Wissen und Warten - Deutscher Alpenverein

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Wissen und Warten - Deutscher Alpenverein
Wissen
                                              Peter Mathis

                             und
                           Warten                                               Der Vorarlberger Peter Mathis ist
                                                                                bekannt und prämiert für seine
                                                                                alpinen Landschaften in Schwarz-
                                                                                Weiß. Malte Roeper blickt mit ihm
                                                                                auf seinen Weg vom Bergsteiger
                                                                                zum Fotokünstler.

G
            udrun, haben wir ‚Zoom‘ oder       damals relativ spät von der analogen auf        Vorträge als Zubrot. Mathis tut sich mit
            wie das heißt?!“                   die digitale Fotografie umstieg, hat sie ihn    dem nervenstarken Vorarlberger Spitzen­
               Hinter jedem erfolgreichen      ermutigt und unterstützt. Diese unglaub­        kletterer Beat Kammerlander zusammen,
            Mann, so heißt es, steht eine      lichen Bilder aber, die macht Peter Mathis      in dessen Neutouren im Rätikon atem­
starke Frau, und hinter Peter Mathis steht     allein, so war es immer und so wird es im­      beraubende Bilder entstehen. Von der
in diesem Moment mal wieder seine Le­          mer bleiben.                                    Zusam­menarbeit profitieren beide Seiten
bensgefährtin Gudrun Fenkart. So kann             Alles beginnt – was für ein peinlicher       – eine Symbiose, wie sie damals auch sei­
ich es unscharf am Display erkennen, wäh­      Satz, aber so war es eben – mit der Liebe       ne Fotokollegen Uli Wiesmeier mit Stefan
rend wir ein paar dieser Videocallprogram­     zu den Bergen: „Beim Klettern hab ich im­       Glowacz und Heinz Zak mit Alexander Hu­
me durchprobieren, die seit Corona gang        mer eine Kamera mitgenommen, weil ich           ber eingingen. Dennoch verlagert sich die
und gäbe sind. Und von denen der Meister,      das so sehr geliebt habe, dass ich es abbil­    Arbeit langsam in die kalte Jahreszeit,
man muss es leider sagen, absolut keine        den wollte. Aber wenn dann endlich das          Snowboarden boomt noch mehr als das
Ahnung hat: Er schimpft lauthals, wäh­         Licht gepasst hat für ein perfektes Bild,       Freiklettern. Und vor allem ist es – foto­
rend das Bild immer wieder abschmiert.         dann hatte ich eigentlich nie die Zeit, das     grafisch betrachtet – das interessantere
   Während Peter Mathis immer berühm­          so zu machen, wie ich das im Kopf hatte.        Sujet: „Die ganze Kletterei ist ja ziemlich
ter wird, führt Gudrun Fenkart ihm Buch­       Und irgendwann bin ich nicht mehr klet­         langsam und statisch. Wenn beim Snow­
haltung, Termine, Büro. Ihre Arbeitsweise      tern gegangen und hab dabei fotografiert,       boarden der Spray aufstaubt, dann dauert
ist dabei ähnlich ruhig und konzentriert       sondern ich bin fotografieren gegangen          das nur wenige Sekunden und während­
wie seine, dazu kommt die Entschlossen­        und geklettert wurde fürs Bild.“ Die Ent­       dessen verformt sich die Wolke und der
heit, im Hintergrund zu bleiben: Als ich       scheidung, das jetzt im Hauptberuf zu ma­       Akteur bewegt sich weiter. Das musst du
Peter vor ein paar Jahren fürs Bayerische      chen, trifft der Autodidakt 1986 mit Mitte      alles antizipieren.“
Fernsehen porträtierte und die gedrehten       zwanzig und hängt den Beruf als Schrei­            Er jettet mit der Kamera um die Welt,
Szenen mit Gudrun herausfielen – so dass       ner an den Nagel.                               besonders oft und gern mit der oberbaye­
sie überhaupt nicht zu sehen war –, lud sie       Es sind gute Zeiten für alpine Fotografie,   rischen Snowboardlegende Peter Bauer,
mich aus Dank zum Essen ein. Und als er        das Sportklettern boomt, es entstehen           schießt in Alaska und Japan zahllose
                                               neue Märkte, neue Zeitschriften, dazu

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Peter Mathis

               „First Track #3“, Frankreich,
               2010. Mit diesem Sprung hatte
               Mathis nicht gerechnet, war
               aber vorbereitet, um ihn einzu-
               fangen.

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PETER MATHIS
                                                                                      * 1961 IN
                                                                                      HOHENEMS
                                                                                      AUSZEICHNUNGEN
                                                                                      › 2007: Hasselblad Masters,
                                                                                        einer der renommiertesten
                                                                                        professionellen Fotowett-
                                                                                        bewerbe weltweit
                                                                                      › 2008: Auszeichnung zum Master of European Photo-
                                                                                        graphy (Vereinigung der Europäischen Berufsfoto-
                                                                                        grafen)
                                                                                      › Ausstellung von 9. Dezember 2021 bis Februar 2022
                                                                                        in Biberach: sbc-pro-arte.de
                                                                                      Mehr Fotografien unter alpenverein.de/panorama-5-21

                                                                                       Sperrige Kamera für besondere Augenblicke
                                                                                       (o.); die Zusammenarbeit mit Beat Kammer-
                                                                                       lander (l.) – hier in Aktion in der Verdon-
                                                                                       schlucht – prägte den Beginn seiner Karriere.

Cover­bilder, gewinnt zahlreiche Preise, un­    in alten Filmen, am liebsten mit Touren­       Brotzeit für oben, das Brot natürlich selbst
ter anderem den „Hasselblad Master“, eine       ski. Ganze zwölf Mal an einem ganzen Tag       gebacken oder aus einer ganz bestimmten
der begehrtesten Auszeichnungen in der          kann er dann auf den Auslöser drücken,         Bäckerei. Nach festem Ritual wird es feier­
Welt der professionellen Fotografie. 2006       mehr nicht. Diese Entdeckung der Lang­         lich verzehrt: Erst beißt er rundherum die
erscheint sein erstes Buch für die Ewigkeit:    samkeit wird zum Weg zu sich selbst, er        Rinde ab, dann das Weiche in der Mitte.
„Freeride“. Hat er sich bis jetzt – in gewis­   steigt um auf das puristische Schwarz-         Dazu kommen guter Kaffee in der Ther­
sem Sinne – noch im Special-Interest-Sek­       Weiß und Berglandschaften als Hauptdar­        moskanne und viel, viel Geduld. Manch­
tor des Bergsports bewegt, ist „Freeride“       steller: „Du musst das ganze Bild anders       mal hat er vorher im Kopf, wann es so
klammheimlich schon zum halben Land­            denken, du brauchst Kontraste und die          weit sein wird, wann die Wolken das er­
schaftsbildband geworden. Und das wissen­       hast du am besten bei instabilem oder          hoffte Gegenlicht bekommen, oft genug
de Warten dort oben im Gebirge, das ge­         schlechtem Wetter. Wenn ich mal irgend­        kommt es mit dem Wetter aber anders,
duldige Lauern auf den perfekten Mo­            wo einkehre oder übernachte, sind die          konstant allein bleibt der Anspruch: „So­
ment, es zieht ihn immer mehr in seinen         Hütten immer total leer.“                      bald ich den Rucksack aufnehme, bin ich
Bann. Er beginnt, seine irre schwere und          Allein unterwegs, einsam am Berg war­        auf einer Mission. Mein Ziel ist nicht, ein
sperrige Fachkamera hinauf­zuschleppen:         ten auf den perfekten Moment, es ist für       gutes Bild zu machen, gute Bilder gibt es ja
Großbildformat 9 x 12 Zentimeter, mit           ihn, der jede Ablenkung, jedes unnütze         schon wirklich viele. Mein Ziel ist immer
Ziehharmonikagehäuse und Vorhang wie            Detail verabscheut, die reine Erlösung. Mi­    das außergewöhnliche Bild.“
                                                nutiös vorbereitet ist allein schon die

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Peter Mathis

   Wie bei allen großen Kunstschaffenden      allererst der kreative Akt des Sehens, dann
spiegelt das Werk seinen Schöpfer wider,      erst die handwerkliche Meisterschaft, das
und Mathis ist nun mal einerseits ein ext­    so aufs Papier zu bringen: mit Schärfe und
rem ruhiger und friedfertiger Mensch, der     Zeichnung auch in den eigentlich flach
gern und häufig, aber leise lacht. Und auf    weißen Flächen von Schnee oder Wolken.
der anderen Seite ein extremer Perfektio­        2010 erscheint sein erster Bildband in
nist. Das ist das Angenehme, wenn man         Schwarz-Weiß: „Visual Dualism Dolomi­
mit ihm zu tun hat: Andere derart Getrie­     tes“. Auf enthusiastische Kritiken folgen
bene sind oft ungeduldig, bisweilen aggres­   Ausstellungen in Berlin, Wien, Mailand,
siv – Mathis weiß genau, dass bedeutend       Zürich. Die er jeweils wochenlang akri­
weiter in die Sphären der Vollkommenheit      bisch vorbereitet. Mit „Alpen“ (2017) setzt er
vorstößt, wer besonnen ans Werk geht.         den Weg fort, mit „Schnee“ (2020) gelingt
   Sein Van, beladen mit Ski- und Foto­       ein weiterer Meilenstein. Als er noch Berg­                              „Hochtannberg #1“,
equipment, ist zu jedem Zeitpunkt aufge­      sport dokumentierte, war er ein ausge­                                   Österreich, 2016
räumt und sauber wie ein Operationssaal       zeichneter Fotograf – seit er in Schwarz-
zu Schichtbeginn. Wenn er sein Atelier        Weiß arbeitet, ist er einzigartig.
betritt – zugleich die Werkstatt, in der er      Die Lobeshymnen lässt er für seine Bil­
seine Bilder rahmt –, drückt jeder Hand­      der gern gelten – so eitel ist er dann doch      gentlich der Erste, der wirklich in die Berge
griff Frieden und Geradlinigkeit aus, da      – aber sobald sich ein Lob auf seine Person      hineinging, um sie abzubilden. Also nicht
ruht jemand in sich selbst und lässt den­     bezieht, scheint es ihm irgendwie unheim­        von außen auf die Berge blickte, auf etwas
noch nie locker. Seine Arbeiten werden        lich. Da wiegelt er ab: „Nicht geschimpft ist    Fremdes, Exotisches, sondern mit ihnen
durch diverse Galerien vertrieben. Die        Lob genug.“ Auf die Frage nach seinen            vertraut war.“
Rahmen baut er selbst, wozu war man           wichtigsten Büchern nennt er neben „Free­          Und in Zukunft? „Das Meer interessiert
Schreiner?                                    ride“ und den Schwarz-Weiß-Bänden über­          mich, ein bisschen was habe ich da auch
   Sein Lieblingsstativ ist natürlich das     raschend „Sportklettern in den Alpen“, un­       schon gemacht. Die Wellen sind ähnlich
aller-allerschwerste, das aus Holz, weil es   ser gemeinsames Werk von 1998 (leider ver­       wie der Spray beim Snowboarden, wun­
noch weniger Schwingungen auf die Ka­         griffen). Als wir damals kreuz und quer          derschön und extrem flüchtig. Aber ich
mera überträgt: Am Berg ist es ja nur         durch die Alpen fuhren und viele der gran­       will nicht an irgendwelche exotischen
selten wirklich windstill.                                                                     Locations fliegen wie nach Hawaii, die

                                          Besonnen – und extrem
Und dass der Verschluss der                                                                    Fliegerei ist einfach auch zu umwelt­

                              perfektionistisch
schweren Kamera beim                                                                           schädlich. Ich will die Bilder dort finden,
Auslösen ebenfalls eine                                                                        wo andere sie nicht finden, vielleicht fah­
kleine, ganz kleine Schwin­                                                                    re ich mal an die Nordsee, mal schauen.“
gung auslöst, die das Bild                                                                       Seit vierzig Jahren ist er nun mit Gudrun
ein Haar an Schärfe kosten kann, ließ ihm     diosen neuen Touren gemeinsam kletter­           zusammen und hat nie woanders gewohnt
auch keine Ruhe. Irgendwie hat er auch        ten, war doch kaum Zeit für das ab­solut         als in seinem Geburtsort Hohenems bei
das gelöst.                                   perfekte Bild? „Aber die Klettertage waren       Bregenz in Vorarlberg, daran wird sich
   So entstehen Arbeiten, bei denen man       großartig, weißt du nicht mehr?! Ich bin         auch nichts ändern, warum auch? Es ist
sofort weiß: „Das muss von Mathis sein!“      ja ein Bergsteiger, der Fotograf geworden        gut, wie es ist. Er hat auch schon Motorrä­
Mal sind es Landschaften, so wuchtig und      ist, und nicht andersrum.“                       der fotografiert, Whisky, ein Nonnenkloster
grandios wie ihre stummen alpinen Pro­           Oft wird er jetzt verglichen mit dem          in Südfrankreich, einen Porträtband, aber
tagonisten, mal zeigt er riesige Fresken,     Amerikaner Ansel Adams, dessen Schwarz-­         zuerst sind die Bilder immer noch in sei­
verborgen in winzigen Details von Gräsern     Weiß-Fotografie die Wahrnehmung des              nem Kopf. Vermutlich ohnehin der Ort, wo
oder Raureif. Immer scheint die Schöp­        Klettermekkas Yosemite als eigentlich sa­        er am liebsten ist.
fung stillzustehen für einen heiligen Mo­     kraler Raum entscheidend prägte. Mathis
ment der Demut, so und genau so, wie Ma­      selbst nennt den englischen Maler
this es in diesem Moment sieht und im         Edward Theodore Compton als Vor­                      Malte Roeper, Autor und Filmemacher,
Kopf hat. Was wir bestaunen, das ist zu­      bild, der im neunzehnten Jahrhun­                     kletterte als erster Deutscher die
                                                                                                    Eiger­-Nordwand solo. Mit Peter
                                              dert Staffelei und Klappstuhl hinauf                  Mathis ist er seit einem gemeinsamen
                                              in die Berge schleppte: „Der war ei­                  Buchprojekt befreundet.

                                                                                                            DAV              5/2021     49
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