago mit 509 Patienten1 Retrospektive Analyse von Krankenakten und Diagnoselisten nach neurologischen Manifestationen bis zu 82.3% während des gesamten Verlaufs Hyposmie (11.4%), Dysgeusie (15.9%) Unspezifische Symptome wie Myalgien (44.8%), Kopfweh (37.7%), Schwindel (29.7 %), Synkope (4.3%), Rhabdomyolysis (3.5%) Encephalopathie in 31.8% Prospektive Studie aus Singapur: 47.572 COVID-positive Patienten (median 34 y, 98% m) 90 (1.9%) mit neurologischen Erkrankungen 50 vorbestehende neurologische Erkrankungen 4 ADEM/Encephalitis 19 TIA/ischämischer Schlaganfall, 2 ICB, 4 Sinusvenenthrombose 7 mit PNP oder Mononeuropathien 4 dysautonome Syndrome 5 1) Liotta EM et al., Ann Clin Transl Neurol (11/2020) 2) Koh JS et al, J Neurol Sci (11/2020)
Wie häufig ist «Neuro»-Covid? Spital-basiert prospektive Kohortenstudie Metropolregion NYC (vom 10. März bis 20. Mai 2020) 4491 COVID-positiven Patienten 6 Frontera JA, et al, Neurology (10/2020)
Wie häufig ist «Neuro»-Covid? Im Median 71 Jahre, 66% männlich 13.5% mit neuen neurologischen Ausfällen 18/18 Liquoruntersuchungen negative SARS-CoV-2 PCR 7 Frontera JA, et al, Neurology (10/2020)
Wie häufig ist «Neuro»-Covid? Relevant fürs Outcome! Häufiger beatmet und Nierenversagen Längere Spitalaufenthalt Höhere Mortalität Stärken der Studie: prospektiv Evaluation durch Neurologen Vermeidung von unspezifischen Symptomen und Anwendung klarer Diagnosekriterien 8 Frontera JA, et al, Neurology (10/2020)
Was wissen wir zur Pathophysiologie? Direkte Invasion des Virus (über Bulbus olfaktorius, über Hirnnerven transsynaptisch, hämatogen transendothelial oder über Leukozyten via BBB) z.B. Anosmie, Encephalitis Parainfektiös «Cytokinsturm» z.B. ADEM Postinfektiös (Zell- oder AK-vermittelt) z.B. GBS Systemisch (Hypoxie, metabolisch etc.) Encephalopathien Sonderfall: Koagulopathie (z.B. Stroke, Sinusvenenthrombose) Aghagoli G et al, Neurocrit Care (07/2020) 9 Ellul MA et al, Lancet Neurol (09/2020) Politi L et a, JAMA Neurol (05/2020)
COVID-19 und zerebrovaskuläre Erkrankungen Metaanalyse (10 Studien): Häufigkeit ischämischer Schlaganfälle ca. 1.5 %1 Weitere 0.3% ICB, SVT oder SAB Zum Vergleich Influenza vs. COVID 19: 0.2 % vs. 1.6 %2 Weitere Stroke-Inzidenzen aus der Literatur: Sepsis 0.8%, SARS-CoV1 0.75% «Young Stroke» (< 50J): 18% 12 1) Fridman S et al, Neurology (12/2020) 2) Merkler AE et al, JAMA Neur (07/2020)
COVID-19 und zerebrovaskuläre Erkrankungen Häufig Large Vessel Occlusion (46.9%, 68.8% bei < 50 J)1 ca. 40-66% kryptogen (üblich ca. 20-25%) 2,3 In kryptogenen Strokes höhere WBC, CRP und D-Dimer-Level1,2,3 bei unserem Fallbeispiel 53.000 ng/ml (Norm < 500) Schwerer betroffen (NIHSS 10 vs. 6) und 4x erhöhte Mortalität 4 1) Fridman S et al, Neurology (12/2020) 2) Yaghi S et al, Stroke (05/2020) 13 3) Ramos-Araque ME et al. BMC Neurology (01/2021) 4) Ntaios G et al, Stroke (09/2020)
COVID-19 und Meningoencephalitiden Diagnostisch klinisches Bild (evtl. Meningismus, Kopfweh, Fieber, bei Encephalitis Bewusstseinsstörungen, fokale Ausfälle oder Anfälle) und entzündliches Liquorsyndrom (Pleozytose, Schrankenstörung). Supportiv pathologische Bildgebung und/oder EEG Idealerweise Virusnachweis zu postulieren (PCR i.L., intrathekale Ak Produktion) Duong L et al Brain.Behav Immun (04/2020) Moriguchi T, et al. Int J Infect Dis (05/2020) 14 Huang YH et al Brain Behav Immun (07/2020)
COVID-19 und Meningoencephalitiden Registerstudie aus Spanien: 51 Patienten mit Encephalopathie/Encephalitis 5 als «Encephalitis» diagnostiziert 10/31 LP pathologisch (4/31 Pleozytose), 1/21 positive PCR im Liquor 10/18 mit normalem MRI Registerstudie aus Italien: 32 COVID-positive Patienten mit Encephalitis (insgesamt 43.139)2 9/25 Pleozytose im Liquor, 0/14 PCR positiv i.L. 13/25 normales MRI 8 Patienten MRI und LP negativ Teilweise (5/25) klinisch/bildmorphologisch ADEM/ANE/LE anderer Pathomechanismus Zahlreichte Fallberichte mit entzündlichem Liquor und klinischem Bild einer Encephalitis, jedoch negativer PCR i. L. «technisch» (Vgl. WNV, FSME) Autoimmune Encephalitis ohne direkte Erregerinvasion 15 1) Abenza MJ et al. Neurologia (01/21) 2) Pilotto A, et al. J Infect Dis (01/21)
COVID-19 und Encephalopathien Klinisches Bild: qualitative oder quantitative Bewusstseinsstörung, KEIN entzündliches Liquorsyndrom (fakultativ: Anfälle, extrapyramidale Bewegungsstörungen, fokale Defizite etc) Häufige Ursachen: hypoxisch-ischämisch metabolisch medikamentös-toxisch neuroimmunologisch septisch 16
COVID-19 und Encephalopathien Klinisches Bild: qualitative oder quantitative Bewusstseinsstörung, KEIN entzündliches Liquorsyndrom (fakultativ: Anfälle, extrapyramidale Bewegungsstörungen, fokale Defizite etc) Häufige Ursachen: hypoxisch-ischämisch 1.4 % metabolisch 6.8 % (> 50% aller neurologischen Syndrome)1 medikamentös-toxisch neuroimmunologisch septisch Encephalopathien incl. Delir unspezifischer Ursache: bis zu 32% 17 1) Frontera JA, et al, Neurology (10/2020) 2) Liotta EM et al, Ann Clin Translat Neurol (11/2020)
Fallbeispiel 2 53 J, weiblich am 24.12. COVID-positiv am 04.01. zur Arbeit gegangen, noch etwas müde ab 05.01. Parästhesien aller Extremitäten, ab 06.01. Mühe beim Laufen bemerkt am 08.01. Notfallvorstellung; klinisch leichtgradige Paraparese der Beine mit abgeschwächten MER ab 10.01. neu Fazialisparese links und Zunahme der Paraparese Beginn mit Privigen über 5 d bei elektrophysiologisch bestätigtem Verdacht auf ein akute demyelinisierende Poly(radikulo)neuropathie (GBS) sehr rasches und gutes Ansprechen, am 18.01. Austritt nach Hause mit ambulanter Physiotherapie 20
COVID-19 und GBS Ersten Fälle bereits zur Beginn der Pandemie beschrieben1 5 GBS Fälle auf geschätzt 1000-1200 Patienten in Norditalien2 (Vgl. Inzidenz GBS 1-2/100.000) 4 GBS Fälle auf 439 Patienten in Ägypten3 Englische Kohortenstudie: niedrigere GBS-Inzidenz März – Mai 2020 vs. 2016-20194 Vorwiegend Männer (60-70%) im Median 55-60 J5,6 Verlauf und Diagnostik ähnlich wie beim klassischem GBS Auftreten meist postinfektiös, jedoch ein einigen Fällen auch parainfektiös 1) Zhao H et al. Lancet Neurol (04/2020) 2) Toscano G et al. N Engl J Med (06/2020) 3) Khedr EM,et al. Neuroepidemiology (02/2021) 21 4) Keddie S, et al Brain (12/2020) 5) Abu-Rumeileh S, et al. J Neurol (08/2020) 6)Caress JB et al. Muslce Nerve (10/2020)
Zusammenfassung «Neuro-COVID»: Häufigkeit variabel je nach Definition der neurologischen Symptome Verschiedene postulierte Mechanismen Am häufigsten systemisch bedingte Komplikationen Schlaganfallhäufigkeit erhöht im Vgl. zu anderen schweren Infekterkrankungen Möglicher Mechanismus: Koagulopathie Encephalopathie (metabolische, hypoxisch-ischämische, inflammatorisch, toxisch) neben Hyposmie am häufigsten Postinfektiöse und parainfektiöse Autoimmunerkrankungen des ZNS und PNS in zahlreichen Fallberichten, jedoch insgesamt selten Direkte Erregerinvasion wahrscheinlich sehr selten Outcome relevant mit erhöhter Mortalität 24
Sie können auch lesen