Wirtschaftlichkeit von Rindvieh- und Schweinemastbetrieben mit höherem Tierwohlstandard
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Agroscope Transfer | Nr. 399 / 2021 Wirtschaftlichkeit von Rindvieh- und Schweinemastbetrieben mit höherem Tierwohlstandard Sind die Mehrkosten gedeckt? Juni 2021 Inhaltsverzeichnis Fotos: Christian Gazzarin, Agroscope (links); Bettina Zwicker, Agroscope (rechts) Einleitung2 Vorgehen und Methodik 2 Ergebnisse Rindviehmast 5 Ergebnisse Schweinemast 7 Diskussion und Schluss- folgerungen10 Dank12 Literatur12 Autorinnen und Autoren Christian Gazzarin In der Rindermast werden die Mehrkosten für das höhere Tierwohl weniger gut abgegolten als in der Lara Meier Schweinemast. Franziska Zimmert Für Schweizer Konsumentinnen und Kon- dadurch allerdings nur zu 72 % gedeckt. In sumenten ist die artgerechte Haltung von der Schweinemast wird die Tierwohlprämie Nutztieren wichtig. Fleisch mit einem zu knapp 60 % vom Markt und zu gut 40 % höheren Tierwohlstandard lässt sich meist vom Bund finanziert, und die Kosten der teurer verkaufen, verursacht aber höhere Tierwohl-Leistungen sind zu 91 % gedeckt. Kosten für Arbeit, Stroh oder Gebäude und Je mehr Mastplätze ein Betrieb hat, desto unterliegt auch einem höheren Marktri- besser werden auch die Mehrkosten für siko. Diese Studie beantwortet die Frage, Tierwohl-Leistungen gedeckt. Umgekehrt inwiefern diese Kosten durch Tierwohlprä- ist die Kostendeckung durch die Tierwohl- mien über den Markt (Labelprämie) und prämien bei Betrieben mit kleineren über den Bund (Direktzahlungen) gedeckt Bestandesgrössen noch geringer. sind. Gegenstand der Untersuchung sind Die höheren Direkt- und Strukturkosten Buchhaltungsabschlüsse von 11 Rindvieh- sowie die Risikokosten aufgrund von nach- und 10 Schweinemastbetrieben mit dem fragebedingten Prämienausfällen werden IP-Suisse-Label, die mit einer Situation auf den Betrieben offenbar eher unter- nach Minimalstandard (Tierschutzverord- schätzt bzw. nicht einkalkuliert. Rinder- nung) verglichen wurden. mast-Betriebe mit eigener Grundfutterpro- Die Tierwohlprämie bei der Rindermast duktion sind davon stärker betroffen als wird zu 66 % vom Markt und zu 33 % durch Schweinemast-Betriebe, die sich einfacher Direktzahlungen des Bundes finanziert. kalkulieren lassen. Die Kosten für das höhere Tierwohl sind
Wirtschaftlichkeit von Rindvieh- und Schweinemastbetrieben mit höherem Tierwohlstandard Einleitung Tab. 1: Auswahlverfahren der IP-Suisse-Betriebe. Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten zeigen ein ausgeprägtes Interesse an artgerechter Tierhaltung (Finger Einheit Rindermast Schweinemast und Bartkowski, 2020; Univox-Umfrage, gfs-Zürich, 2018). Grundgesamtheit N 901 1251 Allerdings stagniert der Absatz von Fleischprodukten mit (GG) Tierwohllabel wie IP-Suisse seit einigen Jahren (SBV, 2016; Mastplätze (MP) STS, 2020). Der Anteil von Rindfleisch (Bankvieh) aus tier- MP 79 / 50 220 / 140 Mean / Median (GG) freundlicher Haltung an der gesamten inländischen Produk- tion betrug 2018 rund 39 % (Agristat, 2020). Obwohl dieser Geschichtete N 427 409 Anteil hoch ist, sind die Zahlen seit 2016 rückläufig. Ähnlich Stichprobe (SP) fallen die Angaben für tierfreundlich gehaltene Mast- Mastplätze SP MP 40 – 80 200 – 250 schweine aus, deren Anteil um die 33 % stagniert (STS, 2020). Diese Entwicklung könnte mehrere Ursachen haben. Effektive SP N 11 10 Neben einer mangelnden Nachfrage stellt sich auf der Ange- (zufällige Auswahl) botsseite die Frage, inwiefern es für Landwirtinnen und Mastplätze (Mean) Landwirte überhaupt wirtschaftlich attraktiv ist, Fleisch mit effektive SP MP 57 215 höherem Tierwohlstandard auf dem Markt anzubieten. (Baseline) Die höheren Tierwohlstandards zeichnen sich in erster Linie Rücklaufquote % 35 32 durch ein grösseres Platzangebot und den Einsatz von Stroh aus. Dies hat entsprechend Auswirkungen auf die Strohkos- ten (Direktkosten) sowie auf die Gebäude- und Arbeitskos- Betriebe; Schwein: 200–250 Mastplätze, 409 Betriebe), aus ten (Strukturkosten). der je mindestens 10 Betriebe mit einem Zufallsgenerator Die Einhaltung dieser Tierwohlstandards werden mit Prä- gezogen wurden (Tab. 1). Durch die Schichtung konnte hin- mien in Form von Preiszuschlägen (Labelprämien) und spe- sichtlich Grössenstruktur eine angemessene Homogenität ziellen Direktzahlungsprogrammen vom Bund entgolten erreicht werden. (BTS, besonders tierfreundliche Stallhaltung; RAUS, regel- Die Rücklaufquote betrug 35 % bei den Rinderbetrieben mässiger Auslauf ins Freie). (11 Betriebe) bzw. 32 % bei den Schweinemastbetrieben (10 Betriebe). Gegenstand der Studie sind Betriebe mit dem Label «IP- Suisse» in der Rindvieh- bzw. Grossviehmast sowie Schwei- Die Ergebnisse der ausgewählten Betriebe stellten wir den nemast. Diese beiden Betriebszweige sind von einer hohen Betriebszweig-Ergebnissen von ähnlichen Betrieben aus Flächenintensität geprägt und werden im Allgemeinen stark einer grösseren Stichprobe der Zentralen Auswertung von rationalisiert sowie über Outsourcing (Futter- und Ferkelzu- Buchhaltungsdaten (ZA, Agroscope) gegenüber (Daten kauf) spezialisiert, um die Kosten zu senken. Bisher bestand 2010−2014, Mittelwerte). Diese ZA-Stichprobe umfasst in der Schweiz keine umfassende Berechnung über die Wirt- 80 Mastschweine- bzw. 81 Rindviehmast-Betriebe, die schaftlichkeit solcher Betriebe, die in einen höheren Tier- sowohl Betriebe mit Minimalstandard nach Tierschutzver- wohlstandard investiert hatten. Anhand einer umfassenden ordnung als auch Labelbetriebe enthält. Betriebszweigauswertung soll die Frage geklärt werden, Damit konnte beurteilt werden, ob sich die IP-Suisse-Stich- inwiefern typische Rindvieh- und Schweinemastbetriebe die probe hinsichtlich der Kostenstruktur grundsätzlich von Mehrkosten ihrer Tierwohlleistungen über den Markt und/ einer anderen Stichprobe unterscheidet und die Ergebnisse oder über Direktzahlungen entschädigt bekommen. damit anders interpretiert werden müssten. Vorgehen und Methodik Berechnungsmethodik Vorgehen Die Daten verarbeiteten wir mit dem Analyseinstrument Auf Basis einer Adressdatenbank von IP-Suisse erfolgte eine AgriPerform (www.agriperform.ch), indem wir eine kom- zufällige Auswahl von Rindvieh- und Schweinemast-Betrie- plette Betriebszweigauswertung auf Vollkostenebene ben aus einer geschichteten Stichprobe. In einem ersten erstellten (Gazzarin und Hoop, 2017). Die Schweinemaster- Schritt analysierten wir die Betriebszweige anhand von löse aus den Buchhaltungen von 2019 korrigierten wir pro- Buchhaltungsabschlüssen (2018 oder 2019). Zusätzlich portional zu den Marktpreisen auf das Jahr 2018, weil die erfolgte auf den Betrieben eine Umfrage zur Ergänzung und Preise von 2018 den 5-jährigen Durchschnitt besser reprä- Plausibilisierung der Daten. In einem zweiten Schritt bilde- sentierten. Analog korrigierten wir die Rindermasterlöse aus ten wir auf Basis der Einzelergebnisse einen repräsentativen der 2018-Buchhaltung auf das Jahr 2019, weil in diesem Jahr Betriebszweig-Typ (Baseline) und simulierten damit verschie- die Preise dem 5-jährigen Durchschnitt ähnlich waren. Die dene Szenarien, um die wirtschaftlichen Effekte von Tier- Eigenkosten betreffen in erster Linie die Entschädigung der wohlleistungen zu erfassen. familieneigenen Arbeitszeit, die mit Fr. 28.− je Arbeitskraft- stunde veranschlagt wurde. Auswahl der Betriebe und Einordnung der Stichprobe Aus einer Grundgesamtheit von 901 Rindermastbetrieben Über eine Mittelwertbildung errechneten wir die soge- und 1251 Mastschweinebetrieben definierten wir eine nannte «Baseline», die dem aus den Einzeldaten typisier- geschichtete Stichprobe (Rind: 40−80 Mastplätze, 427 ten Betriebszweig entspricht und die Stichprobe und die 2 Agroscope Transfer | Nr. 399 / 2021
Wirtschaftlichkeit von Rindvieh- und Schweinemastbetrieben mit höherem Tierwohlstandard Tab. 2: Wichtigste Tierwohl-Unterschiede zwischen IP-Suisse Tab. 3: Wichtigste Tierwohl-Unterschiede zwischen IP-Suisse und Minimalstandard nach TschV in der Rindviehmast. und Minimalstandard nach TschV in der Schweinemast. Minimal- Minimalstandard nach IP-Suisse (IPS) – IP-Suisse (IPS) - Schwei- standard nach Tierschutz- Tierschutzverordnung Rindviehmast nemast verordnung (TschV) (TschV) Flächenan- Flächenan- 0.85 – 1.25 m2 /Tier* 0.6 – 0.9 m2 /Tier* 3.5 – 6.5 m2 /Tier* 1.8 – 3 m2 /Tier* gebot (bis 110 kg) (bis 110 kg) gebot Strohmatratze Nicht perforiert, oder eingestreute eingestreut (BTS-Stan- Vollperforiert (Gummi; Teilperforiert, kein Liegefläche Liegematten Liegefläche dard Bund); auch ohne Stroh) Stroh (BTS-Standard Langstroh zur Beschäf- Bund) tigung Ja; 1 – 4.9 m2 /Tier Ja; 0.45 – 0.65 m2 /Tier*; Auslauf (je nach Zugäng- konform mit RAUS- Nein Auslauf (ungedeckt) lichkeit); konform Nein Standard Bund (ungedeckt) mit RAUS- Nur aus Zucht- Standard Bund Ferkelzu- schweine-Beständen Konventionell kauf mit IPS-Standard (BTS/ *je nach Gewicht RAUS) BTS = Besonders tierfreundliche Stallhaltung (Direktzah- lungsprogramm des Bundes) *je nach Gewicht RAUS = Regelmässiger Auslauf ins Freie (Direktzahlungspro- BTS = Besonders tierfreundliche Stallhaltung (Direktzah- gramm des Bundes) lungsprogramm des Bundes) RAUS = Regelmässiger Auslauf ins Freie (Direktzahlungspro- Grundgesamtheit bestmöglich repräsentieren soll. Für die gramm des Bundes) Erstellung der Baseline wurden die Einzeldaten je Erlös- und Kostenposition arithmetisch gemittelt. Zusätzlich Tab. 4: Korrekturfaktoren und Planungsnormen für die Si- berechneten wir den getrimmten Mittelwert, indem der mulation / Umwandlung der Baseline-Ergebnisse in den Mi- niedrigste und höchste Wert unberücksichtigt blieb. nimalstandard (TschV). Wenn der arithmetische und der getrimmte Mittelwert Rindvieh Mastschweine Quelle mehr als 30 % auseinander lagen, übernahmen wir den getrimmten Mittelwert, ansonsten den arithmetischen Marktpreis 0.942 0.932 IPS, Micarna Mittelwert. Damit blieben Extremwerte oder Ausreisser (Faktor) von Einzelbetrieben unberücksichtigt. Die Baseline diente BTS/RAUS 280 320 Bund als Grundlage für die Simulation von Betriebszweig-Sze- (Fr./GVE u. Jahr) narien, bei denen wir ausschliesslich tierwohl-relevante Buchhaltung / Parameter mit entsprechenden finanziellen Auswirkun- Strohkosten Umfrage auf gen veränderten (tierwohlbedingte Direkt- und Struktur- 205 42 (Fr./MP) Betrieben / kosten sowie Prämien wie Direktzahlungen und Markt- Agridea preise). Wirtschaftliche Einflussgrössen, die keinen Gebäude Zusammenhang zu Tierwohlleistungen haben, wurden 0.862 0.894 Agroscope (Faktor) damit konstant gehalten. Arbeit (Faktor) 0.834 0.71 Agroscope Hauptszenario: Vergleich IPS zu «TschV» Hauptszenario Die Ergebnisse aus der Betriebszweiganalyse wurden zu Arbeit (Faktor) einem Baseline-Betriebszweig «IPS» (IP-Suisse) gemittelt Nebenszenario 0.92 Agroscope und einem simulierten (fiktiven) konventionellen Ver- (IPS-plus) gleichsbetriebszweig gegenübergestellt, der ausschliesslich Zertifizierungs- die Minimalanforderung der Tierschutzverordnung (TschV) 4 2.70 IP Suisse kosten (Fr./MP) erfüllt, ansonsten aber mit dem Baseline-Betrieb identisch ist. Das heisst, die IPS-Stichprobe wird auf eine Betriebssi- Mitgliedschaft/ tuation «herunterkorrigiert», die gegenüber der Tier- Kontrolle 200 200 IP Suisse schutzverordnung keine Tierwohlleistungen bereitstellt. (Fr./Jahr) Das Szenario dient auch als Referenz für die übrigen Sze- Anteil Tiere narien. Tabellen 2 und 3 zeigen die Tierwohlunterschiede IP Suisse / ohne Labelzu- 15 % 15 % der beiden Produktionsformen in Kurzform. Die wesentli- Suisseporcs schlag chen Unterschiede betreffen das Platzangebot, der ange- gliederte Auslauf und das Anbieten von Einstreu für die Futterver- 0.965 Suisseporcs Liegefläche für besseren Liegekomfort oder zur Beschäfti- brauch (Faktor) gung (Schweine). Speziell bei Schweinen gilt zudem eine Ferkelzukauf 0.93 IP Suisse Agroscope Transfer | Nr. 399 / 2021 3
Wirtschaftlichkeit von Rindvieh- und Schweinemastbetrieben mit höherem Tierwohlstandard Einschränkung beim Ferkelzukauf von Zuchtbetrieben, die Szenario IPS mit höherem Platzangebot («PLUS» − nur ebenfalls höhere Tierwohlstandards erfüllen müssen. Schwein) Tabelle 4 zeigt die Korrekturfaktoren, die extern über eine Dieses Szenario tritt ein, wenn unter konstanter aktualisierte Modellkalkulationen für Gebäude (Gazzarin Gebäudeinfrastruktur die gesamte Aktionsfläche pro und Hilty, 2002; Hilty et al., 2007), über Angaben von Bau- Schwein von 1.25 auf 1.6 m2 erhöht wird, was einer firmen sowie über Arbeitszeitkalkulationen (Heitkämper et Bestandsreduktion um 22 % entspricht. Politische Kräfte al., 2020; www.arbeitsvoranschlag.ch) berechnet wurden. fordern auch aus ökologischen Gründen eine Bestandsre- Korrekturfaktoren ergaben sich aus der Abweichung von duktion, was auch in der Botschaft des Bundesrates zur Erfahrungswerten (Stallsystem Schweine) oder über Weiterentwicklung der Agrarpolitik ab 2022 (AP22+, 2020) Modellverfahren (Stallsystem Rind, alle Arbeitsverfahren), zum Ausdruck kommt. die mit und ohne Tierwohlleistungen simuliert wurden. Die weiteren Annahmen in Tabelle 4 basierten auf geltenden Einzelbetriebliche Erfolgsgrössen Regelungen, gängigen Planungsnormen oder Angaben aus Kosten des Betriebszweiges und Gewinnschwelle (Break Even): den Interviews – Unter Abzug der Nebenerlöse (inkl. Direktzahlungen) werden die Produktionskosten dem effektiven Markter- Szenario IPS ohne Labelprämie («LP») lös je Mastplatz gegenübergestellt. Grafisch entspricht Mit diesem Szenario sahen sich Betriebe in der Vergangen- das Ende der Säule der Gewinnschwelle (Abb. 1). Sobald heit öfter konfrontiert, da infolge einer zu geringen Nach- der realisierte Markterlös über der Säule liegt, erzielt der frage keine Labelprämien ausbezahlt und die Labelpro- Betrieb einen Gewinn. Liegt der Erlös im hellen Säulen- dukte im konventionellen Markt verkauft wurden. Der bereich, muss sich der Betrieb in der Regel mit einem Totalausfall dieser Marktprämie entspricht einem Ausfallri- tieferen Lohnansatz begnügen. Wenn er gar im dunklen siko von 100 %. Mit dem entsprechenden Verlust können Säulenbereich liegt, werden nicht einmal die Fremdkos- folglich Risikokosten berechnet werden. Hierfür schätzte ten gedeckt, d. h. der Betrieb zehrt vom Kapital oder ris- IP-Suisse auf Basis der Absatz- und Schlachthofstatistik den kiert einen Liquiditätsengpass. Diese Ergebnisdarstellung Anteil der entwerteten Tiere zwischen 10 % und 30 %, wor- widerspiegelt die Wettbewerbsfähigkeit bzw. die ökono- aus wir eine Ausfallwahrscheinlichkeit von 15 % für die Risi- mische Belastbarkeit der Betriebe bei sinkenden Preisen. koprämie festlegten, die auch in der Baseline für das Berechnung: Vollkosten abzüglich Direktzahlungen und Hauptszenario eingerechnet wurde (15 % des Nettover- Nebenerlöse dividiert durch die Anzahl Mastplätze. lusts, der bei 100 % Ausfall der Labelprämie anfällt). Mit dem Totalausfall der Marktprämie wird die Tierwohlprämie Erfolgsgrössen Betriebstyp (Baseline) nur noch über den Betrag des Bundes (Direktzahlungen) Arbeitsverwertung: geleistet. Damit können in der Differenzbetrachtung auch – Weist den effektiven Verdienst je Arbeitsstunde aus, der die Beiträge von Markt und Bund an die Tierwohlprämie im Betriebszweig generiert wird (unabhängig von den berechnet werden. Angestelltenkosten); Berechnung: Vollkosten abzüglich 6000 5000 CHF je Mastplatz und Jahr 4000 Eigenkosten 3000 Fremdkosten abz. Nebenerlöse 2000 Markterlös 1000 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 Betrieb Nr. Abb. 1: Kosten der Intensiv-Rindermast und Gewinnschwelle (CHF je Mastplatz; 44−79 Mastplätze). 4 Agroscope Transfer | Nr. 399 / 2021
Wirtschaftlichkeit von Rindvieh- und Schweinemastbetrieben mit höherem Tierwohlstandard Personalkosten und Kosten für eigene Arbeit dividiert Gewinn und können als nachhaltig wettbewerbsfähig durch Arbeitsstunden, die total im Betriebszweig aufge- bezeichnet werden. Drei Betriebe können nicht einmal die wendet werden. Fremdkosten decken und sind ökonomisch nicht belastbar. – Kostendeckungsgrad der Tierwohlleistungen im Hauptsze- Die übrigen vier Betriebe erzielen ein positives Einkommen nario: Zeigt auf, zu wieviel Prozent die Mehrkosten vom je Mastplatz, das aber die Arbeitsstunde zu deutlich weniger Mehrerlös gedeckt sind. Der Unternehmensgewinn der als den anvisierten Fr. 28.− zu entschädigen vermag. Der IPS-Stichprobe wird dabei mit «TschV» verglichen (Unter- Betriebszweig ist bei sinkenden Preisen wenig belastbar. nehmergewinn = sämtliche Erlöse inklusive Direktzahlun- gen abzüglich Fremdkosten und Eigenkosten). Die Repräsentativität der Baseline-Ergebnisse (Rind) Abweichung des Unternehmergewinns ist der eigentli- Die Kosten- und Leistungsrechnung in Tabelle 5 gliedert sich che Nettogewinn bzw. -verlust, der von der Tierwohlleis- in eine Baseline (1. Ergebnisspalte), welche die erfassten tung verursacht wird. Berechnung: Mehrerlös gegenüber Betriebe repräsentiert. In den beiden Spalten rechts aussen «TschV» dividiert durch Mehrkosten gegenüber «TschV»; werden diese Ergebnisse einer grösseren Stichprobe aus der ist der Mehrerlös mit den Mehrkosten identisch, werden Zentralen Auswertung (ZA) gegenübergestellt (Ergebnisse je 100 % der Mehrkosten gedeckt. Mastplatz). Gemäss Tabelle 1 ist die Anzahl Mastplätze der Baseline (57) etwas tiefer als der Mittelwert der Grundgesamt- Ergebnisse Rindviehmast heit (79), jedoch höher als dessen Median (50). Der Mittelwert Kosten und Gewinnschwelle der ZA-Betriebsgruppe liegt mit 65 nur geringfügig höher. Abbildung 1 widerspiegelt die wirtschaftliche Situation auf Insgesamt kann der Umfang des Betriebszweiges in der Base- den 11 Einzelbetrieben. Die Betriebe verfügen über 44 bis line als weitgehend repräsentativ betrachtet werden. Auffal- 79 Mastplätze und sind nach der Grösse geordnet. Sie weisen lend sind die höheren Kosten für den Tierzukauf, was wiede- sehr heterogene Ergebnisse auf, wobei diese von der Anzahl rum auch den höheren Erlös bedingt durch den schnelleren Mastplätze nicht beeinflusst sind. Die effektiven Masterlöse Umtrieb erklärt. Weiterhin auffallend sind die höheren schwanken zwischen Fr. 2 600.− und Fr. 4 900.− je Mastplatz. Maschinenkosten, die leicht höheren Gebäudekosten sowie Die Unterschiede erklären sich mit dem Alter der zugekauf- die tieferen Arbeitszeiten bzw. Arbeitskosten. Dies lässt dar- ten Kälber und der damit verbundenen Anzahl Umtriebe. auf schliessen, dass die Betriebe der IPS-Stichprobe mit einer Das heisst, je älter die Kälber beim Zukauf sind, desto kürzer etwas höheren Kapitalausstattung Arbeitszeit einsparten ist die Mastdauer bis zur Schlachtreife, was pro Jahr mehr als und/oder auch ein besseres Arbeitsmanagement haben. Der einen Umtrieb ermöglicht, aber auch höhere Kosten beim Unternehmensverlust der IPS-Stichprobe ist etwas geringer, Zukauf verursacht. Auch die Kosten schwanken sehr stark auf was durchaus im Rahmen einer positiven Selektion zu erwar- den Betrieben. Die Gewinnschwelle, das heisst der Punkt, bei ten ist. Insgesamt bestätigt dieser Vergleich, dass die Stich- dem sämtliche Kosten gedeckt sind, liegt gerundet zwischen probe als weitgehend repräsentativ für eine grosse Anzahl Fr. 2 800.− und Fr. 5 300.− je Mastplatz. Nur drei Betriebe Betriebe betrachtet werden kann und folglich allgemeingül- erreichen eine Kostendeckung oder erzielten gar einen tige Aussagen zulässig sind. Strohkosten Arbeitskosten Risikokosten Gebäudekosten Schuldzinsen Allgemeine Betriebskosten - 2 4 6 8 10 12 14 in 1000 CHF pro Jahr Abb. 2: Mehrkosten von Tierwohlleistungen im Detail (Rindviehmast, 57 Mastplätze). Agroscope Transfer | Nr. 399 / 2021 5
Wirtschaftlichkeit von Rindvieh- und Schweinemastbetrieben mit höherem Tierwohlstandard Tab. 5: Wirtschaftlichkeit des Betriebszweiges Rindviehmast unter Berücksichtigung von Tierwohlleistungen. ABSOLUTE WERTE WERTE JE MASTPLATZ IPS-11 TschV IPS IPS-11 ZA-81 Baseline simuliert ohne Labelprämie ohne Risikoprämie Mastplätze (MP) 57 57 57 57 65 Grundgesamtheit IPS (Mean/Median) 79/50 GVE Rind Grossviehmast 22.8 22.8 22.8 22.8 26.0 LEISTUNGEN Pflanzenbau (zugeteilt) 1 778 1 778 1778 31 - Masterlöse (2019) 211 673 199 428 199 428 3 714 3 133 Direktzahlungen total 29 485 23 101 29 485 517 517 Erlös total 242 937 224 308 230 692 4 262 3 651 Δ Erlös zu TschV 18 629 6 384 Mehererlös 8.31 % 2.8 % FREMDKOSTEN Direktkosten Pflanzenbau 4 533 4 533 4 533 80 147 Direktkosten Tierhaltung 150 593 138 908 150 593 2 642 2 055 davon Kraftfutter 35 063 35 063 615 716 davon übr. Raufutter/Futtergelder/ - Sömmerung davon Tierarzt, Medikamente 2 665 2 665 47 59 davon Besamung / ET - davon Tierzukäufe 99 987 99 987 1 754 1 117 davon verschiedene Kosten 7 931 7 931 139 81 Maschinenkosten 32 576 32 576 32 576 572 468 Gebäudekosten 16 682 14 380 16 682 293 252 Allgemeine Betriebskosten 11 015 10 587 11 015 193 153 Kosten Marktrisiko 2 535 Personalkosten 14 914 12 438 14 914 262 336 Pachtkosten 2 361 2 361 2 361 41 132 Schuldzinsen 4 302 3 708 4 302 75 NV Fremdkosten total 239 512 219 492 236 977 4 157 3 544 EIGENKOSTEN Eigene Arbeit 34 949 29 148 34 949 613 702 Eigenes Kapital 346 298 346 0 0 Total Produktionskosten (Vollkosten) 274 815 248 938 272 272 4 771 4 245 Δ Vollkosten zu TschV 25 876 23 334 Mehrkosten 10.4 % 9.4 % 6 Agroscope Transfer | Nr. 399 / 2021
Wirtschaftlichkeit von Rindvieh- und Schweinemastbetrieben mit höherem Tierwohlstandard Tab. 5: Wirtschaftlichkeit des Betriebszweiges Rindviehmast unter Berücksichtigung von Tierwohlleistungen (Forts.). IPS-11 TschV IPS IPS-11 ZA-81 KENNZAHLEN Baseline ohne Labelprämie ohne Risikoprämie Unternehmensgewinn/-verlust -31 878 -24 631 -41 581 -515 -595 (absolut) in Fr. je Jahr Δ Gewinn / Verlust zu TschV in -7 247 -16 950 Fr. je Jahr Δ Gewinn / Verlust zu TschV (Fr. je MP) -127 -297 Kostendeckung Tierwohl (Anteil) 72 % 27 % Marktpreis IST (Fr./kg SG) 9.542 8.99 8.99 Marktprämie für 100 % Kosten- 0.88 0.76 deckung Tierwohl (Fr./kg SG) Arbeitszeit pro Jahr (AKh) 1 787 1 490 1 787 1 787 2 387 Arbeitsverwertung Fr./Akh 9.9 11.2 4.4 11.3 10.6 Gewinnschwelle (Break Even) in 4 273 3 931 4 228 Fr.je MP Ergebnis Hauptszenario (IPS-TschV) fügen über 194 bis 250 Mastplätze und sind nach der Grösse Der getrimmte Mittelwert wurde bei den Direktzahlungen geordnet. Die Ergebnisse sind auch heterogen, doch zueinan- angewandt, ansonsten fand der arithmetische Mittelwert der etwas ähnlicher als bei der Rindviehmast. Die effektiven Verwendung. Die Arbeitsverwertung der Baseline unter Masterlöse schwanken zwischen Fr. 1 042.− und Fr. 1 486.− je Einbezug der Risikokosten liegt bei Fr. 10.30 je eingesetzte Mastplatz. Die Kosten (Gewinnschwelle) schwanken zwischen Arbeitsstunde. Für eine volle Kostendeckung müsste der Fr. 744.− und Fr. 1 292.− je Mastplatz, wobei der tiefste Werte Mastplatz einen Erlös von Fr. 4 267.− generieren (effektiv: eher als Ausreisser zu betrachten ist. Mit steigender Anzahl Fr. 3 714.−). Mastplätze werden erwartungsgemäss höhere Gewinne Im Vergleich zum simulierten Vergleichsbetrieb mit Einhal- erzielt. Nur zwei Betriebe erreichen keine Kostendeckung tung der Minimalanforderungen (TschV) erzielt der Base- während die übrigen die Arbeitsstunde zu mehr als den anvi- line-Betrieb (IPS) insgesamt eine Tierwohlprämie von sierten Fr. 28.− entschädigen können. Der Betriebszweig ist Fr. 18 629.−, die Mehrkosten in der Höhe von Fr. 25 876.− wirtschaftlich deutlich erfolgreicher als die Rindviehmast. gegenübersteht (Tab. 5). Daraus ergibt sich eine Kostende- ckung von 72 %. Gegenüber dem Szenario «TschV» weist Repräsentativität der Baseline-Ergebnisse (Schweine) die Baseline damit jährlich einen um Fr. 7 247.− höheren Die Kosten- und Leistungsrechnung in Tabelle 6 gliedert sich Unternehmensverlust aus (Nettoverlust). auch wieder in eine Baseline (1. Ergebnisspalte), welche die Um mit dem Szenario «TschV» gleichzuziehen müsste die erfassten Betriebe repräsentiert und in die Spalten rechts Tierwohlprämie um Fr. 127.− je Mastplatz erhöht werden. aussen, in denen die Ergebnisse je Mastplatz ins Verhältnis mit Dies würde einer Erhöhung der Marktprämie um 60 % bzw. einer grösseren Stichprobe aus der Zentralen Auswertung (ZA) einer Erhöhung der Direktzahlungen (BTS, RAUS) um 116 % gesetzt werden. Gemäss Tabelle 1 liegt die Anzahl Mastplätze entsprechen. der Baseline (215) ziemlich genau beim Mittelwert der Grund- Die absoluten Mehrkosten-Positionen für Tierwohlleistun- gesamtheit (220), jedoch deutlich höher als dessen Median gen sind in Abbildung 2 aufgeführt. Mit Abstand die grösste (140). Der Mittelwert der ZA-Betriebsgruppe liegt mit 245 Bedeutung haben die Stroh- und Arbeitskosten. leicht höher. Insgesamt kann der Umfang des Betriebszweiges in der Baseline damit als repräsentativ betrachtet werden. Nebenszenario (IPS ohne LP - TschV) Auffallend sind leicht höhere Kosten für den Tierzukauf, deut- Beim Wegfall der Labelprämie sinkt der Mehrerlös von lich tiefere Tierarztkosten und deutlich tiefere Gebäudekosten Fr. 18 629.− (Tierwohlprämie) auf Fr. 6 384.−. Damit beträgt sowie höhere Arbeitszeiten der IP-Suisse-Betriebe gegenüber der Marktanteil an der Tierwohlprämie zwei Drittel, wäh- der gemischten ZA-Stichprobe. Die höheren Arbeitszeiten lie- rend der Bund ein Drittel beisteuert. Die über dieses Szena- gen im Bereich der Erwartungen, während die Unterschiede rio errechneten Risikokosten liegen bei Fr. 2 535.− (15 % des bei den Gebäudekosten eher unplausibel wirken. Buchhalte- Nettoverlustes von Fr. 16 903.−) und wurden entsprechend risch erfasste Gebäudekosten sind jedoch neben dem Bauvo- für die Baseline im Hauptszenario eingerechnet. lumen (Angebot grösserer Platzbedarf über Auslauf) noch von vielen anderen Faktoren bestimmt, die sehr betriebsindividu- Ergebnisse Schweinemast ell sind (Abschreibungsstrategie, Kosten der Hofübernahme, Kosten und Gewinnschwelle Eigenleistung beim Bau etc.). Entsprechend zeigte sich in den Abbildung 3 widerspiegelt die wirtschaftliche Situation auf Einzelergebnissen auch eine sehr hohe Heterogenität bei den den 10 Einzelbetrieben mit Schweinemast. Die Betriebe ver- ausgewiesenen Gebäudekosten. Agroscope Transfer | Nr. 399 / 2021 7
Wirtschaftlichkeit von Rindvieh- und Schweinemastbetrieben mit höherem Tierwohlstandard Tab. 6: Wirtschaftlichkeit des Betriebszweiges Schweinemast unter Berücksichtigung von Tierwohlleistungen. ABSOLUTE WERTE WERTE JE MASTPLATZ IPS-10 TschV IPS-10 IPS-10 plus IPS-11 ZA-80 Baseline simuliert ohne Labelprämie 1.6 qm ohne Risikoprämie Mastplätze (MP) 215 215 215 168 215 245 Grundgesamtheit IPS (Mean/Median) 220/140 GVE Rind Grossviehmast 36.6 36.6 36.6 28.6 37 42 LEISTUNGEN Masterlöse (2018) 245 689 228 903 228 903 191 713 1 141 1 142 Direktzahlungen total 15 000 3 287 15 000 12 439 70 70 Erlös total 260 690 232 190 243 903 204 152 1 211 1 211 Δ Erlös zu TschV 28 499 0 11 713 -28 038 Mehererlös 12.3 % 5.0 % -12.1 % FREMDKOSTEN Direktkosten Tierhaltung 199 221 179 631 199 221 155 454 925 977 davon Kraftfutter 89 955 86 807 418 424 davon Tierarzt, Medikamente 297 297 1 5 davon Tierzukäufe 105 709 98 310 491 542 davon verschiedene Kosten 3 028 3 028 14 7 Maschinenkosten 404 404 404 323 2 2 Gebäudekosten 14 738 13 176 14 738 14 738 68 114 Allgemeine Betriebskosten 9 149 8 368 9 149 9 022 42 34 Kosten Marktrisiko 2 559 Personalkosten 8 697 6 175 8 697 7 970 40 52 Pachtkosten - - - - - Schuldzinsen 2 968 2 654 2 968 2 968 14 NV Fremdkosten total 237 737 210 407 235 178 190 475 1 092 1 179 EIGENKOSTEN Eigene Arbeit 13 565 9 631 13 565 12 431 63 62 Eigenes Kapital 657 588 657 657 3 - Total Produktionskosten (Vollkosten) 251 959 220 626 249 400 203 564 1 158 1 241 Δ Vollkosten zu TschV 31 334 - 28 774 -17 062 Mehrkosten 14.2 % 13.0 % -7.7 % 8 Agroscope Transfer | Nr. 399 / 2021
Wirtschaftlichkeit von Rindvieh- und Schweinemastbetrieben mit höherem Tierwohlstandard Tab. 6: Wirtschaftlichkeit des Betriebszweiges Schweinemast unter Berücksichtigung von Tierwohlleistungen (Forts.). IPS-215 TschV IPS-10 IPS_10 IPS-11 ZA-80 KENNZAHLEN Baseline simuliert ohne Labelprämie 1.6 qm ohne Risikoprämie Unternehmensgewinn/-verlust 8 730 11 565 -5 497 588 52 -30 (absolut) in Fr. je Jahr Δ Gewinn / Verlust zu TschV in -2 835 -17 062 -10 976 Fr. je Jahr Δ Gewinn / Verlust zu TschV (Fr. je MP) -13.2 -79.2 -65.3 Kostendeckung Tierwohl (Anteil) 91.0 % 41 % 61 % Marktpreis IST (Fr./kg SG) 4.025 3.75 3.75 4.025 Marktprämie für 100 % Kosten- 0.32 0.28 0.51 deckung Tierwohl (Fr./kg SG) Arbeitszeit pro Jahr (AKh) 1 247 885 1 247 1 143 1 247 1 051 Arbeitsverwertung Fr./Akh 24.9 30.9 13.4 18.4 26.9 17.3 Gewinnschwelle (Break Even) in 1 101 1 009 1 089 1 138 Fr.je MP 6000 5000 CHF je Mastplatz und Jahr 4000 Eigenkosten 3000 Fremdkosten abz. Nebenerlöse 2000 Markterlös 1000 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 Betrieb Nr. Abb. 3: Kosten der Schweinemast und Gewinnschwelle (CHF je Mastplatz; 194−250 Mastplätze). Sowohl der Unternehmensgewinn als auch die Arbeitsverwer- Ergebnis Hauptszenario (IPS-TschV) tung der IPS-Stichprobe ist deutlich günstiger als bei der Ver- Der getrimmte Mittelwert wurde bei den für die Schweine- gleichsgruppe, was auch hier auf die positive Selektion zurück- haltung wenig relevanten Maschinenkosten angewandt, zuführen ist, denn Betriebe, welche die Buchhaltung für eine ansonsten fand der arithmetische Mittelwert Verwendung. Betriebszweigauswertung freiwillig aushändigen, dürften Die Arbeitsverwertung der Baseline unter Einbezug der Risi- angesichts der eher tiefen Rücklaufquote ein überdurchschnitt- kokosten liegt bei Fr. 24.90 je eingesetzte Arbeitsstunde. Für liches Kostenbewusstsein bzw. Kostenmanagement aufweisen. eine volle Kostendeckung müsste der Mastplatz einen Erlös Im Gesamtvergleich betrachtet kann jedoch auch hier fest- von Fr. 1 101.− generieren, der auch erreicht wird (effektiv: gestellt werden, dass die IPS-Stichprobe keinen exotischen Fr. 1 141.−). Charakter aufweist, sondern sich wenig von der grösseren Inwiefern nun die Kosten der Tierwohlleistungen gedeckt Vergleichsgruppe unterscheidet, was über weite Teile allge- sind, zeigt der Vergleich mit dem simulierten Betriebszweig, meingültige Aussagen möglich macht. der die Minimalanforderungen (TschV) widerspiegelt: Die Agroscope Transfer | Nr. 399 / 2021 9
Wirtschaftlichkeit von Rindvieh- und Schweinemastbetrieben mit höherem Tierwohlstandard Strohkosten Ferkelzukauf IPS-Label Arbeitskosten Futterkosten Risikokosten Gebäudekosten Allgemeine Betriebskosten Schuldzinsen - 2 4 6 8 10 12 14 in 1000 CHF pro Jahr Abb. 4: Mehrkosten von Tierwohlleistungen im Detail (Rindviehmast, 57 Mastplätze). Baseline (IPS) erzielt eine Tierwohlprämie von Fr. 28 499.− eines solchen Bauvorhabens ist jedoch aufgrund der aktu- bei Mehrkosten von Fr. 31 334.− (Tab. 6). Die Kosten werden ellen agrarpolitischen Diskussion rund um die Ammoniak- damit nicht voll gedeckt (Kostendeckungsgrad von 91 %). belastung und die Reduktion der Tierbestände ein eher Gegenüber dem Szenario «TschV» weist die IPS-Baseline unsicheres Unterfangen. Wird auf die Investition verzich- jährlich einen um Fr. 2 835.− tieferen Unternehmensgewinn tet, bedeutet ein konstantes Gebäudevolumen mit nur aus (Nettoverlust). geringfügigen Veränderungen der Einrichtungen eine Um mit dem Szenario «TschV» gleichzuziehen müsste die Reduktion des Tierbestandes von 215 auf 169 Mastplätze Tierwohlprämie um Fr. 13.20 je Mastplatz erhöht werden. (−21 %). Im Vergleich zum Minimalstandard (TschV) kann Dafür wäre eine Erhöhung der Marktprämie um 15 % bzw. unter den üblichen Tierwohlprämien kein Mehrerlös mehr eine Erhöhung der BTS/RAUS-Beiträge um 22 % erforderlich. generiert werden – im Gegenteil. Der Gesamterlös sinkt um Auch bei den Schweinen werden die Mehrkosten der Tier- Fr. 28 507.− bzw. 12 %. Allerdings sinken auch die Kosten wohlleistungen von den Strohkosten dominiert. Danach fol- um Fr. 17 062.−. In der Gesamtrechnung verliert dieses Sze- gen die höheren Kosten für den Ferkelzukauf nach IPS-Label nario immer noch Fr. 10 976.− gegenüber dem Minimalstan- sowie wiederum die Arbeitskosten. Dieses Kostentrio liegt dard, was Fr. 65.30 je Mastplatz entspricht. Eine volle Kos- deutlich vor den übrigen Mehrkosten wie Futter-, Risiko-, tendeckung der Tierwohlleistungen über den Markt würde Gebäude-, allgemeine Betriebskosten und Kapitalkosten. einen Preiszuschlag von 51 Rappen benötigen, was rund einer Verdoppelung der aktuell berechneten Markprämie Nebenszenario (IPS ohne LP − TschV) von 27 Rappen bedeuten würde. Für die hier berechnete Beim Wegfall der Labelprämie sinkt der Mehrerlös von Betriebszweig-Struktur könnte eine volle Kompensation Fr. 28 499.− (Tierwohlprämie) auf Fr. 11 713.−. Damit beträgt mit Direktzahlungen mit einer Erhöhung der BTS/RAUS- der Marktanteil an der Tierwohlprämie 59 %, während der Beträge von aktuell Fr. 320.− auf Fr. 384.− je GVE erreicht Anteil der Direktzahlungen 41 % beträgt. Die dabei errech- werden. neten Risikokosten liegen bei Fr. 2 559.− (15 % des Nettover- lustes von Fr. 17 062.−) und wurden entsprechend für die Diskussion und Schlussfolgerungen Baseline im Hauptszenario eingerechnet. Aufgrund eines weitgehend repräsentativen Betriebszweigs (Baseline), dessen Grunddaten auf 11 (Rind) bzw. 10 Praxis- Nebenszenario (IPS plus - TschV) betrieben (Schwein) basieren, wurde im Rahmen einer Eine Flächenerweiterung von 1.25 auf 1.6 m2 Aktionsfläche Betriebszweiganalyse überprüft, inwieweit die Tierwohlprä- pro Mastschweineplatz kann über zwei verschiedene Mass- mie (Label-Preiszuschlag, Direktzahlungen BTS/RAUS) die nahmen erreicht werden. Als erste Massnahme bietet sich Mehrkosten von Tierwohlleistungen kompensieren. Die ein Erweiterungsbau an, der den Tierbestand konstant Ergebnisse der jeweiligen Betriebszweige sind aufgrund hält, aber über eine Bauinvestition zusätzliche Gebäude- detaillierter Vollkostenrechnungen in einer geschichteten und Arbeitskosten verursacht. Das Bewilligungsgesuch Zufallsstichprobe, klärender Interviews und Querverglei- 10 Agroscope Transfer | Nr. 399 / 2021
Wirtschaftlichkeit von Rindvieh- und Schweinemastbetrieben mit höherem Tierwohlstandard chen mit ähnlichen Betrieben aus der Zentralen Auswertung ten auf Zukäufe zurückzuführen und damit einfach zu von Agroscope robust und lassen allgemeingültige Aussa- bewerten ist, ist die Kalkulation in der Rindviehmast grund- gen zu. sätzlich etwas anspruchsvoller. Die Rindviehmast ist oft mit der Milchproduktion verzahnt und mit der eigenen Futter- In der Rindviehmast mit durchschnittlich 57 Mastplätzen produktion wird eine Abgrenzung der Maschinen erschwert. werden knapp 30 % der Mehrkosten nicht gedeckt. Bei der So sind die Strukturkosten im Gebäude-, Maschinen- und Schweinemast werden mit 91 % Kostendeckung auch nicht Arbeitsbereich vor allem bei gemischten Betrieben schwer alle Mehrleistungen entschädigt, wobei die Differenz ziem- abzuschätzen und werden offenbar eher unterschätzt. lich genau den einkalkulierten Marktrisiko-Kosten ent- spricht. Wenn alle Tiere eine Labelprämie erreichen würden, Wie steht es mit grösseren Tierbeständen? ergäbe sich in der Schweinemast eine volle Kostendeckung. Die vorliegenden Berechnungen erfolgten mit einer fixen Der Einbezug von Risikokosten ist in beiden Betriebszweigen Bestandsgrösse, die weitgehend dem aktuellen Durchschnitt unter der Annahme von schwankenden Labelprämien aus der IP-Suisse-Betriebszweige entspricht. Es interessiert des- betriebswirtschaftlicher Sicht jedoch eine Notwendigkeit, halb die Frage, inwieweit sich die Kostendeckung bei gerin- weil die Mehrkosten eindeutig einen fixen Charakter haben geren bzw. grösseren Tierbeständen verändert. Weiterge- und vom Betrieb weder kurz- noch mittelfristig reduziert hende Simulationen haben bestätigt, was aufgrund der werden können. Sie betreffen die Infrastruktur, die wiede- Kosten- und Erlösstruktur anzunehmen ist: Die Tierwohlprä- rum direkt den Arbeits- und Strohbedarf bzw. deren Kosten mie steigt bzw. sinkt proportional zur Bestandsgrösse, über Jahrzehnte bestimmen. sowohl beim Labelpreiszuschlag (Fr./kg Schlachtgewicht) wie auch bei den Direktzahlungen (je GVE). Demgegenüber sind Die Wahrscheinlichkeit, dass künftig auf vielen Betrieben die Mehrkosten auch von fixen Kostenelementen geprägt Tierbestände abgebaut werden müssen, ist gerade auf (Arbeit, Gebäude, allgemeine Betriebskosten und Schuldzin- intensiven Schweinehaltungsbetrieben durchaus real. Neben sen). Sie steigen mit zunehmender Bestandsgrösse unterpro- neuen ökologischen Auflagen kann auch die weitere Ver- portional bzw. sind bei kleineren Beständen überproportio- besserung des Tierwohls zu einem Abbau der Tierbestände nal. Daraus lässt sich schliessen, dass Betriebe mit kleineren beitragen. Das berechnete Nebenszenario mit mehr Platzan- Bestandsgrössen grundsätzlich eine noch tiefere Kostende- gebot und einer Bestandsreduktion von 21 % zeigt auf, wie ckung aufweisen, während bei Betrieben mit grösseren Tier- die Mehrkosten überproportional ansteigen. Zwar sinken beständen die Kosten für Tierwohlleistungen eher gedeckt sowohl Erlöse als auch Kosten, doch die unterproportionale sind bzw. sogar Gewinn erzielt wird. Für grosse Betriebe ist Reduktion der Kosten würde eine beträchtliche Erhöhung es aus ökonomischer Sicht folglich attraktiver, Tierwohlleis- der Labelprämie oder der BTS/RAUS-Prämie erfordern, um tungen anzubieten. Der Strukturwandel hin zu grösseren die Mehrkosten der Tierwohlleistungen zu decken, wobei Tierbeständen bewirkt damit, dass Produkte mit höherem Risikokosten noch nicht einberechnet sind. Tierwohlstandard letztlich günstiger angeboten werden Alternativ zu einem Bestandsabbau könnte auch die können. Die dadurch anzunehmende Nachfragesteigerung Bestandsgrösse konstant gehalten und eine Investition für ergäbe eine grössere Breitenwirkung, womit schliesslich die notwendigen Anpassungen der Stallinfrastruktur einge- mehr Tiere von Tierwohlleistungen profitieren würden. rechnet werden. Die damit einhergehende Vergrösserung Allerdings sind den Bestandsgrössen auch Grenzen gesetzt des Auslaufes hätten nur geringe Mehrkosten zur Folge, da − dann nämlich, wenn die Betreuungsintensität pro Tier ein sich die Investition über einen längeren Zeitraum verteilt. Mass unterschreitet, das den Bedürfnissen des Einzeltieres Viel einschränkender ist hier das Baubewilligungsverfahren, nicht mehr gerecht wird. dessen Einfluss auf die Kosten schwer quantifizierbar ist. Die vorliegenden Berechnungen zeigen, welche effektiven Warum wird trotzdem in Tierwohl investiert? Kosten gedeckt oder nicht gedeckt werden. Wenn für die Die Frage drängt sich auf, weil doch zahlreiche Betriebe in Bereitstellung von Tierwohlleistungen auch noch ein ökono- höhere Tierwohl-Leistungen investiert haben, obwohl nach mischer Anreiz geschaffen werden soll, müsste zusätzlich den vorliegenden Ergebnissen die Kosten überwiegend über den Markt oder über die Direktzahlungen eine Anreiz- nicht gedeckt sind. Dies kann einerseits mit persönlichen prämie ausgerichtet werden. Nur so können Betriebe neben Vorlieben andererseits mit strategischen Überlegungen einer selbstverständlichen Kostendeckung auch einen Mehr- erklärt werden. So finden Produkte mit Tierwohl-Mehrwert gewinn aufgrund des Tierwohls erzielen, die eine noch stär- auf dem Markt ein zunehmendes Interesse und erzielten kere Breitenwirkung erzielen würde. Für die Kompensation grundsätzlich höhere Preise, was die Mehrkosten erst mal in der Tierwohl-Kosten müssen aber auch alternative Modelle den Hintergrund drängt. Ein national anerkannter Standard in Betracht gezogen werden wie verstärkte Investitionsbei- wie BTS/RAUS verbessert auch den Marktzugang (El Benni hilfen oder Beiträge an die Futterfläche, um ein mögliches und Munz, 2013). Zudem werden die Betriebe auch durch Abschöpfen der Prämien durch die vor- und nachgelagerten nicht-ökonomische Motive geleitet, indem die eigene Wert- Sektoren zumindest abzuschwächen. haltung aber auch der gesellschaftliche Druck nach mehr Tierwohl die Entscheidung beeinflusst. Offenbar ist vielen Betrieben auch nicht bewusst, inwieweit die Mehrkosten gedeckt sind, weil gerade in der Rindviehmast entspre- chende Kalkulationsgrundlagen fehlen. Im Gegensatz zur Schweinehaltung, bei der ein grosser Teil der Ausgabepos- Agroscope Transfer | Nr. 399 / 2021 11
Wirtschaftlichkeit von Rindvieh- und Schweinemastbetrieben mit höherem Tierwohlstandard Dank Die Studie wurde mitfinanziert vom Schweizer Tierschutz STS und von IP Suisse. Literatur – Agristat, 2020. Labelanteil an der gesamten inländischen Produktion (geschlachtete Tiere) zwischen 2006 und 2018. Statistiken können bei Agristat angefragt werden. – El Benni, N., Munz, M., 2013. Der Einfluss von Direktzah- lungen auf betriebswirtschaftliche Entscheidungen – eine Befragung von landwirtschaftlichen Beratern. Untersu- chung zuhanden von Bundesamt für Landwirtschaft BLW. – Finger, R. & Bartkowski, B., 2020. Warum wir anders Ein- kaufen als wir wählen. https://agrarpolitik-blog.com/ – Gazzarin, Ch. & Hoop D., 2017. Kostenanalyse mit AgriPer- form – neue Möglichkeiten in der Betriebszweigauswer- tung. Agroscope Transfer Nr. 184. Agroscope, Tänikon- Ettenhausen. – Gazzarin Ch. & Hilty R., 2002. Stallsysteme für Milchvieh: Vergleich der Bauinvestitionen. FAT-Bericht Nr. 586, For- schungsanstalt Agroscope, Tänikon, Ettenhausen. – Gfs-Zürich, 2018. Univox Landwirtschaft. Mitteilung Gfs, Markt- und Sozialforschung. Zürich. – Heitkämper, K., Stark, R., Besier, J. & Umstätter, Ch., 2020. Die Arbeitszeit im Griff mit Labourscope. Online-Platt- form für die Arbeitsplanung auf dem Bauernhof. Agro- scope Transfer 335, Tänikon-Ettenhausen. – Hilty, R., Van Caenegem L., Herzog, D., 2007. ART-Preisbau- kasten. Forschungsanstalt Agroscope, Tänikon, Ettenhau- sen. – SBV, 2016. Situationsbericht. Schweizer Bauernverband. – STS, 2020. Marktanalyse Labelfleisch. STS Recherche, Schweizer Tierschutz STS, Basel. Impressum Herausgeber Agroscope Tänikon 1 8356 Ettenhausen www.agroscope.ch Auskünfte Christian Gazzarin christian.gazzarin@agroscope.admin.ch +41 52 368 31 84 Lektorat Erika Meili Satz und Druck Brüggli Medien, Romanshorn Copyright © Agroscope 2021 ISSN 2296-7206 (print), 2296-7214 (online) DOI https://doi.org/10.34776/at399g 12 Agroscope Transfer | Nr. 399 / 2021
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