Weil du mir gehörst MITTWOCH, 12. FEBRUAR 2020 - 20:15 Uhr - SWR

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Weil du mir gehörst MITTWOCH, 12. FEBRUAR 2020 - 20:15 Uhr - SWR
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Weil du mir gehörst
 MITTWOCH, 12. FEBRUAR 2020
        20:15 Uhr
Weil du mir gehörst MITTWOCH, 12. FEBRUAR 2020 - 20:15 Uhr - SWR
INHALT
VORWORT DER REDAKTION               4
INHALT                              5
BESETZUNG UND STAB                  7
STATEMENT VON KATRIN BÜHLIG         8
STATEMENT VON ALEXANDER DIERBACH   10
INTERVIEW MIT JULIA KOSCHITZ       13
INTERVIEW MIT FELIX KLARE          15
STATEMENT DER PRODUZENTEN          18
DER TALK ZUM FILM                  20
IMPRESSUM                          21

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Weil du mir gehörst MITTWOCH, 12. FEBRUAR 2020 - 20:15 Uhr - SWR
WEIL DU MIR GEHÖRST

   AB 5. FEBRUAR in der Mediathek
     AM 12. FEBRUAR im Ersten
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Weil du mir gehörst MITTWOCH, 12. FEBRUAR 2020 - 20:15 Uhr - SWR
WENN KINDER VON IHREN ELTERN
MANIPULIERT WERDEN: EIN FILM, DER
UNS ALLE HERAUSFORDERT
Statement von Redakteurin Claudia Gerlach-Benz und        Innerhalb nur eines Jahres wandelt sich die Beziehung
Abteilungsleiter Manfred Hattendorf                       der achtjährigen Anni zu ihrem Vater von ausgelasse-
                                                          ner Vertrautheit zu einem »Ich hasse dich«, das lange
Mit »Weil du mir gehörst« setzt der SWR seine Tradition   über den Film hinauswirkt. Sie ist zur Waffe im Krieg
von starken Fernsehfilmen mit gesellschaftsrelevanten     ihrer Mutter Julia mit deren Ex-Partner Tom, ihrem Vater
Themen fort, denen eines gemeinsam ist: Es sind inten-    geworden. Ein gnadenloser Konflikt, in dem die betei-
siv inszenierte Geschichten, deren Figuren einen nicht    ligten Jugendämter, Familiengerichte und Anwälte von
mehr loslassen, Geschichten aus dem wirklichen Leben,     Bühlig sehr differenziert gezeichnet werden.
basierend auf Recherchen.
                                                          In »Weil du mir gehörst« geht es nicht darum, Vätern
»Weil du mir gehörst« ist ein sehr emotionaler Film       oder Müttern einseitig die Schuld zu zuweisen, sondern
über eine Familie, die nach der Trennung der Eltern ein   den Prozess der Programmierung eines entfremdenden
zweites Mal auf tragische Weise auseinander bricht. Der   Elternteils aufzuzeigen. Es geht um die extrem schwie-
Befund: Eltern-Kind-Entfremdung.                          rige Situation des Kindes in der Mitte des Elternkon­
                                                          fliktes und seine Bewältigungsversuche. Ebenso um die
Auf dieses Projekt haben wir uns in der Fernsehfilm­      Ohnmachtsgefühle des entfremdeten Elternteils und
redaktion des SWR erneut gemeinsam mit der Firma          welche Rolle die Familiengerichtsbarkeit spielt.
ffp New Media verabredet, die uns nach dem mit meh-
reren Preisen ausgezeichneten Cybergrooming-Film          Lange haben wir über die angemessene Form nachge-
»Das weiße Kaninchen« wieder einen brisanten Stoff        dacht, in der diese Geschichte erzählt werden sollte. Wir
vorgeschlagen hat. Es geht darum, was passiert, wenn      haben uns bewusst für die vorliegende Form und das
Eltern nach der Trennung von ihrer Partnerin oder ihrem   offene Ende entschieden. Wir erleben die Perspektiven
Partner ihre Kinder dem anderen Elternteil gegenüber      und das Leid von Mutter, Vater und Kind fast körperlich
manipulieren, bis hin zur Zerstörung der Liebe.           mit.

Aus der Zusammenarbeit der Drehbuchautorin Katrin         Schon bei Previews und Vorführungen bei diversen Fes-
Bühlig und des Regisseurs Alexander Dierbach ist mit      tivals hat unser Film für Aufsehen gesorgt, weil er nicht
exzellenten Schauspielern ein Film mit großer Wirkung     nur bewegt, aufwühlt und teils sprachlos macht, son-
entstanden, in Bildern, die einen nicht loslassen.        dern auch auf eine politische Debatte über Kindeswohl,
                                                          Umgangsrecht und Betreuungsmodelle trifft.

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INHALT
Als Paar sind sie gescheitert, doch als Eltern teilen sich    Ein Jahr zuvor sieht es noch anders aus. Bei der Schei-
Julia und Tom, gespielt von Julia Koschitz und Felix Klare,   dung ist vereinbart worden, dass Julia und Tom sich
nach der Scheidung das Sorgerecht für die Tochter Anni.       das Sorgerecht teilen. Jedes zweite Wochenende ver-
Von ihren verletzten Gefühlen getrieben, beginnt Julia,       bringt Anni bei ihrem Vater, den sie innig liebt. Tom hat,
das Mädchen systematisch dem Vater zu entfremden.             anders als Julia, eine neue Partnerin. Mit Jenny und ihrer
Das Drehbuch zu diesem Fall von Eltern-Kind-Enfrem-           kleinen Tochter Mia versteht Anni sich gut, es wächst
dung schrieb Katrin Bühlig, in Szene setzte es Alexander      so etwas wie eine neue Familie zusammen. Nur Julia
Dierbach.                                                     kommt mit der neuen Situation nicht zurecht. In ihrem
                                                              Schmerz beginnt sie, Anni zu manipulieren und gegen
                                                              den Vater einzunehmen. Toms Treffen mit seiner Tochter
Ein gutes Jahr nach ihrer Scheidung stehen Julia und          werden immer wieder verhindert, angeblich vergisst er
Tom erneut vor Gericht. Das Sorgerecht für die gemein-        Anni wegen der neuen Familie. Tom versteht lange nicht,
same Tochter soll auf Julias Antrag hin neu entschieden       was vorgeht. Als Julia sich einen Anwalt nimmt und mit
werden. Bei der Befragung gerät die achtjährige Anni in       allen Mitteln um die Aufhebung des gemeinsamen Sor-
Panik – sie möchte lieber tot sein als mit ihrem Vater zu     gerechts kämpft, wird klar, dass sie Tom aus Annis Leben
tun zu haben. Was hat zu dieser vehementen Ablehnung          werfen will. Damit setzt sie einen Prozess in Gang, der
geführt?                                                      immer mehr eskaliert und das Mädchen zunehmend
                                                              verstört.

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Weil du mir gehörst MITTWOCH, 12. FEBRUAR 2020 - 20:15 Uhr - SWR
JULIA KOSCHITZ ALS JULIA
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BESETZUNG                                               STAB
Julia               Julia Koschitz                      Buch          Katrin Bühlig
Tom                 Felix Klare                         Regie         Alexander Dierbach
Anni                Lisa Marie Trense                   Kamera        Jan Blumers
Jenny               Marie Collet                        Schnitt       Biljana Grafwallner-Brezovska
Elvira              Teresa Harder                       Musik         Sebastian Pille
Horst               Lutz Blochberger                    Szenenbild    Alexander Wunderlich
Heidi               Monika Lennartz                     Kostümbild    Andreas Janczyk
Martin Wolters      Jochen Hägele                       Besetzung     Gitta Uhlig
Sabine Slowinski    Jule Gartzke                                      Anne Kowalski
Heidrun Gärtner     Theresa Berlage                                   Lisa Pfaff
Caroline Seidel     Anja Nejarri                        Producerin    Anemone Müller
                                                        Produzenten   Simone Höller
                                                                      Michael Smeaton
                                                        Redaktion     Claudia Gerlach-Benz

Eine Produktion der FFP New Media im Auftrag des SWR.

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STATEMENT DER DREHBUCHAUTORIN
KATRIN BÜHLIG
Es gibt Filme, die kann man als Autorin schreiben,            bekommen, worüber ich schreiben will. Zum Glück fand
weil sie unterhaltsam, spannend oder lustig sind. Und         ich mit Jürgen Rudolph, einem ehemaligen Familienrich-
es gibt Filme, die man schreiben muss, weil sie eine          ter und Experten auf dem Gebiet der Eltern-Kind-Ent-
gesellschaftliche Relevanz haben, weil sie nötig sind         fremdung, einen ausgezeichneten Fachberater.
und weil sie vielleicht etwas im realen Leben verän-
dern könn(t)en. Das mag vielleicht naiv klingen, aber         Aber dann fing die Arbeit erst an: Zuerst musste ich ent-
ich glaube fest daran, dass wir Filmemacher auch eine         scheiden, wer denn von beiden sein Kind entfremdet
gesellschaftliche Verantwortung haben. Wenn hof-              – die Mutter oder der Vater. Obwohl es für beide Fälle
fentlich viele Millionen Zuschauer unseren Film sehen         genügend Beispiele gibt, habe ich mich letztendlich dafür
werden, könnten wir es schaffen, ein Thema bekannt            entschieden, der Mutter die so genannte »Täterrolle« auf
zu machen, das bis dahin öffentlich unter dem Radar           den Leib zu schreiben. Das liegt vor allem daran, dass
lief, obwohl es viele Eltern und ihre Kinder betrifft.        nach einer Scheidung die Kinder noch immer öfters bei
                                                              ihrer Mutter leben als bei ihrem Vater. Aber man könnte
»Eltern-Kind-Entfremdung«, also das systematische             diese Geschichte genauso gut andersherum erzählen.
Manipulieren des Kindes durch einen Elternteil, damit         Der Vater als Täter, die Mutter als Opfer. Ich betone das so
es den anderen Elternteil aus seinem Leben verbannt,          ausdrücklich, weil es mir keineswegs darum geht, mich
ist kein »Kavaliersdelikt«, das niemanden außerhalb der       auf nur eine Seite zu stellen. Mir geht es ganz allein um
betroffenen Familie etwas angeht. Ganz im Gegenteil.          die Sicht des Kindes auf diesen Elternkonflikt.
Ich würde es sogar mit völliger Überzeugung als psychi-       Deshalb habe ich die Geschichte anfangs nur aus der
sche Kindesmisshandlung bezeichnen.                           Sicht des Kindes erzählen wollen. Das hat leider nicht
                                                              funktioniert, weil ich so die ganzen juristischen Ausei-
Fast jeder von uns kennt ein Paar, die Eltern sind und sich   nandersetzungen der Eltern und die daran gutverdie-
gerade trennen. Eine Trennung ist immer mit verletzten        nende Scheidungsindustrie hätte weglassen müssen.
Gefühlen verbunden. Diese verletzten Gefühle nicht auf
die Kinder zu übertragen, ist schwer, aber trotzdem ein       Insgesamt habe ich zwei Jahre an dem Drehbuch gearbei-
Muss. Eltern können sich als Paar trennen, aber niemals       tet, und der Film ist für mich ein echtes Herzensprojekt
als Eltern. Dass diese Aussage oft Wunschdenken ist,          geworden. Wenn wir es schaffen, dass sich auch nur eine
habe ich bei meinen vielen Recherchen erfahren. Betrof-       Mutter oder ein Vater in unserem Film wiedererkennt
fene Mütter und Väter haben mir ihre ganz persönlichen        und ihr Verhalten danach ändert – Wenn wir es schaffen,
Geschichten erzählt und ihre sehr subjektive Sicht auf        dass sich auch nur ein Familienrichter in Zukunft nicht
ihre komplizierte Familiensituation.                          von der (manipulierten) Aussage des Kindes »Ich hasse
                                                              meine Mutter oder meinen Vater« blenden lässt, son-
Um den Film »Weil Du mir gehörst« schreiben zu können,        dern genau das hinterfragt, – Wenn wir es schaffen, dass
musste ich mich ganz intensiv mit der Eltern-Kind-Ent-        das unmittelbare Umfeld eines zerstrittenen Elternpaa-
fremdung und deren Folgen für das Kind auseinan-              res auf ihre Nächsten einwirkt, weil sie durch unseren
dersetzen. Ich habe mich durch das Familienrecht,             Film sensibilisiert worden sind – dann hätten wir alles
insbesondere durch das Sorge- und Umgangsrecht                erreicht, was wir mit diesem Film wollten ...
quälen müssen, um überhaupt eine Ahnung davon zu

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FELIX KLARE ALS TOM
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STATEMENT DES REGISSEURS
ALEXANDER DIERBACH
Einen Filmstoff angeboten zu bekommen, der nicht von        beantwortbar. Denn die einzelnen seelischen Prozesse
vornherein als »Quotenjäger« angesehen werden kann,         innerhalb jeder Figur sind so komplex, dass ich verstehen
ist für mich als Filmemacher sehr besonders und vor dem     musste, es geht um einen Auszug. Diesen jeweils multi-
Hintergrund der eigentlich angestrebten Programmviel-       perspektivisch zu beleuchten, sollte der Kernpunkt sein.
falt viel zu selten geworden. Daher war ich sehr dankbar,
dass der SWR und Produzentin Simone Höller sich mir         Einen manipulierenden Elternteil darzustellen, der die
mit einem Thema anvertraut haben, das exemplarisch          Zermürbung einer Kinderseele in Kauf nimmt, selbst
dafürsteht, wie man auch im fiktionales Programm ver-       nicht mehr fähig ist, das eigene Handeln zu reflektieren
borgene, real existierende Themen filmisch für ein brei-    und zeitgleich den eigenen Weg unreflektiert für den iso-
tes Publikum beleuchten kann.                               liert richtigen zu erklären, diesen Prozess filmisch umzu-
                                                            setzen, war für mich die besondere Herausforderung in
Das Drehbuch zu »Weil du mir gehörst« von Katrin Bühlig     der Regiearbeit.
löste gleich beim ersten Lesen in mir eine Art filmisches
Heimatgefühl aus. Wie schon bei meinem Debütfilm            Bei meiner Recherche zum Thema »Eltern-Kind-Entfrem-
»Uns trennt das Leben«, der vor zehn Jahren ebenfalls in    dung« bin ich sehr schnell fündig geworden, allerdings
Zusammenarbeit mit dem SWR entstand, war ich begeis-        sind in Foren die Ausführungen natürlich stets sehr sub-
tert von der Idee, erneut in den Kosmos Familie einzu-      jektiv und daher als Quelle allein nicht nutzbar. Fachlite-
tauchen. Mit großem Respekt bin ich der Aufgabe begeg-      rarische Erörterungen eignen sich zwar oft als Basis für
net, einen Film über eine Trennung zu erzählen und die      eine bestimmte Thematik, am ergreifendsten fand ich
verschiedenen, teils zerstörerischen Facetten, die eine     allerdings, dass ich durch Gespräche im näheren Umfeld
solche auslösen kann. Die große Herausforderung lag         erfahren musste, wie sehr dieses Thema in der Gesell-
darin, sich an einen pathologischen Zustand, ein Krank-     schaft präsent und trotzdem fast unsichtbar verwoben
heitsbild, heranzutasten und dieses innerhalb eines         ist. Dieses Verhalten stellte sich für mich nahezu als noch
begrenzten Rahmens zu skizzieren. Dabei war stets die       »ungreifbar« dar. Umso dankbarer war ich, eine so gut
Frage der Perspektive im Vordergrund: Zu welcher Figur      recherchierte und griffige Drehbuchvorlage zu diesem
im Film »stelle ich mich«? Diese Frage war für mich nicht   Thema von Katrin Bühlig zu bekommen.                   ▶

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Die Frage nach der filmischen Umsetzung war ein sehr        begegnete mir in einem Casting, und sehr schnell wurde
zermürbender Prozess. Auf welche visuelle Ebene bewege      klar, dass sie nicht nur das außerordentliche Talent mit-
ich die Drehbuchvorlage, welche filmischen Stilmittel       bringt, die »Anni« zu verkörpern, sondern auch schon
setze ich ein, um mich einem so komplexen Thema zu          über das nötige Verständnis verfügt, Fiktion und Realität
nähern – und zentral die Frage: Wie führt man die Figuren   trennen zu können. Genau das war bei der Suche nach
im Kontext zum Kernthema »Eltern-Kind Entfremdung«?         einer geeigneten Kinderdarstellerin die Herausforde-
Die Entscheidung fiel auf eine filmisch sehr minimalis-     rung. Ein Kind zu finden, bei dem wir als Filmemacher
tische, reduzierte und teils zurückhaltende Darstellung     sicher sein können, dass die Filmthematik keinen persön-
der Figuren in ihrem Kosmos. Ich wollte dem Zuschauer       lichen Einfluss auf die Kinderdarstellerin nimmt.
einen Platz im Wohnzimmer der Figuren ermöglichen.          Gemeinsam mit einer medienpädagogischen Fachkraft
Dieser Ansatz war mir sehr wichtig, um gerade die Figur     haben wir Lisa Marie Trense durch den Film begleitet.
der Mutter nicht durchgehend zu dämonisieren. Inner-        Am Set haben wir innerhalb der Kinderszenen versucht,
halb von 90 Minuten ging es darum, Auszüge aus einem        eine Mischform zwischen konzentrierter, fokussierter
Prozess zu begleiten, ihn nachvollziehbar und auch nicht    und spielerischer Annäherung an die jeweiligen Inhalte
nachvollziehbar zu gestalten und die Auswirkungen auf       zu schaffen. Lisa Marie bestach durch ihr Feingefühl für
das Umfeld zu erleben.                                      die jeweilige Situation und die Möglichkeit, innerhalb
                                                            ihrer täglichen drei Stunden Drehzeit für kurze Momente
Als ich mich auf die Suche nach Darstellern begab, die      vollends in eine Filmfigur einzutauchen und ebenso aus
den Figuren durch ihre herausragende Spielkunst Leben       dieser wieder auszusteigen. Die Vorbereitung auf die
einhauchen und sich ihnen mutig stellen, waren Julia        einzelnen Szenen gestaltete sich nahezu nur durch das
Koschitz, Felix Klare und Lisa Marie Trense für mich ein    Proben am Set, um die Arbeitszeit nicht weiter auf den
sehr starker Anker. Mit diesem Ensemble konnte ich mich     kompletten Tag auszuweiten, sondern den zeitlichen
vertrauensvoll und offen der Herausforderung stellen, in    Rahmen klar abzustecken.
eine Art »Familienkrieg« einzutauchen. Lisa Marie Trense

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LISA MARIE TRENSE ALS ANNI
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INTERVIEW MIT
JULIA KOSCHITZ
Was für eine Frau ist Julia in Ihren Augen?
Das Hervorstechendste an dieser Figur ist zum einen ihr
schlechtes Selbstwertgefühl und die damit verbundene
Angst, alleine zu sein, und zum anderen ihre Fähigkeit
zur Selbstkontrolle, die ihr immer wieder dabei hilft,
nach außen hin souverän zu erscheinen. Das makellose
Bild einer Frau, die alles im Griff hat und die ein rundum
attraktives Leben führt, ist ihr sehr wichtig. Auf diese
Weise ist für keinen sichtbar, wie ungesund und zer-
brochen ihr Innenleben wirklich ist. Die Trennung von
Tom, ihrer großen Liebe, in die sie all ihre Hoffnung und
Lebensträume projiziert hat, zieht ihr buchstäblich den
Boden unter den Füßen weg. Haltlos, zutiefst gekränkt,
bleibt sie in dem Gefühl der schreienden Ungerechtigkeit
stecken und damit in einer emotionalen Abhängigkeit.
Die Angst, dass ihr auch noch ihre Tochter genommen
wird, entwickelt sich zu einer Obsession. Es wird zwar
nur angedeutet, aber in ihrer manipulativen Mutter
spiegelt sich ihr eigenes krankhaftes Verhalten, ihr Kind
dem Vater zu entreißen.

Und was war für Sie der Grund, eine Frau wie Julia spie-
len zu wollen?
Ich finde das Thema wichtig und glaube nicht, dass
es öffentlich präsent genug ist. Ich wusste nichts über
Eltern-Kind-Entfremdung und habe auch bei Nachfra-
gen im Freundeskreis erlebt, dass die meisten von uns
zwar die typischen Trennungsdramen mit den teils
schwierigen Folgen für die Kinder kennen, nicht aber
in diesem Ausmaß von manipulierenden Elternteilen
und den damit einhergehenden schweren psychischen
Schäden für die betroffenen Kinder.

Fiel es Ihnen manchmal schwer, sich in Julia, die offen-
sichtlich im Unrecht ist, hineinzuversetzen?
Natürlich. Aber das Verrückte ist ja, dass Menschen, die
Unrecht begehen, sich dabei völlig im Recht fühlen. Es
ging also darum, ihre eigene Logik zu verstehen.      ▶

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Ausschlaggebend dafür war ihr eigenes Kindheitstrauma        Haben Sie sich eine Vorstellung davon gemacht, woran
– dass es sich um einen im Prinzip gebrochenen Men-          die Ehe von Julia und Tom eigentlich gescheitert ist?
schen handelt, der über keine Resilienz verfügt. Ihr Ver-    Regisseur Alexander Dierbach, Felix Klare und ich haben
lassenheitsgefühl und ihr Minderwertigkeitskomplex           ausführlich darüber gesprochen, damit wir von einer
sitzen so tief, dass die Angst, jetzt auch noch ihre Toch-   gemeinsamen Vorgeschichte ausgehen. Mit Tom ist für
ter zu verlieren, komplett irrational wird und ungleich      Julia ein Traum in Erfüllung gegangen – ein liebenswer-
existentieller. Um ihr unrechtes und teilweise grausa-       ter, positiver, tatkräftiger, erfolgreicher, interessanter,
mes Verhalten nachvollziehen zu können, musste ich           gutaussehender Mann, der ihr gesellschaftlich wie als
den Kampf um ihr Kind gegen den Vater zu einer Art           Frau Sicherheit und mit der Gründung einer Familie auch
Überlebenskampf für sie selbst umformulieren. Dabei          noch eine Zukunftsperspektive gegeben hat. Man erlebt
drängt sie die psychischen Veränderungen ihrer Tochter       Julia nicht mit vielen Freunden oder einem lebendigen
vehement weg, nur um sich selbst zu schützen.                Bekanntenkreis, insofern sind wir davon ausgegangen,
                                                             dass sie die Erfüllung all ihrer Wünsche und Bedürfnisse
Wie haben Sie sich auf Ihre Rolle vorbereitet? Haben Sie     auf ihn projiziert hat. Ihre psychische Brüchigkeit hat sie
sich im Vorfeld auch näher mit der Eltern-Kind-Entfrem-      dabei nicht offen mit ihm geteilt. Die hat er nur mit der
dung beschäftigt?                                            Zeit zu spüren bekommen, indem Julia ihrem Schutzbe-
Ich habe viel darüber gelesen, habe mir Dokumenta-           dürfnis immer mehr Raum gegeben, eine immer enger
tionen angesehen und mit Betroffenen gesprochen.             werdende Komfortzone geschaffen und Tom auf diese
Dabei habe ich viel über die Seite erfahren, die unter       Weise die Luft abgeschnitten hat.
der schweren Manipulation leidet, nicht aber über die
Geschichte derer, die sie ausüben. Deshalb habe ich mich
ausführlich mit einem Psychotherapeuten unterhalten,
der Erfahrung mit dem Thema hat.

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INTERVIEW MIT FELIX KLARE
Was ging Ihnen beim Lesen des Drehbuchs durch den             gibt es Rollen mit großen Herausforderungen, mal mit
Kopf, welche Emotionen hatten Sie dabei?                      weniger, aber ich kämpfe immer dafür, es zu versuchen.
Als ich das Drehbuch in die Hände bekam, habe ich sofort      Hier hat es mir großen Spaß gemacht, und ich bin den
gemerkt, dass dies ein sehr brisanter Stoff ist, den es zu    Verantwortlichen dankbar, dass sie ihr Vertrauen in mich
erzählen gilt. Das Buch ist sehr genau recherchiert und       gesetzt haben.
absolut realistisch geschrieben. Hier erst mal einen gro-
ßen Dank an die Autorin Katrin Bühlig und die Macher          Wie sahen die Vorbereitungen auf Ihre Rolle aus?
des Films: Produzenten Simone Höller, Producerin Ane-         In den Vorbereitungen haben wir uns sehr detailiert mit
mone Müller, Redakteurin Claudia Gerlach-Benz, und            dem Thema Eltern-Kind-Entfremdung auseinanderge-
Regisseur Alexander Dierbach, dass sie sich dieses wich-      setzt, diskutiert und an den Dialogen und Situationen
tigen Themas angenommen haben.                                gefeilt. Auch über die Vorgeschichte zwischen Tom und
                                                              Julia, ihre Beziehung, Ehe, Trennung haben wir gespro-
Was hat Sie an der Darstellung von Tom gereizt                chen. Darüber könnte man schon einen eigenen Film
Für meine Figur Tom hätte der Film auch den Untertitel        machen. Aber hier geht es in erster Linie um das Kind
tragen können: »Weil du mir gehörst – ein Vater dreht         und die Eltern-Kind-Entfremdung.
durch«. Es hat mir eine emotionale Kurve abverlangt,
die sich von einer passiven Rolle hin zu einem Pulverfass     Wie war die Zusammenarbeit mit Ihren Kolleginnen bei
der Ungerechtigkeiten empor geschraubt hat, dem aber          dieser schwierigen und aufwühlenden Thematik?
immer ein gesetzmäßiger Riegel vorgesetzt wurde. Ein          Die Arbeit, allen voran mit Julia Koschitz und Lisa Marie
Horror für Tom – eine Herausforderung, ein Geschenk           Trense, hat sehr gut funktioniert, weil unser Regisseur
für mich als Spieler. Ich liebe Rollen, die mich an Grenzen   eine äußerst behutsame Atmosphäre während der Dre-
bringen, die mich fordern, für die es Mut braucht, die        harbeiten geschaffen hat. Wir konnten ausprobieren,
Emotionen nachvollziehbar zu zeigen, denn das ist aus         hinspüren, konzentriert arbeiten. Alle Teammitglieder
meiner Sicht das größte Wagnis und die Pflicht des Spie-      waren absolut fokussiert auf das, was wir da erzählen.
lers: seine Figur für den Zuschauer, im direkten Sinne,       Das war außergewöhnlich. Hier noch einmal einen gro-
erlebbar zu machen, dass man mitgeht, mitfühlt, sich          ßen, herzlichen Dank an Alexander Dierbach!          ▶
verbindet – durch die Leinwand hindurch. Manchmal

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Was kann oder sollte ein Film wie »Weil du mir gehörst«
bewirken? Wie wichtig finden Sie es, diese Thematik in
den Mittelpunkt einer fiktionalen Geschichte zu stellen?
Dass unser Film in dem Ausmaß, wie er jetzt Gehör
findet, Aufmerksamkeit bekommt – auch auf Filmfes-
tivals – war mir nicht klar. Da haben wir den Nerv der
Zeit getroffen. Das ist toll, besonders für die betroffenen
Menschen. Ich hoffe, dass wir mit diesem Film dazu bei-
tragen werden, dass sich diesbezüglich etwas ändert,
besonders für die Kinder, denn das sind allen voran die
Leidtragenden. Auf deren Schultern all dies lastet oder
besser, deren Seelen wir uns gegenüber verantwortlich
zeigen müssen! Ich finde es großartig und wichtig, auch
Filme machen zu können, die Sinn und Aufklärung bein-
halten, und wünsche mir, dass solche Filme in der Bran-
che mehr Aufmerksamkeit und auch Auszeichnungen
für alle Gewerke bekommen. In diesem Sinne wünsche
ich diesem Film eine effektive Reise und dass er vor allem
die Leute erreicht, die die Macht haben, etwas an unse-
ren bisherigen Strukturen ändern zu können – für die
Kinder, für die Eltern, für Familien, für uns alle.

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17
STATEMENT DER PRODUKTION
SIMONE HÖLLER UND MICHAEL
SMEATON (PRODUZENTEN) UND
ANEMONE MÜLLER (PRODUCERIN)

Als wir durch einen Zeitungsartikel auf das Thema            Beim Cast war es uns wichtig, nicht nur die Rollen von
Eltern-Kind-Entfremdung aufmerksam wurden, haben             Vater und Kind, sondern auch die der entfremdenden
wir gleich gespürt, dass dieses wenig bekannte und doch      Mutter mit einer Sympathieträgerin zu besetzen. Es ging
weit verbreitete Phänomen eine gute Basis für einen          und geht uns nicht darum, einen Themenfilm für ein
Fernsehfilm bietet. Auch wussten wir von solchen Fäl-        Fachpublikum zu machen, sondern die Zuschauer zu
len in unserem persönlichen Umfeld und hatten das            erreichen, mit Figuren, mit denen sich jeder identifizie-
Gefühl, dass das Thema quasi »in der Luft liegt«. Von        ren kann.
der unglaublichen Resonanz, die unser Film auf den
Festivals in München, Ludwigshafen, La Rochelle und          Alle Eltern, die in einem Trennungskonflikt stecken oder
Biberach ausgelöst hat, waren wir dann aber dennoch          ihn überwunden haben, wissen, wie verletzlich beide
überrascht. Nie hätten wir gedacht, damit buchstäblich       Seiten sind. Daher wollten wir auch die Verwundbarkeit
ins Wespennest zu stechen.                                   der Mutter zeigen, wenn sie ihren Ex-Mann mit seiner
                                                             Neuen auf Facebook sieht oder abends weinend im Bett
Dass unser Film so große Emotionen auslöst, liegt zum        liegt, während ihr Ex mit seiner neuen Familie ein neues
einen an der Drehbuchvorlage von Katrin Bühlig, die          Glück gefunden hat.
nicht nur sehr präzise recherchiert, sondern auch extrem
gut gebaut ist, aber auch an der bewusst zurückgenom-        Inhaltlich waren uns vor allem drei Punkte wichtig: Ers-
menen und behutsamen Inszenierung von Alexander              tens wollten wir zeigen, wie die Manipulation des Kindes
Dierbach, der unser großartiges Ensemble, allen voran        genau funktioniert, wie Julia zunehmend perfidere Tak-
Lisa Marie Trense, Julia Koschitz und Felix Klare, auf den   tiken entwickelt, um Anni ihrem Vater zu entfremden.
Punkt geführt hat.                                           Zweitens, wie sehr Anni darunter leidet, und was es ▶

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mit ihr macht. Drittens wollten wir die Ohnmacht des            Verhalten schaden. Am Beispiel unseres Films wäre das
entfremdeten Vaters spürbar machen, der immer wieder            der Moment, wenn der Vater erstmals beim Jugendamt
gegen Wände rennt, und, je mehr er unternimmt, die              war. Nur wenn von Beginn an gegengewirkt wird, not-
Abwärtsspirale immer weiter dreht.                              falls mit Sanktionen, können Schäden abgewendet
                                                                werden.
Leider ist das die bittere Realität vieler getrennter Eltern.
Auch Richtern, Gutachtern und Jugendämtern fällt es             Schon im Vorfeld der Ausstrahlung ist uns mit »Weil du
schwer diese Entfremdung als Resultat gezielter Gehirn-         mir gehörst« etwas gelungen, auf das wir stolz sind: Der
wäsche zu erkennen. Und um es ganz klar zu sagen:               Film bewegt etwas, dass haben die Aufführungen auf
Eltern-Kind-Entfremdung ist Kindesmisshandlung.                 Festivals gezeigt. Das Bundesjustizministerium prüft
                                                                zurzeit Vorschläge zu einer umfassenden Reform des
Wir haben uns ganz bewusst für ein offenes Ende ent-            Sorge- und Umgangsrechts für Trennungskinder Viel-
schieden. Anni hat zwar wieder Umgang mit ihrem                 leicht gibt unser Film dabei noch wichtige Impulse.
Vater, doch in ihrer Kinderseele ist etwas unwieder-
bringlich zerbrochen: das kindliche Urvertrauen. Eltern         In diesem Sinne wünschen wir uns, dass unser Film hof-
müsste deshalb schon sehr früh und deutlich klarge-             fentlich noch viele Menschen erreicht. Das liegt und sehr
macht werden, wie sehr sie ihren Kindern mit diesem             am Herzen.

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»WEIL DU MIR GEHÖRST« – DER TALK
ZUM FILM
Ab 12. Februar 2020, 21:45 Uhr in der ARD-Mediathek und unter daserste.de/film

Ergänzend zum Mittwochsfilm im Ersten wird der Talk    schläge zur Reform des Sorge- und Umgangsrechts nach
das Thema Eltern-Kind-Entfremdung vertiefen und ver-   einer Trennung gemacht, die nun ausgewertet werden
schiedene Positionen zu Wort kommen lassen. Welche     sollen. Darin geht es auch um eine Neuausrichtung der
Folgen hat es, wenn Mütter oder Väter nach der Tren-   Betreuungsmodelle. Zu Wort kommen Betroffene, ein
nung dem anderen Elternteil das Kind entfremden? Ist   Psychologe, ein Familienrichter sowie die Macher des
das Sorge- und Umgangsrecht noch zeitgemäß? Das        Films. Es moderiert der ARD-Rechtsexperte Frank Bräu-
Thema ist politisch hochaktuell. Erst vor kurzem hat   tigam.
eine Arbeitsgruppe dem Bundesjustizministerium Vor-

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Impressum                                                   Pressekontakt
Herausgeber                                                 Südwestrundfunk
Südwestrundfunk ⁄ Presse und PR                             Annette Gilcher
                                                            Tel. 07221 929 24016
Redaktion:           Annette Gilcher
                                                            E-Mail: annette.gilcher@SWR.de
Texte:               Jutta Bök
Bildkommunikation:   Thorsten Hein
                                                            Medienbüro Wolf
Fotos:               Bernd Spauke, Martin Valentin Menke,
                                                            Dr. Sylvia Wolf
                     Felix Jürgen Holland
                                                            Tel. 089 300 90 38
Grafik-Design:       SWR Design 2020
                                                            E-Mail: mail@medienbuero-wolf.de
                     Katharina Flamm

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