" Wir brauchen ein rechtliches Facebook" - Das soziale Netzwerk hat einen Konstruktionsfehler, sagt der Datenwissenschaftler Simon Hegelich: Es ...
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IDEEN| SOZIALEMEDIEN »Wirbrauchen ein rechtliches Facebook« Das soziale Netzwerk hat einen Konstruktionsfehler, sagt der Datenwissenschaftler Simon Hegelich:Es sei nicht für politische Diskussionen TEXT:JENS LUBBADEH 72 P.M. 03/2019
E in Viertel der Weltbevölkerungist bei Mark Zuckerbergs Facebook angemel- det. Doch vor dem US-Senat gab sich der Unternehmensgründer im vergan- genen Jahr ganz klein: Ja, die Firma tra- ge eine Mitschuld, dass die Datenanaly- Cambridge Analytica illegal Nutzerdaten erhob. Noch sei unklar, ob und wie das Team um Löschzentrum in Donald Trump diese Informationen für seinen Berlin: Im Auftrag von Facebook entfernt das Wahlkampf genutzt habe. Ja, Russland habe sich in Unternehmen Arvato die Präsidentschaftswahl eingemischt, habe über unerw ünschte Inhalte. Was bei Katzenbildern und Urlaubsvideos gut die staatliche Internet Research AgencyMillionen funktioniert, führt jedoch bei oftmals komplexen politischer Anzeigen geschaltet – und Facebook politischen Fragen zu einer Emotionalisierung der Unterwanderung nicht erkannt. Und die Debatte – und damit letztlich zur Polarisierung Flut an Hass-Postings, Falschnachrichten und Bots, und Spaltung der Gesellschaft. die automatisiert Beiträgeverfassen? »DieseArtvon Verdankt die AfD Facebook ihren Erfolg? Angriffen haben wir unterschätzt.« Die AfDist auf Facebookdie mit Abstand erfolg- Zuckerberg gelobt Besserung und setzt auf reichste Partei: Sie hat die meisten und aktivsten technische Lösungen. »Wewill it«, wir werden Fans, die meisten Likes und Kommentare. Sie Facebook reparieren, verspricht er. Doch lässt sich nutzt Facebook,um die traditionellen Medien zu Facebook überhaupt reparieren? Simon Hegelich, umgehen, und mitunter auch, um Desinformation Professor für Political Data Science in München, zu verbreiten. Es bleibt aber offen, ob ihre Wahler- fordert, das soziale Netzwerkganz neu zu denken. gebnisse ohne Facebookmöglich gewesen wären. Schwächt Facebook die Volksparteien? Sie sehen Facebook kritisch. Warum? Dafür haben wir keine Belege,aber ich vermute es. Viele Menschen informieren sich über Facebook politisch. Die Plattform ist aber für private Kom- munikation gemacht. Das ergibt eine heikle Ver- mischung von Politischem und Privatem, es emo- 23 Millionen Deutsche Für eine Partei des Randes ist die Emotionalisie- rung der politischen Debatte von Vorteil,für eine Partei der Mitte jedoch schwierig. Gefährlich wird es, wenn Volksparteienbeginnen, ihre Politik auf tionalisiert den politischen Diskurs – das ist eine nutzen Facebook FacebooksRegeln hin abzustimmen. Gefahr für unsere Demokratie. täglich, darunter auch Hat Facebook einen prinzipiellen Webfehler? Wie sehr es uns? zunehmend ältere FacebooksAlgorithmus versagt bei politischen Gefühlt werden die Debatten in den sozialen Menschen. Die Hälfte Diskussionen. Wird etwas massenhaft geteilt, zeigt Netzwerken immer aggressiver. Das ist aber aller Nachrichten,die dies normalerweise ein breites Interesse an die- schwer zu untersuchen, denn die meisten Studien über soziale Medien sem Inhalt. Politische Inhalte jedoch werden aus beziehen sich auf die USA,und Facebookführt gelesen werden, politischem Interesse von politisch hyperaktiven zudem permanent Änderungen ein. Aber wir wurden über Face- Nutzern massenhaft verbreitet. Zudem kann jeder wissen, dass Facebookdie Emotionen anspricht. book verbreitet. Nutzer überall mitmischen. Facebookkann nicht kontrollieren, wer etwa bei Wahlkämpfen wie nimmt. Russland hat via Facebook versucht, den Simon Hegelich (*1976)ist Professor für Political US-Wahlkampf zu Beobachten Data Science an der Hochschule für Politik.Die Sie so etwas auch in Deutschland? Wissenschaftsinstitution ist an die TUMünchen Wir haben die letzte Bundestagswahl angebunden. Um die Folgen der digitalen und auf Facebookviel Manipulation gesehen: Revolutionzu erforschen, kombiniert Hegelich Desinformationskampagnen, Fake Newsund Politik- mit Computerwissenschaft en: Er Trolling, also die absichtliche Provokation anderer untersucht gesellschaft liche , indem Nutzer. Bedenklich ist aber auch, dass politische er große Datenmengen mithilfeKünstlicherIntel- Institutionen versuchen, anhand der Daten, die ligenz auswertet . Sein Forschungss chwerpunkt Facebookgesammelt hat, einzelne Nutzer gezielt ist die Manipulationvon sozialen Netzwerken. zu Die Parteien können sich so ihr 03/2019 P.M. 73
37 % Fernsehen 20 % 21 % Onlinenachrichten 38 % 11% Tageszeitungen 2% DIE MEISTGENUTZTEN MEDIEN 8% Z U R I N F O R M A T I O NI M W A H L K A M P F gar nicht über Medien informiert 13% Die Politik verlagert sich auch in Deutschland zuneh - mend ins Netz. Je jünger die Wähler, umso mehr 7% informieren sie sich online . Klassische Medien haben Privatfernsehen 2% bei ihnen an Bedeutung verloren. Das verändert die Wahrnehmung der Politik – und die Politik selbst. 6% soziale Medien 13% alle Befragten 18- bis 34-Jährige 3% Radio 2% Ja, aber das ist nicht immer einfach. Für jede wichtige Wahloder jedes wichtige Referendum auf der Weltist bei Facebookmittlerweile ein eigenes Die Lüge überwiegt Publikum zusammenstellen, sie brauchen sich Team beschäftigt. Wie bei der Abstimmung in Kurz vor der Präsi- nicht mehr an breite Bevölkerungsgruppen zu Irland zur Abtreibung – dort hat Facebooksicher- dentschaftswahl wenden. Das verändert eine Demokratie. gestellt, dass jegliche Werbung nur von Irland aus 2016 dominierten in Geht Facebook die Probleme an? möglich war, nicht aber aus dem Ausland. den USAdie Fake Ja, stärker, als man von außen mitbekommt. Ist Facebooks Kostenlos-Modell das Grundpro - News, wie eine Facebookhat vor einiger Zeit einen Gesprächskreis blem? Es setzt den Anreiz, Daten der Menschen Auswertungder initiiert, an dem ich und einige andere deutsche zu sammeln und zu Geld zu machen. 20 meistbeachteten Wissenschaftler teilnehmen, wir beraten die Facebookhat an einem Abo-Modellkein Interesse. Facebook-Nachrich- Facebook-Leitung.Wir bekommen dafür kein Umfragen zeigen, dass die Leute nicht bereit ten zeigt: Vonallen Geld. Facebookbeginnt, politische Werbung wären, dafür viel zu zahlen. Natürlich könnte man Reaktionen (Teilen, öffentlich zu machen. Die Plattform hat ihren den Datenschutz so verschärfen, dass niemand Kommentieren etc.) Algorithmus so angepasst, dass politische Nach- mehr an Nutzerdaten herankommt. Damit würden bezogen sich mehr richten weniger stark verbreitet werden. Während wir uns aber in ein digitales Steinzeitalter katapul- auf Fake News als auf der Wahlin Deutschland hat Facebookgemeinsam tieren. Smart Citys und autonome Autos wären wahre Nachrichten. mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Infor- ohne Datenaustausch nicht mehr möglich. mationstechnik versucht, Attacken abzuwehren. Was schlagen Sie vor? Will man so verhindern, dass sich Staaten Man könnte den gegenteiligen Weggehen und alle künftig in fremde Wahlkämpfe einmischen? Daten öffentlich machen. Das würde Facebooks Datenmonopol aufbrechen und Konkurrenzange- bote stärken. Aber ich befürchte, zu diesem radi- kalen Schritt wären wir nicht bereit. Dabei geben viele ihre Daten ja schon freiwillig her, weil ihnen die Servicedienste so wichtig sind. Gibt es keine Alternative? Gezielte Desinformation Wir könnten beschließen, ein öffentlich-rechtli- ches soziales Netzwerkeinzuführen. MEDIENMeist liegt Fake News ein wahres Ereigniszugrunde. Die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender Es werden jedoch Details geändert, Aspekte verschwiegen oder sollen ein alternatives Facebook machen? hinzugedichtet, Dinge aus dem Zusammenhang gerissen. Am Warum nicht? Wenn wir es für nötig erachten, Ende steht eine Geschichte, die ins Weltbildihres Schöpfers – eine gesellschaftliche Infrastruktur für politische verbreitet über Blog oder Website – passt. Gesinnungsgenossen Debatten zu haben – warum sollten die Öffent- verbreiten die Nachricht über soziale Medien.In Deutschland lich-Rechtlichen ihren Bildungsauftrag dann nicht erzielen die zehn weitreichenstärksten Akteure dabei mehr als auch auf die digitale politische Debatte ausweiten? die Hälfte der Reaktionen. Onlinedienste wie der der Wie sähe so ein ÖR-Facebook aus? ARD,correctiv.orgund mimikama.at prüfen verdächtige News Es müsste Trolle verhindern, die ganze Bandbreite auf ihren Wahrheitsgehalt. Ihre Richtigstellungen (»Debunk«) eines Diskurses sichtbar machen. Das Design der erreichen jedoch weit weniger Menschen als die Falschmeldung. Plattform sollte so gewählt sein, dass Nutzer sich 74 P.M. 03/2019
IDEEN| SOZIALEMEDIEN Im April 2018 musste sich Mark Zuckerberg einem Ausschuss des US-Kongresses auch mit anderen Meinungen auseinandersetzen stellen. Hauptthema: wendete sich Jens Spahn etwa an AfD-Wählermit müssen, um Filterblasen zu verhindern. Facebooks Umgang der Botschaft, er sei gegen übermäßige Einwande- Das klingt anstrengend. mit Nutzerdaten rung; bei urbanen Wählern wirbt er damit, eine Ja, politische Debatten sind anstrengend. Das wird weltoffene Gesellschaft anzustreben. auch kein zweites Facebookwerden – niemand hat Was ist mit Fake News? Lust, sich stundenlang nur politisch zu betätigen. Schwierig in den Griff zu bekommen. Algorithmen Ist die Trennung von Politischem und Priva - können Fake Newsnicht sicher erkennen. Einfach tem also eine Illusion? alle verdächtigen Inhalte und Urheber zu blockie- Diese Trennung ist für eine Demokratie funda- ren trifft zu viele Unschuldige. Man könnte aber mental, ist aber nie vollständig gegeben. Waswir Nutzer, die solche Inhalte unwissentlich verbrei- mit Facebookerleben, ist, dass sich Politisches und ten, automatisch warnen. Und wir brauchen neue Privates zunehmend vermengen. Vorallem aber Mehr Follower, Regelungen: Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz wird es schlecht gemanagt. Das geht besser. mehr Präsenz Facebook,rechtswidrige Inhalte zu Wie könnte man Facebook also reparieren? Dass Facebook nicht löschen. Fake Newsoder Desinformation schlän- Momentan soll der Algorithmus den Leuten mög- die ganze Gesell- geln sich da oft durch. Facebooksollte auch für lichst viele Neuigkeiten einspielen, die sie liken schaft abbildet, zeigt deren Verbreitung haftbar sein. und verbreiten sollen. Warum programmiert man ein Blickauf die Könnten Nutzer mit einem Vertrauen-Button ihn nicht so, dass sie sich möglichst lange mit Followerzahlender Inhalte als vertrauenswürdig einstufen? einem Inhalt beschäftigen? Man muss vor allem Parteien: Sie Eine gute Idee. Aber es geht auch einfacher: Face- verhindern, dass politisch interessierte Nutzer weicht stark vom book könnte sein Like-Systemnach Nutzerverhal- auf den Algorithmus ausüben, indem sie Wahlergebnis ab. ten anpassen. Likes einer Person, die wahllos alle durch Hyperaktivität die Verbreitung und Bedeu- AfDca. 450 000 Fans, Inhalte einer Seite positiv bewertet, könnten tung eines bestimmten Themas übermäßig stei- Linkeca. 250 000 geringer gewichtet werden. Oder es limitiert die gern. Man sollte politische Werbung transparenter Fans, CSUca. 210000 Zahl der Freunde auf was dazu führen könnte, machen. Politiker machen derzeit Werbung auf Fans, SPD, dass Nutzer sich auf wichtigere und damit vertrau- Facebook, was in Ordnung ist, sie hängen ja auch CDUund Grüne je enswürdigere Leute konzentrieren. Aber letztlich Plakate auf. Nur wird das genutzt, um wider- ca. 190000 Fans, weiß man nie, wie solche Änderungen wirken. Es sprüchliche Aussagenstrategisch zu platzieren. So FDP ca. 150000 Fans. sind Operationen am offenen Herzen. 03/2019 P.M. 75
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