Grossprojekt für die Buchbranche - SBVV
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BRANCHE Grossprojekt für die Buchbranche Das Projekt «Liber» will sämtlichen Akteuren der Buchbranche nach einem schwierigen Jahr Unterstützung bieten: den Verlagen, Buchhandlungen, Autorinnen und Autoren. Zudem soll der Wert einer florierenden Buchbranche für die Schweiz stärker ins Bewusstsein gerückt werden. Gelingt das Projekt, ist es ein Meilenstein für die Gesamtschweizer Branche. Doch die Zeit drängt. D ie Bilder sind unvergess- ne Buch-Währung. Sie soll allen zugu- lichst wenig Aufwand für die sonst lich: Wie sich Menschen tekommen, inklusive Leserinnen und schon geforderten Buchhändlerinnen während des Lockdowns Lesern. Wer Liber kauft, bekommt näm- und Buchhändler entsteht, da sie nicht von «fliegenden Buchhänd- lich mehr Buch fürs Geld. 60 Franken in den Verkauf involviert sind. Gleich- lerinnen» beliefern liessen kostet ein Liber-Gutschein im Wert von zeitig bringt der Bon Kundschaft in den und danach in grosser Zahl in die Läden 100 Franken. Die Differenz wird aus Laden. Ein kleiner finanzieller Aufwand strömten, um den lokalen Buchhandel dem Fonds bezahlt. In den Projektsit- ist allerdings damit verbunden: Für zu unterstützen. Was dabei leicht verges- zungen sind die Verbände überein- einen Liber-Gutschein im Wert von 100 sen gehen könnte: Viele Buchhandlun- gekommen, dass man das Projekt als Franken werden den Buchhandlungen gen haben eine niedrige Kostendecke, die grossen Wurf anlegen will: Es gelten 95 Franken ausbezahlt, nicht der voll- nur wenig Spielraum lässt in angespann- keinerlei Beschränkungen, wie viel Liber ständige Betrag wie beim Bücherbon. ten wirtschaftlichen Zeiten. Die Verla- eine Privatperson oder ein Unterneh- Die abgezogenen fünf Franken wan- ge kämpften um die Sichtbarkeit ihrer men kaufen darf. Je stärker das Buch- dern in einen Topf zur Unterstützung Herbsttitel, die langfristigen Folgen ihrer Einkaufsverhalten angeregt wird, desto von besonders von der Krise betroffenen Einbussen sind kaum zu ermessen. Und besser. Autorinnen, Autoren und Verlagen. Die- die Autorinnen und Autoren leiden unter ser Zusatz hilft, den uneigennützigen dem Wegfall von Veranstaltungen. Dabei Lokalhelden.ch Charakter des Projekts deutlich sicht- ist ein Ende der Krise nicht absehbar. Verkauft wird der Liber-Bon aus- bar zu machen – ein solcher ist in vielen schliesslich digital über den Webshop Stiftungszwecken festgeschrieben. Hilfe fürs Ganze «Lokalhelden.ch» – eine von der Raiff- Die Covid-19-Gelder, die der Schweizer eisenbank subventionierte Plattform 1 Million im Minimum Bund zur Stützung der Kultur freigab, für buy-local-Projekte. Eingelöst wer- Noch steht man bei der Mittelbeschaf- flossen bisher alle an den Buchhandlun- den kann er nur in den Buchhandlun- fung am Anfang. SBVV-Geschäftsführe- gen und Verlagen vorbei, weil diese als gen vor Ort. So wird erreicht, dass mög- rin Tanja Messerli sagt: «Viele Stiftungen normale Unternehmen und nicht als Kul- zeigen sich sehr interessiert daran, die- turinstitutionen taxiert werden. Ihr emi- ses sinnvolle Kulturprojekt zu unterstüt- nenter kultureller Wert für die Gesell- zen. Sie müssen es allerdings mit ihrem schaft bleibt dabei unberücksichtigt. Mit Stiftungszweck in Einklang bringen kön- diesem Argument ersuchen die Ver- nen.» Hier leistet die Geschäftsstelle bände LivreSuisse, ALESI und SBVV seit August Vorarbeit. Noch fehlt viel sowie der Verband der Autorinnen Geld im Topf. Im Minimum braucht und Autoren A*dS und Swiss Inde- Liber eine Millionen Franken, besser pent Publishers SWIPS seit August wären zwei oder drei. Aktuell gibt es schweizweit um Geld bei Stiftun- Zusagen für 230 000 Franken (siehe gen und Kantonen. Das Ziel ist ein Box Seite 16). Das Projekt soll Fonds, mit dem die Buchbranche allerdings bereits im März Mittel in ihren Kreislauf pumpen will. Tanja Messerli, 2021 starten und bis am Geschäftsführerin 31. Dezember 2021 laufen. Segel voll setzen SBVV: «Wir brauchten Tanja Messerli ist zuver- Wie? Das Zauberwort heisst Liber, eine den Austausch, um die sichtlich, dass sich das formalen Grundlagen extra für die Covid-19-Krise erfunde- zu schaffen.» Bild der Zusagen in den FOTO: AYSE YAVAS 14 | Schweizer Buchhandel | Nr. 10 2020
BRANCHE nächsten Wochen grundlegend keit für dieses Projekt. In der Romandie ändert: «Es mussten zuerst vie- Prisca Wirz, wurde die Idee schon früh lebhaft in der le formale Kriterien erfüllt wer- Buchhandlung Öffentlichkeit und in den Medien disku- Libreria Il Segnalibro: den, damit die staatlichen und «Das Projekt ist tiert und verbreitet. So konnten wir uns privaten Stellen das Gesuch utopisch und trotz- bereits wichtige Unterstützung sichern. überhaupt annehmen. Wir dem machbar.» Wir hoffen, in der Deutschschweiz ähn- arbeiten ständig daran.» Sie rech- liche Resultate zu erzielen, wenn das net damit, dass im Januar ent- Projekt bekannter wird.» Die Uto- schieden wird, ob Liber durch- pie von Liber sei, dass es sich nicht geführt werden kann oder nicht. um ein Wohltätigkeitsprojekt handle, sondern um eine neue Art nationaler Hohe Dringlichkeit Zusammenarbeit. Das ist bald – sehr bald. Und das hat zu Diskussionen mit den Auch Tessin macht mit Kolleginnen und Kollegen aus der Von einer Utopie spricht auch Prisca Romandie geführt, die sich ein schnel- Wirz, Inhaberin der «Libreria Il Seg- leres Vorgehen, mehr Medienpräsenz, nalibro» in Lugano. Sie vertritt zusam- mehr Involvierung der Verbandsmit- FOTO: ZVG men mit Verleger Fabio Casagrande die glieder gewünscht hätten. Tanja Mes- Tessiner Branche in der Projektgruppe. serli: «In der Deutschschweiz will man Mit acht Mitarbeitenden ist ihre Buch- tendenziell zuerst das Formale regeln, und Bücherverlag ist er seit drei Jahren handlung die grösste des Tessins: «Man bevor man nach aussen tritt, in der Mitglied des SBVV – und er ist auch bei kann sich also vorstellen, dass unsere Romandie laufen solche Prozesse oft LivreSuisse dabei. Während des Lock- Möglichkeiten für die Geldbeschaffung niederschwelliger. Da gibt es klare Men- downs im Frühling sei ihm klar gewor- beschränkt sind.» Ihre grosse Hoffnung talitätsunterschiede. Gleichzeitig ist es den, dass die Schweizer Buchbranche sei allerdings, dass die Win-Win-Situa- bereits ein riesiger Erfolg, dass wir alle eine neuartige und nationale Zusam- tion von der Schweizer Bevölkerung im gleichen Boot rudern, alle auf unsere erkannt werde und man sich gemein- Art und Weise das Projekt vorwärtsbrin- sam gegen eine Zukunft entscheide, gen wollen und uns als Gesamtschwei- in der einzig noch Grosskonzerne den zer Branche sehen. Die Corona-Krise hat «Im Kern handelt es Buchhandel betreiben. uns definitiv zusammengeschweisst.» Tanja Messerli hofft, bald die Früch- sich bei Liber um Buch- «Etwas Grosses» te der Arbeit ernten zu können und geschenke für alle.» Fragt man Annette Beger, Verlege- nebst Stiftungen auch Deutschschwei- rin des Ein-Frau-Verlags Kommode in zer Kantone und Städte für das Projekt Zürich, warum sie sich in die aufwändi- zu begeistern. Ihrer Meinung nach ver- gen Sitzungen für Liber kniet, antwor- schafft gerade das sprachübergreifende menarbeit brauche, um diese Krise zu tet sie: «Weil ich leidenschaftlich an das Vorgehen dem Projekt Gewicht, und es überstehen, «Und mir war auch klar, grosse Ganze glaube.» Mit Liber arbei- signalisiert Dringlichkeit. dass wir ein Impulsprojekt benötigen, te man an etwas Grossem, das allen in um im politischen System der Schweiz der Branche zugutekomme. Und sie gibt Hadi Barkat ergriff Initiative Geld beschaffen zu können für die- zu bedenken, dass die Akteure aus The- Fast schon symbolhaft mutet an, dass se Branche», sagt der studierte Öko- ater, Tanz oder Film alle aktuell an Kon- die Initiative von einem Verleger aus- nom. «Der Benefit von Liber erreicht geht, der einen Verlagssitz in Basel und die Lesenden, die mehr Bücher für ihr einen in Lausanne hat: Hadi Barkat von Geld erhalten, er erreicht die Buchhand- Helvetiq. Mit seinem Spiele- lungen, die mehr Umsatz generieren, und die Verlage, die von mehr öffentlicher Sichtbarkeit Initiant Hadi Barkat, Helvetiq- profitieren. Im Kern han- FOTO: JOSEPH KHAKSHOURI Verleger: «Wir benötigen delt es sich bei Liber ein konkretes Impuls- um Buchgeschenke projekt, um im politischen System der Schweiz Geld für alle.» Das Schwei- beschaffen zu können zer Politsystem funkti- für unsere Branche.» oniere über breit abge- FOTO: DIRK WETZEL stützte private Initiativen, die erst danach einen Booster erfahren durch die öffentliche Annette Beger, Kommode- Hand. Allerdings macht sich Hadi Verlegerin: «Wir Barkat zunehmend Sorgen um die- müssen jetzt richtig sen angestrebten Booster-Effekt: durchstarten.» «Wir brauchen eine grosse Öffentlich- Nr. 10 2020 | Schweizer Buchhandel | 15
BRANCHE FOTO: MATTHIAS AUER zepten arbeiteten, um ihre Branchen legt gewesen sei, wie er glaubt: zu stärken. Die Buchbranche habe mit «Will man alles gut aufglei- Liber ein tolles Instrument zur Hand. sen, braucht es seine Zeit. Sie plädiert dafür, dass man möglichst Vor allem auch, wenn so schnell jemanden anstellt, der die Füh- viele Parteien beteiligt rung für das Projekt übernimmt: «Wir sind.» Aber gerade die müssen die planende und abwarten- vielen unterschiedli- de Haltung schnellstmöglich abschüt- chen Parteien seien ja teln. Wir brauchen mediale Öffentlich- die Stärke des Projekts. keit, wir brauchen Ressourcen für dieses Er habe jedenfalls von Projekt. Und zwar schnell.» Sitzung zu Sitzung András Németh, ein besseres Gefühl Präsident Bücherbon, Längerfristige Bedeutung bekommen: «Viele Leu- hier in seinem Delikates- senladen «Berg und Tal»: Auch wenn der Fonds im Zusammen- te aus allen Sprachregio- «Die Idee von Liber ist hang mit der Covid-19-Krise aufgebaut nen arbeiten engagiert am einfach und raffiniert wird, strahlt das Projekt in die Zukunft Projekt. Der Bücherbon wird zugleich.» aus. «Für Autorinnen und Autoren alles tun, um zu seiner Umset- ist es zentral, dass wir in der jetzigen zung beizutragen.» Zeit gemeinsam eine neue Basis für die Zukunft erarbeiten», sagt Nicole Bücherbon im Rücken gabe der Bücherbon-Genossenschaft sei Pfister Fetz, Geschäftsführerin Ad*S Der Bücherbon kommt erst am Schluss es, den Buchhandel als Ganzes zu unter- Schweiz. «Leidet ein Bereich der Buch- ins Spiel, wenn das Projekt finanziert stützen, deshalb sei man gern dabei, so branche, wirkt sich das auf die ande- und startklar ist. Dennoch ist er ein ent- András Németh. Zudem sei es natürlich ren aus.» Liber stärke als Projekt die scheidender Faktor in der Planung: Statt eine Chance, den Schweizer Bücher- Branche schweizweit und fördere den nämlich eine neue «Währung» zu erfin- bon in der Gesellschaft wieder stärker Zusammenhalt – langfristig. den, dient der etablierte «Schweizer in Erinnerung zu rufen. «Das ist ja das Auch Bücherbon-Präsident Bücherbon» als Basis. Liber sind also Schöne am Projekt Liber: Jeder Akteur András Németh relati- normale Bücherbons, die auf der Rück- der Schweizer Buchbranche profitiert Nicole Pfister Fetz, viert den Zeitplan, der seite gekennzeichnet sind. Die enge davon. Nicht als Einzelkämpfer, sondern Geschäftsführerin der ursprünglich etwas Zusammenarbeit mit dem Bücherbon als gemeinschaftlich denkende und agie- Autorinnen und Autoren der Schweiz Ad*S und zu ambitioniert ange- hat sich auch administrativ als günstigs- rende Branche.» Mitglied der Projekt- ter Weg herausgestellt. «Wir begleiten PASCALE BLATTER gruppe: «Die Buch- das Projekt letztlich nur als Logistiker», branche funktioniert als Einheit.» sagt András Németh. Die online bestell- ten Liber-Bücherbons werden von der Geschäftsstelle in Stans in Couverts verpackt und versandt. Das sei für das knapp einjährige Projekt trotz Porto- kosten günstiger als eine Software für eine digitale Abwicklung. FOTO: ZVG Alle Akteure profitieren Der Bücherbon geht mit seinem Engagement ein Risiko ein: Das Per- sonal auf der Geschäftsstelle muss aufgestockt werden, gleichzeitig bricht der Verkauf der normalen Bücherbons in dieser Zeit vermutlich ein. Die Auf- BEREITS NAMHAFTE ZUSAGEN – ABER AKTUELL NOCH ZU WENIG GELD In Aussicht gestellte Gelder von Kantonen, Städten, 100 000 Franken von Pro Litteris, 50 000 Franken Stiftungen und Verbänden belaufen sich aktuell von Pro Helvetia, 30 000 Franken von der Stadt auf rund 230 000 Franken, das Ziel sind mindestens Lausanne, je 20 000 Franken vom Kanton Waadt eine Million bis März 2021 in den Liber-Fonds. und dem SBVV. In vielen Gremien läuft aktuell die Im Fall der Durchführung bereits fest zugesagt sind, Vernehmlassung zu den Gesuchen von SBVV, Stand Ende November 2020, folgende Beträge: LivreSuisse, ALESI, SWIPS und A*dS. 16 | Schweizer Buchhandel | Nr. 10 2020
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