Wie Schulleistung und Lehrkraftfeedback die soziale Akzeptanz beeinflussen: Ergebnisse einer Experimentalstudie
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Schulleistung, Lehrkraftfeedback und Soziale Akzeptanz 3 Empirische Sonderpädagogik, 2021, Nr. 1, S. 3-20 ISSN 1869-4845 (Print) · ISSN 1869-4934 (Internet) Wie Schulleistung und Lehrkraftfeedback die soziale Akzeptanz beeinflussen: Ergebnisse einer Experimentalstudie Philipp Nicolay & Christian Huber Bergische Universität Wuppertal Zusammenfassung Die schwache soziale Akzeptanz gegenüber Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Gemeinsamen Unterricht ist ein häufig replizierter Befund. Neben Ein- flussfaktoren auf Individualebene (bspw. Schulleistung) wird zunehmend auch die Rolle der Lehrkraft und ihres Feedbackverhaltens in der Herausbildung sozialer Hierarchien in Schulklassen diskutiert. Unklar sind jedoch in beiden Fällen die spezifischen Ursache- Wirkungs-Zusammenhänge. Mithilfe eines computergestützten Experiments im Prä-Post- Design untersucht die vorliegende Studie den spezifischen Einfluss von Schulleistung und Lehrkraftfeedback auf die soziale Akzeptanz von Schüler*innen. Hierfür sahen n = 202 Grundschüler*innen ein animiertes Video mit einem fiktiven Schulkind. Hierbei wurden systematisch die Schulleistung bzw. das Lehrkraftfeedback variiert. Die Ergebnisse zeigen, dass sowohl die Schulleistung (ηp² = .530) als auch die Valenz des Lehrkraftfeedbacks (ηp² = .245) einen starken Effekt auf die soziale Akzeptanz haben. Die Ergebnisse werden vor dem Hintergrund der existierenden Feedbackforschung mit ihren Implikationen für weitere Forschung und in Hinblick auf ihre Praxisrelevanz diskutiert. Schlüsselwörter: Soziale Akzeptanz, Lehrkraftfeedback, Soziale Referenzierung, Schulleis- tung How school performance and teacher feedback affect social acceptance: Results from an experimental study Abstract The poor social acceptance of children with special educational needs in inclusive class- rooms is an often-replicated finding. While the relationship between individual character- istics (e.g. school performance) and social acceptance is well-established, a growing body of studies points out the important role of teachers and their feedback in terms of shaping social hierarchies in classrooms. However, in both cases, the cause-and-effect relationship is still unclear. Therefore, the present study tries to examine the influence of school per- formance and teachers’ feedback on the social acceptance of children in an experimental setting using a pre-post-design. n = 202 third and fourth graders watched an animated
4 Philipp Nicolay & Christian Huber video of a fictional school child. Within the video school performance and teachers’ feed- back were systematically varied. The results indicate that school performance (ηp² = .530), as well as teachers’ feedback (ηp² = .245), have strong effects on the social acceptance of children. Results and their implications for further research as well as their practical impli- cations are discussed. Keywords: social acceptance, teacher feedback, social referencing, school performance Theoretischer Hintergrund scheint es, fungiert SFB als Aggregat für spe- zifische Schüler*innenmerkmale, die einen Das erhöhte Ausgrenzungsrisiko für Kin- Zusammenhang mit sozialer Ausgrenzung der mit sonderpädagogischem Förderbe- aufweisen. darf (SFB) in inklusiven Schulsettings im In diesem Kontext ist der Zusammen- Vergleich zu ihren Mitschüler*innen ohne hang von leistungsbezogenen Merkmalen SFB ist ein Befund, der sich über zahlreiche mit sozialer Integration1 ein besonders im Studien hinweg finden lässt (Garrote, 2016; deutschsprachigen Raum häufig replizier- Huber, 2009; Huber & Wilbert, 2012; New- ter Befund (Huber, 2009; Huber & Wilbert, comb, Bukowski & Pattee, 1993). Dies ist 2012; Petillon, 1978). Beispielsweise zeig- von besonderer Bedeutung, da die Qualität te sich in einer Studie von Huber (2009), der Peer-Beziehungen als guter Voraussage- dass Schulleistung und Leistungsmotivation indikator für eine gesunde Entwicklung im von den untersuchten Variablen diejenigen weiteren Lebensverlauf betrachtet werden waren, die den bedeutendsten Einfluss auf kann (Bagwell, Newcomb & Bukowski, die soziale Akzeptanz von Schüler*innen 1998). Zurückweisung bzw. eine schwache mit SFB hatten. Allerdings ist aufgrund der soziale Position innerhalb der Schulklasse Datenlage der vorliegenden Studien die sind dementsprechend als Risikofaktoren Richtung dieses Zusammenhangs unklar. für verminderte Leistungsfähigkeit und ne- Auf theoretischer Ebene lassen sich sowohl gative psychosoziale Folgen zu betrachten für einen Einfluss der Schulleistung auf die (Petillon, 1978; Wentzel, 2009). Dies wiegt soziale Akzeptanz als auch für den umge- umso schwerer, da die soziale Position in- kehrten Wirkzusammenhang Erklärungsan- nerhalb einer Klasse als relativ stabil gilt sätze finden. So erscheint es plausibel, dass (Cillessen, Bukowski & Haselager, 2000; Schüler*innen im schulischen Kontext Peers Jiang & Cillessen, 2005). mit guten Schulleistungen bevorzugen, um Eine Studie von Henke et al. (2017), in potentiell von ihnen zu profitieren. Erste der mit der Methode des Propensity Sco- Anhaltspunkte hierfür liefert eine Längs- re Matchings Schüler*innen mit SFB und schnittstudie von Garotte (2020). Anderer- Schüler*innen ohne SFB unter Kontrolle seits erscheint es vor dem Hintergrund der von relevanten Hintergrundvariablen (u.a. bereits erwähnten psychosozialen Folgen Schulleistung, kognitive Grundfähigkeiten, von sozialer Ausgrenzung genauso plausi- Lern- und Sozialverhalten) miteinander bel, dass diese einen negativen Einfluss auf verglichen wurden, legt nah, dass die Aus- die Schulleistung hat. grenzung von Schüler*innen mit SFB nicht Internationale Studien betonen darüber auf einen direkten Effekt des Etiketts SFB hinaus die Bedeutung sozialer Faktoren zurückgeführt werden kann. Vielmehr, so wie pro soziales Verhalten oder Aggressivi- 1 Soziale Integration wird im Folgenden in Anlehnung an Koster (2009) als übergeordnetes Konzept verstanden, von dem die soziale Akzeptanz einen Teilaspekt darstellt.
Schulleistung, Lehrkraftfeedback und Soziale Akzeptanz 5 tät als wesentliche Prädiktoren für soziale wirksam sind (White & Jones, 2000; White Integration (Newcomb et al., 1993). Die & Kistner, 1992). In diesem Sinne wäre der Unterscheidung zwischen Leistungs- und soziale Status eines Kindes in seiner Klasse Sozialverhalten gestaltet sich allerdings auf- immer auch ein Effekt der Einstellung der grund hoher Interkorrelationen methodisch Lehrkraft zu diesem Kind (McAuliffe et al., schwierig (Kavale & Forness, 1996). Darü- 2009). ber hinaus finden sich studienübergreifend Chang et al. (2007) konnten in diesem nur wenige Persönlichkeitseigenschaften, Kontext zeigen, dass speziell bei jüngeren die Zusammenhänge mit sozialer Integra- Kindern die Einstellung der Lehrkraft zu tion aufweisen (Chang, 2003). einem bestimmten Kind einen signifikan- Auf Basis dieser heterogenen Befunde ten Einfluss auf die soziale Akzeptanz der weisen verschiedene Arbeitsgruppen da- restliche Klasse gegenüber diesem Kind rauf hin, dass die soziale Integration in hat. Entsprechend fand auch eine Studie Schulklassen nicht ausschließlich durch von Hendrickx, Mainhard, Boor-Klip und Schüler*innenvariablen erklärbar sein kann Brekelmans (2017), dass die von den Mit- (Chang, 2003, 2004; McAuliffe, Hubbard & schüler*innen wahrgenommene Sympathie Romano, 2009). Dies ist methodisch auch der Lehrkraft gegenüber einem bestimmten darauf zurückzuführen, dass Effekte auf Kind hoch mit der selbstberichteten Sym- Klassenebene (bspw. Klassenklima, Klas- pathie gegenüber diesem Kind zusammen- sennormen etc.) häufig nicht berücksich- hängt. Dies deckt sich mit dem Befund, dass tigt wurden (Chang, 2004). McAuliffe et al. die Qualität der Beziehung eines Kindes (2009) wiesen in diesem Kontext allerdings mit der Lehrkraft einen positiven Zusam- auch explizit darauf hin, dass speziell die menhang mit der Akzeptanz durch seine Rolle der Lehrkraft in der Herausbildung Peers aufweist (Farmer, McAuliffe Lines & sozialer Hierarchien innerhalb einer Schul- Hamm, 2011; Howes, Hamilton & Mat- klasse in den Fokus genommen werden heson, 1994; Mikami, Griggs, Reuland & sollte. Gregory, 2012). Besonders Grundschullehr- kräfte scheinen darüber hinaus in der Lage Soziale Referenzierung und die Rolle zu sein, zu einem gewissen Grad die Sym- der Lehrkraft pathiebeziehung zwischen den Kindern einer Schulklasse vorherzusagen zu können Theoretisch lässt sich der Einfluss der Lehr- (Harks & Hannover, 2017). Allerdings ist kraft auf die sozialen Beziehungen von auch bei diesen Befunden die Richtung des Schüler*innen mit Hilfe der Sozialen Re- Zusammenhangs unklar: Deckt sich die Ein- ferenzierungstheorie erklären (Feinman, schätzung der Lehrkraft mit derjenigen der 1992; Walden & Ogan, 1988). Diese be- Kinder einer Schulklasse oder findet eine sagt, dass Kinder in ihnen unbekannten Si- tatsächliche Beeinflussung durch die Lehr- tuationen für ihre Bewertung andere Perso- kraft statt (McAuliffe et al., 2009)? nen als Referenz nutzen. Klassischerweise stellen die Erziehungsberechtigten diese Lehrkraftfeedback zentrale Referenzperson dar (Zarbatany & Lamb, 1985). Die Art, mit der die Lehrkraft am häufigs- Im schulischen Kontext deutet allerdings ten ihre Haltung zu bestimmten Schüler*in- vieles darauf hin, dass die Lehrkraft die nen transportiert, ist das Lehrkraftfeedback wichtigste Referenzperson für Kinder dar- (McAuliffe et al., 2009; White & Jones, stellt (Webster & Foschi, 1992). Hierbei 2000). Lehrkraftfeedback, verstanden als lässt sich annehmen, dass Soziale Referen- eine Rückmeldung der Lehrkraft über Leis- zierungsprozesse auch bei der Herausbil- tung, Verhalten oder Aufgabenverständnis dung sozialer Hierarchien in Schulklassen von Schüler*innen, ist generell ein gut un-
6 Philipp Nicolay & Christian Huber tersuchtes Phänomen (Hattie & Timperley, sem Kind angesehen werden können. Für 2007). Studien, die sich mit der Wirkungs- die Richtung dieses Einflusses, d.h. ob das weise von Lehrkraftfeedback beschäftigen, Lehrkraftfeedback sich positiv oder negativ nehmen allerdings hauptsächlich seinen auf die soziale Akzeptanz auswirkt, ist seine Einfluss auf Lernzuwachs, Motivation, Valenz maßgeblich. Feedback mit positiver Selbstkonzept oder Selbstwirksamkeit in Valenz hätte dementsprechend einen posi- den Fokus (Hattie & Timperley, 2007). In- tiven, und Feedback mit negativer Valenz wieweit das Feedback, das eine Lehrkraft einen negativen Effekt. Huber (2019) nimmt einem Kind gibt, auch einen Einfluss auf darüber hinaus an, dass dieser Effekt von dessen soziale Stellung innerhalb der Klasse der Temperatur des Feedbacks moderiert hat, ist ein bisher wenig beachteter Aspekt. wird. In diesem Kontext konzeptualisierte Hu- Über die bereits dargestellten Studien ber (2019) in Anlehnung an Hattie und hinaus, die einen generellen Einfluss der Timperley (2007) und Kluger und DeNisi Lehrkraft auf die soziale Hierarchie inner- (1996) Lehrkraftfeedback entlang von drei halb der Klasse nahelegen, stützen auch Dimensionen, die wesentlich dessen Wir- einige Studien die Annahme eines spezifi- kungsweise bestimmen: Der Fokus (1) be- schen Einflusses von Lehrkraftfeedback. So zeichnet den Zielbereich eines Lehrkraft- konnten Hendrickx, Mainhard, Oudman, feedbacks und kann sich entweder auf die Boor-Klip und Brekelmans (2017) in einer Aufgabe (aufgabenbezogenes Feedback) Längsschnittstudie zeigen, dass das Rück- oder die Person (personenbezogenes Feed- meldeverhalten einer Lehrkraft gegenüber back) beziehen. Aufgabenbezogenes Feed- einem Kind dessen sozialen Status in der back lässt sich verstehen als Rückmeldung Klasse beeinflusst. Allerdings nehmen die über die Güte einer erbrachten Leistung in Autor*innen keine im strengen Sinne De- Relation zu einer individuellen oder sozia- finition von Feedback vor, sondern fassen len Bezugsnorm. Personenbezogenes Feed- darunter jede Art von Verhaltens- und Leis- back hingegen stellt die Person des Lernen- tungsrückmeldung der Lehrkraft. Analog den in den Mittelpunkt der Rückmeldung. verhält es sich mit den Experimentalstudien Die Valenz (2) bezeichnet die Ausprägung von White und Kistner (1992) bzw. Whi- des Lehrkraftfeedbacks zwischen den Polen te und Jones (2000), die zeigen konnten, positiv und negativ. Die (emotionale) Tem- dass die gleiche Videosequenz eines Schul- peratur (3) des Feedbacks vereint Elemente kindes bei einem negativen Feedback der von verbaler, nonverbaler und paraverba- Lehrkraft einen deutlich negativeren Effekt ler Kommunikation und betrifft die Art und auf die soziale Akzeptanz durch die teilneh- Weise, wie ein spezifisches Lehrkraftfeed- menden Kinder hatte als bei einem positive- back gegeben wird: kalt, d.h. herabwür- ren Feedback. digend, oder warm, d.h. neutral bis wert- Daran anschließend konnten Huber, schätzend. Gebhardt & Schwab (2015) in einer Experi- Unter Berücksichtigung der Sozialen Re- mentalstudie zeigen, dass eine Information ferenzierungstheorie lässt sich entlang die- über das Feedback, das ein Kind von einer ser Dimensionen die Wirkungsweise von Lehrkraft erhält, einen signifikanten Einfluss Lehrkraftfeedback beschreiben. Der Einfluss auf die diesem Kind entgegengebrachte von Lehrkraftfeedback auf die soziale Ak- soziale Akzeptanz hatte. Die Effektstärke zeptanz eines Kindes wäre in diesem Sinne dieses Einflusses war dabei deutlich stärker größer, wenn das Feedback personenbezo- als die einer Kontrollinformation über das gen erfolgt, da es mehr interaktionsrelevan- Spielverhalten dieses Kindes. Dieser Befund te Informationen über das jeweils adressier- scheint robust zu sein und konnte in einem te Kind enthält, die potentiell als Indikator anderen Kontext repliziert werden (Huber, für die Haltung der Lehrkraft gegenüber die- Gerullis, Gebhardt, & Schwab, 2018). Al-
Schulleistung, Lehrkraftfeedback und Soziale Akzeptanz 7 lerdings erhielten die Teilnehmer*innen sozialen Akzeptanz (durch andere) sind das beider Studien die Feedbackinformation in Vorhandensein von Freundschaften, der indirekter und globaler Form (bspw. „Im Kontakt bzw. die Interaktion mit anderen Unterricht schimpft die Lehrerin oft mit Jan. sowie die Selbstwahrnehmung des eigenen Die Lehrerin sagt oft: „Jan, jetzt pass endlich Eingebundenseins (Koster et al., 2009). So- auf!“), was Fragen nach der ökologischen ziale Akzeptanz wird dabei zumeist über Validität aufwirft und die Autor*innen selbst soziometrische Verfahren operationalisiert anmerken lässt, dass in zukünftigen Studien (Koster, Pijl, Nakken & Van Houten, 2010; Feedback mit einer gesprochenen Stimme Kulawiak & Wilbert, 2015). umgesetzt werden sollte (Huber, Gebhardt Mit dem hier verwendeten experimen- & Schwab, 2015). Darüber hinaus wurde tellen Vorgehen werden vor allem zwei das verwendete Lehrkraftfeedback nur ent- Kritikpunkte vorheriger Studien aufgegrif- lang der Dimension Valenz operationalisiert fen. Erstens wird die ökologische Validität bzw. variiert. dadurch erhöht, dass das Lehrkraftfeedback Während die bisher vorliegenden Arbei- innerhalb eines animierten Videos von ten also generell einen Effekt von Lehr- einer realistisch animierten Lehrkraft gege- kraftfeedback auf die soziale Integration ben wird. Zweitens findet mit Rückgriff auf von Schüler*innen nahelegen und durch die existierende Feedbackforschung (Hattie experimentelle Untersuchungen auch Hin- & Timperley, 2007; Huber, 2019) eine dif- weise auf die Ursache-Wirkung-Beziehung ferenziertere Operationalisierung des Lehr- geben, stellen die fehlende Rückbindung an kraftfeedbacks statt. die existierende Feedbackforschung und die Die hier dargestellte Studie besteht aus damit verbundene uneinheitliche Verwen- zwei Teilexperimenten. Das erste Teilexpe- dung von Lehrkraftfeedback ein Desiderat riment untersucht den Einfluss der Schul- in der Forschung dar. An dieser Forschungs- leistung auf die soziale Akzeptanz, wo- lücke setzt die vorliegende Studie an. hingegen das zweite Teilexperiment den Einfluss von Lehrkraftfeedback auf die so- Ziele der vorliegenden Studie ziale Akzeptanz in den Blick nimmt. Die Betrachtung von Schulleistung und Die vorliegende Studie knüpft an die voran- Lehrkraftfeedback in zwei getrennten Ex- gegangenen experimentellen Studien von perimenten erfolgt mit dem Ziel, vor der Huber (2013), Huber et al. (2015) und Hu- Kombination in einer Folgestudie, die Ope- ber et al. (2018) an und wurde im Rahmen rationalisierungen von Schulleistung und des DFG-geförderten Forschungsprojekts Lehrkraftfeedback ohne den Einfluss der je- Beeinflussung sozialer Integrationsprozes- weils anderen überprüfbar zu machen. Die se durch Lehrkraftfeedback durchgeführt. drei folgenden Fragestellungen sollen dabei Das Forschungsprojekt zielt darauf ab, mit insbesondere auch die Richtung von Ursa- einem experimentellen Zugang den Einfluss che und Wirkung untersuchen: von Schulleistung und Lehrkraftfeedback 1. Hat die Schulleistung eines Schulkinds auf die soziale Akzeptanz von Kindern zu einen Einfluss auf dessen soziale Akzep- untersuchen. Soziale Akzeptanz wird da- tanz? bei in Anlehnung an das Modell von Kos- 2. Hat die Valenz des Lehrkraftfeedbacks ter, Nakken, Pijl und van Houten (2009) einen Einfluss auf die soziale Akzeptanz als Teilaspekt des übergeordneten Kon- des Schulkinds? zepts der sozialen Integration verstanden. 3. Wird der Effekt der Valenz des Lehrkraft- Synonym finden für dieses übergeordnete feedbacks auf die soziale Akzeptanz Konzept auch die Begriffe der sozialen In- durch den Fokus des Lehrkraftfeedbacks klusion bzw. der sozialen Partizipation Ver- beeinflusst? wendung. Abzugrenzen vom Teilaspekt der
8 Philipp Nicolay & Christian Huber Konkret ergeben sich hieraus drei kausal schriftlich als auch vorgelesen über Kopf- angelegte Hypothesen, die im Rahmen der hörer präsentiert. Die vollständige Durch- Studie überprüft werden sollen: führung des Experiments dauerte pro Teil- 1. Die Schulleistung des im Experiment ge- nehmer*in ca. 15 Minuten. zeigten Schulkinds hat einen Einfluss auf Die Grundidee des Experiments besteht dessen soziale Akzeptanz. darin, dass die Proband*innen in einem 2. Die Valenz des im Experiment gezeigten Experimentalvideo den Schulalltag eines Lehrkraftfeedbacks hat einen Einfluss virtuellen Schulkindes (Kim) beobachten. auf die soziale Akzeptanz des Schul- Dieser Schulalltag ist neben einer kurzen kinds. Positives Feedback verbessert die Einführungsszene (das Kind betritt die Schu- soziale Akzeptanz, wohingegen negati- le) dramaturgisch in vier Unterrichtsstunden ves Feedback sie verringert. unterteilt, in denen die Schulleistung oder 3. Der Fokus des Lehrkraftfeedback mode- das auf die Schulleistung folgende Lehrkraft- riert den Einfluss der Valenz des Lehr- feedback als Zwischen-Subjekt-Faktoren kraftfeedbacks. Personenbezogenes experimentell variiert wurden. Um der ge- Feedback hat einen stärkeren Einfluss nerellen Präferenz für gleichgeschlechtliche auf die soziale Akzeptanz als aufgaben- Kinder unter Grundschulkindern Rechnung bezogenes Feedback. zu tragen und etwaige Verzerrungseffekte zu vermeiden (Hayden-Thomson, Rubin & Hymel, 1987), wurden im gesamten Expe- Methode riment Jungen nur männliche Figuren und Mädchen nur weibliche Figuren präsentiert. Stichprobe Da es sich damit technisch gesehen um an- deres Experimentalmaterial handelte, wird Am Experiment nahmen 228 Schüler*innen im Folgenden Geschlecht immer als Kont- der dritten und vierten Klasse teil. 47% der rollvariable in die Untersuchungen mitein- Stichprobe waren Mädchen. Aus daten- bezogen. schutzrechtlichen Gründen wurde das Alter Der Ablauf des Experiments ist in Ab- nicht erfragt. Aufgrund der Jahrgangsstufen bildung 1 schematisch dargestellt. Zu Be- ist anzunehmen, dass die Kinder acht bis ginn des Experiments wurden den Teil- zehn Jahre alt waren. Hierfür wurde das Ex- nehmer*innen jeweils drei Schulkinder periment in elf Klassen an fünf Grundschu- vorgestellt, die sie in Bezug auf ihre soziale len in Nordrhein-Westfalen durchgeführt. Akzeptanz bewerteten. Jungen sahen dabei Die Grundschulen wurden zufällig von drei männliche und Mädchen drei weibli- einer Liste von Grundschulen in Wuppertal che Figuren. Während eines der Kinder das und den umliegenden Kreisen ausgewählt eigentliche Zielkind darstellte, wurde die und kontaktiert. Abfrage der sozialen Akzeptanz gegenüber zwei weiteren Kindern vorgenommen, um Untersuchungsdesign und den Kindern einen Referenzrahmen zu bie- -durchführung ten und Deckeneffekte in der Beurteilung zu vermeiden, die sich in Vorstudien ge- Die Durchführung des Experiments erfolgte zeigt hatten. auf Tablets und wurde mit der Software E- Darauf folgte eine randomisierte Zu- Prime® 3.0 umgesetzt. Vor Beginn wurden teilung der Teilnehmer*innen entweder die Teilnehmer*innen durch die Versuchs- zur Gruppe Schulleistung oder Lehrkraft- leiter*innen in die Handhabung der Tablets feedback. Die Gruppe Schulleistung sah eingeführt und darauf hingewiesen, dass im Folgenden ein Experimentalvideo, das es keine richtigen und keine falschen Ant- den Schultag des Zielkinds anhand der vier worten gebe. Alle Fragen wurden sowohl szenisch dargestellten Unterrichtsstunden
Schulleistung, Lehrkraftfeedback und Soziale Akzeptanz 9 exemplarisch zeigte. In diesen vier Szenen Material entsprach das Leistungsverhalten des Ziel- kinds entweder einer schwachen, mittleren Soziale Akzeptanz oder guten Schulleistung. Die Zuteilung zu einem der drei Leistungstypen erfolgte ran- Die abhängige Variable soziale Akzeptanz domisiert. wurde analog zur soziometrischen Metho- Die Gruppe Lehrkraftfeedback sah das de von Moreno (1974) und mit Hilfe einer gleiche Video eines Schultags des Zielkinds fünfstufigen Likert-Skala operationalisiert allerdings immer mit dem mittleren Leis- (Hymel, Closson, Caravita & Vaillancourt, tungstyp. Die jeweiligen Szenen wurden je- 2011). Neben dem Kriterium Sitznach- weils durch ein Lehrkraftfeedback ergänzt. bar*in („Wie gerne würdest du neben dem Hierbei erfolgte eine randomisierte Zutei- Kind in der Schule sitzen?“) wurde die Ope- lung zu einem der vier Feedbacktypen, die rationalisierung von „sozialer Akzeptanz“ sich aus der Kombination von Feedback- in Anlehnung an Petillon (1978) um die Valenz (positiv oder negativ) und Feedback- Kriterien Spielpartner*in („Wie gerne wür- Fokus (aufgaben- oder personenbezogen) dest du mit dem Kind in der nächsten Pause ergab (siehe unten). spielen?“) und Geburtstagsgast („Wie gerne Nach der Präsentation des Experimental- würdest du das Kind zu deiner Geburtstags- videos wurden die Teilnehmer*innen erneut feier einladen?“) erweitert. gebeten, die soziale Akzeptanz des gezeig- Erfahrungen aus vorangegangen Studien ten Kindes zu beurteilen. zeigten, dass diese Form der Operationa- Die Gruppe Schulleistung wurde zum lisierung als veränderungssensitiv und re- Abschluss als Manipulationskontrolle ge- liabel eingeschätzt werden kann (Huber et beten, die Schulleistung des Zielkindes ein- al., 2015) und somit für die Verwendung in zuschätzen („Was denkst Du: Wie gut war einem Prä-Posttestdesign geeignet ist. Kim heute in der Schule?“), wohingegen die Die Werte für alle drei Kriterien (Sitzpart- Gruppe Lehrkraftfeedback das Lehrkraft- ner*in, Spielpartner*in, Geburtstagsgast) feedback einschätzte („Was denkst Du: Wie wurden zu einem Gesamtmittelwert zusam- hat die Lehrerin Kim bewertet?“). mengefasst, der im Wertebereich zwischen Abbildung 1. Ablauf des Experiments für beide Experimentalgruppen
10 Philipp Nicolay & Christian Huber 0 und 4 liegt. Die interne Konsistenz an Feedbackphasen war das jeweilige Zielkind Prä- und Posttest (αPrä = .77; αPost = .86) kann ausschließlich von hinten zu sehen, um eine als zufriedenstellend bis gut eingeschätzt Beeinflussung der Urteile durch die Mimik werden. des Zielkinds zu vermeiden. Um etwaige Verzerrungseffekte durch unterschiedliche Experimentalvideo verwendete Namen zu verhindern, wurde mit Kim ein Name für das Zielkind gewählt, Die verwendeten Experimentalvideos wur- der sowohl in der Jungen- als auch in der den speziell für und im Rahmen des DFG- Mädchenvariante verwendet werden kann. geförderten Forschungsprojekts Beeinflus- Die Operationalisierung der drei Leistungs- sung sozialer Integrationsprozesse durch typen (schwach, mittel, gut) erfolgte entlang Lehrkraftfeedback entwickelt. Als Art der von konkreten Kriterien (siehe Abbildung 3). Darstellung wurde eine animierte Form ge- Die Schulleistung wurde hierfür in vier für wählt, die im Gegensatz zu der Darstellung die soziale Akzeptanz im Klassenzimmer mit Schauspieler*innen einerseits einen wirksame Leistungsaspekte unterteilt: 1) höheren Grad der Standardisierung und Motivation, 2) Leseleistung, 3) Schulnoten, andererseits eine spätere Ergänzung oder 4) Antwortverhalten im Unterricht. Diese Überarbeitung der Videos in nachfolgenden vier Leistungsaspekte entsprechen im Expe- Studien ermöglicht. Abbildung 2 zeigt ex- rimentalvideo vier Schulstunden, die jeweils emplarisch eine Szene aus einem der Expe- als kurze Szenen (40-60 Sekunden) präsen- rimentalvideos. tiert wurden. Die Operationalisierung der Die für die Jungen- und Mädchenvariante jeweils drei Abstufungen (schwach, mittel, verwendeten Darsteller*innenfiguren wur- gut) dieser Leistungsaspekte wurde in meh- den mit Hilfe einer Vorstudie aus einem reren Überarbeitungsschritten im Rahmen Pool von mehreren Figuren ausgewählt, einer Vorstudie entwickelt und überprüft, so da sie die durchschnittlichste spontane so- dass diese entsprechend als schwach, mittel ziale Akzeptanz bei den Teilnehmer*innen oder gut wahrgenommen wurden. hervorriefen. Während der Leistungs- und Abbildung 2. Beispielszene aus der Mädchen-Variante des verwendeten Experimentalvideos.
Schulleistung, Lehrkraftfeedback und Soziale Akzeptanz 11 Abbildung 3. Operationalisierung der Leistungstypen schwach (SL-), mittel (SLØ) und gut (SL+) Die Operationalisierung des Lehrkraftfeed- backs erfolgte durch die Faktoren Feed- back-Valenz und Feedback-Fokus. Tabelle 1 gibt den Wortlaut der verwendeten Feed- backs wieder. Der Faktor Feedback-Valenz ist zweifach-gestuft, d.h. ein Feedback ist entweder positiv oder negativ. Zur Unter- stützung der Valenz wurde auf paraverbaler Ebene (Feedback Temperatur) ein positives Feedback in einer freundlich-warmen und ein negatives Feedback in einer unfreund- lich-kalten Stimmlage vorgetragen. Der Faktor Feedback-Fokus ist auch zweifach gestuft mit den Stufen aufgaben- und per- sonenbezogen. Alle Feedbacks folgten einer individuellen Bezugsnorm.
12 Philipp Nicolay & Christian Huber Tabelle 1: Wortlaut der verwendeten Lehrkraftfeedbacks für die einzelnen Leistungsaspekte Leistungsaspekt Lehrkraftfeedback Valenz Fokus Wortlaut Motivation + Person „Prima, Kim! Das klappt viel besser als letzte Woche. Heute bin ich wirklich stolz auf Dich!“ + Aufgabe „Prima, Kim! Heute hast Du viel mehr Aufgaben geschafft und gründlicher gearbeitet als letzte Woche“ - Aufgabe „Schade, Kim. Heute hast Du viel weniger Aufgaben geschafft als letzte Woche und nicht gründlich gearbeitet“ - Person „Schade, Kim. Das klappt heute gar nicht mit Dir. Heute bin ich wirklich enttäuscht von Dir“ Leseleistung + Person „Super, Kim! Das klappt viel besser als letztes Mal. Heute gefällst Du mir wirklich gut“ + Aufgabe „Super, Kim! Das war richtig gut. Du hast viel genauer gelesen als letztes Mal“ - Aufgabe „Mensch Kim, das war nicht gut. Du hast viel schlechter betont als letztes Mal.“ - Person „Mensch Kim, das war nichts. Langsam geht mir wirklich die Geduld mit Dir aus.“ Schulnote + Person „Zumindest hat es diesmal besser bei Dir geklappt, deine Entwicklung macht mich stolz.“ + Aufgabe „(also) diesmal hat das besser mit dem Zahlenraum bis 100 geklappt als letztes Mal.“ - Aufgabe „Schade, diesmal hattest Du deutlich mehr Probleme mit den Textaufgaben als letztes Mal.“ - Person „aber das war diesmal wirklich schwach von Dir. Deine schlechte Entwicklung enttäuscht mich.“ Antwortverhalten + Person „Klasse, Kim! Das klappt schon viel besser als letzte Woche. Deine Entwicklung macht mich glücklich!“ + Aufgabe „Klasse, Kim! Du hast dieses Mal schon deutlich mehr Sinne benennen können als letzte Woche“ - Aufgabe „Ach, Kim. Das war nichts. Du hättest Dir die fünf Sinne Zuhause nochmal angucken sollen“ - Person „Ach, Kim! Es reicht mir mit Dir. Du bist immer noch so schlimm wie früher.“ Statistische Auswertung trollvariable. Als Datengrundlage wurden für die Überprüfung der ersten Hypothese Zur Überprüfung der aufgestellten Hypo- die Datensätze derjenigen Kinder genutzt, thesen wurden Kovarianzanalysen (AN- die der Gruppe „Schulleistung“ zugeteilt COVA) für den Posttest-Wert durchgeführt wurden. Die Daten derjenigen Kinder, die unter Kontrolle für den Prätest-Wert und mit der Gruppe „Lehrkraftfeedback“ zugeteilt den experimentellen Faktoren Schulleistung worden waren, wurden für die Überprüfung bzw. Feedback-Valenz und Feedback-Fokus der zweiten und dritten Hypothese genutzt. sowie in beiden Fällen Geschlecht als Kon-
Schulleistung, Lehrkraftfeedback und Soziale Akzeptanz 13 Die statistische Analyse der Daten er- Eine daran anschließende Betrachtung folgte mit R 3.5.1 (R Core Team, 2018) in der sozialen Akzeptanz am Prätest zeigt, RStudio 1.0.143 (RStudio Team, 2015) un- dass diese für die jeweils drei Kinder der ter Verwendung der Pakete car 3.0-3 (Fox Jungen- bzw. Mädchenvariante insgesamt & Weisberg, 2019) für die Berechnung der eher hoch ausfällt (Range der Mittelwer- ANCOVAs, lsmeans 2.30-0 (Lenth, 2016), te 2.27 – 2.94). Während allerdings in der um die Post-hoc-Vergleiche durchzuführen, Mädchenvariante dem eigentlichen Ziel- und lsr 0.5 (Navarro, 2015) zu Bestimmung kind im Mittel die höchste soziale Akzep- der Effektstärken. tanz entgegengebracht wurde (MZielkindW = 2.93 vs. MMädchen1 = 2.86 bzw. MMädchen2 Ergebnisse = 2.61), wurde dem Zielkind der Jungen- variante (MZielkindM = 2.27 vs. MJunge1 = 2.60 Eine deskriptive Betrachtung der sozialen bzw. MJunge2 = 2.94) die niedrigste soziale Akzeptanz am Prätest zeigte, dass insge- Akzeptanz entgegengebracht. Insgesamt samt 26 Teilnehmer*innen eine extrem ne- liegt damit die mittlere dem Zielkind der gative (0) oder positive (4) Bewertung des Jungenvariante entgegengebrachte sozia- fiktiven Schulkindes vornahmen. Da in le Akzeptanz am Prätest deutlich näher an diesen Fällen eine Veränderung von Prä- zu der theoretischen Mitte der Skala (2) als die Posttest nur noch in eine Richtung möglich soziale Akzeptanz gegenüber dem Zielkind ist, wurden diese Fälle aus der Stichprobe der Mädchenvariante. Dieser Unterschied entfernt. Damit reduzierte sich die Stichpro- ist statistisch signifikant, t(200) = 4.64, p < be auf n = 202 mit 45% Mädchen. Tabelle .001. 2 fasst die Verteilung der Stichprobe auf die Hypothese 1 nahm an, dass die im Video einzelnen Bedingungen der Gruppen Schul- dargestellte Schulleistung des fiktiven Kin- leistung und Lehrkraftfeedback zusammen. des einen signifikanten Einfluss auf dessen soziale Akzeptanz hat. Hierzu wurde in einem ersten Schritt zunächst mit einer uni- variaten Varianzanalyse (ANOVA) geprüft, ob die Proband*innen die Schulleistung der konstruierten Schulleistungstypen in der in- tendierten Richtung wahrgenommen haben (Manipulationskontrolle). Die Ergebnisse Tabelle 2: Stichprobe getrennt nach Experimentalbedingungen Stichprobe Mädchen Jungen Gesamt Leistungstypen schwach 13 14 27 mittel 13 17 30 gut 13 15 28 Gesamt 39 46 85 Feedbacktypen positiv-Person 13 20 33 positiv-Aufgabe 13 14 27 negativ-Aufgabe 12 15 27 negativ-Person 14 16 30 Gesamt 52 65 117
14 Philipp Nicolay & Christian Huber zeigen einen signifikanten Haupteffekt für den Mittelwerten des schwachen (Mschwach den Leistungstypen (F(2, 79) = 44.607, p = 2.54), mittleren (Mmittel = 3.26) und guten < .000, ηp² = .530). Ein Post-hoc-Vergleich Leistungstyps (Mgut = 3.80) in der angenom- zeigt, dass der gute Leistungstyp besser menen Richtung. Abbildung 4 verdeutlicht als der mittlere und dieser besser als der diesen Effekt und stellt die Veränderung der schwache Leistungstyp wahrgenommen sozialen Akzeptanz gegenüber dem Ziel- wurde (jeweils p < .000). kind von Post- zu Prätest in Abhängigkeit In einem zweiten Schritt wurde mit Hil- des präsentierten Leistungstypen dar. fe einer Kovarianzanalyse (ANCOVA) ge- Zur Überprüfung der Hypothesen, dass prüft, ob sich eine Veränderung der sozia- die Valenz des im Video präsentierten Lehr- len Akzeptanz infolge der experimentellen kraftfeedbacks einen signifikanten Einfluss Manipulation der Schulleistung einstellte. auf die soziale Akzeptanz hat (Hypothese In die Analyse gingen die Leistungstypen 2) und dass dieser Effekt durch den Feed- (schwach, mittel, gut) und das Geschlecht back-Fokus verstärkt oder abgeschwächt als Zwischensubjekt-Faktoren unter Kont- wird (Hypothese 3), wurde analog ver- rolle der Prätest-Werte (als Kovariate) ein. fahren. In einem ersten Schritt wurde mit Die Ergebnisse zeigen einen signifikanten einer univariaten Varianzanalyse (ANOVA) Haupteffekt für den Faktor Leistungstyp überprüft, ob es signifikante Unterschiede (F(2, 78) = 15.44, p < .000, ηp² = .284). Die- in der wahrgenommenen Bewertung durch ser ist nach Cohen (1988) als groß einzustu- die Lehrkraft (Manipulationskontrolle) zwi- fen. Ein Post-hoc Vergleich zeigt signifikan- schen den 2x2 Feedback-Bedingungen gibt. te Unterschiede (jeweils p < .05) zwischen Die Ergebnisse zeigen einen signifikan- Abbildung 4. Veränderung der sozialen Akzeptanz von Prä- zu Posttest in Abhängigkeit von der präsentierten Schulleistung.
Schulleistung, Lehrkraftfeedback und Soziale Akzeptanz 15 ten Haupteffekt für Feedback-Valenz (F(1, Feedback gesehen hatten. Die Stärke dieses 109) = 262.137, p < .000, ηp² = .706) in der Effekts ist als groß einzuordnen (Cohen, erwarteten Richtung, aber lediglich einen 1988). Der für Fragestellung 3 relevante In- statistischen Trend für den Interaktionseffekt teraktionseffekt zwischen Feedback-Valenz von Feedback-Valenz und Feedback-Fokus und Feedback-Fokus war nicht signifikant, (F(1, 109) = 3.602, p = .060, ηp² = .032). F(1, 108) = 0.248, p = .620, ηp² = .002. Im Folgenden wurden mit einer ANCOVA Der Feedback-Fokus scheint somit den Ef- mit dem Posttest der sozialen Akzeptanz als fekt der Feedback-Valenz nicht zu mode- abhängige Variable, der Feedback-Valenz rieren. Abbildung 5 stellt die Veränderung (positiv / negativ), dem Feedback-Fokus der sozialen Akzeptanz in Abhängigkeit des (aufgaben- / personenbezogen) und Ge- präsentierten Feedbacktyps dar. Deskriptiv schlecht als Zwischensubjekt-Faktoren und zeigt sich hier für das Lehrkraftfeedback mit dem Prätest als Kovariate die Hypothesen positiver Valenz ein Unterschied im Sinne 2 und 3 überprüft. Die Ergebnisse zeigen der Hypothese, wohingegen sich aufga- einen signifikanten Haupteffekt der Feed- ben- und personenbezogenes Feedback mit back-Valenz auf die soziale Akzeptanz im negativer Valenz nicht zu unterscheiden Posttest unter Kontrolle für den Prätest Wert, scheinen. F(1, 108) = 35.042, p < .000, ηp² = .245. Kinder, die ein positives Lehrkraft-Feedback sahen, bewerteten am Post-Test die soziale Akzeptanz des Zielkindes deutlich positi- ver als Kinder, die ein negatives Lehrkraft- Abbildung 5. Veränderung der sozialen Akzeptanz von Prä- zu Posttest in Abhängigkeit von dem präsentierten Lehrkraftfeedback als Kombination aus Feedback-Valenz und Feedback-Fokus.
16 Philipp Nicolay & Christian Huber Diskussion theoretischen Überlegungen von Huber (2019) zur integrationsfördernden Wirkung Die hier beschriebene Studie untersuch- von Lehrkraftfeedback als auch mit den te die Frage, inwieweit Schulleistung und existierenden empirischen Studien, die den Lehrkraftfeedback Einflussfaktoren auf die Zusammenhang von Lehrkraftfeedback und soziale Akzeptanz von Schüler*innen sind. sozialer Integration untersuchten (Huber et In Bezug auf das Lehrkraftfeedback wurde al., 2015; Huber et al., 2018; White & Jo- darüber hinaus auch spezifischer die unter- nes, 2000; White & Kistner, 1992). schiedliche Wirkung von aufgaben- und Auffällig ist hier allerdings, dass sich die personenbezogenem Feedback in den Blick Bedingungen positives und negatives Feed- genommen. back zwar signifikant in ihrem Einfluss auf Die Ergebnisse zeigen, dass die Schul- die soziale Akzeptanz voneinander unter- leistung des Kindes, wie in Hypothese 1 scheiden, sich im Mittel in der positiven angenommen, einen signifikanten Einfluss Feedback-Bedingung aber keine Verände- auf die ihm entgegengebrachte soziale Ak- rung der sozialen Akzeptanz von Prä- zu zeptanz hatte. Unter Kontrolle der initialen Posttest gegenüber dem fiktiven Kind zeigt sozialen Akzeptanz war sie bei einer guten (M∆ = 0.04, SD∆ = 0.85), wohingegen in der Schulleistung höher als bei einer mittleren negativen Feedback-Bedingung ein deutli- und bei einer mittleren Schulleistung höher che Verschlechterung der sozialen Akzep- als bei einer schwachen. Die gefundenen tanz feststellbar ist (M∆ = -1.00, SD∆ = 1.13). Effektstärken zeigen darüber hinaus, dass Ein möglicher Erklärungsansatz liegt mög- der Einfluss der Schulleistung als hoch ein- licherweise darin, dass die initiale soziale zuschätzen ist. Akzeptanz eher hoch ausfällt und entspre- Diese Ergebnisse stellen zunächst eine chend keine Veränderung im Ergebnis immer Replikation existierender Befunde zum noch gleichbedeutend mit einer hohen so- Zusammenhang von Schulleistung und so- zialen Akzeptanz ist. Allerdings decken sich zialer Akzeptanz dar (Huber, 2009; Huber diese Ergebnisse auch mit existierenden Stu- & Wilbert, 2012; Petillon, 1978), ergänzen dien, die sowohl stärkere Effekte für negative diese allerdings insofern, dass durch die Verhaltensweisen der Lehrkraft gegenüber experimentelle Anordnung Aussagen über einem Kind (Hendrickx, Mainhard, Oudman die Richtung des Effekts getroffen werden et al., 2017) als auch für negatives Lehrkraft- können. Soziale Ausgrenzung kann in die- feedback (Huber et al., 2015) gegenüber sem Sinne auch als Produkt von schwachen einem Kind auf dessen soziale Akzeptanz Schulleistungen begriffen werden, wobei durch seine Peers feststellen konnten. dies den umgekehrten Wirkzusammen- In Bezug auf den Feedback-Fokus (Hypo- hang, also ein sich gegenseitig potenzie- these 3) konnte die angenommene Interak- rendes Wechselverhältnis zwischen Schul- tion mit der Feedback-Valenz nicht bestätigt leistung und sozialer Akzeptanz (Petillon, werden. Hinsichtlich der Wahrnehmung des 1978) nicht ausschließt. Lehrkraftfeedbacks zeigte sich allerdings Hypothese 2 und 3 trafen Annahmen über ein statistischer Trend, der nahelegt, dass die Wirkung von Lehrkraftfeedback auf die aufgabenbezogenes Feedback als weniger soziale Akzeptanz von Schüler*innen. Zum stark empfunden wird. Dies spricht zumin- einen wurde erwartet, dass positives Lehr- dest dafür, dass der fehlende Effekt nicht pri- kraftfeedback einen positiven und negatives mär auf die vorgenommene Operationali- Lehrkraftfeedback einen negativen Einfluss sierung zurückzuführen ist. Betrachtet man auf die soziale Akzeptanz hat (Hypothese die Ergebnisse auf deskriptiver Ebene, so 2). Dieser Haupteffekt der Feedback-Va- fällt zusätzlich auf, dass kein Unterschied lenz konnte auch in den Daten gefunden im Einfluss auf die soziale Akzeptanz zwi- werden. Dies deckt sich sowohl mit den schen negativem personen- und aufgaben-
Schulleistung, Lehrkraftfeedback und Soziale Akzeptanz 17 bezogenem Feedback besteht, wohingegen Schulleistung und Lehrkraftfeedback bleibt sich diese Unterschiede in Bezug auf positi- der Blick auf mögliche Interaktionen zwi- ves Feedback andeutungsweise zeigen (vgl. schen Lehrkraftfeedback und Schulleistung Abbildung 5). Eine abschließende Einord- versperrt. Dies betrifft besonders auch die nung dieser Ergebnisse fällt an dieser Stelle Frage, inwiefern sich Kinder in paradoxen schwer, da bisher keine empirischen Stu- Situationen (bspw. positives Lehrkraftfeed- dien vorliegen, die gezielt den Einfluss des back bei schwacher Schulleistung) eher an Faktors Feedback-Fokus untersucht haben. Schulleistung oder Lehrkraftfeedback orien- Inhaltlich legen die Ergebnisse nah, dass tieren oder ob möglicherweise das jeweilige sich die Teilnehmer*innen in Bezug auf ihre Lehrkraftfeedback auch die Wahrnehmung soziale Akzeptanz gegenüber dem gezeig- der Schulleistung moderiert. In der vorlie- ten Kind sowohl an dessen Schulleistung als genden Untersuchung wurden Lehrkraft- auch dem Urteil der Lehrkraft orientieren. feedback und Schulleistung getrennt be- Die Stärken der beiden gefundenen Effekte trachtet, um diese Einflüsse auszuschließen für Schulleistung und die Valenz des Lehr- und die verwendeten Operationalisierungen kraftfeedbacks sind beide als groß einzustu- überprüfbar zu machen. Zukünftige Studien fen. Besonders in Hinblick auf letztere stellt werden diese Interaktion untersuchen. dies eine Abweichung zu existierenden Stu- Darüber hinaus erschwert das Fehlen ei- dien dar (Huber et al., 2015; Huber et al., ner Kontrollinformation zum Feedback der 2018; White & Jones, 2000), die eher mo- Lehrkraft die Interpretation der Ergebnisse derate Effektstärken für Lehrkraftfeedback vor dem Hintergrund der sozialen Referen- gefunden hatten. zierungstheorie. Es ist unklar, inwiefern der Hierfür lassen sich drei mögliche Erklä- Einfluss des Feedbacks darauf zurückzufüh- rungsansätze finden. Erstens könnte hierfür ren ist, dass es von einer Lehrkraft gegeben das Fehlen einer konkurrierenden Kontroll- wurde. Zwar konnten Huber et al. (2015) information zum Lehrkraftfeedback verant- bereits zeigen, dass Lehrkraftfeedback ei- wortlich sein, deren Einfluss auf die soziale nen stärkeren Einfluss als eine Kontrollinfor- Akzeptanz in der Studie von Huber et al. mation hat, allerdings ließ sich dieser Be- (2018) sogar stärker als der des Lehrkraft- fund nicht replizieren (Huber et al., 2018). feedbacks war. Zweitens könnten die Un- In diesem Kontext könnte bspw. die Kont- terschiede zu vorherigen Studien auch auf rastierung mit einem Feedback durch Peers die hier verwendete Operationalisierung eine mögliche Vorgehensweise darstellen. von Lehrkraftfeedback in direkt gesproche- Insgesamt legen die Befunde der vorlie- ner – und nicht indirekt wiedergegebener genden Studie nahe, dass neben individuel- – Form zurückzuführen sein, deren öko- len Merkmalen einzelner Kinder (in diesem logische Validität als höher einzuschätzen Fall: Schulleistung) auch das Feedbackver- ist. Drittens wäre es möglich, dass der Ef- halten der Lehrkraft ihnen gegenüber einen fekt des Lehrkraftfeedbacks auf die soziale nicht unerheblichen Beitrag zu ihrer Posi- Akzeptanz auch deshalb besonders stark tion im sozialen Gefüge der Klasse leistet. ausfiel, da die Teilnehmer*innen dieses Da anzunehmen ist, dass schulleistungs- immer gepaart mit einer mittleren Leistung schwache Schüler*innen eine höhere Wahr- sahen. Folgt man Feinman (1992), könnte scheinlichkeit für negatives Feedback durch diese mittlere Leistung besonders geeignet die Lehrkraft haben, ergibt sich hieraus aus sein, eine Unsicherheit zu evozieren, die der Perspektive betroffener Schüler*innen die Orientierung an einer Referenzperson die doppelte Problematik sowohl aufgrund wahrscheinlich macht. ihrer Schulleistung als auch aufgrund des An dieser Stelle zeigen sich auch zwei auf sie folgenden Feedbacks der Lehrkraft zentrale Limitationen der vorliegenden Stu- Ablehnung durch ihre Mitschüler*innen zu die. Durch die getrennte Betrachtung von erfahren.
18 Philipp Nicolay & Christian Huber Inwiefern diese Faktoren miteinander Farmer, T. W., McAuliffe Lines, M. & Hamm, interagieren, muss in folgenden Studien un- J. V. (2011). Revealing the invisible hand: tersucht werden. Der hier verwendete expe- The role of teachers in children’s peer rimentelle Zugang hat sich dahingehend als experiences. Journal of Applied Develop- vielversprechend erwiesen, da er es ermög- mental Psychology, 32(5), 247–256. licht über rein korrelative Aussagen hinaus Feinman, S. (Ed.) (1992). Social referencing Kausalzusammenhänge offenzulegen. and the social construction of reality in Für die Praxis von Lehrkräften lässt sich infancy. The language of science. New an dieser Stelle festhalten, dass ein reflek- York: Plenum Press. tierter Umgang mit öffentlich gegebenem Fox, J. & Weisberg, S. (2019). An R compa- Feedback essentiell scheint, dies umso nion to applied regression (Third edition). mehr vor dem Hintergrund, dass positives Thousand Oaks CA: SAGE. Feedback nicht im gleichen Maße die so- Garrote, A. (2016). Soziale Teilhabe von ziale Akzeptanz zu verbessern scheint, wie Kindern in inklusiven Klassen. Empirische negatives Feedback diese verschlechtert. Pädagogik, 30(1), 67–80. Garotte, A. (2020). Academic achievement and social interactions: A longitudinal Literaturverzeichnis analysis of peer selection processes in in- clusive elementary classrooms. Frontiers Bagwell, C. L., Newcomb, A. F. & Bukow- in Education, 5:4. ski, W. M. (1998). Preadolescent friends- Harks, M. & Hannover, B. (2017). Sympa- hip and peer rejection as predictors of thiebeziehungen unter Peers im Klassen- adult adjustment. Child Development, zimmer: Wie gut wissen Lehrpersonen 69(1), 140–153. Bescheid? Zeitschrift für Erziehungswis- Chang, L. (2003). Variable effects of chil- senschaft, 20(3), 425–448. dren’s aggression, social withdrawal, Hattie, J. & Timperley, H. (2007). The power and prosocial leadership as functions of of feedback. Review of Educational Re- teacher beliefs and behaviors. Child De- search, 77(1), 81–112. velopment, 74(2), 535–548. Hayden-Thomson, L., Rubin, K. H. & Hy- Chang, L. (2004). The role of classroom mel, S. (1987). Sex preferences in socio- norms in contextualizing the relations of metric choices. Developmental Psycholo- children’s social behaviors to peer accep- gy, 23(4), 558–562. tance. Developmental Psychology, 40(5), Hendrickx, M. M. H. G., Mainhard, T., Boor- 691–702. Klip, H. J. & Brekelmans, M. (2017). Our Chang, L., Liu, H., Fung, K. Y., Wang, Y., teacher likes you, so I like you: A social Wen, Z., Li, H. & Farver, J. M. (2007). The network approach to social referencing. mediating and moderating effects of tea- Journal of School Psychology, 63, 35–48. cher preference on the relations between Hendrickx, M. M. H. G., Mainhard, T., Oud- students’ social behaviors and peer ac- man, S., Boor-Klip, H. J. & Brekelmans, ceptance. Merrill-Palmer Quarterly, 53(4), M. (2017). Teacher behavior and peer li- 603–630. king and disliking: The teacher as a social Cillessen, A. H. N., Bukowski, W. M. & referent for peer status. Journal of Educa- Haselager, G. J. T. (2000). Stability of tional Psychology, 109(4), 546–558. sociometric categories. New Directions for Child and Adolescent Development, 2000(88), 75–93. Cohen, J. (1988). Statistical power analy- sis for the behavioral sciences (2nd ed.). Hillsdale, NJ: Erlbaum.
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