Gesundheitspsychologische Ansätze der digitalen Gesundheitsförderung
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Gesundheitspsychologische Ansätze der digitalen Gesundheitsförderung Prof. Dr. Urte Scholz Universität Zürich, Psychologisches Institut Angewandte Sozial- und Gesundheitspsychologie Präsidentin der Schweizerischen Gesellschaft für Gesundheitspsychologie Gesundheitspsychologie und digitale Gesundheitsförderung 13.01.2021 1 Urte Scholz
Digitale Gesundheitsförderung: eHealth und mHealth (Marks et al., 2018; WHO, 2011) • eHealth: Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologie im Rahmen von Prävention, Gesundheitsförderung, Gesundheitsversorgung und Selbstmanagement • mHealth: Teilbereich von eHealth unter Nutzung mobiler Technologien Gesundheitspsychologie und digitale Gesundheitsförderung 13.01.2021 Urte Scholz 2
Digitale Gesundheitsförderung: Das Beispiel mHealth (Albrecht, 2016) Viele Chancen, z.B. Viele Herausforderungen, z.B. Smartphones & Wearables sehr weit verbreitet Qualitätssicherung Empowerment von Gesunden und Wenig Orientierungshilfen für Nutzer*innen Patient*innen (privat wie professionell) Grosses Anwendungsspektrum: potentielle Risiken Gesundheitsversorgung, Prävention, Ethik und Datenschutz Gesundheitsförderung, Selbstmanagement, Wenig Belege für den Nutzen Adhärenz Mangelnde Theorie- und Evidenzbasierung „Therapist in your pocket“ (Nahum-Shani, 2019) der Inhalte Gesundheitspsychologie und digitale Gesundheitsförderung 13.01.2021 3 Urte Scholz
Welchen Beitrag leistet die Gesundheitspsychologie in der digitalen Gesundheitsförderung? • Theoriebasierung der Inhalte von eHealth- und mHealth-Anwendungen • Forschung zur Evidenz Entwicklung innovativer und wirksamer digitaler Interventionen Qualitätssicherung Gesundheitspsychologie und digitale Gesundheitsförderung 13.01.2021 4 Urte Scholz
Warum theoriebasiertes Vorgehen? (Michie & Abraham, 2004) 1. Reduziert Anzahl möglicher Faktoren, Mechanismen und Kriterien 2. Bietet Erklärungen, warum Interventionen wirksam sind (oder auch nicht) 3. Bietet gemeinsame Sprache und gemeinsame methodische Herangehensweise 4. Aufbau und Anhäufung von Wissen 5. Ermöglicht Entwicklung effektiver Interventionen Gesundheitspsychologie und digitale Gesundheitsförderung 13.01.2021 5 Urte Scholz
WHO Director-General Tedros Adhanom Ghebreyesus: “Today I have a message for young people: You are not invincible, this virus could put you in hospital for weeks or even kill you. Even if you don’t get sick the choices you make about where you go could be the difference between life and death for someone else,” he said. https://www.weforum.org/agenda/2020/03/who-message-to-youth-on-coronavirus-you-are-not-invincible/ Gesundheitspsychologie und digitale Gesundheitsförderung 13.01.2021 6 Urte Scholz
Risikokommunikation als wirksames Mittel zur Verhaltensänderung? “Today I have a message for young people: You are not invincible, this virus could put you in hospital for weeks or even kill you. Even if you don’t get sick the choices you make about where you go could be the difference between life and death for someone else,” he said. https://www.weforum.org/agenda/2020/03/who-message-to-youth-on-coronavirus-you-are-not-invincible/ Nicht völlig ineffektiv, aber auch nicht sonderlich effektiv (Tannenbaum et al., 2015; Ruiter et al., 2014) Keine gesundheitspsychologische Theorie setzt ausschliesslich auf Risikowahrnehmung Gesundheitspsychologie und digitale Gesundheitsförderung 13.01.2021 7 Urte Scholz
Wenn Risikowahrnehmung nicht ausreicht, geht es dann vielleicht darum, dass man es nur wollen muss? Selbstwirksamkeit ? Handlungs- Ergebnis- Intention Verhalten Erwartungen Risiko- wahrnehmung Gesundheitspsychologie und digitale Gesundheitsförderung 13.01.2021 8 Urte Scholz
„Der Weg zur Hölle ist mit guten Intentionen gepflastert“ Intentions-Verhaltens-Lücke (z.B. Sheeran, 2002) Gesundheitspsychologie und digitale Gesundheitsförderung 13.01.2021 9 Urte Scholz
Health Action Process Approach (HAPA; Schwarzer, 1992, 2008) Selbstwirksamkeit Handlungs- Handlungs- kontrolle Ergebnis- Intention Verhalten Erwartungen Ausführungs- planung Risiko- Bewältigungs- wahrnehmung planung Gesundheitspsychologie und digitale Gesundheitsförderung 13.01.2021 10 Urte Scholz
Ausführungsplanung (Implementation Intentions, Gollwitzer, 1999; Leventhal, Singer, & Jones, 1965) Zielintentionen in Handeln übersetzen: Wann werde ich handeln? Wo werde ich handeln? Wie werde ich handeln? Gesundheitspsychologie und digitale Gesundheitsförderung 13.01.2021 11 Urte Scholz
Ausführungsplanung Wenn ich montags von der Arbeit nach Hause komme, ziehe ich mich gleich um und gehe joggen. Gesundheitspsychologie und digitale Gesundheitsförderung 13.01.2021 12 Urte Scholz
Bewältigungsplanung (Sniehotta, Schwarzer, Scholz, & Schüz, 2005; Sniehotta, Scholz, & Schwarzer, 2006) Zielintentionen gegen Hindernisse abschirmen: Antizipation von Barrieren und Schwierigkeiten Vorbereiten von Bewältigungsstrategien mentale Simulation erfolgreicher Szenarien Gesundheitspsychologie und digitale Gesundheitsförderung 13.01.2021 13 Urte Scholz
Bewältigungsplanung Gesundheitspsychologie und digitale Gesundheitsförderung 13.01.2021 14 Urte Scholz
Health Action Process Approach (HAPA; Schwarzer, 1992, 2008) Selbstwirksamkeit Handlungs- Handlungs- kontrolle Ergebnis- Intention Verhalten Erwartungen Ausführungs- planung Risiko- Bewältigungs- wahrnehmung planung Gesundheitspsychologie und digitale Gesundheitsförderung 13.01.2021 15 Urte Scholz
Selbstbeobachtung als wichtigste Komponente der Handlungskontrolle ist eine wirksame Verhaltensänderungstechnik • Selbstbeobachtung zeigt gute Wirksamkeit für körperliche Aktivität und Ernährung (z.B. Bull, McCleary, Li, Dombrowski, Dusseldorp, & Johnston, 2018; Michie, Abraham, Whittington, McAteer, & Gupta, 2009) Steigerung der Selbstbeobachtung durch eigentlich jede Gesundheitsapp https://cdn.shopify.com/s/files/1/0942/6160/files/addicted-to-activity-trackers.jpg?v=1502278975 https://www.lifewire.com/thmb/yRBLRBu3y2xfDJwUTdoZOdPglPo=/768x0/filters:no_upscale():max_bytes(150000):stri p_icc()/AppleHealthscreens-5b70640f4cedfd00254a09ef.png Gesundheitspsychologie und digitale Gesundheitsförderung 13.01.2021 16 Urte Scholz
Jan-Niklas Kramer Ally-Studie: Intervention mit Smartphone Walking App (Kramer, Künzler, Mishra, Smith, Kotz, Scholz, Fleisch, & Kowatsch, 2020) • App mit Chatbot «Ally» (Assistant to Lift your Level of activitY) • Theoriebasierte Interventionsinhalte: – Planung: Ausführungsplanung, Bewältigungsplanung oder keine Planung – Selbstbeobachtung: Erhalten vs. nicht Erhalten einer Selbstbeobachtungsnachricht – Anreize: finanzielle Anreize (Geld- oder Wohltätigkeitsanreize) vs. keine Anreize • 6wöchige Interventionsphase • N = 274 Teilnehmende Gesundheitspsychologie und digitale Gesundheitsförderung 13.01.2021 17 Urte Scholz
Jan-Niklas Kramer Ally-Studie: Intervention mit Smartphone Walking App (Kramer, Künzler, Mishra, Smith, Kotz, Scholz, Fleisch, & Kowatsch, 2020) • Wenige hypothesenkonforme Ergebnisse, nur für Ausführungsplanung und Geld-Anreize • Keine Effekte für Bewältigungsplanung, Selbstbeobachtung, Wohltätigkeitsanreize • 30% der Teilnehmer/-innen brachen App-Nutzung vorzeitig ab • Betrachtet man nur diejenigen, die die App wie gedacht genutzt haben, steigerten fast alle Interventionskomponenten die Bewegung Gesundheitspsychologie und digitale Gesundheitsförderung 13.01.2021 18 Urte Scholz
Soziale Unterstützung Interaktion zwischen zwei Personen mit dem Ziel einen problematischen Zustand, der beim Betroffenen Leid hervorruft zu verändern, bzw. diesen Zustand erträglicher zu machen. (Knoll, Scholz, & Rieckmann, 2017; Schwarzer, 2000) Gesundheitspsychologie und digitale Gesundheitsförderung 13.01.2021 19 Urte Scholz
Philipp Janina Lüscher Corina Schwaninger Berli Randomisierte, kontrollierte Interventionsstudie zur Smokefree Buddy App (Schwaninger, Berli, Scholz, & Lüscher, under review) Ziel: Wirksamkeitsprüfung der Smokefree Buddy App zur Förderung der Rauchabstinenz Zielgruppe: aufhörwillige erwachsene Raucher*innen (mind. 1 Zigarette/Tag) Interventionsgruppe: Nutzung der Smokefree Buddy App zusammen mit Buddy und Nutzung der iCO Smokerlyzer-App (Selbstbeobachtung) Kontrollgruppe: Nutzung der iCO Smokerlyzer-App (Selbstbeobachtung), keine weitere Appnutzung 28 Tage tägliche Befragung / Messung: 7 Tage vor Rauchstopp, 20 Tage danach Rauchstopp: - Selbstbericht - Messung des Kohlenmonoxidgehalts der Atemluft mit dem iCO Smokerlyzer® (Bedfont Scientific Ltd.) Gesundheitspsychologie und digitale Gesundheitsförderung 13.01.2021 20 Urte Scholz
Philipp Janina Lüscher Corina Schwaninger Berli Tägliche Anzahl Zigaretten (Selbstbericht): Interventionsgruppe raucht weniger am Rauchstopptag und 3 Wochen später (Schwaninger, Berli, Scholz, & Lüscher, under review) ** IG < CG N = 150 ** IG < CG 13.01.2021 21 Gesundheitspsychologie und digitale Gesundheitsförderung Urte Scholz
Philipp Janina Lüscher Corina Schwaninger Berli Keine Gruppenunterschiede in täglicher Abstinenz (CO-Messung & Selbstbericht) (Schwaninger, Berli, Scholz, & Lüscher, under review) N = 162 N = 154 abstinent abstinent nicht nicht abstinent abstinent Gesundheitspsychologie und digitale Gesundheitsförderung 13.01.2021 22 Urte Scholz
Philipp Janina Lüscher Corina Schwaninger Berli Randomisierte, kontrollierte Interventionsstudie zur Smokefree Buddy App (Schwaninger, Berli, Scholz, & Lüscher, under review) • Wenig hypothesenkonforme Ergebnisse • Durch die iCO-Messung erhielt auch die Kontrollgruppe ein Selbstbeobachtungstreatment • In der Interventionsgruppe: recht geringe Nutzung der Smokefree Buddy App Teilnehmende nutzen offenbar andere Kommunikationskanäle mit Buddy Gesundheitspsychologie und digitale Gesundheitsförderung 13.01.2021 23 Urte Scholz
Next level mHealth-Interventionen: Just-in-time-adaptive interventions (Nahum-Shani, Smith, Spring, Collins, Witkiewitz, Tewari, & Murphy, 2018) Just-in-time-adaptive interventions (JITAIs): - nutzen neue Technologien, um genau im richtigen Moment, abhängig von individuellen Zuständen und vom Kontext massgeschneiderte Interventionsinhalte anzubieten “Therapist in your pocket” (Nahum-Shani, 2019) - Ergebnisse vielversprechend - i.d.R. theoriegeleitet - Aber ähnliche Herausforderungen, z.B. frühzeitiger Abbruch der Nutzung Gesundheitspsychologie und digitale Gesundheitsförderung 13.01.2021 Urte Scholz 24
Fazit: Der Beitrag der Gesundheitspsychologie in der digitalen Gesundheitsförderung ! Theoriebasierung der Inhalte von eHealth- und mHealth-Anwendungen ! Forschung zur Evidenz ! Entwicklung innovativer und wirksamer digitaler Interventionen ! Qualitätssicherung Nächste, notwendige Schritte z.B.: • Integration von gesundheitspsychologischen Ansätzen zur Förderung der Aufrechterhaltung von Verhalten • Integration anderer Ansätze zur Förderung der Aufrechterhaltung von Verhalten • Bessere Lösungen für participant burden und Repetition Noch stärkere interdisziplinäre Zusammenarbeit Gesundheitspsychologie und digitale Gesundheitsförderung 13.01.2021 25 Urte Scholz
CAS in Gesundheitspsychologischer Lebensstiländerung und Mind Body Medicine – Anmeldung für Herbst 2021 möglich Zielgruppe Fachpersonen aus dem medizinischen, psychologischen und/oder Gesundheitsbereich Format Präsenzstunden und eLearning Weitere Informationen www.psychologie.uzh.ch/CAS-Gespsy-MBM 13.01.2021 Gesundheitspsychologie und digitale Gesundheitsförderung 26 Urte Scholz
Vielen Dank an mein Team und meine Kooperationspartner*innen. Und vielen Dank Ihnen für die Aleksandra Luszczynska Aufmerksamkeit! Nina Knoll Gertraud (Turu) Stadler Niall Bolger Jennifer Inauen Tobias Kowatsch Team des Angewandten Sozial- und Gesundheitspsychologie Lehrstuhls der Universität Zürich Alex Rothman Gesundheitspsychologie und digitale Gesundheitsförderung 13.01.2021 27 Urte Scholz
Gesundheitspsychologische Ansätze der digitalen Gesundheitsförderung Prof. Dr. Urte Scholz urte.scholz@psychologie.uzh.ch Universität Zürich, Psychologisches Institut Angewandte Sozial- und Gesundheitspsychologie Präsidentin der Schweizerischen Gesellschaft für Gesundheitspsychologie Gesundheitspsychologie und digitale Gesundheitsförderung 13.01.2021 28 Urte Scholz
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