Weibliche Regimentschefs und Heldenjungfrauen - Thomas Weißbrich

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Weibliche Regimentschefs und Heldenjungfrauen - Thomas Weißbrich
KultGeP ­ Colloquien 2 (2016)

                                                   Thomas Weißbrich

                Weibliche Regimentschefs und Heldenjungfrauen.
                          Frauen, Uniformen und Militär im Königreich Preußen

Abstract

In der gemeinhin als frauenfrei geltenden königlich preußischen Armee waren gelegentlich sehr wohl Frauen
anzutreffen, zum Teil versteckt handelnd, zum Teil in offiziell­repräsentativer Funktion. Der folgende Beitrag
untersucht erstmals diese beiden Phänomene in der Doppelperspektive: die Frauen aus der Bevölkerung,
die als Mann verkleidet in die Armee eintraten und in Mannschaftsrängen Kriegsdienst leisteten, sowie die
Frauen, die zum Haus Hohenzollern gehörten und von den Herrschern zu Regimentschefs ernannt wurden.
Während das Transvestieren, also das Einnehmen der Rolle eines anderen Geschlechts mittels Kleidung,
das Forschungsinteresse vor allem der Gender Studies bereits mehrfach auf sich gezogen hat, ist das
höfisch­militärische Ehrenamt adeliger Damen – eine preußische Erfindung – bislang vergleichsweise selten
betrachtet worden. Dabei verliefen beide Entwicklungen weitgehend parallel. An Akteurinnen aus beiden
Bereichen, unter ihnen Anna Sophia Dettloff und Eleonora Prochaska sowie Königin Luise und Prinzessin
Victoria Luise, werden die Motive der Frauen und ihre Handlungsräume sowie die zeitgenössischen und
historiografischen Deutungen der Phänomene umrissen.

"Herr Lieutenant, ich bin ein Mädchen!" Mit diesem dramatischen, von einem Geschichtsschreiber vermutlich
frei erfundenen, in der borussischen Historiografie über die Befreiungskriege jedenfalls oft kolportierten
Ausruf soll Eleonore Prochaska, nachdem sie in der Schlacht bei Dennewitz am 16. September 1813 ein
Schuss getroffen hatte, ihre wahre Identität preisgegeben haben.1 Die junge Frau hatte sich, so viel steht
fest, als Mann ausgegeben, war in die preußische Armee eingetreten, kämpfte gegen die französischen
Truppen und fiel. Das alles scheint zunächst nicht zu den geläufigen Vorstellungen vom Militär zu passen.

Das preußische Heer war, wie die anderen europäischen Armeen, Macht­ und Herrschaftsfaktor und oft das
letzte Mittel zur Durchsetzung politischer Interessen. Dabei beeinflusste es, zusammen mit anderen sozialen
und ideologischen Faktoren, auch nachhaltig die Konstruktion von Geschlechterrollen, die dem Mann aktiv­
kreative Eigenschaften zuschrieb, der Frau, gegengleich, passiv­rezeptive. 2 Diese gesellschaftlichen Rollen

1
 * Die bei der Tagung vorgetragenen Überlegungen flossen zum Teil schon in den Aufsatz des Autors im Begleitband zur
Ausstellung FRAUENSACHE ein. Vgl. Thomas Weißbrich: Die Königin in Uniform. Preußens weibliche Regimentschefs
1806 bis 1919, in: FRAUENSACHE. Wie Brandenburg Preußen wurde, hg. von der Generaldirektion der Preußischen
Stiftung Schlösser und Gärten Berlin­Brandenburg, Ausstellung, Berlin, Schloss Charlottenburg, Stiftung Preußische
Schlösser und Gärten Berlin­Brandenburg, 2015, Dresden 2015, 240­251.

 Vgl. Susanne Götting­Nilius / Marc Bastet: Eleonore Prochaska, gestorben 1813 in Dannenberg. Fakten, Mythen,
Rezeptionsgeschichte, Gifkendorf 2014, 38f. – Seinen historiografischen Ursprung hat Prochaskas Ausruf bei Friedrich
Christoph Förster: Preussens Helden im Krieg und Frieden. Eine Geschichte Preussens seit dem großen Kurfürsten bis
zum Ende der Freiheitskriege, Bd. 5 (Die Befreiungskriege 1813, 1814, 1815, Bd. 1), Berlin 1856, 859.
2
 Vgl. Karen Hagemann: Heldenmütter, Kriegerbräute und Amazonen. Entwürfe "patriotischer" Weiblichkeit zur Zeit der
Freiheitskriege, in: Ute Frevert (Hg.): Militär und Gesellschaft im 19. und 20. Jahrhundert (Industrielle Welt, Bd. 58),
Stuttgart 1997, 174­200, hier: 196­199.

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Weibliche Regimentschefs und Heldenjungfrauen - Thomas Weißbrich
schlugen sich in Verhaltens­ und Umgangsweisen, in beruflichen Tätigkeiten und rechtlichen Auffassungen
nieder. Im Königreich Preußen kam zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Vorstellung vom "Staatsbürger" als
"Nationalkrieger" auf und die allgemeine Wehrpflicht machte das Heer zur "Schule der Nation". 3 Die
Verbindung von Wehrpflicht und staatsbürgerlichen Rechten schloss Frauen von politischer Partizipation
weitgehend aus.

Dieser Ordnung der Geschlechter verlieh die Kleidung Sichtbarkeit. Die militärische Uniform galt als
besonderer Ausdruck männlicher Stärke und sogenannter preußischer Tugenden wie Tapferkeit, Gehorsam
und Pflichtbewusstsein.4 Doch konnte die strenge geschlechtsspezifische Kleiderordnung auch
aufgebrochen werden: durch das, modern formuliert, cross dressing, durch den Tausch der Kleider.5

Seit der Frühen Neuzeit gab es immer wieder Frauen, die sich als Mann verkleideten und so zu Soldaten
wurden. Dies änderte allerdings nichts an dem grundsätzlichen Umstand, dass das Militär ein quasi
"frauenfreier Raum" war und blieb.6 Während Frauen, die Soldatenuniformen trugen, direkt am militärischen
Leben teilnahmen und im Fall ihrer Entdeckung Fragen nach der Geschlechterordnung aufwarfen, wiesen
Preußens Könige manchen adeligen Damen gänzlich andere Funktionen im Heer zu. Sie ernannten
Königinnen, Prinzessinnen und Herzoginnen zu Regimentschefs und gaben ihnen damit repräsentative

3
 Vgl. Karen Hagemann: Der "Bürger" als "Nationalkrieger". Entwürfe von Militär, Nation und Männlichkeit in der Zeit der
Freiheitskriege, in: Dies. / Ralf Pröve (Hg.): Landsknechte, Soldatenfrauen und Nationalkrieger. Militär, Krieg und
Geschlechterordnung im historischen Wandel (Geschichte und Geschlechter, Bd. 26), Frankfurt am Main / New York
1998, 74­102, hier: 87­89.
4
 Vgl. Elisabeth Hackspiel­Mikosch: Stärke, Macht und Eleganz – Die Uniform als Symbol eines neuen Ideals von
Männlichkeit, in: Nach Rang und Stand. Deutsche Ziviluniformen im 19. Jahrhundert, hg. von der Stadt Krefeld,
Deutsches Textilmuseum, Ausstellung, Deutsches Textilmuseum, 2002, Krefeld 2002, 15­27, hier: 20­22.
5
  Zum Phänomen des weiblichen Transvestismus liegen zahlreiche Untersuchungen, besonders aus dem
Forschungsgebiet der Gender Studies, vor. Vgl. zum Beispiel Rudolf Dekker / Lotte van de Pol: Frauen in
Männerkleidern. Weibliche Transvestiten und ihre Geschichte, Berlin 2012; Helen Wanatabe­O'Kelly: Beauty or Beast?
The Woman Warrior in the German Imagination from the Renaissance to the Present, Oxford 2010; Elisabeth Kimmer: In
the Company of Men. Cross­dressed Women around 1800, Detroit 2004; Rudolf Dekker / Lotte van de Pol: Republican
Heroines. Cross dressing Women in the French Revolutionary Armies, in: History of European Ideas 10 (1989), 353­363;
Julie Wheelwright: Amazons and Military Maids. Woman Who dressed as Men in the Pursuit of Life, Liberty and
Happiness, London 1989.
6
 Dirk Alexander Reder: "… aus reiner Liebe für Gott, für den König und das Vaterland." Die "patriotischen
Frauenvereine" in den Freiheitskriegen von 1813­1815, in: Karen Hagemann / Ralf Pröve (Hg.): Landsknechte,
Soldatenfrauen und Nationalkrieger. Militär, Krieg und Geschlechterordnung im historischen Wandel (Geschichte und
Geschlechter, Bd. 26), Frankfurt am Main / New York 1998, 199­222, hier: 201. – Vgl. den Forschungsüberblick in Jutta
Nowosadtko, Krieg, Gewalt und Ordnung. Einführung in die Militärgeschichte (Historische Einführungen, Bd. 6),
Tübingen 2002, 221­230; Karen Hagemann: Venus und Mars. Reflexionen zu einer Geschlechtergeschichte von Militär
und Krieg, in: Dies. / Ralf Pröve (Hg.): Landsknechte, Soldatenfrauen und Nationalkrieger. Militär, Krieg und
Geschlechterordnung im historischen Wandel (Geschichte und Geschlechter, Bd. 26), Frankfurt am Main / New York
1998, 13­48 sowie den Tagungsband Klaus Latzel / Franka Maubach / Silke Satjukow (Hg.): Soldatinnen. Gewalt und
Geschlecht im Krieg vom Mittelalter bis heute (Krieg in der Geschichte, Bd. 60), Paderborn 2011.

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Weibliche Regimentschefs und Heldenjungfrauen - Thomas Weißbrich
Ehrenstellungen.7

Im Folgenden werden diese beiden Phänomene, die die königlich preußische Armee von ihrem Entstehen
bis zu ihrem Untergang begleiteten, in ihrer geschichtlichen Erscheinung und Entwicklung parallel
betrachtet.8 Hierbei wird zum einen der Frage nachgegangen, in welchen Situationen sich den Frauen neue
Handlungsräume eröffneten und wie diese beschaffen waren, und zum anderen der Frage, wie die
Akteurinnen ihr Handeln begründeten und wie ihre männlichen Zeitgenossen es deuteten.

Überlebensgemeinschaften und stehendes Heer

Seit dem Mittelalter begleiteten ungezählte Frauen die Söldnerheere auf den Feldzügen kreuz und quer
durch die Lande und bildeten mit Männern zusammen, vor allem während des Dreißigjährigen Krieges,
Arbeits­ und Überlebensgemeinschaften.9 Die Aufgaben, die ihnen hierbei zufielen, unterschieden sich nur
wenig von denen des zivilen Lebens: Frauen waren für die Verpflegung, Haushaltsführung und
Kindererziehung zuständig und sorgten für Kranke und Verletzte.10 An den unmittelbaren Kampfhandlungen
hatten sie keinen aktiven Anteil, griffen jedoch auch bei Plünderungen zu oder konnten, wenn der Tross in
die Hände der Gegner fiel, zu Opfern von Raub, Vergewaltigung und Mord werden.

In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, in der sich das Militär europaweit grundlegend wandelte,
änderten sich diese Verhältnisse.11 Aus den im Bedarfsfall angeworbenen, sich selbst versorgenden und

7
  Abgesehen vom deutschen Kaiserreich gab es in Europa zum Ende des 19. Jahrhunderts und zum Beginn des 20.
Jahrhunderts weibliche Regimentschefs im russischen Zarenreich und im Königreich Rumänien. Zu den weiblichen
Regimentschefs in Deutschland vgl. Wolfgang Klepzig: Die weiblichen Chefs bzw. Inhaber von Truppenteilen des
deutschen Heeres mit Stand 1914, in: Zeitschrift für Heereskunde 453 (2014), 126­133 u. Zeitschrift für Heereskunde
455 (2015), 30­32; Reinhold Redlin­Fluri: Die weiblichen Regimentschefs und ­Inhaber der deutschen Armee, in:
Zeitschrift für Heereskunde 40 (1976), 102­106, 197; Klaus Schlegel: Weibliche Regimentschefs der deutschen Armee,
in: Zeitschrift für Heereskunde 32 (1968), 111­118.
8
 Im Folgenden werden nicht die Beispiele von Frauen erörtert, die als Stadt­ oder Festungsverteidigerinnen in
Erscheinung traten oder sich in aufständischen Bewegungen und Revolutionen engagierten, sondern um Frauen, die in
eine militärische Organisation, der preußischen Armee, eingebunden waren. Vgl. Marian Füssel: Frauen in der Schlacht?
Weibliche Soldaten im 17. und 18. Jahrhundert zwischen Dissimulation und Sensation, in: Klaus Latzel / Franka
Maubach / Silke Satjukow (Hg.): Soldatinnen. Gewalt und Geschlecht im Krieg vom Mittelalter bis heute (Krieg in der
Geschichte, Bd. 60), Paderborn 2011, 159­178, hier: 160.
9
 Vgl. Bernhard R. Kroener: "… und ist der jammer nit zu beschreiben." Geschlechterbeziehungen und
Überlebensstrategien in der Lagergesellschaft des Dreißigjährigen Krieges, in: Karen Hagemann / Ralf Pröve (Hg.):
Landsknechte, Soldatenfrauen und Nationalkrieger. Militär, Krieg und Geschlechterordnung im historischen Wandel
(Geschichte und Geschlechter, Bd. 26), Frankfurt am Main / New York 1998, 279­296.
10
  Vgl. John A. Lynn: Essential women, necessary wives, and exemplary soldiers: The military reality and cultural
representation of woman's military participation (1600­1815), in: Barton C. Hacker / Margaret Vining (Hg.): A Companion
to Women's Military History (History of Warfare, Bd. 74), Leiden / Boston 2012, 93­135.
11
     Vgl. Jürgen Luh: Kriegskunst in Europa 1650­1800, Köln / Weimar / Wien 2004.

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Weibliche Regimentschefs und Heldenjungfrauen - Thomas Weißbrich
nach Erfüllung der Aufgaben entlassenen Söldnerheeren wurden stehende, dauerhaft eingerichtete Armeen,
die der staatlichen Kontrolle unterlagen; es entstanden Garnisonen, Kasernen und Magazine. 12 Diese
Veränderungen lieferten der Obrigkeit die Gründe, um immer weniger Frauen die Teilnahme an Feldzügen
zu erlauben.

Eine für damalige Verhältnisse ungewöhnliche Stellung im Heer hatte Kurfürstin Dorothea, die zweite
Gemahlin Friedrich Wilhelms von Brandenburg: 1676, im Niederländisch­Französischen Krieg, ernannte der
Kurfürst seine Frau zur Inhaberin des neu aufgestellten "Leib­Regiments zu Fuß". Chef eines Regiments zu
sein, war ein Ehrenamt.13 Die Aufgaben waren vornehmlich repräsentativer Natur, die tatsächliche Führung
der Truppe oblag einem Kommandeur. Verliehen wurde eine solche Stelle stets vom Herrscher, der dadurch
seine Gunst ausdrückte, den Beliehenen aber auch in die Pflicht nahm – was die männlichen
Familienmitglieder, Verwandte und dem Herrscherhaus Nahestehende für diese Position prädestinierte.

Schon vor 1676 hatte Dorothea ihren Mann nicht nur auf seinen diplomatischen Reisen begleitet, sondern
auch auf militärischen Unternehmungen (Abb. 1). Die Kurfürstin habe sich, so fasst es ein Chronist
zusammen, weder durch "die Weite noch die Unbequemlichkeit des Weges so wol zu Lande als zu Wasser /
noch auch die strengeste Winters­Zeit […] abhalten lassen / Sr. Churfürstl. Durchl. welcher aller Heer­Züge
Führer gewesen / in dero Expeditionen […] und […] Belägerungen zu folgen / und gemeine Gefahr / Mühe
und Ungelegenheit mit deroselben auszustehen" – ein Verhalten, das man damals als Ausweis von
besonderer Liebe und Treue deutete.14

12
  Vgl. Beate Engelen: Soldatenfrauen in Preußen. Eine Strukturanalyse der Garnisonsgesellschaft im späten 17. und im
18. Jahrhundert (Herrschaft und soziale Systeme in der Frühen Neuzeit, Bd. 7), Münster 2005.
13
  Walter Transfeldt: Wort und Brauch in Heer und Flotte. 9., überarb. Aufl., hg. von Hans­Peter Stein, Stuttgart 1986,
142f.
14
  Anton Brunsen: Symbolum Pietatis, Denck­ oder Wahl­Spruch Der […] Frauen Dorothea / Marggräfin und Churfürstin
zu Brandenburg […] Bey Dero Chur­Fürstlichen Beysetzung am 12. Septembr. 1689. […] in der ordentlichen Leich­
Predigt erkläret, Cölln an der Spree 1690, 72.

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Abb. 1: Dorothea von Holstein­Glücksburg bei ihrem Mann Friedrich Wilhelm von Brandenburg in der
     Batterie vor Anklam, Friedrich Georg Weitsch, 1800, Öl auf Leinwand, 116 × 161 cm, SPSG, GK I 5142.
                                       Foto: SPSG, DIZ/Fotothek, Jörg P. Anders

Eine Herrscherin als Regimentschef war im Europa des ausgehenden 17. Jahrhunderts ein Novum. 15
Möglicherweise beabsichtigte Kurfürst Friedrich Wilhelm jedoch gar nicht, seine zweite Frau auf diese
besondere Art auszuzeichnen, sondern sie lediglich als Platzhalterin für ihre gemeinsamen Söhne
einzusetzen.16 Für öffentlichkeitswirksame Zwecke wurde ihre Sonderstellung nicht genutzt. Unbekannt ist,
ob sie als Regimentschef bestimmte Kleidungsstücke oder spezielle Accessoires trug oder ob es eine
besondere Inszenierung gab. Auch die Künstler, die in ihren Werken gerne die Gegenwart in Bezug zur
griechisch­römischen Mythologie und Historie und zur Bibel setzten, nutzen in ihren Darstellungen Kurfürstin
Dorotheas nicht das zur Verfügung stehende Repertoire.17 Während sich beispielsweise Königin Christina
von Schweden, die als 18­jährige die Regierung über das Land im Dreißigjährigen Krieg übernommen hatte,
als Amazonenkönigin oder Minerva inszenieren ließ, wurde Kurfürstin Dorothea nicht in vergleichbarer
Weise dargestellt.18 Mit ihrem Tod im Jahre 1690 verschwand in Kurbrandenburg der mit einer Herrscherin
besetzte Posten des Regimentschef.

15
     Eduard Lange: Die Soldaten Friedrich's des Grossen, Leipzig 1853, 44.
16
     Friedrich Wilhelms Söhne aus erster Ehe waren zu dieser Zeit bereits Regimentschefs.
17
  Vgl. zum Beispiel die intensive künstlerische Rezeption des Amazonen­Mythos in der Renaissance und im Barock:
Herbert Hunger: Lexikon der griechischen und römischen Mythologie mit Hinweisen auf das Fortwirken antiker Stoffe
und Motive in der bildenden Kunst, Literatur und Musik des Abendlandes bis zur Gegenwart, 6. Aufl., Reinbek bei
Hamburg 1974, 29­32.
18
  Zur Darstellung der schwedischen Königin Christina siehe Helen Watanabe­O'Kelly: Amazonen in der sozialen und
ästhetischen Praxis, in: Kirsten Dickhaut / Jörn Steigerwald / Birgit Wagner (Hg.): Soziale und ästhetische Praxis in der
höfischen Fest­Kultur im 16. und 17. Jahrhundert (culturae, Bd. 1), Wiesbaden 2009, 127­148, hier: 137­140.

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Porträts in Uniform und Transvestie

In dem jungen, seit 1701 bestehenden Königreich Preußen baute Friedrich Wilhelm I., der militäraffine, doch
kriegsscheue "Soldatenkönig", eine große Armee auf und schuf damit eine wichtige Grundlage für die
spätere Machtstellung des Landes. Unter seiner Regierung etablierte sich das Tragen von Uniformen am
Hof. Der Sohn und Thronfolger Friedrich II. nutze die geerbte Militärmacht schon bald zum Führen von
Kriegen. In der von ihm bevorzugten Rolle des roi­connétable, des Feldherrn­Königs, ließ er sich auf
Herrscherporträts immer wieder in seinem dunkelblauen, mit roten Aufschlägen versehenen Offiziersrock
malen, und auch im Kreis der Generäle und Offiziere der preußischen Armee verbreitete sich das Porträt in
Uniform (Abb. 2).19

     Abb. 2: Ferdinand von Braunschweig­Wolfenbüttel in Uniform, Joachim Martin Falbe zugeschrieben, um
     1755/60, Öl auf Leinwand, 188 × 144 cm, SPSG, GK I 1157. Foto: SPSG, DIZ/Fotothek, Roland Handrick

Ihre Verbundenheit mit dem Militär demonstrierten auch die hohenzollerischen Herrscherinnen in Mode und
Malerei: Friedrichs Mutter, Königin Sophie Dorothea, und seine Frau, Königin Elisabeth Christine, ließen sich
in dunkelblauen Kleidern, deren Borten den schmückenden Stickereien preußischer Offiziersuniformen
ähneln, malen. Die Botschaft von der engen Beziehung auch des weiblichen Teils der Hohenzollernfamilie
zur Armee, die diese Porträts dem höfischen Publikum vermittelten, dürfte gut verstanden worden sein (Abb.

19
   Vgl. Hans Bleckwenn: Altpreußische Offizierporträts. Studien aus dem Nachlaß, hg. von Bernhard Kroener, Osnabrück
2000; Helmut Börsch­Supan: Friedrich der Große im zeitgenössischen Bild, in: Oswalt Hauser (Hg.): Friedrich der Große
in seiner Zeit, Köln 1987, 255­270.

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3).

Abb. 3: Elisabeth Christine von Braunschweig­Bevern, Königin von Preußen, Antoine Pesne, 1740/41, Öl auf
Leinwand, 140 x 107 cm, Eigentum Haus Hohenzollern, SKH Georg Friedrich Prinz von Preußen, GK I 1027.
                                       Foto: SPSG, DIZ/Fotothek, Jörg P. Anders

Zur gleichen Zeit gab es jedoch auch direkte weibliche Partizipation am friderizianischen Heer. Aus dem
Siebenjährigen Krieg ist einer der ersten Fälle von Transvestie in Preußen bekannt. In der Armee Friedrichs
des Großen diente eine Frau, die die reguläre Uniform trug und zusammen mit den Soldaten kämpfte: Anna
Sophia Dettloff.20 Die junge, aus einfachen Verhältnissen stammende Frau trat zu Beginn des Krieges in das
Heer ein. Für die Anwerbung hatte sie eine neue Identität angenommen; sie trug Männerkleidung und
nannte sich Karl Heinrich Buschmann, "wobey ihr männliches Aussehen ihr ungemein sehr zu statten
kam".21 Ihre Gestalt dürfte auch das Uniformtragen wesentlich begünstigt haben, denn der Justaucorps war
im Bereich des Oberkörpers eng geschnitten.22 Nach erfolgreicher Aufnahme in ein Kürassier­Regiment
nahm Dettloff an mehreren Schlachten teil, so im Jahr 1759 bei Kunersdorf, bekleidet mit Zweispitz, Kolett,
Kürass, Hose und Reitstiefeln. Nach vier Jahren gab sie ihre wahre Identität preis, als sie, zu Unrecht des
Diebstahls bezichtigt, in Arrest kam. In dieser Situation "ergriff sie halb aus Verzweifelung das Mittel, den

20
     Vgl. Füssel: Frauen (wie Anm. 8), 169­171.

 Johann Wilhelm Bernhard Hymmen: Zwey Beispiele preußischer Tapferkeit, in: Mannigfaltigkeiten. Eine gemeinnützige
21

Wochenschrift 3 (1772), 649­651, hier: 651.

 Vgl. Daniel Hohrath: Friedrich der Große und die Uniformierung der preußischen Armee vom 1740 bis 1786, 2 Bde.,
22

Wien 2011.

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Lieutenant der Kompagnie ihr Geschlecht zu bekennen und um Entlassung ihrer Dienste zuzusuchen". 23

Während unzählige Frauen an Feldzügen im Tross teilgenommen hatten und ihren etablierten Rollen
nachgekommen waren, gab es nur relativ wenige Frauen, die wie Dettloff als Soldatinnen kämpften – umso
größer war daher die Aufmerksamkeit, die ihnen von Zeitgenossen und späteren Generationen
entgegengebracht wurde. Über die Zahl der verkleideten Soldatinnen in den frühneuzeitlichen Armeen kann
nur spekuliert werden. Da sich alle unter falschen, männlichen Namen in die Regimentslisten eintrugen, sind
nur "entdeckte" Fälle aus Deutschland, den Niederlanden, Frankreich, England und den Vereinigten Staaten
von Amerika bekannt geworden.24 Doch dürfte die Dunkelziffer nicht allzu hoch liegen, da sich das dauerhaft
erfolgreiche Verbergen des eigentlichen Geschlechts unter den militärischen Bedingungen äußerst schwierig
erwies.

Die Gründe und Absichten, die zum cross dressing und Kriegsdienst veranlassten, waren verschieden und
ergaben sich oft aus einem Bündel von Motiven.25 Mal war es der Wunsch, an den Vorteilen der männlichen
Geschlechterrollen teilzuhaben, mal Abenteuerlust, mal patriotisches Engagement oder wirtschaftliche
Erwägungen. Aufklärerische Zeitschriften deuteten den erwähnten Fall der "Pucelle de Pomeranie", der
pommerschen Jungfrau. So erkannte ein 1784 in der Rubrik "Erzählungen und Anekdoten" erschienener
Artikel in der Zeitschrift "Pommersches Archiv der Wissenschaften und des Geschmaks" als Ursache für
Dettloffs Eintritt in die Armee ihr Streben nach Ehre sowie ihr Verlangen, "eine glänzende Rolle in der Welt
zu spielen".26 Ihr mehr männliches als weibliches Aussehen habe den Entschluss unterstützt, "den Mann zu
spielen, und weit über die Grenze ihres Geschlechts hinaus zu gehen". 27 Ihr Transvestismus galt als
Transsexualität: Die militärischen Erfolge der preußischen Armee "gaben ihren jugendlichen Leidenschaften
eine gewisse Beimischung von Neid und eine Art von Unzufriedenheit, ein Mädchen und nicht ein Mann
geboren zu seyn, mit dem Wunsche, dies Hindernis, welches das Schicksal ihrer Ehrbegierde in den Weg
gelegt, durch irgend ein Mittel überwinden zu können".28

23
  Anonym: Pucelle de Pomeranie, in: Pommersches Archiv der Wissenschaften und des Geschmaks 2 (1784), 55­57,
hier: 57.
24
  Aus den frühneuzeitlichen Niederlanden sind ungefähr 120 solcher Fälle bekannt. Vgl. Dekker / van de Pol: Frauen
(wie Anm. 5).
25
  Vgl. Helen Watanabe­O'Kelly: "Damals wünschte ich ein Mann zu sein, umb dem Krieg meine Tage nachzuhängen."
Frauen als Kriegerinnen im Europa der Frühen Neuzeit, in: Klaus Garber u.a. (Hg.): Erfahrung und Deutung von Krieg
und Frieden: Religion – Geschlechter – Natur und Kultur, München 2001, 357­368, hier: 365.
26
     Anonym: Pucelle (wie Anm. 23), 56.
27
     Anonym: Pucelle (wie Anm. 23), 55.
28
     Anonym: Pucelle (wie Anm. 23), 55.

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Transvestieren war in den christlich geprägten Gesellschaften Europas seit dem Mittelalter streng verboten,
von Transsexualität ganz zu schweigen. Wer die Kleidung des anderen Geschlechts trug, der handelte nicht
gottgefällig: "Eine Frau soll nicht Männersachen tragen und ein Mann soll nicht Frauenkleider anziehen;
denn wer das tut, der ist dem Herrn, deinem Gott, ein Gräul."29 Doch nicht nur aus dem Alten Testament
wurden Verbote abgeleitet. Auch nach dem zeitgenössischen Verständnis der Geschlechterrollen war es
nicht vorstellbar, Frauen offiziell zum Militär zuzulassen. So erörterte der Jurist Johann Christian Lünig 1723
die "curieuse Frage", ob Frauen im Krieg als Soldaten zu gebrauchen seien und kam dabei zu dem Schluss,
dass es "einer bürgerlichen Gesellschaft höchst nachtheilig seyn, und den Wohlstand verletzten würde,
wenn entweder die Männer zu Hause bleiben, und die Weiber in Krieg lauffen, oder beyde zugleich Soldaten
abgeben wollten, indeme dadurch die Kinder­Zucht […] vernachlässiget, und die Haußhaltung, welcher
vorzustehen der Weiber vornehmstes Amt ist, zu Grunde gehen, und die Unzucht befördert werden würde".30
Und drei Jahre später stellte Hans Friedrich von Fleming in seiner enzyklopädischen Abhandlung über das
Heerwesen apodiktisch fest: "Es schicket sich keine Weibes­Person zum Soldaten Diensten." 31

Weibliche Regimentschefs und Heldenjungfrauen

An den für lange Zeit unverrückbar festen Vorstellungen von Geschlechterrollen begann sich erst zum Ende
des 18. Jahrhunderts etwas zu ändern – jedoch nicht in Preußen, sondern in Frankreich. Die Impulse dazu
gab 1789 die Französische Revolution. An den umwälzenden Vorgängen hatten auch zahlreiche Frauen
teilgenommen, und diese forderten daraufhin ihre Gleichberechtigung sowie das Recht auf Bewaffnung. Im
März 1792 erklärte Pauline Léon, Sprecherin der Pariser Frauen, der Nationalversammlung mit Verweis auf
die égalité:

             "Ja, Waffen sind es, die uns fehlen, und wir möchten Euch um Erlaubnis bitten, uns damit
             auszustatten […]. Ihr dürft uns nicht zurückweisen, und die Gesellschaft darf uns dieses von der
             Natur gegebene Recht nicht streitig machen, es sei denn man behauptet, die Deklaration der
             Rechte habe auf die Frauen keinerlei Anwendung." 32

Im Sinne bürgerlicher Gleichberechtigung forderten auch andere Französinnen das Recht, sich zu bewaffnen

29
     5. Mose, 22,5.

 Johann Christian Lünig: Erörterung der Frage: Ob die Weiber im Kriege als Soldaten zu gebrauchen?, in: Ders.:
30

Corpus Iuris Militaris Des. Heil. Röm. Reichs […], 2 Bde., Leipzig 1723, Bd. 2, 513­515, hier: 514.
31
     Hans Friedrich von Fleming: Der Vollkommene Teutsche Soldat […], Leipzig 1726, 493.
32
  Zitiert nach Ursula Geitner: "Die eigentlichen Enragées ihres Geschlechts." Aufklärung, Französische Revolution und
Weiblichkeit, in: Helga Grubitzsch / Hannelore Cyrus / Elke Haarbusch (Hg.): Grenzgängerinnen. Revolutionäre Frauen
im 18. und 19. Jahrhundert. Weibliche Wirklichkeit und männliche Phantasien, Düsseldorf 1985, 181­217, hier: 205.

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und in die Armee einzutreten.33 Die Frage, welche Uniformen sie tragen würden, blieb undiskutiert. Hatten
die verkleideten Soldatinnen bislang aus persönlichen Gründen gehandelt, wurden nun erstmals auch
politisch­emanzipatorische Motive artikuliert. Die französische Nationalversammlung lehnte die
Frauenforderungen allerdings strikt ab.34

Die zunächst vom revolutionären, dann vom napoleonischen Frankreich ausgelösten Kriege zerrissen bald
ganz Europa. Während sich der seit 1797 regierende preußische König Friedrich Wilhelm III. außenpolitisch
um Neutralität bemühte, bezog seine junge Gattin Luise am Hofe klare Position: gegen Napoleon I., den
Kaiser der Franzosen. In dieser Zeit des krisenhaften Übergangs von alter ständisch geprägter zu moderner,
nationalbewusster Staatlichkeit wurde in Preußen wieder ein weiblicher Regimentschef ernannt.

Im März 1806 hatte sich die Lage so zugespitzt, dass eine neutrale Position Preußens unmöglich wurde. Als
während einer Parade in Berlin das Dragoner­Regiment Nr. 5 die Aufmerksamkeit des königlichen Paares
auf sich zog, ernannte Friedrich Wilhelm III. seine Gattin Luise kurzerhand zum Chef dieser Einheit, die
darauf per allerhöchster Kabinettsorder in "Dragoner­Regiment der Königin" umbenannt wurde.35 Hinter dem
schnellgefassten Entschluss, Luise die durch den Tod des alten Inhabers freigewordene Stelle zu geben,
steckte vermutlich Friedrich Wilhelms Versuch, das anti­napoleonische Engagement seiner Frau zu
unterstützen.

Der Handlungsraum, der sich Königin Luise eröffnete, war begrenzt. Sie wurde zwar über alle wichtigen
Regimentsangelegenheiten regelmäßig informiert, hatte jedoch keine Befehlsgewalt. Das Prestige ihrer
Stelle war indes groß: Zu den repräsentativen Aufgaben gehörte nämlich die öffentlichkeitswirksame
Demonstration militärischer Macht, das Abnehmen der Parade. Zu diesem Zwecke wurde zum ersten Mal
eine speziell weibliche Uniform angefertigt. Luise ließ sich ein Kleid im Stil der Offiziersuniform ihres
Regiments schneidern, in dem sich ihr Modebewusstsein und der "Uniformtick" des Königs niederschlugen.36
Es bestand aus einem eng geschnittenen blauen Spenzer mit karmesinroten Rabatten und Aufschlägen,
silbernen Litzen sowie einem farblich dazu passenden Reitrock. Anstelle des von den Offizieren

33
     Vgl. Dekker / van de Pol: Heroines (wie Anm. 5), hier: 354.
34
     Vgl. Hagemann: Heldenmütter (wie Anm. 2), 197­199.

 Vgl. Heinrich Ravenstein: Historische Darstellung der wichtigsten Ereignisse des Königlich­Preußischen Zweiten
35

Kürassier Regiments (genannt Königin) von dessen Stiftung im Jahre 1717 bis zum Jahre 1820, Berlin 1827, 60f.
36
  Vgl. Bärbel Hedinger: Luise. Kleider für die Königin. Mode, Schmuck und Accessoires am preußischen Hof um 1800,
hg. von der Generaldirektion der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin­Brandenburg, Ausstellung, Paretz,
Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin­Brandenburg, 2010, München 2010; Karen Hagemann: "Mannlicher
Muth und Teutsche Ehre". Nation, Militär und Geschlecht zur Zeit der Antinapoleonischen Kriege Preußens (Krieg in der
Geschichte, Bd. 8), Paderborn u.a. 2002, 430.

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vorschriftsmäßig getragenen Zweispitzes trug Luise einen schwarzen Hut. So gekleidet, fuhr sie am 18.
September 1806 vor dem in den Krieg ziehenden Regiment durch Berlin und ließ es hinter dem
Brandenburger Tor an sich vorbeiziehen.

Ein weiblicher Regimentschef rief in der Truppe indes nicht nur Begeisterung hervor, sondern auch den
Spott des alten Offizierskorps. Für Friedrich August Ludwig von der Marwitz war die Angelegenheit eine
"harmlose Weiberfreude".37 Vor allem die französische Presse überzog die Königin mit Hohn. Die
napoleonische Propaganda publizierte verschiedene Flugblätter, darunter eines, auf dem sie ihre Truppen
mit Worten in den Kampf schickt, die ihr der Teufel ins Ohr flüstert.38

Eine nähere Beziehung zwischen dem Regiment und seinem neuen Chef vermochte sich nicht zu
entwickeln, denn nur wenige Monate nach der Verleihung wurde die Einheit in der Schlacht bei Jena und
Auerstedt am 14. Oktober 1806 fast vollständig aufgerieben. Nicht mehr in Uniform, sondern in einem
modischen Kleid traf Königin Luise im Juli des darauffolgenden Jahres Kaiser Napoleon in Tilsit und bat ihn
um milde Friedensbedingungen.

Nach dem frühen Tod von Luise 1810 durfte das Regiment den Namen der Königin weiterhin führen. "Der
Eindruck", heißt es in der Regimentsgeschichte dazu, "welchen diese Allerhöchste Gnade damals auf das
ganze Regiment machte, war ungemein erhebend, und in dieser Stimmung ward der Entschluß feierlich
erneuert, unter allen Verhältnissen durch unerschütterliche Treue und, wo sie gefordert werden möchte,
auch mit völliger Hingebung, dieses höchsten Namens sich überall würdig zu bezeigen".39 In dieser Reaktion
zeigt sich die offenbar enge, emotional und moralisch verpflichtend empfundene Beziehung der Soldaten zur
Königin. Der vergebliche Tilsiter Bittgang wurde später zu einem Grundstein für den nationalen
Luisenmythos, und auch ihre Rolle als Regimentschef wurde bis ins frühe 20. Jahrhundert immer wieder in
Erinnerung gerufen (Abb. 4).40 Und mehr noch: Seit Luise galten alle Königinnen von Preußen als Chef des
"Regiments der Königin".

37
     Zitiert nach Hedinger: Luise (wie Anm. 36), 172, Kat.­Nr. 32.
38
     Vgl. Hedinger: Luise (wie Anm. 36), 172­175, Kat.­Nr. 32.
39
     Ravenstein: Darstellung (wie Anm. 35), 92f.
40
     Vgl. Günter de Bruyn: Preußens Luise. Vom Entstehen und Vergehen einer Legende, Berlin 2001.

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Abb. 4: "Königin Luise empfängt […] ihr Regiment Königin­Dragoner", Richard Knötel, 1896,
                        Chromolithografie, 17,2 x 23,6 cm, DHM, RA 56/4956 . Foto: DHM

Doch fast 30 Jahre lang blieb der Posten zunächst vakant. Erst im August 1840 gab es mit Königin Elisabeth
wieder einen weiblichen Regimentschef. Als Inhaberin des inzwischen zu Kürassieren gewordenen
"Königin"­Regiments zeichnete sie sich in den folgenden Jahren durch soziales Engagement aus. Dies war
nicht nur Ausweis klassischer Herrschertugenden, sondern galt seit dem Befreiungskrieg auch als Beleg
patriotischer Gesinnung.41

Das politische Leben in Preußen war fast frei von Frauen. Die 1813 ausgerufene allgemeine Wehrpflicht
begünstigte nämlich nicht nur den weiteren Ausschluss von Frauen aus dem Armeetross, der bereits im
späten 17. Jahrhundert eingesetzt hatte. Da die Wehrpflicht den Dienst an der Waffe mit
Staatsbürgerrechten koppelte, schloss sie auch Frauen von öffentlichen Aktivitäten weitgehend aus.42 Im
Befreiungskrieg engagierte sich die weibliche Bevölkerung oft in "patriotischen Frauenvereinen", die sich um
die Ausstattung der neu gebildeten Freiwilligeneinheiten oder um die Versorgung von Verletzten in
Lazaretten kümmerten.43 Die überwiegende Mehrheit der Frauen vertrat stillschweigend die Ansicht, dass es
sich für sie nicht zieme, "die ehrenvolle und glänzende Bahn der Vertheidiger des Vaterlands zu betreten,
und an dem blutigen Kampf für Deutschlands Ehre, Unabhängigkeit und Freiheit unmittelbaren Antheil zu
nehmen […]".44 Die im Mai 1813 im "Russisch­Deutschen Volksblatt" geforderte Aufstellung eines

41
     Vgl. Schlegel: Regimentschefs (wie Anm. 7), 112; Hagemann: Heldenmütter (wie Anm. 2), 190.
42
     Vgl. Ute Frevert: Die kasernierte Nation. Militärdienst und Zivilgesellschaft in Deutschland, München 2001, 18­62.
43
     Vgl. Reder: Liebe (wie Anm. 6).
44
     Zitiert nach Reder: Liebe (wie Anm. 6), 199.

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"Amazonen­Heer[es]" aus jungen, unverheirateten Frauen löste daher eine große Kontroverse aus.45 Die
Initiative stieß jedoch überwiegend auf Ablehnung, und König Friedrich Wilhelm III. unterband die Diskussion
schließlich.

Diesen Vorzeichen zum Trotz kämpften im Befreiungskrieg mehrere als Männer verkleidete Frauen in der
preußischen Armee. Von den 23 namentlich bekannt gewordenen erwarb Marie Christine Eleonora
Prochaska die wohl größte Berühmtheit.46 Diese Tochter eines invaliden Unteroffiziers aus Potsdam meldete
sich im Juni 1813 unter dem Namen August Renz zum "Lützowschen Freikorps". Ihrem Bruder schrieb die
28­jährige nach mehreren Wochen: "Nun habe ich Dir noch etwas ganz neues zu erzählen, worüber Du mir
aber vorher versprechen mußt, nicht böse zu seyn. Ich bin seit vier Wochen schon Soldat! erstaune nicht,
aber schelte auch nicht; Du weißt, daß der Entschluß schon seit Anfang des Krieges meine Brust
beherrschte. […] [I]ch war im Innern meiner Seele überzeugt, keine schlechte oder leichtsinnige That zu
begehen; denn siehe Spanien oder Tyrol, wie da die Weiber handelten! […] [M]einer Klugheit kannst du
trauen, daß ich unerkannt bleibe."47

Ihr Handeln legitimierte Prochaska nicht nur als patriotische Tat, sondern auch durch Verweis auf Vorbilder:
In Spanien hatten sich Frauen am 1808 begonnenen Aufstand gegen die napoleonische Herrschaft
engagiert, und ebenso beteiligten sich Tirolerinnen 1809 am Kampf gegen die Franzosen. 48

Die wahre Identität des Soldaten Renz blieb mehrere Wochen lang verborgen. Da sich der Lützower
Freiwilligenverband zunächst selbst mit Kleidung ausstattete, mag es Prochaska gut gelungen sein, ihr
Geschlecht durch entsprechend ausgewählte Stücke zu kaschieren. Ihre Weiblichkeit zu verbergen
erforderte Geschicklichkeit, denn die Freikorpssoldaten trugen eine eng anliegende Litewka. 49

Als Prochaska am 16. September 1813 in der Schlacht an der Göhrde eine schwere Verwundung am

45
     Vgl. Hagemann: Muth (wie Anm. 36), 390­392.
46
  Vgl. Hagemann: Muth (wie Anm. 36), 384; Thoralf Rauchfuß: "Doch ich müsste mich schämen, ein Mann zu
heissen…" Über verkleidete Kämpferinnen der Befreiungskriege, in: Gerhard Bauer / Gorch Pieken / Matthias Rogg
(Hg.): Blutige Romantik. 200 Jahre Befreiungskriege. Essays, Dresden 2013, 148­155; Karen Hagemann: 'Heroic Virgins'
and 'Bellicose Amazons': Armed Women, the Gender Order and the German Public during and after the Anti­Napoleonic
Wars, in: European History Quarterly 37 (2007), 507­527.
47
     Zitiert nach Götting­Nilius / Bastet: Prochaska (wie Anm. 1), 22.
48
   Vgl. John Lawrence Tone: A Dangerous Amazon: Agustina Zaragoza and the Spanish Revolutionary War, 1808­1814,
in: European History Quarterly 37 (2007), 548­561.

 Die preußische Linieninfanterie trug hingegen einen frackartigen, zugeknöpften Rock. Vgl. Oliver Schmidt: Prussian
49

Regular Infantryman 1808­15 (Warrior, Bd. 62), Oxford 2003.

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Oberschenkel erlitt, bemerkten die zu Hilfe Eilenden, dass es sich bei ihrem vermeintlichen Kameraden in
Wirklichkeit um eine Frau handelte. Am 5. Oktober starb sie, die Beinverletzung war von Wundbrand
befallenen worden. Nachdem König Friedrich Wilhelm III. von ihrem Schicksal erfahren hatte, erklärte er "es
werde von ihm auf die Erhaltung des ruhmwürdigen Andenkens der für König und Vaterland in den Tod
gegangenen Eleonore Prochaska Bedacht genommen werden". 50 Zu solch offiziellen Initiativen kam es
jedoch nicht. Die Kriegsberichterstattung hatte die Nachrichten über das "Mädchen" schnell in der
Öffentlichkeit verbreitet, und auch das dichterische Interesse richtete sich rasch auf die Soldatin, die zur
"Heldin" stilisiert wurde. So veröffentlichte der Hofrat Carl Heun im Dezember 1813 in der "Feld­Zeitung" ein
Gelegenheitsgedicht, in dem er sie als "deutsche Jeanne d'Arc" heroisierte. 51

Die männlichen Zeitgenossen legitimierten Prochaskas Bruch mit den Konventionen mit dem Verweis auf
ihre Tapferkeit und Vaterlandsliebe und deuteten so das grundsätzlich Verbotene in ihrem Sinne um. Dabei
waren sie stets darauf bedacht, die Einzigartigkeit des Falls hervorzuheben, um Nachahmungstaten zu
verhindern. Was ihnen allerdings nicht ganz gelang: Die Bremerin Anna Lühring fühlte sich durch Prochaska
inspiriert und trat 1814 in das "Lützowsche Freikorps" ein.

Die Erinnerung an die gefallene Eleonora Prochaska wurde im 19. Jahrhundert zum Zweck patriotisch­
nationalistischer Erziehung wach gehalten, besonders zum 100. Jubiläum des Befreiungskriegs.52 In
geschichtlichen Arbeiten fand das "Heldenmädchen" einen festen Platz, und auch zahlreiche Gedichte,
Erzählungen und Theaterstücke befassten sich mit ihr. Diese literarischen Verarbeitungen zeigten
Prochaska oft nicht als selbständig handelnde junge Frau, sondern als Tochter, die im väterlichen Sinn
agiert.53 Viele bildliche Darstellungen fixierten den Moment ihrer Verwundung oder die Entdeckung ihrer
Weiblichkeit (Abb. 5). Im Laufe der Jahre entwickelten sich aus den wenigen Fakten viele Fiktionen, etwa die
von der Trommlerin, die in der Schlacht den Angriff vorantrug. 54

50
     Zitiert nach Förster: Helden (wie Anm. 1), 860.
51
     Vgl. Hagemann: Heldenmütter (wie Anm. 2), 196­199.
52
     Vgl. Götting­Nilius / Bastet: Prochaska (wie Anm. 1), 34­45.
53
   Vgl. Helen Watanabe­O'Kelly: Representations of the Heroic Maiden. Eleonore Prochaska in Nineteenth­Century
German Literature, in: Nigel Harris / Joanne Sayner (Hg.): The Text and its Context. Studies in Modern German
Literature and Society. Presented to Ronald Speirs on the Occasion of his 65th Birthday, Oxford u.a. 2008, 315­326.
54
     Vgl. Götting­Nilius / Bastet: Prochaska (wie Anm. 1), 38f.

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Abb. 5: "Eleonore Prohaskaʼs Tod", Wilhelm Lindenschmitt, 1863, Holzstich, 19,7 x 28,4 cm. Foto: bpk

Eine bemerkenswerte, in der Erinnerungskultur jedoch weit weniger präsente militärische Karriere
absolvierte Sophia Dorothea Friederike Krüger, auch Auguste Friederike Krüger genannt.55 Als die
preußische Armee Anfang 1813 in ihrer Heimat warb, nutzte die 23­jährige diese Gelegenheit, um als Mann
namens August Lübeck in das "Colbergsche Infanterie­Regiment" einzutreten. Krüger gelang es, ein halbes
Jahr als Mann zu gelten, wenngleich ihre hohe Stimme mehrfach auffiel. 56 In der Schlacht bei Dennewitz am
6. September 1813 wurde sie an Schulter und Fuß verletzt. Bei der Behandlung ihrer Wunden erkannte der
Arzt ihr Geschlecht. Wegen der von ihr bewiesenen Tapferkeit vor dem Gegner wurde sie noch während der
Schlacht zum Unteroffizier ernannt und später mit dem Eisernen Kreuz zweiter Klasse und dem russischen
St. Georgs­Orden ausgezeichnet.57 Krüger verbrachte mehrere Wochen in einem Berliner Lazarett, in dem
König Friedrich Wilhelm III. sie besuchte. Mit seiner Zustimmung kehrte sie zum Regiment zurück, in dem sie
nun offiziell als Frau weiter kämpfte. Dies ist bemerkenswert, denn in der Regel wurden die Soldatinnen
nach ihrer Entdeckung schnell aus dem Kriegsdienst entlassen. Dass Krügers Integration in das preußische
Militär auf ein gewisses Unbehagen stieß, lässt die Reaktion Ludwig von Borstells erkennen. Der
Generalleutnant hielt fest, dass ihre "Annahme als Soldat" zunächst "pflichtgemäß verweigert […] und nur
ungern zugebilligt […]" worden sei.58

55
     Vgl. Hagemann: Muth (wie Anm. 36), 386­388.
56
  Vgl. Heinrich Arminius Riemann: Der Unteroffizier im Regimente Colberg Sophia Dorothea Friederike Krüger, Ritter
des eisernen Kreuzes und des russ. Georgen­Ordens aus Friedland in Meklenburg­Strelitz. Keine Novelle, sondern ein
Lebensbild, nach Urkunden gezeichnet, Berlin 1865, 20.
57
     Vgl. Riemann: Unteroffizier (wie Anm. 56), 24.
58
     Zitiert nach Riemann: Unteroffizier (wie Anm. 56), 38.

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Nach dem Krieg beschloss Krüger, "den Waffenrock alsbald für immer auszuziehen".59 Sie verließ die Armee
und heiratete im März 1816 den Unteroffizier Karl Köhler. Ein Schreiben von König Friedrich Wilhelm III. zur
Hochzeit enthielt neben Glückwünschen auch die Bemerkung, der Monarch hoffe, "sie möge nun auch den
Unteroffizier ganz vergessen, ihrem Manne folgsam sein und das Wort der heiligen Schrift stets vor Augen
haben: er soll dein Herr sein".60 Durch die Heirat wurde Krüger in die zivilgesellschaftlich akzeptierte
Frauenrolle gedrängt, und so war die gewohnte Ordnung wiederhergestellt. Mit dem Hinweis auf die
"Subordination" in der Ehe endet auch das 1817 erschienene Gedicht "Der Unteroffizier Auguste Friederike
Krüger" von Friedrich Rückert, dessen Strophen zuvor die durch die Transvestie verursachten Irritationen
thematisieren.61

Für die Festigung der bestehenden Verhältnisse und die weitere Bindung der Armee an das Haus
Hohenzollern sorgten vor allem die preußischen Herrscher. Sie hielten nicht nur an den
Regimentsverleihungen an die Königin fest, sondern vergaben noch mehr dieser Ehrenämter an Frauen.
Während die Verleihung des "Königin"­Regiments an Königin Elisabeth 1840 Teil der dynastischen
Traditionspflege war, waren die nachfolgenden Verleihungen vor allem innenpolitisch motiviert. Am 18.
Oktober 1861, dem Tag der Krönung Wilhelms I. und seiner Frau zum neuen preußischen Königspaar,
wurde Augusta nämlich nicht nur folgerichtig nächster Chef des "Königin"­Regiments, sondern zugleich Chef
des neu aufgestellten "Königin Augusta Garde­Grenadier­Regiment Nr. 4" (Abb. 6). Zudem bekam die
Königinwitwe Elisabeth das "Königin Elisabeth Garde­Grenadier­Regiments Nr. 3" und Kronprinzessin
Viktoria das "2. Leibhusaren­Regiment" verliehen.62 Diese vier Verleihungen fanden vor dem Hintergrund des
sogenannten preußischen Verfassungskonflikts statt, in dem es um die Finanzierung einer Heeresreform
und Heeresvergrößerung ging, die zwischen König und Parlament äußerst strittig war.63 Dass die
Verleihungen eine Art Bestandsschutz der neuen Einheiten waren, erklärt die Regimentsgeschichte des
"Königin Elisabeth Garde­Grenadier­Regiments": "Wer wollte es nun wagen", lautet die dort aufgeworfene
rhetorische Frage, "Regimenter aufzulösen, die einen Königlichen Namen an ihrer Spitze führten?"64

59
     Zitiert nach Riemann: Unteroffizier (wie Anm. 56), 44.
60
     Zitiert nach Riemann: Unteroffizier (wie Anm. 56), 48.
61
  "Dieser Unteroffizier, / Wie ein Mann steht er allhier; / Wenn er seinen Rock zieht aus, / Wird, o weh, ein Mädchen
draus, / Und wenn jemand ihn will freyn, / Darf es selbst kein Mädchen seyn. Das sind Wunder Gottes." Friedrich
Rückert: Kranz der Zeit, Stuttgart / Tübingen 1817, 95.
62
     Vgl. Redlin­Fluri: Regimentschefs (wie Anm. 7).

 Vgl. Dierk Walter: Preußische Heeresreformen 1807­1870. Militärische Innovation und der Mythos der "Roonschen
63

Reform" (Krieg in der Geschichte, Bd. 16), Paderborn u.a. 2003, 390­469.
64
  Constantin von Altrock: Geschichte des Königin Elisabeth Garde­Grenadier­Regiments Nr. 3. Von seiner Stiftung 1859
bis zum Jahre 1896, Berlin 1897, 12f.

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Abb. 6: Postkarte "Kaiserin Auguste Victoria auf der Parade", um 1900, 9 x 13,7 cm. Foto: private Sammlung

Die weiblichen Regimentschefs erfüllten, neben gelegentlichen Repräsentationsfunktionen, hauptsächlich
fürsorglich­mütterliche Aufgaben, die dem Rollenbild der Frau entsprachen. Königin Augusta kümmerte sich
in den Kasernen nicht nur um Raumschmuck und Blumengärten, sondern "[o]ft erschien sie unangemeldet
zur Inspektion […], besichtigte die Küche, kostete vom Mannschaftsessen und sorgte für die genaue
Durchführung hygienischer Vorschriften".65

Körperliche Musterung und stolze Uniform

Aus den Einigungskriegen von 1864, 1866 und 1870/71 gegen Dänemark, Österreich­Ungarn und
Frankreich sind keine Fälle von als Mann verkleideten und kämpfenden Frauen in der preußischen Armee
bekannt. Seit dem Befreiungskrieg hatten sich die Zugangsbedingungen zum Militär verschärft und die
Musterung professionalisiert. Ärzte untersuchten und prüften nun die körperliche Tauglichkeit der
Wehrpflichtigen, ein Verfahren, dass das Verbergen des Geschlechts nicht mehr zuließ. 66 Doch gerade
dieser Ausschluss von Frauen aus der Armee beschäftigte nun zunehmend die männliche Fantasie. Um die
Jahrhundertwende erschienen Postkarten mit dem "Zukunftsbild der Infanterie": Sie zeigten die Musterung
von Frauen, Frauen beim Einkleiden, Parademarsch, am Querbaum und beim Wäsche­Appell und führten

65
     Schlegel: Regimentschefs (wie Anm. 7), 112.
66
  Der Fall von Bertha Weiss, die während des Deutsch­Französischen Krieges im "Infanterie­Regiment 'von Horn' (3.
Rheinisches) Nr. 29" in Koblenz diente, brachte die Zeitgenossen in Erklärungsnot: "Wie es möglich war, dass sie als
Weib in Uniform gesteckt und als aktiver Soldat eingereiht werden konnte, lässt sich nur durch eine weniger peinliche
Kontrolle infolge der Kriegswirren und Truppenverschiebungen erklären. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass Bertha
Weiss unter Mitwisserschaft eines anderen falsche oder gefälschte Papiere benutzte." Magnus Hirschfeld: Die
Transvestiten. Eine Untersuchung über den erotischen Verkleidungstrieb mit umfangreichen casuistischen und
historischen Material, Berlin 1910, 522.

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