Weil du mir gehörst MITTWOCH, 12. FEBRUAR 2020 - 20:15 Uhr - SWR
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INHALT VORWORT DER REDAKTION 4 INHALT 5 BESETZUNG UND STAB 7 STATEMENT VON KATRIN BÜHLIG 8 STATEMENT VON ALEXANDER DIERBACH 10 INTERVIEW MIT JULIA KOSCHITZ 13 INTERVIEW MIT FELIX KLARE 15 STATEMENT DER PRODUZENTEN 18 DER TALK ZUM FILM 20 IMPRESSUM 21 2
WENN KINDER VON IHREN ELTERN MANIPULIERT WERDEN: EIN FILM, DER UNS ALLE HERAUSFORDERT Statement von Redakteurin Claudia Gerlach-Benz und Innerhalb nur eines Jahres wandelt sich die Beziehung Abteilungsleiter Manfred Hattendorf der achtjährigen Anni zu ihrem Vater von ausgelasse- ner Vertrautheit zu einem »Ich hasse dich«, das lange Mit »Weil du mir gehörst« setzt der SWR seine Tradition über den Film hinauswirkt. Sie ist zur Waffe im Krieg von starken Fernsehfilmen mit gesellschaftsrelevanten ihrer Mutter Julia mit deren Ex-Partner Tom, ihrem Vater Themen fort, denen eines gemeinsam ist: Es sind inten- geworden. Ein gnadenloser Konflikt, in dem die betei- siv inszenierte Geschichten, deren Figuren einen nicht ligten Jugendämter, Familiengerichte und Anwälte von mehr loslassen, Geschichten aus dem wirklichen Leben, Bühlig sehr differenziert gezeichnet werden. basierend auf Recherchen. In »Weil du mir gehörst« geht es nicht darum, Vätern »Weil du mir gehörst« ist ein sehr emotionaler Film oder Müttern einseitig die Schuld zu zuweisen, sondern über eine Familie, die nach der Trennung der Eltern ein den Prozess der Programmierung eines entfremdenden zweites Mal auf tragische Weise auseinander bricht. Der Elternteils aufzuzeigen. Es geht um die extrem schwie- Befund: Eltern-Kind-Entfremdung. rige Situation des Kindes in der Mitte des Elternkon fliktes und seine Bewältigungsversuche. Ebenso um die Auf dieses Projekt haben wir uns in der Fernsehfilm Ohnmachtsgefühle des entfremdeten Elternteils und redaktion des SWR erneut gemeinsam mit der Firma welche Rolle die Familiengerichtsbarkeit spielt. ffp New Media verabredet, die uns nach dem mit meh- reren Preisen ausgezeichneten Cybergrooming-Film Lange haben wir über die angemessene Form nachge- »Das weiße Kaninchen« wieder einen brisanten Stoff dacht, in der diese Geschichte erzählt werden sollte. Wir vorgeschlagen hat. Es geht darum, was passiert, wenn haben uns bewusst für die vorliegende Form und das Eltern nach der Trennung von ihrer Partnerin oder ihrem offene Ende entschieden. Wir erleben die Perspektiven Partner ihre Kinder dem anderen Elternteil gegenüber und das Leid von Mutter, Vater und Kind fast körperlich manipulieren, bis hin zur Zerstörung der Liebe. mit. Aus der Zusammenarbeit der Drehbuchautorin Katrin Schon bei Previews und Vorführungen bei diversen Fes- Bühlig und des Regisseurs Alexander Dierbach ist mit tivals hat unser Film für Aufsehen gesorgt, weil er nicht exzellenten Schauspielern ein Film mit großer Wirkung nur bewegt, aufwühlt und teils sprachlos macht, son- entstanden, in Bildern, die einen nicht loslassen. dern auch auf eine politische Debatte über Kindeswohl, Umgangsrecht und Betreuungsmodelle trifft. 4
INHALT Als Paar sind sie gescheitert, doch als Eltern teilen sich Ein Jahr zuvor sieht es noch anders aus. Bei der Schei- Julia und Tom, gespielt von Julia Koschitz und Felix Klare, dung ist vereinbart worden, dass Julia und Tom sich nach der Scheidung das Sorgerecht für die Tochter Anni. das Sorgerecht teilen. Jedes zweite Wochenende ver- Von ihren verletzten Gefühlen getrieben, beginnt Julia, bringt Anni bei ihrem Vater, den sie innig liebt. Tom hat, das Mädchen systematisch dem Vater zu entfremden. anders als Julia, eine neue Partnerin. Mit Jenny und ihrer Das Drehbuch zu diesem Fall von Eltern-Kind-Enfrem- kleinen Tochter Mia versteht Anni sich gut, es wächst dung schrieb Katrin Bühlig, in Szene setzte es Alexander so etwas wie eine neue Familie zusammen. Nur Julia Dierbach. kommt mit der neuen Situation nicht zurecht. In ihrem Schmerz beginnt sie, Anni zu manipulieren und gegen den Vater einzunehmen. Toms Treffen mit seiner Tochter Ein gutes Jahr nach ihrer Scheidung stehen Julia und werden immer wieder verhindert, angeblich vergisst er Tom erneut vor Gericht. Das Sorgerecht für die gemein- Anni wegen der neuen Familie. Tom versteht lange nicht, same Tochter soll auf Julias Antrag hin neu entschieden was vorgeht. Als Julia sich einen Anwalt nimmt und mit werden. Bei der Befragung gerät die achtjährige Anni in allen Mitteln um die Aufhebung des gemeinsamen Sor- Panik – sie möchte lieber tot sein als mit ihrem Vater zu gerechts kämpft, wird klar, dass sie Tom aus Annis Leben tun zu haben. Was hat zu dieser vehementen Ablehnung werfen will. Damit setzt sie einen Prozess in Gang, der geführt? immer mehr eskaliert und das Mädchen zunehmend verstört. 5
BESETZUNG STAB Julia Julia Koschitz Buch Katrin Bühlig Tom Felix Klare Regie Alexander Dierbach Anni Lisa Marie Trense Kamera Jan Blumers Jenny Marie Collet Schnitt Biljana Grafwallner-Brezovska Elvira Teresa Harder Musik Sebastian Pille Horst Lutz Blochberger Szenenbild Alexander Wunderlich Heidi Monika Lennartz Kostümbild Andreas Janczyk Martin Wolters Jochen Hägele Besetzung Gitta Uhlig Sabine Slowinski Jule Gartzke Anne Kowalski Heidrun Gärtner Theresa Berlage Lisa Pfaff Caroline Seidel Anja Nejarri Producerin Anemone Müller Produzenten Simone Höller Michael Smeaton Redaktion Claudia Gerlach-Benz Eine Produktion der FFP New Media im Auftrag des SWR. 7
STATEMENT DER DREHBUCHAUTORIN KATRIN BÜHLIG Es gibt Filme, die kann man als Autorin schreiben, bekommen, worüber ich schreiben will. Zum Glück fand weil sie unterhaltsam, spannend oder lustig sind. Und ich mit Jürgen Rudolph, einem ehemaligen Familienrich- es gibt Filme, die man schreiben muss, weil sie eine ter und Experten auf dem Gebiet der Eltern-Kind-Ent- gesellschaftliche Relevanz haben, weil sie nötig sind fremdung, einen ausgezeichneten Fachberater. und weil sie vielleicht etwas im realen Leben verän- dern könn(t)en. Das mag vielleicht naiv klingen, aber Aber dann fing die Arbeit erst an: Zuerst musste ich ent- ich glaube fest daran, dass wir Filmemacher auch eine scheiden, wer denn von beiden sein Kind entfremdet gesellschaftliche Verantwortung haben. Wenn hof- – die Mutter oder der Vater. Obwohl es für beide Fälle fentlich viele Millionen Zuschauer unseren Film sehen genügend Beispiele gibt, habe ich mich letztendlich dafür werden, könnten wir es schaffen, ein Thema bekannt entschieden, der Mutter die so genannte »Täterrolle« auf zu machen, das bis dahin öffentlich unter dem Radar den Leib zu schreiben. Das liegt vor allem daran, dass lief, obwohl es viele Eltern und ihre Kinder betrifft. nach einer Scheidung die Kinder noch immer öfters bei ihrer Mutter leben als bei ihrem Vater. Aber man könnte »Eltern-Kind-Entfremdung«, also das systematische diese Geschichte genauso gut andersherum erzählen. Manipulieren des Kindes durch einen Elternteil, damit Der Vater als Täter, die Mutter als Opfer. Ich betone das so es den anderen Elternteil aus seinem Leben verbannt, ausdrücklich, weil es mir keineswegs darum geht, mich ist kein »Kavaliersdelikt«, das niemanden außerhalb der auf nur eine Seite zu stellen. Mir geht es ganz allein um betroffenen Familie etwas angeht. Ganz im Gegenteil. die Sicht des Kindes auf diesen Elternkonflikt. Ich würde es sogar mit völliger Überzeugung als psychi- Deshalb habe ich die Geschichte anfangs nur aus der sche Kindesmisshandlung bezeichnen. Sicht des Kindes erzählen wollen. Das hat leider nicht funktioniert, weil ich so die ganzen juristischen Ausei- Fast jeder von uns kennt ein Paar, die Eltern sind und sich nandersetzungen der Eltern und die daran gutverdie- gerade trennen. Eine Trennung ist immer mit verletzten nende Scheidungsindustrie hätte weglassen müssen. Gefühlen verbunden. Diese verletzten Gefühle nicht auf die Kinder zu übertragen, ist schwer, aber trotzdem ein Insgesamt habe ich zwei Jahre an dem Drehbuch gearbei- Muss. Eltern können sich als Paar trennen, aber niemals tet, und der Film ist für mich ein echtes Herzensprojekt als Eltern. Dass diese Aussage oft Wunschdenken ist, geworden. Wenn wir es schaffen, dass sich auch nur eine habe ich bei meinen vielen Recherchen erfahren. Betrof- Mutter oder ein Vater in unserem Film wiedererkennt fene Mütter und Väter haben mir ihre ganz persönlichen und ihr Verhalten danach ändert – Wenn wir es schaffen, Geschichten erzählt und ihre sehr subjektive Sicht auf dass sich auch nur ein Familienrichter in Zukunft nicht ihre komplizierte Familiensituation. von der (manipulierten) Aussage des Kindes »Ich hasse meine Mutter oder meinen Vater« blenden lässt, son- Um den Film »Weil Du mir gehörst« schreiben zu können, dern genau das hinterfragt, – Wenn wir es schaffen, dass musste ich mich ganz intensiv mit der Eltern-Kind-Ent- das unmittelbare Umfeld eines zerstrittenen Elternpaa- fremdung und deren Folgen für das Kind auseinan- res auf ihre Nächsten einwirkt, weil sie durch unseren dersetzen. Ich habe mich durch das Familienrecht, Film sensibilisiert worden sind – dann hätten wir alles insbesondere durch das Sorge- und Umgangsrecht erreicht, was wir mit diesem Film wollten ... quälen müssen, um überhaupt eine Ahnung davon zu 8
FELIX KLARE ALS TOM 9
STATEMENT DES REGISSEURS ALEXANDER DIERBACH Einen Filmstoff angeboten zu bekommen, der nicht von beantwortbar. Denn die einzelnen seelischen Prozesse vornherein als »Quotenjäger« angesehen werden kann, innerhalb jeder Figur sind so komplex, dass ich verstehen ist für mich als Filmemacher sehr besonders und vor dem musste, es geht um einen Auszug. Diesen jeweils multi- Hintergrund der eigentlich angestrebten Programmviel- perspektivisch zu beleuchten, sollte der Kernpunkt sein. falt viel zu selten geworden. Daher war ich sehr dankbar, dass der SWR und Produzentin Simone Höller sich mir Einen manipulierenden Elternteil darzustellen, der die mit einem Thema anvertraut haben, das exemplarisch Zermürbung einer Kinderseele in Kauf nimmt, selbst dafürsteht, wie man auch im fiktionales Programm ver- nicht mehr fähig ist, das eigene Handeln zu reflektieren borgene, real existierende Themen filmisch für ein brei- und zeitgleich den eigenen Weg unreflektiert für den iso- tes Publikum beleuchten kann. liert richtigen zu erklären, diesen Prozess filmisch umzu- setzen, war für mich die besondere Herausforderung in Das Drehbuch zu »Weil du mir gehörst« von Katrin Bühlig der Regiearbeit. löste gleich beim ersten Lesen in mir eine Art filmisches Heimatgefühl aus. Wie schon bei meinem Debütfilm Bei meiner Recherche zum Thema »Eltern-Kind-Entfrem- »Uns trennt das Leben«, der vor zehn Jahren ebenfalls in dung« bin ich sehr schnell fündig geworden, allerdings Zusammenarbeit mit dem SWR entstand, war ich begeis- sind in Foren die Ausführungen natürlich stets sehr sub- tert von der Idee, erneut in den Kosmos Familie einzu- jektiv und daher als Quelle allein nicht nutzbar. Fachlite- tauchen. Mit großem Respekt bin ich der Aufgabe begeg- rarische Erörterungen eignen sich zwar oft als Basis für net, einen Film über eine Trennung zu erzählen und die eine bestimmte Thematik, am ergreifendsten fand ich verschiedenen, teils zerstörerischen Facetten, die eine allerdings, dass ich durch Gespräche im näheren Umfeld solche auslösen kann. Die große Herausforderung lag erfahren musste, wie sehr dieses Thema in der Gesell- darin, sich an einen pathologischen Zustand, ein Krank- schaft präsent und trotzdem fast unsichtbar verwoben heitsbild, heranzutasten und dieses innerhalb eines ist. Dieses Verhalten stellte sich für mich nahezu als noch begrenzten Rahmens zu skizzieren. Dabei war stets die »ungreifbar« dar. Umso dankbarer war ich, eine so gut Frage der Perspektive im Vordergrund: Zu welcher Figur recherchierte und griffige Drehbuchvorlage zu diesem im Film »stelle ich mich«? Diese Frage war für mich nicht Thema von Katrin Bühlig zu bekommen. ▶ 10
Die Frage nach der filmischen Umsetzung war ein sehr begegnete mir in einem Casting, und sehr schnell wurde zermürbender Prozess. Auf welche visuelle Ebene bewege klar, dass sie nicht nur das außerordentliche Talent mit- ich die Drehbuchvorlage, welche filmischen Stilmittel bringt, die »Anni« zu verkörpern, sondern auch schon setze ich ein, um mich einem so komplexen Thema zu über das nötige Verständnis verfügt, Fiktion und Realität nähern – und zentral die Frage: Wie führt man die Figuren trennen zu können. Genau das war bei der Suche nach im Kontext zum Kernthema »Eltern-Kind Entfremdung«? einer geeigneten Kinderdarstellerin die Herausforde- Die Entscheidung fiel auf eine filmisch sehr minimalis- rung. Ein Kind zu finden, bei dem wir als Filmemacher tische, reduzierte und teils zurückhaltende Darstellung sicher sein können, dass die Filmthematik keinen persön- der Figuren in ihrem Kosmos. Ich wollte dem Zuschauer lichen Einfluss auf die Kinderdarstellerin nimmt. einen Platz im Wohnzimmer der Figuren ermöglichen. Gemeinsam mit einer medienpädagogischen Fachkraft Dieser Ansatz war mir sehr wichtig, um gerade die Figur haben wir Lisa Marie Trense durch den Film begleitet. der Mutter nicht durchgehend zu dämonisieren. Inner- Am Set haben wir innerhalb der Kinderszenen versucht, halb von 90 Minuten ging es darum, Auszüge aus einem eine Mischform zwischen konzentrierter, fokussierter Prozess zu begleiten, ihn nachvollziehbar und auch nicht und spielerischer Annäherung an die jeweiligen Inhalte nachvollziehbar zu gestalten und die Auswirkungen auf zu schaffen. Lisa Marie bestach durch ihr Feingefühl für das Umfeld zu erleben. die jeweilige Situation und die Möglichkeit, innerhalb ihrer täglichen drei Stunden Drehzeit für kurze Momente Als ich mich auf die Suche nach Darstellern begab, die vollends in eine Filmfigur einzutauchen und ebenso aus den Figuren durch ihre herausragende Spielkunst Leben dieser wieder auszusteigen. Die Vorbereitung auf die einhauchen und sich ihnen mutig stellen, waren Julia einzelnen Szenen gestaltete sich nahezu nur durch das Koschitz, Felix Klare und Lisa Marie Trense für mich ein Proben am Set, um die Arbeitszeit nicht weiter auf den sehr starker Anker. Mit diesem Ensemble konnte ich mich kompletten Tag auszuweiten, sondern den zeitlichen vertrauensvoll und offen der Herausforderung stellen, in Rahmen klar abzustecken. eine Art »Familienkrieg« einzutauchen. Lisa Marie Trense 11
LISA MARIE TRENSE ALS ANNI 12
INTERVIEW MIT JULIA KOSCHITZ Was für eine Frau ist Julia in Ihren Augen? Das Hervorstechendste an dieser Figur ist zum einen ihr schlechtes Selbstwertgefühl und die damit verbundene Angst, alleine zu sein, und zum anderen ihre Fähigkeit zur Selbstkontrolle, die ihr immer wieder dabei hilft, nach außen hin souverän zu erscheinen. Das makellose Bild einer Frau, die alles im Griff hat und die ein rundum attraktives Leben führt, ist ihr sehr wichtig. Auf diese Weise ist für keinen sichtbar, wie ungesund und zer- brochen ihr Innenleben wirklich ist. Die Trennung von Tom, ihrer großen Liebe, in die sie all ihre Hoffnung und Lebensträume projiziert hat, zieht ihr buchstäblich den Boden unter den Füßen weg. Haltlos, zutiefst gekränkt, bleibt sie in dem Gefühl der schreienden Ungerechtigkeit stecken und damit in einer emotionalen Abhängigkeit. Die Angst, dass ihr auch noch ihre Tochter genommen wird, entwickelt sich zu einer Obsession. Es wird zwar nur angedeutet, aber in ihrer manipulativen Mutter spiegelt sich ihr eigenes krankhaftes Verhalten, ihr Kind dem Vater zu entreißen. Und was war für Sie der Grund, eine Frau wie Julia spie- len zu wollen? Ich finde das Thema wichtig und glaube nicht, dass es öffentlich präsent genug ist. Ich wusste nichts über Eltern-Kind-Entfremdung und habe auch bei Nachfra- gen im Freundeskreis erlebt, dass die meisten von uns zwar die typischen Trennungsdramen mit den teils schwierigen Folgen für die Kinder kennen, nicht aber in diesem Ausmaß von manipulierenden Elternteilen und den damit einhergehenden schweren psychischen Schäden für die betroffenen Kinder. Fiel es Ihnen manchmal schwer, sich in Julia, die offen- sichtlich im Unrecht ist, hineinzuversetzen? Natürlich. Aber das Verrückte ist ja, dass Menschen, die Unrecht begehen, sich dabei völlig im Recht fühlen. Es ging also darum, ihre eigene Logik zu verstehen. ▶ 13
Ausschlaggebend dafür war ihr eigenes Kindheitstrauma Haben Sie sich eine Vorstellung davon gemacht, woran – dass es sich um einen im Prinzip gebrochenen Men- die Ehe von Julia und Tom eigentlich gescheitert ist? schen handelt, der über keine Resilienz verfügt. Ihr Ver- Regisseur Alexander Dierbach, Felix Klare und ich haben lassenheitsgefühl und ihr Minderwertigkeitskomplex ausführlich darüber gesprochen, damit wir von einer sitzen so tief, dass die Angst, jetzt auch noch ihre Toch- gemeinsamen Vorgeschichte ausgehen. Mit Tom ist für ter zu verlieren, komplett irrational wird und ungleich Julia ein Traum in Erfüllung gegangen – ein liebenswer- existentieller. Um ihr unrechtes und teilweise grausa- ter, positiver, tatkräftiger, erfolgreicher, interessanter, mes Verhalten nachvollziehen zu können, musste ich gutaussehender Mann, der ihr gesellschaftlich wie als den Kampf um ihr Kind gegen den Vater zu einer Art Frau Sicherheit und mit der Gründung einer Familie auch Überlebenskampf für sie selbst umformulieren. Dabei noch eine Zukunftsperspektive gegeben hat. Man erlebt drängt sie die psychischen Veränderungen ihrer Tochter Julia nicht mit vielen Freunden oder einem lebendigen vehement weg, nur um sich selbst zu schützen. Bekanntenkreis, insofern sind wir davon ausgegangen, dass sie die Erfüllung all ihrer Wünsche und Bedürfnisse Wie haben Sie sich auf Ihre Rolle vorbereitet? Haben Sie auf ihn projiziert hat. Ihre psychische Brüchigkeit hat sie sich im Vorfeld auch näher mit der Eltern-Kind-Entfrem- dabei nicht offen mit ihm geteilt. Die hat er nur mit der dung beschäftigt? Zeit zu spüren bekommen, indem Julia ihrem Schutzbe- Ich habe viel darüber gelesen, habe mir Dokumenta- dürfnis immer mehr Raum gegeben, eine immer enger tionen angesehen und mit Betroffenen gesprochen. werdende Komfortzone geschaffen und Tom auf diese Dabei habe ich viel über die Seite erfahren, die unter Weise die Luft abgeschnitten hat. der schweren Manipulation leidet, nicht aber über die Geschichte derer, die sie ausüben. Deshalb habe ich mich ausführlich mit einem Psychotherapeuten unterhalten, der Erfahrung mit dem Thema hat. 14
INTERVIEW MIT FELIX KLARE Was ging Ihnen beim Lesen des Drehbuchs durch den gibt es Rollen mit großen Herausforderungen, mal mit Kopf, welche Emotionen hatten Sie dabei? weniger, aber ich kämpfe immer dafür, es zu versuchen. Als ich das Drehbuch in die Hände bekam, habe ich sofort Hier hat es mir großen Spaß gemacht, und ich bin den gemerkt, dass dies ein sehr brisanter Stoff ist, den es zu Verantwortlichen dankbar, dass sie ihr Vertrauen in mich erzählen gilt. Das Buch ist sehr genau recherchiert und gesetzt haben. absolut realistisch geschrieben. Hier erst mal einen gro- ßen Dank an die Autorin Katrin Bühlig und die Macher Wie sahen die Vorbereitungen auf Ihre Rolle aus? des Films: Produzenten Simone Höller, Producerin Ane- In den Vorbereitungen haben wir uns sehr detailiert mit mone Müller, Redakteurin Claudia Gerlach-Benz, und dem Thema Eltern-Kind-Entfremdung auseinanderge- Regisseur Alexander Dierbach, dass sie sich dieses wich- setzt, diskutiert und an den Dialogen und Situationen tigen Themas angenommen haben. gefeilt. Auch über die Vorgeschichte zwischen Tom und Julia, ihre Beziehung, Ehe, Trennung haben wir gespro- Was hat Sie an der Darstellung von Tom gereizt chen. Darüber könnte man schon einen eigenen Film Für meine Figur Tom hätte der Film auch den Untertitel machen. Aber hier geht es in erster Linie um das Kind tragen können: »Weil du mir gehörst – ein Vater dreht und die Eltern-Kind-Entfremdung. durch«. Es hat mir eine emotionale Kurve abverlangt, die sich von einer passiven Rolle hin zu einem Pulverfass Wie war die Zusammenarbeit mit Ihren Kolleginnen bei der Ungerechtigkeiten empor geschraubt hat, dem aber dieser schwierigen und aufwühlenden Thematik? immer ein gesetzmäßiger Riegel vorgesetzt wurde. Ein Die Arbeit, allen voran mit Julia Koschitz und Lisa Marie Horror für Tom – eine Herausforderung, ein Geschenk Trense, hat sehr gut funktioniert, weil unser Regisseur für mich als Spieler. Ich liebe Rollen, die mich an Grenzen eine äußerst behutsame Atmosphäre während der Dre- bringen, die mich fordern, für die es Mut braucht, die harbeiten geschaffen hat. Wir konnten ausprobieren, Emotionen nachvollziehbar zu zeigen, denn das ist aus hinspüren, konzentriert arbeiten. Alle Teammitglieder meiner Sicht das größte Wagnis und die Pflicht des Spie- waren absolut fokussiert auf das, was wir da erzählen. lers: seine Figur für den Zuschauer, im direkten Sinne, Das war außergewöhnlich. Hier noch einmal einen gro- erlebbar zu machen, dass man mitgeht, mitfühlt, sich ßen, herzlichen Dank an Alexander Dierbach! ▶ verbindet – durch die Leinwand hindurch. Manchmal 15
Was kann oder sollte ein Film wie »Weil du mir gehörst« bewirken? Wie wichtig finden Sie es, diese Thematik in den Mittelpunkt einer fiktionalen Geschichte zu stellen? Dass unser Film in dem Ausmaß, wie er jetzt Gehör findet, Aufmerksamkeit bekommt – auch auf Filmfes- tivals – war mir nicht klar. Da haben wir den Nerv der Zeit getroffen. Das ist toll, besonders für die betroffenen Menschen. Ich hoffe, dass wir mit diesem Film dazu bei- tragen werden, dass sich diesbezüglich etwas ändert, besonders für die Kinder, denn das sind allen voran die Leidtragenden. Auf deren Schultern all dies lastet oder besser, deren Seelen wir uns gegenüber verantwortlich zeigen müssen! Ich finde es großartig und wichtig, auch Filme machen zu können, die Sinn und Aufklärung bein- halten, und wünsche mir, dass solche Filme in der Bran- che mehr Aufmerksamkeit und auch Auszeichnungen für alle Gewerke bekommen. In diesem Sinne wünsche ich diesem Film eine effektive Reise und dass er vor allem die Leute erreicht, die die Macht haben, etwas an unse- ren bisherigen Strukturen ändern zu können – für die Kinder, für die Eltern, für Familien, für uns alle. 16
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STATEMENT DER PRODUKTION SIMONE HÖLLER UND MICHAEL SMEATON (PRODUZENTEN) UND ANEMONE MÜLLER (PRODUCERIN) Als wir durch einen Zeitungsartikel auf das Thema Beim Cast war es uns wichtig, nicht nur die Rollen von Eltern-Kind-Entfremdung aufmerksam wurden, haben Vater und Kind, sondern auch die der entfremdenden wir gleich gespürt, dass dieses wenig bekannte und doch Mutter mit einer Sympathieträgerin zu besetzen. Es ging weit verbreitete Phänomen eine gute Basis für einen und geht uns nicht darum, einen Themenfilm für ein Fernsehfilm bietet. Auch wussten wir von solchen Fäl- Fachpublikum zu machen, sondern die Zuschauer zu len in unserem persönlichen Umfeld und hatten das erreichen, mit Figuren, mit denen sich jeder identifizie- Gefühl, dass das Thema quasi »in der Luft liegt«. Von ren kann. der unglaublichen Resonanz, die unser Film auf den Festivals in München, Ludwigshafen, La Rochelle und Alle Eltern, die in einem Trennungskonflikt stecken oder Biberach ausgelöst hat, waren wir dann aber dennoch ihn überwunden haben, wissen, wie verletzlich beide überrascht. Nie hätten wir gedacht, damit buchstäblich Seiten sind. Daher wollten wir auch die Verwundbarkeit ins Wespennest zu stechen. der Mutter zeigen, wenn sie ihren Ex-Mann mit seiner Neuen auf Facebook sieht oder abends weinend im Bett Dass unser Film so große Emotionen auslöst, liegt zum liegt, während ihr Ex mit seiner neuen Familie ein neues einen an der Drehbuchvorlage von Katrin Bühlig, die Glück gefunden hat. nicht nur sehr präzise recherchiert, sondern auch extrem gut gebaut ist, aber auch an der bewusst zurückgenom- Inhaltlich waren uns vor allem drei Punkte wichtig: Ers- menen und behutsamen Inszenierung von Alexander tens wollten wir zeigen, wie die Manipulation des Kindes Dierbach, der unser großartiges Ensemble, allen voran genau funktioniert, wie Julia zunehmend perfidere Tak- Lisa Marie Trense, Julia Koschitz und Felix Klare, auf den tiken entwickelt, um Anni ihrem Vater zu entfremden. Punkt geführt hat. Zweitens, wie sehr Anni darunter leidet, und was es ▶ 18
mit ihr macht. Drittens wollten wir die Ohnmacht des Verhalten schaden. Am Beispiel unseres Films wäre das entfremdeten Vaters spürbar machen, der immer wieder der Moment, wenn der Vater erstmals beim Jugendamt gegen Wände rennt, und, je mehr er unternimmt, die war. Nur wenn von Beginn an gegengewirkt wird, not- Abwärtsspirale immer weiter dreht. falls mit Sanktionen, können Schäden abgewendet werden. Leider ist das die bittere Realität vieler getrennter Eltern. Auch Richtern, Gutachtern und Jugendämtern fällt es Schon im Vorfeld der Ausstrahlung ist uns mit »Weil du schwer diese Entfremdung als Resultat gezielter Gehirn- mir gehörst« etwas gelungen, auf das wir stolz sind: Der wäsche zu erkennen. Und um es ganz klar zu sagen: Film bewegt etwas, dass haben die Aufführungen auf Eltern-Kind-Entfremdung ist Kindesmisshandlung. Festivals gezeigt. Das Bundesjustizministerium prüft zurzeit Vorschläge zu einer umfassenden Reform des Wir haben uns ganz bewusst für ein offenes Ende ent- Sorge- und Umgangsrechts für Trennungskinder Viel- schieden. Anni hat zwar wieder Umgang mit ihrem leicht gibt unser Film dabei noch wichtige Impulse. Vater, doch in ihrer Kinderseele ist etwas unwieder- bringlich zerbrochen: das kindliche Urvertrauen. Eltern In diesem Sinne wünschen wir uns, dass unser Film hof- müsste deshalb schon sehr früh und deutlich klarge- fentlich noch viele Menschen erreicht. Das liegt und sehr macht werden, wie sehr sie ihren Kindern mit diesem am Herzen. 19
»WEIL DU MIR GEHÖRST« – DER TALK ZUM FILM Ab 12. Februar 2020, 21:45 Uhr in der ARD-Mediathek und unter daserste.de/film Ergänzend zum Mittwochsfilm im Ersten wird der Talk schläge zur Reform des Sorge- und Umgangsrechts nach das Thema Eltern-Kind-Entfremdung vertiefen und ver- einer Trennung gemacht, die nun ausgewertet werden schiedene Positionen zu Wort kommen lassen. Welche sollen. Darin geht es auch um eine Neuausrichtung der Folgen hat es, wenn Mütter oder Väter nach der Tren- Betreuungsmodelle. Zu Wort kommen Betroffene, ein nung dem anderen Elternteil das Kind entfremden? Ist Psychologe, ein Familienrichter sowie die Macher des das Sorge- und Umgangsrecht noch zeitgemäß? Das Films. Es moderiert der ARD-Rechtsexperte Frank Bräu- Thema ist politisch hochaktuell. Erst vor kurzem hat tigam. eine Arbeitsgruppe dem Bundesjustizministerium Vor- 20
Impressum Pressekontakt Herausgeber Südwestrundfunk Südwestrundfunk ⁄ Presse und PR Annette Gilcher Tel. 07221 929 24016 Redaktion: Annette Gilcher E-Mail: annette.gilcher@SWR.de Texte: Jutta Bök Bildkommunikation: Thorsten Hein Medienbüro Wolf Fotos: Bernd Spauke, Martin Valentin Menke, Dr. Sylvia Wolf Felix Jürgen Holland Tel. 089 300 90 38 Grafik-Design: SWR Design 2020 E-Mail: mail@medienbuero-wolf.de Katharina Flamm DasErste.de www.ard-foto.de
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