Work-Life-Balance, berufsbezogenes Belastungserleben und Self-Compassion bei Lehrkräften im Förderschwerpunkt Hören
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Work-Life-Balance, berufsbezogenes Belastungserleben und Self-Compassion 75 Empirische Sonderpädagogik, 2021, Nr. 1, S. 75-93 ISSN 1869-4845 (Print) · ISSN 1869-4934 (Internet) Work-Life-Balance, berufsbezogenes Belastungserleben und Self-Compassion bei Lehrkräften im Förderschwerpunkt Hören Karolin Schäfer1, Kathrin Vogt1 & Manfred Hintermair2 1 Universität zu Köln; 2Pädagogische Hochschule Heidelberg Zusammenfassung In der vorliegenden Studie wird die Work-Life-Balance (WLB) von Lehrkräften an deutsch- sprachigen Fördereinrichtungen für hörgeschädigte Kinder untersucht. In die Analysen wer- den die subjektiv erlebten beruflichen Belastungen und das Konstrukt des Selbstmitgefühls (Self-Compassion) einbezogen, das für das berufliche und private Belastungserleben eine wichtige protektive Rolle spielen kann. Es werden die Ergebnisse einer Online-Befragung mit standardisierten und informellen Fragebögen vorgestellt, an der insgesamt n=470 Lehr- kräfte aus dem Förderschwerpunkt Hören teilgenommen haben. Konkret wird untersucht, ob sich im Erleben der WLB Unterschiede zu Lehrkräften an allgemeinen Schulen zei- gen und ob ausgewählte soziografische Merkmale und spezifische Tätigkeitsbereiche des Förderschwerpunkts von Bedeutung für die WLB sind. Des Weiteren werden mögliche Zusammenhänge zwischen beruflichem Belastungserleben, der Self-Compassion und der WLB untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass sich die WLB der befragten Lehrkräfte nicht von der WLB von Lehrkräften an allgemeinen Schulen unterscheidet. Weibliche Lehrkräfte schätzen ihre WLB jedoch als geringer ein als männliche, ebenso wie Personen, die in bi- modal-bilingualen Settings und in der Inklusion arbeiten. Bei den beruflichen Tätigkeiten selbst werden insbesondere Verwaltungs- und Vorbereitungsarbeiten als belastend erlebt. Lehrkräfte mit hohen Werten im Bereich der Self-Compassion zeigen geringere Belastungs- werte und haben eine bessere WLB. Schlüsselwörter: Work-Life-Balance, Selbstwirksamkeit, Self-Compassion, berufliche Be- lastungen, Förderschwerpunkt Hören
76 Karolin Schäfer, Kathrin Vogt & Manfred Hintermair Work-life-balance, job-related stress experience and self-compassion among teachers for students who are deaf or hard-of hearing Abstract This study examines the work-life-balance (WLB) of teachers at German-speaking institu- tions for students who are deaf or hard-of-hearing (DHH). The analyses include occupa- tional stress and self-compassion, which can play an important protective role in the expe- rience of professional and private stress. The results of an online survey with standardized and informal questionnaires are presented, in which a total of n=470 teachers for DHH children participated. Specifically, it is investigated whether there are differences in the experience of WLB compared to teachers at general schools. In addition, it is determined whether selected sociographic characteristics and specific job activities are associated with WLB. Furthermore, correlations between the experience of occupational stress, self-com- passion and WLB are investigated. The results indicate that the WLB of the teachers for DHH children does not differ from the WLB of teachers at general schools. Nevertheless, female teachers estimate their WLB lower than male teachers, as do those teachers work- ing in bimodal-bilingual and inclusive settings. In terms of the professional activities, it is mainly administrative and preparatory work that is experienced as stressful. Teachers with high scores of self-compassion show lower stress scores and have a better WLB. Keywords: Work-life balance, self-efficacy, self-compassion, occupational stress, deaf ed- ucation Berufliche und private Anforderungen Bereicherung der beiden Lebensbereiche in einer gesundheitsförderlichen Balance auszugehen, vergleichbar mit den gesund- zu erhalten, findet auch im gesellschaftli- heitspolitischen Vorstellungen der Salutoge- chen Diskurs zunehmend Beachtung. Das nese, wonach Gesundheit mehr ist als die erfahren derzeit Personen besonders deut- Abwesenheit von Krankheit (Antonovsky, lich, die aufgrund der Corona-Pandemie im 1997). Das genannte Verständnis von WLB Home-Office arbeiten, da sich die Grenzen ist handlungsleitend für die in dieser Studie zwischen privaten, beruflichen und frei- durchgeführte Untersuchung. zeitbedingten Aufgaben zunehmend auf- Begriffe wie Anforderung, Belastung und lösen und die verschiedenen Lebensberei- Beanspruchung tauchen im Forschungs- che miteinander verschmelzen. Der Begriff kontext zur WLB häufig auf, werden in der Work-Life-Balance kann definiert werden Literatur allerdings uneinheitlich verwendet als „Einstellung gegenüber der eigenen Le- (Rothland & Klusmann, 2016). Während benssituation […], die sich auf das Verein- sich Anforderungen häufig aus spezifischen baren verschiedener Lebensbereiche, Rol- (beruflichen) Tätigkeiten und Aufgabenpro- len und Ziele bezieht; Work-Life Balance filen ergeben (Adams, Kurtz, Jakobs, Riech- bedeutet demnach, dass die subjektiv ange- mann-Wolf, Beutel & Letzel, 2016), meint strebten Balancevorstellungen im Einklang Belastung die zusätzlich von außen einwir- mit der realisierten Gestaltung stehen“ (Sy- kenden Faktoren wie z. B. Lärm oder Zeit- rek, Bauer-Emmel, Antoni & Klusemann, druck, wohingegen Beanspruchung als die 2011, S. 135). Der Begriff der Balance individuelle Reaktion auf diese von außen beinhaltet demnach mehr als nur die Ab- einwirkenden Belastungen verstanden wird, wesenheit von Konflikten, vielmehr ist von die sich psychisch und physisch negativ einer potenziellen gegenseitigen positiven auswirken können (Semmer & Udris, 2004).
Work-Life-Balance, berufsbezogenes Belastungserleben und Self-Compassion 77 Bei ausgeprägtem Belastungserleben in Be- le Entwicklung liegen ebenfalls empirische ruf oder Privatleben sinkt das Wohlbefinden Untersuchungen vor, die jedoch keine Hin- und führt zu einem Ungleichgewicht in der weise darauf geben, dass das Belastungser- WLB (Genkova & Breuer, 2012). Insbeson- leben der sonderpädagogischen Lehrkräfte dere nimmt das individuelle Belastungser- stärker ausgeprägt sein könnte als das der leben hier eine wichtige Rolle ein, da es zu Lehrkräfte an allgemeinen Schulen (Hüffner, einem „Spillover-Effekt“ kommen kann, d. 2003; Lindmeier & Trümper, 2012; Male & h. einer Übertragung von Beanspruchung May, 1997; Neugebauer & Wilbert, 2010). durch die Arbeit in das Privatleben und um- In internationalen Studien wird häufig nicht gekehrt (Knesebeck, Joksimovic, Dragano & so trennscharf zwischen den Förderschwer- Siegrist, 2004). punkten unterschieden wie im deutschspra- Dass Lehrkräfte generell einer besonde- chigen Raum, und Lehrkräfte werden in den ren Gefährdung ausgesetzt sind, beruflich Artikeln als „special education teachers“ in einem erhöhten Maße belastet zu sein, zusammengefasst (u. a. Eichinger, 2000; Erschöpfungssymptome („Burn-out“) zu Zabel & Zabel, 2001). Dies erschwert die entwickeln und in der Folge auch häufi- Übertragung auf spezifische Förderschwer- ger psychisch und physisch zu erkranken, punkte oder Anforderungsprofile. zeigen viele Studien und Übersichtsarti- Für die Förderschwerpunkte Hören und kel (u. a. Abele & Candova, 2007; Benne- Sehen, deren Klientel deutlich kleiner ist mann, 2019; Blossfeld, Bos, Daniel, Han- als die der anderen Förderschwerpunkte, nover, Lenzen, Prenzel, Roßbach, Tippelt, liegen derzeit noch keine Untersuchungen Wößmann & Kleiber, 2014; Döring-Seipel zu WLB und spezifischen Belastungen, die & Dauber, 2013; Klusmann, Kunter, Traut- sich für diese Lehrkräfte ergeben könnten, wein & Baumert, 2006; Krause, Dorsema- vor. Studien, die Bewältigungsstrategien gen & Baeriswyl, 2013; Rothland, 2013; oder Entlastungsmöglichkeiten im Kontext Schaarschmidt 2004; Zee & Komen, 2016). von WLB behandeln, fehlen hier ebenfalls. Jedoch existieren nur wenige Untersuchun- International findet man für den Förder- gen zur Situation von Lehrkräften aus son- schwerpunkt Hören lediglich vereinzelt derpädagogischen Förderschwerpunkten. Beiträge, die sich aber zumeist mit der Situ- Die wenigen vorhandenen Arbeiten legen ation erwachsener gehörloser oder schwer- nahe, dass sonderpädagogische Lehrkräfte höriger Menschen und ihrer WLB befassen spezifischen Gefährdungen oder Belastun- (Backenroth-Ohsako, Wennberg & Klint- gen ausgesetzt sind, die ganz speziell die berg, 2003), nicht aber mit der WLB oder Aufgabengebiete ihres Förderschwerpunkts dem Belastungserleben der Fachkräfte, die betreffen. So sind Lehrkräfte an den Förder- mit hörgeschädigten Kindern und Jugend- schulen für körperlich-motorische und geis- lichen arbeiten. Einzig eine Studie aus In- tige Entwicklung häufiger von körperlichen dien beschreibt Ergebnisse einer Befragung Beschwerden und Rückenleiden betroffen an zehn Schulen für hörgeschädigte Kinder (Claus et al., 2014; Wong et al., 2009) und in einem indischen Bundesstaat (Gaikwad, einem höheren Risiko ausgesetzt, an Infek- 2017). Die Ergebnisse dokumentieren eine tionen wie z. B. Cytomegalie zu erkranken hohe Zufriedenheit der befragten Personen (Remis et al., 1987; De Schryver, Glazema- mit ihrer beruflichen Situation bei gleichzei- kers, De Bacquer, De Backer & Lust, 1999). tig hoher Unterstützung durch die Familie. Dies hängt mit vermehrtem körperlichem In der Arbeit werden keine standardisierten Einsatz der Lehrkräfte bei Lagerungs-, Mo- Skalen, sondern nur Einzelitems verwendet, bilisierungs- und Pflegetätigkeiten sowie so dass das konzeptionelle Verständnis von mit engerer körperlicher Nähe zu den WLB unklar bleibt. Schülern/innen zusammen. Für die Förder- schwerpunkte Lernen und Emotional-Sozia-
78 Karolin Schäfer, Kathrin Vogt & Manfred Hintermair Anliegen der vorliegenden Untersuchung geschädigten Kinder und Jugendlichen von ist es, das Forschungsdesiderat für den För- Zusatzbeeinträchtigungen betroffen sind derschwerpunkt Hören zu schließen, indem (DeRamus, 2015). Zunehmend mehr Kin- eine Befragung sonderpädagogischer Lehr- der haben außerdem – genau wie in den kräfte vorgestellt wird. allgemeinbildenden Schulen – einen Migra- tions-, Flüchtlings- oder Armutshintergrund Berufsbezogene Besonderheiten im (Avemarie & Hintermair, 2019). Förderschwerpunkt Hören Weiter hat sich das Bild von „Behinde- rung“ und von „Menschen mit Behinde- Studien und Positionspapiere aus dem För- rung“ nicht zuletzt durch das Inkrafttreten derschwerpunkt Hören zeigen auf, dass der UN-Behindertenrechtskonvention und sich das Aufgabenspektrum und das Rollen- anderer nationaler sozialer Gesetzgebun- verständnis von Lehrkräften in den letzten gen verändert (Burger & Meßmer, 2018). 20 Jahren deutlich verändert haben (u. a. Die daraus hervorgegangenen Verände- DGH, 2015; Jacobsen, Schulz, Meyer- rungen in der Schullandschaft haben dazu Büchling, Beecken & Schumacher, 2015) geführt, dass die Lehrkräfte hörgeschädig- und dass die zu bewältigenden Aufgaben te Schüler/innen in sehr unterschiedlichen vielfältiger, komplexer, herausfordernder Settings in ihren Lern- und Bildungsprozes- und vielfach auch anstrengender geworden sen begleiten. Die Aufgaben für die in der sind (Hintermair, Schäfer & Vogt, 2021). Inklusion tätigen Lehrkräfte sind häufig mit So ist z. B. die Schülerschaft an den För- vielen Fahrzeiten und einem über den Tag dereinrichtungen mit dem Förderschwer- verteilten Arbeitspensum verbunden (Jacob- punkt Hören (FFSH) heterogener gewor- sen, 2018). Dies ist darin begründet, dass den: Gehörlose Kinder werden häufig hörgeschädigte Kinder, die eine Regelschu- zusammen mit schwerhörigen Kindern le besuchen, regelmäßig vom Mobilen Son- und Kindern mit einer auditiven Verarbei- derpädagogischen Dienst (auch: Mobiler tungs- und Wahrnehmungsstörung (AVWS) Dienst, ambulante oder mobile Lehrkräfte, in einer Klasse unterrichtet. Dies bedeutet Integrationslehrkräfte) in ihrer Schule hör- für die Lehrkräfte im Förderschwerpunkt geschädigtenspezifisch gefördert werden Hören, dass sie teilweise in derselben Klas- (Kaul, 2018). Zusätzlich berät die sonderpä- se je nach Bedarf der Kinder verschiedene dagogische Lehrkraft die zuständigen Lehr- Kommunikationsformen und -modalitäten kräfte der allgemeinbildenden Schule zu or- einsetzen und beherrschen müssen: Laut- ganisatorischen und didaktischen Themen sprache, Gebärdensprache, lautsprachun- sowie zur Unterrichtsgestaltung und Raum- terstützende/ -begleitende Gebärden sowie akustik (Leonhardt, 2007). Da etwas mehr phonem- oder graphembestimmte Manu- als die Hälfte aller hörgeschädigten Kinder alsysteme zur Visualisierung von Aspekten mit Förderbedarf eine allgemeinbildende der Laut- und Schriftsprache. Aufgrund der Schule besucht (KMK, 2020), in den meis- Kommunikationsbarrieren sind auch die ten Fällen in der Einzelinklusion, nimmt die Peerbeziehungen zwischen den Schülern/ mobile Arbeit einen großen Raum im För- innen erschwert und müssen teilweise stär- derschwerpunkt Hören ein. ker von den Lehrkräften unterstützt und ko- ordiniert werden. Nicht zu vernachlässigen ist außerdem die Notwendigkeit eines um- fassenden und stets aktuellen Wissens über die hörtechnischen Versorgungsmöglich- keiten und den Einsatz von Zusatztechnik (z. B. Übertragungsanlagen) im Unterricht. Hinzu kommt, dass bis zu 40% der hör-
Work-Life-Balance, berufsbezogenes Belastungserleben und Self-Compassion 79 Work-Life-Balance und Bewälti- & Candova, 2007; Neugebauer & Wil- gungsstrategien von Lehrkräften bert, 2010). Blackburn, Bunch und Haynes (2017) konnten in einer Studie mit Lehr- Nach Ortlepp (2012) sind rund 60 % aller kräften einen signifikanten Zusammenhang Lehrkräfte von beträchtlichen gesundheitli- zwischen erlebter Selbstwirksamkeit der chen Einschränkungen betroffen, die nicht Lehrkräfte und ihrer WLB feststellen. zuletzt auch durch Beanspruchung im Be- In zahlreichen Studien zur Lehrergesund- ruf entstehen. Neben soziodemografischen heit werden daher psychosoziale Ressour- Merkmalen (Geschlecht, familiärer Status cen (Döring-Seipel & Dauber, 2013), Per- etc.) wird nicht allein für den Lehrberuf sönlichkeitsmerkmale (Cramer & Binder, der Aspekt der familiären Verantwortlich- 2015), Bewältigungsstile (Neugebauer & keit(en) im Privatleben diskutiert: Je mehr Wilbert, 2010) und Entlastungsmöglichkei- Aufgaben neben der beruflichen Tätigkeit ten (Adams et al., 2016) hervorgehoben. zuhause noch anstehen und zu bewältigen Ein besonderes Persönlichkeitsmerkmal sind, umso gefährdeter ist die WLB (Tip- im Kontext individueller psychosozialer Res- pens, Ricketts, Morgan, Navarro & Flanders, sourcen ist das Konstrukt Self-Compassion 2013). Hierbei ist insbesondere zu berück- („Selbstmitgefühl“). Dieses kennzeichnet sichtigen, ob in der Familie Kinder leben eine fürsorgliche und wohlwollend unter- oder Personen gepflegt werden (z. B. die stützende Einstellung sich selbst gegenüber eigenen Eltern). Da in den Familien zuneh- angesichts herausfordernder emotionaler mend beide Partner beruflich eingebunden Situationen (Neff, 2003). Belastende Lebens- sind, entsteht eine verschärfte Konkurrenz umstände und das Gefühl des persönlichen zwischen Familienarbeit und Erwerbsarbeit, Versagens werden hier als gemeinsame die ein hohes Maß an Zeitmanagement er- menschliche Erfahrung interpretiert und kön- forderlich macht und die WLB beeinträchti- nen so leichter als Teil des eigenen Lebens gen kann (für alleinerziehende Mütter und betrachtet werden. Eine wohlwollend freund- Väter trifft dies in besonderem Maße zu). liche, nicht verurteilende Haltung sich selbst In diesem Zusammenhang ist zusätzlich gegenüber, verbunden mit der Fähigkeit, die auch ein möglicher Geschlechtereffekt zu momentan belastende eigene Situation an- diskutieren: Je nachdem, wie die Übernah- zuerkennen, ohne sich von ihr vereinnah- me von Aufgaben und Verantwortlichkeiten men zu lassen, kann dazu beitragen, dass ein im familiären/privaten Bereich verteilt ist, ausgewogenerer Umgang mit schwierigen könnten Frauen hier vor größere Heraus- Situationen und Erfahrungen besser gelingt forderungen gestellt werden (Foster, 2001; (Jennings, 2015, Neff & Germer, 2017). Ob- Murray, Flowers, Croom & Wilson, 2011). wohl das Konstrukt Self-Compassion im psy- Hinsichtlich potenzieller Einflussfaktoren chotherapeutischen Kontext als Schutzfaktor auf Belastung und WLB von Lehrkräften so- im Zusammenhang mit psychischen Krisen wie möglicher Interventionen kennzeichnen und Störungsbildern inzwischen gut be- Krause et al. (2013) in ihrer Übersichtsarbeit legt ist (u.a. Zessin, Dickhäuser & Garbade, verschiedene in der Forschung verfolgte Ar- 2015), gibt es nur wenige Arbeiten im Kon- gumentationsstränge. Darunter fallen auch text der Belastungsforschung im Lehrberuf individuelle Persönlichkeitsmerkmale und (Hwang, Noh, Medvedev, Krägeloh, Hand, Bewältigungsstrategien, die Einfluss auf das Noh & Singh, 2019; Mansfield, Beltman, Belastungserleben nehmen können (z.B. Broadley & Weatherby-Fell, 2016). Bezogen Umgang mit Unsicherheit, Resilienz, Selbst- auf den Lehrberuf, berufliche Beanspruchun- wirksamkeit etc.). Das Gefühl der eigenen gen und die Beurteilung der WLB erschien es Selbstwirksamkeit spielt als Schutzfaktor bei daher von Interesse, das Merkmal der Self- der Bewältigung von schwierigen Lebens- Compassion ebenfalls zum Gegenstand der erfahrungen eine besondere Rolle (Abele Untersuchung zu machen.
80 Karolin Schäfer, Kathrin Vogt & Manfred Hintermair Fragestellungen Stichprobe In der vorliegenden Studie wird die WLB Alle Informationen dieser Untersuchung von 470 Lehrkräften, die an deutschsprachi- basieren auf den Angaben der 470 befrag- gen Einrichtungen mit dem Förderschwer- ten Lehrkräfte. 88.3 % (n = 414) von ihnen punkt Hören arbeiten, mittels standardisier- geben an, weiblich zu sein, 11.7 % (n = 55) ter und informeller Fragebögen untersucht. männlich. Das Lebensalter der befragten Fragestellung 1: Unterscheidet sich die WLB Personen liegt zwischen 25 und 67 Jahren von Lehrkräften an Fördereinrichtunen mit (M = 43.4; SD = 10.1), die vorhandene Be- dem Förderschwerpunkt Hören von der WLB rufserfahrung zwischen einem und 46 Jah- von Lehrkräften an allgemeinen Schulen? ren (M = 17.2; SD = 10.4). Fragestellung 2: Zeigen sich Unterschiede 77.7 % (n = 365) haben einen Lehramts- in der WLB, wenn man soziodemografische abschluss in der Fachrichtung mit dem Merkmale der befragten Lehrkräfte berück- Förderschwerpunkt Hören, 9.4 % (n = 44) sichtigt, insbesondere in Bezug auf das Ge- einen Lehramtsabschluss in einer anderen schlecht der befragten Personen sowie auf sonderpädagogischen Fachrichtung und spezifische Tätigkeitsmerkmale (Begleitung 13.0 % (n = 61) einen allgemeinen Lehr- inklusiv beschulter Kinder, bimodal-bilin- amtsabschluss. guale Förderangebote am Förderzentrum)? Was die Arbeitsbereiche angeht, in denen Fragestellung 3: Welche Zusammenhänge die Lehrkräfte eingesetzt werden, sind es zeigen sich zwischen der WLB, den beruf- (bei der Möglichkeit von Mehrfachantwor- lichen Belastungsfaktoren und dem Persön- ten) die Unterrichtung in der Primarstufe lichkeitsmerkmal Self-Compassion? (36.6 %; n = 172), in der Hauptschule/Se- Fragestellung 4: Welche Rolle spielt das Be- kundarstufe I (32.2 %; n = 175) sowie in lastungserleben bei verschiedenen Tätigkeiten der inklusiven Begleitung hörgeschädigter im beruflichen Alltag (Arbeit mit Kindern, Vor- Schüler/innen an der allgemeinen Schule bereitungsarbeiten, Elternarbeit, Fahrzeiten (31.3 %; n = 147), die am häufigsten ge- usw.) für die WLB der befragten Lehrkräfte? nannt werden; andere Arbeitsbereiche (z. B. Realschule, Gymnasium, berufsbilden- der Bereich, vor- oder nachschulische Be- Methode treuung, Frühförderung etc.) finden deutlich weniger häufig Erwähnung (zwischen 3 % Datenerhebung und 15 %) Bei der Frage nach den kommunikativen Die Befragung aller Bildungseinrichtungen Settings, in denen die befragten Personen für hörgeschädigte Kinder im deutschspra- arbeiten (lautsprachliches Setting, Setting chigen Raum wurde über einen Online-Fra- unter Einbeziehung lautsprachunterstützen- gebogen mit der Internetplattform „SoSci- der Gebärden (LUG), bimodal-bilinguales Survey“ gestaltet und im Zeitraum vom 2.3. Setting unter Einbeziehung von Lautsprache bis 9.4.2020 durchgeführt. 63 der insgesamt und Deutscher Gebärdensprache (DGS)) 98 angeschriebenen Einrichtungen leiteten geben 81.1 % (n = 381) der befragten Lehr- den Link an das Fachkollegium weiter. Von kräfte an, in einem lautsprachlichen Setting den dadurch potenziell erreichbaren 3396 und/oder einem Setting mit Verwendung pädagogischen Fachkräften füllten insge- von LUG zu arbeiten, während 18.9 % (n samt 699 Personen den Fragebogen aus. Im = 89) der Befragten angeben, in Settings zu Rahmen der vorliegenden Studie wurden arbeiten, in denen auch (nicht ausschließ- ausschließlich vollständig ausgefüllte Frage- lich) bimodal-bilingual gearbeitet wird. bögen von Fachkräften mit einem Lehramts- Bei der Frage, ob die Lehrkräfte eigene abschluss aufgenommen (n = 470). Kinder haben, geben 60.4 % (n = 284) an,
Work-Life-Balance, berufsbezogenes Belastungserleben und Self-Compassion 81 dass dies der Fall ist; entsprechend haben Self-Compassion 39.6 % (n = 186) keine eigenen Kinder. Bei Zur Erfassung des Persönlichkeitsmerkmals den Personen, die eigene Kinder haben, va- Self-Compassion wurde die Kurzform der riiert die Anzahl der Kinder zwischen einem Self-Compassion Scale eingesetzt (Hup- Kind und fünf Kindern (M = 2.01; SD = .78). feld & Ruffieux, 2011). Sie ermöglicht eine In 76.1 % (n = 216) der Fälle leben eines ökonomische Erfassung der allgemeinen oder mehrere dieser Kinder noch im elter- Self-Compassion mit den Kernmerkmalen lichen Haushalt. „Freundlichkeit sich selbst gegenüber“, „verbindende Humanität“ und „Achtsam- Erhebungsinstrumente keit in emotional herausfordernden Situ- ationen“. Die Kurzform umfasst 12 Items, Work-Life-Balance die auf einer Likert-Skala von 1 (= sehr Zur Erfassung der WLB wurde die Trierer selten) bis 5 (= sehr oft) zu beantworten Kurzskala zur Messung von Work-Life Ba- sind (Beispiele: „Ich versuche verständnis- lance (TKS-WLB) eingesetzt (Syrek et al., voll und geduldig gegenüber jenen Zügen 2011). Mit dieser Skala ist es möglich, glo- meiner Persönlichkeit zu sein, die ich nicht bal und richtungsfrei eine reliable und va- mag“; „Ich versuche, meine Fehler als Teil lide Einschätzung der WLB vorzunehmen. der menschlichen Natur zu sehen“; Wenn Die Skala umfasst fünf Items, die auf einer mich etwas aufregt, versuche ich meine Likert-Skala von 1 (= stimmt gar nicht) bis Gefühle im Gleichgewicht zu halten“). Die 6 (= stimmt genau) beantwortet werden Überprüfung der internen Konsistenz ergibt (Items: „Ich bin zufrieden mit meiner Ba- einen zufriedenstellenden Kennwert (Cron- lance zwischen Arbeit und Privatleben“; bach’s alpha = .81), der vergleichbar ist mit „Es fällt mir schwer, Berufs- und Privatleben dem Wert aus der Validierungsstudie (Cron- miteinander zu vereinbaren (rekodiert)“„Ich bach’s alpha = .84). In die Analysen geht kann die Anforderungen aus meinem Privat- der gemittelte Summenwert der Skala ein. leben und die Anforderungen aus meinem Berufsleben gleichermaßen gut erfüllen“; Berufliches Belastungserleben „Es gelingt mir einen guten Ausgleich zwi- Um konkrete Belastungen in den alltäglich schen belastenden und erholsamen Tätig- anfallenden beruflichen Tätigkeiten zu erfas- keiten in meinem Leben zu erreichen“; „Ich sen, wurde für insgesamt acht von den Au- bin damit zufrieden, wie meine Prioritäten toren/innen als bedeutsam definierte Tätig- in Bezug auf den Beruf und das Privatle- keitsbereiche erfasst, wie viel Prozent ihrer ben verteilt sind“). Die einfaktorielle Struk- Arbeitszeit die befragten Personen in dem tur der Skala, die in der Arbeit von Syrek jeweiligen Bereich verbringen sowie vor al- et al. (2011) dokumentiert ist, konnte mit lem, wie belastend sie die Tätigkeit dort er- den Daten der vorliegenden Studie bestätigt leben. Gefragt wurde nach Belastungen in werden (Hauptkomponentenanalyse mit der Arbeit mit den Kindern/Jugendlichen, bei Varimaxrotation; Eigenwert: 3.74; erklärte den Vorbereitungsarbeiten, in der Zusam- Varianz: 74.9 %; Faktorladungen zwischen menarbeit mit Eltern, in der Zusammenarbeit .77 und .90). Die Angabe zur internen mit Kollegen/innen, bei der konzeptionellen Konsistenz zeigt in der Studie von Syrek et Arbeit, bei Verwaltungsarbeiten, anfallenden al. (2011) einen sehr zufriedenstellenden Fahrzeiten sowie bei sonstigen beruflichen Kennwert (Cronbach’s alpha = .95), der bei Aktivitäten. Die acht Fragen hierzu werden der Überprüfung mit den Daten der vorlie- auf einer Likert-Skala von 1 (= nicht belas- genden Studie bestätigt wird (Cronbach’s tend) bis 4 (= sehr belastend) beantwortet. Es alpha = .91). In die Analysen geht der ge- wurde für jede Person aus den Einschätzun- mittelte Summenwert der Skala ein. gen zu den beantworteten Items ein gemit- telter Gesamtbelastungswert ermittelt.
82 Karolin Schäfer, Kathrin Vogt & Manfred Hintermair Ergänzende Einschätzungen den ergänzenden Einschätzungen wurden Es wurden ergänzend mit vier Einzelitems zunächst mittels bivariater Korrelationen Informationen zu verschiedenen Aspek- (Pearson) berechnet (Fragestellung 3). Zur ten eingeholt, die im Kontext der Arbeit an vertiefenden Analyse der Rolle der erhobe- FFSH relevant sind. Erfragt wurde, ob und nen inhaltlichen und soziodemografischen inwiefern sich aus Sicht der befragten Per- Merkmale für die WLB wurde eine lineare sonen das Aufgabenspektrum im Laufe der multiple Regressionsanalyse gerechnet mit Berufstätigkeit verändert hat, wie gut sich der WLB als abhängiger Variable und den die Befragten durch ihre Ausbildung auf die Merkmalen Self-Compassion, berufliche Aufgaben in der Praxis vorbereitet fühlen Belastung sowie den signifikanten sozio- und wie sehr sie sich auf neue Aufgaben/ demografischen Merkmalen und den er- Herausforderungen freuen bzw. wie sehr gänzenden Einschätzungen als unabhängi- sie sich durch zusätzliche Aufgaben über- ge Variablen. Die differenzierende Analyse fordert fühlen. Diese Fragen werden eben- der Belastungen in den verschiedenen Tä- falls auf einer Likert-Skala von 1 (= trifft gar tigkeitsbereichen (Fragestellung 4) erfolgte nicht zu) bis 4 (= trifft voll zu) beantwortet. sowohl deskriptiv als auch mittels bivariater Korrelationen (Pearson) zwischen den Bela- Statistische Auswertung stungsscores und dem Wert der WLB-Ska- la. Alle Analysen wurden unter zweiseitiger Alle statistischen Analysen wurden mit Prüfung auf Signifikanz durchgeführt. dem Programm SPSS 25 durchgeführt. Der Vergleich der WLB der in dieser Studie be- fragten Lehrkräfte an FFSH mit der WLB Ergebnisse von Lehrkräften an allgemeinen Schulen (Fragestellung 1) erfolgte unter Heranzie- Vergleich der Work-Life-Balance von hung der Validierungsdaten aus der Studie Lehrkräften an FFSH und Lehrkräften von Syrek et al. (2011) mittels t-Test für an allgemeinen Schulen unabhängige Stichproben. Die Messinva- rianz wurde vorab überprüft (konfigurale Der Vergleich der WLB der in dieser Studie und metrische Invarianz nach Schwab & befragten 470 Lehrkräfte an FFSH mit den Helm, 2015, S. 178): Für beide Stichpro- Daten der Stichprobe aus der Validierungs- ben liegt eine Ein-Faktor-Struktur der WLB studie (Syrek et al., 2011), in der 137 Lehr- vor und die Faktorladungen sind vergleich- kräfte an Realschulen, Gesamtschulen und bar. Die Überprüfung des Stellenwerts der Gymnasien befragt wurden (Fragestellung erhobenen soziodemografischen Merkma- 1), ergibt keinen signifikanten Unterschied le (siehe Stichprobenbeschreibung) für die (Lehrkräfte Förderschwerpunkt Hören: M = WLB der befragten Personen (Fragestellung 3.76; SD = 1.05; Lehrkräfte an allgemeinen 2) erfolgte – abhängig von der Skalierung Schulen: M = 3.68; SD = 1.38; T = .73; df = des jeweiligen Merkmals – entweder mit- 605; p < .47). tels univariater Varianzanalyse (verschie- Eine ergänzende deskriptive Betrachtung dene Lehramtsqualifikationen), t-Test für zeigt, dass der Mittelwert der hier unter- unabhängige Stichproben (Geschlecht, suchten Stichprobe (M = 3.76) etwas höher Arbeitsbereiche, kommunikatives Setting, liegt als der mathematische Mittelwert der Inklusion, eigene Kinder) oder bivariater Skala (M = 3.50). Die mittleren Werte auf Korrelationen nach Pearson (Lebensalter, Itemebene bewegen sich eng um den Ska- Berufserfahrung, Anzahl eigener Kinder). lenmittelwert (Werte zwischen M = 3.67 Die Zusammenhänge zwischen der WLB und M = 3.82). 50.8 % (n = 239) der Per- und den Variablen „Berufliches Belas- sonen haben einen geringeren Wert als das tungserleben“, „Self-Compassion“ und Mittel, 49.1 % (n = 231) liegen mit ihrem
Work-Life-Balance, berufsbezogenes Belastungserleben und Self-Compassion 83 Wert darüber. Unter Berücksichtigung der Keine Zusammenhänge zur WLB zeigen Streuung der Werte um den Mittelwert der sich außerdem in Bezug auf das Lebensalter Verteilung (M = 3.76, SD = 1.05) zeigt sich, der Befragten (r = .03, p < .55), den Umfang dass sich 18.7 % (n = 88) der Befragten mit ihrer Berufserfahrung (r = .01, p < .80) und ihrem mittleren Skalenwert im Bereich der die Art ihres Lehramtsabschlusses (F = .94, zweiten und dritten negativen Standardab- df = 1,468, p < .33). Ebenso ist es statistisch weichung befinden. 17.7 % (n = 83) befin- nicht von Bedeutung für die Ausprägung der den sich mit ihren Werten im Bereich der WLB, ob die Befragten eigene Kinder haben zweiten und dritten positiven Standardab- (T = -.89, df = 468, p < .37) und wenn, wie weichung. viele Kinder sie haben (r = .07, p < .26) und wie viele von ihnen noch im Haushalt le- Zum Stellenwert soziodemografi- ben (r = -.03, p < .58). scher Merkmale für die Work-Life- Balance Zusammenhänge zwischen Work-Li- fe-Balance und assoziierten Faktoren Bei der Überprüfung des Stellenwerts der erhobenen soziodemografischen Merkmale Tabelle 1 gibt eine Übersicht über die der befragten Lehrkräfte für die Ausprägung Korrelationen zwischen dem Skalenwert der WLB (Fragestellung 2) ergeben sich ei- in der TKS-WLB-Skala zur WLB und den nige signifikante Zusammenhänge. Ein Skalenwerten in den übrigen Untersu- Unterschied zeigt sich in Bezug auf das Ge- chungsvariablen (berufliche Belastungen, schlecht der Befragten: Frauen erzielen ge- Self-Compassion, Nutzen der Ausbildung, ringere Werte in der Skala zur WLB (Frauen: Veränderung des Aufgabenspektrums über M = 3.71, SD = 1.03; Männer: M = 4.11, die Jahre, Offenheit für neue Aufgaben/He- SD = 1.11; T = -2.64; df = 467; p < .008; rausforderungen, Überforderung durch zu- Cohen’s d = .38). Des Weiteren weisen Lehr- sätzliche neue Aufgaben; Fragestellung 3). kräfte, die auch in bimodal-bilingualen Set- tings tätig sind, geringere Werte in der WLB- Skala auf als Lehrkräfte, die ausschließlich in lautsprachlichen und/oder durch Gebärden unterstützten Settings (LUG) arbeiten (Bimo- dal-bilinguale Settings: M = 3.43, SD = .99; Settings mit Lautsprache/LUG: M = 3.83, SD = 1.06; T = 2.81; df = 468; p < .005; Cohen’s d = .33). In Bezug auf die Arbeitsbereiche, in denen die Lehrkräfte arbeiten, zeigt sich ein signifikanter Unterschied: Die WLB von Lehrkräften, die auch in der inklusiven Be- gleitung von hörgeschädigten Schülern/in- nen an allgemeinen Schulen eingesetzt wer- den, ist geringer als die der Lehrkräfte, die nicht in der Inklusion arbeiten (Inklusion: M = 3.60, SD = 1.06; Reststichprobe: M = 3.84, SD = 1.04; T = 2.22; df = 468; p < .027; Cohen’s d = .25). In Bezug auf die an- deren Arbeitsbereiche (Primarstufe, Haupt- schulstufe, Realschule, Gymnasium usw.) zeigen sich keine signifikanten Zusammen- hänge zur WLB.
84 Karolin Schäfer, Kathrin Vogt & Manfred Hintermair Tabelle 1: Zusammenhang von Work-Life-Balance und berufsrelevanten Merkmalen (n = 470) (1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) (1) Work-Life-Balance - (2) Self-Compassion .31*** - (3) Berufliche Belastungen -.42*** -.28*** - (4) Veränderung des -.14** -.03 .17*** - Aufgabenspektrums (5) Nutzen der Ausbildung .25*** .21*** -.26*** -.10* - (6) Freude auf neue Aufgaben/ .21*** .15*** -.31*** .01 .17*** - Herausforderungen (7) Überforderung durch neue -.38*** -.26*** .31*** .12** -.22*** -.43*** - zusätzliche Aufgaben *** p < .001; ** p < .01; * p < .05; r = .10: geringe Effektstärke; r = .30: mittlere Effektstärke; r = .50: große Effektstärke (Cohen, 1988); Es zeigt sich, dass die Lehrkräfte ihre WLB weiblich), kommunikative Settings (1 = laut- positiver einschätzen, je weniger sie sich sprachlich orientiert/ LUG; 2 = bimodal-bi- beruflich belastet erleben und je stärker aus- lingual orientiert) sowie der Arbeitsbereich geprägt ihre Fähigkeiten zur Self-Compass- Inklusion (0 = in diesem Bereich nicht tätig; ion sind. Diese Zusammenhänge weisen 1 = in diesem Bereich tätig), in die Analyse eine mittlere Effektstärke auf. Die ergänzen- mit einbezogen, da sich diese Merkmale bei den berufsfeldspezifischen Einschätzungen der Überprüfung des Stellenwerts soziode- weisen ebenfalls signifikante Zusammen- mografischer Variablen als relevant erwie- hänge zur WLB auf, wobei drei der Korrela- sen hatten (siehe Fragestellung 2). tionen eine geringe Effektstärke aufweisen. Ein signifikanter Zusammenhang weist eine mittlere Effektstärke auf: Lehrkräfte, die an- geben, sich durch neue zusätzliche Aufga- ben überfordert zu fühlen, haben geringere Werte in der WLB. Zur vertiefenden Analyse relevanter Fak- toren für die Erklärung der WLB wurde eine lineare multiple Regressionsanalyse mit dem Skalenwert der WLB als abhän- gige Variable gerechnet. Als unabhängige Variablen fanden die Skalenwerte zu den Merkmalen „Self-Compassion“, „Berufliche Belastungen“ sowie die ergänzenden be- rufsfeldspezifischen Einschätzungen (Tab. 1) Eingang in die Berechnung. Von den so- ziodemografischen Merkmalen wurden die Variablen Geschlecht (1 = männlich; 2 =
Work-Life-Balance, berufsbezogenes Belastungserleben und Self-Compassion 85 Tabelle 2: Multiple Regressionsanalyse mit dem Summenwert der WLB-Kurzskala als abhängige Variable Prädiktoren Summenwert Work-Life-Balance (WLB) Nicht standardisierte Standardisierte Koeffizienten Koeffizienten B Standard- β T-Wert fehler F (df 9,459) = 22.99*** (Konstante) 5.00 .50 10.03*** Geschlecht .40 .13 .12 3.13** Kommunikatives Setting -.27 .11 -.10 -2.52* Tätigkeit Inklusion -.19 .09 -.08 -2.17* Self-Compassion .27 .07 .15 3.61*** Berufliche Belastungen -.65 .10 -.28 -6.34*** Veränderung des Aufgabenspektrums -.05 .04 -.05 -1.20 Nutzen der Ausbildung .09 .06 -.07 -1.68 Freude auf neue Aufgaben/ -.01 -03 -.01 -.33 Herausforderungen Überforderung durch neue -.36 .07 -.24 -5.28*** zusätzliche Aufgaben R = .56; R2 = .31; korr. R2 = .30 *** p < .001; ** p < .01; * p < .05; Das Ergebnis der Regressionsanalyse Belastungserleben in verschiedenen zeigt, dass mit den einbezogenen Variablen Tätigkeitsbereichen und Work-Life- 30 % der Varianz erklärt werden können Balance (Tabelle 2). Lehrkräfte mit geringeren Wer- ten in ihrer schulischen Gesamtbelastung Tabelle 3 zeigt die Ergebnisse zu der Frage, und höheren Werten in der Skala „Self- wie belastend verschiedene Tätigkeiten im Compassion“ weisen eine höhere WLB beruflichen Alltag erlebt werden und wel- auf. Ebenso haben Personen, die sich durch che Zusammenhänge zur WLB bestehen neue zusätzliche Aufgaben weniger über- (Fragestellung 4). fordert fühlen, eine höhere WLB. Die ein- bezogenen soziodemografischen Merkmale weisen ebenfalls einen Zusammenhang zur WLB auf: Weibliche Lehrkräfte, Lehrkräfte, die in bimodal-bilingualen kommunika- tiven Settings tätig sind, und Lehrkräfte in der Inklusion berichten über eine geringere WLB.
86 Karolin Schäfer, Kathrin Vogt & Manfred Hintermair Tabelle 3: Zusammenhang von Work-Life-Balance und Belastung bei beruflichen Tätigkeiten Tätigkeitsbereiche Umfang Belastung durch die Korrelation der Tätigkeiten WLB/ Belastung Tätigkeit der Tätigkeit % M SD n r Arbeit mit Kindern/ 38.20 1.91 .80 468 -.13** Jugendlichen Vorbereitungsarbeiten 19.56 2.15 .80 461 -.30*** Zusammenarbeit mit Eltern 7.40 2.26 .81 446 -.21*** Zusammenarbeit mit 10.75 1.80 .77 470 -.27*** Kollegen/innen Konzeptionelle Arbeiten 4.60 2.36 .93 378 -.27*** Verwaltungsarbeiten 12.14 2.87 .84 456 -.33*** Fahrzeiten 6.20 2.19 .96 362 -.17** Sonstige berufliche 1.14 1.97 .96 127 -.14 Aufgaben Gesamtwerte 100.0 2.21 .45 470 -.42*** *** p < .001; ** p < .01; WLB = Work-Life-Balance; n variiert für die einzelnen überprüften Bereiche, da nicht jede befragte Person auch in jedem der abgefragten Bereiche tätig ist. Spalte 2 enthält die Angaben, in welchem dass Verwaltungsarbeiten in besonderem Umfang die verschiedenen Tätigkeiten von Maße als belastend erlebt werden (M = den befragten Lehrkräften in ihrem beruf- 2.87; SD = 84). Aber auch konzeptionelle lichen Alltag wahrgenommen werden (An- Arbeiten (M = 2.36; SD = .93) und die Zu- gaben in Prozent). Es zeigt sich erwartungs- sammenarbeit mit den Eltern (M = 2.26; SD gemäß, dass mit knapp 40 % die Arbeit mit = .81) fallen ins Gewicht. hörgeschädigten Kindern und Jugendlichen In Spalte 6 sind die Korrelationen (Pear- im Zentrum der zu leistenden Aufgaben son) zwischen den Belastungswerten in steht. An zweiter Stelle stehen mit 19.6 % den einzelnen Tätigkeitsbereichen und der die Vorbereitungsarbeiten, die für die Arbeit WLB der befragten Personen aufgeführt. Es mit den Kindern und Jugendlichen anfallen. zeigt sich für alle Bereiche (bis auf „Sons- An dritter Stelle stehen mit 12.1 % der Ge- tige berufliche Aufgaben“) ein signifikanter samtzeit allgemeine Verwaltungstätigkeiten, negativer Zusammenhang (mit unterschied- die zu leisten sind, gefolgt von der Zusam- licher Effektstärke) zur WLB: Dieser Zusam- menarbeit mit den Kollegen/innen, die mit menhang wird insbesondere sichtbar für die 10.7 % zu Buche steht. Bereiche „Verwaltungstätigkeiten“, „Vorbe- Die Spalten 3 bis 5 enthalten die deskrip- reitungsarbeiten“, „konzeptionelle Zusam- tiven Angaben, wie stark die Belastung in menarbeit“ und „Zusammenarbeit mit den den verschiedenen Tätigkeitsbereichen von Kollegen/innen“: Je belastender die Tätig- den befragten Lehrkräften erlebt wird (Min. keit in diesen Bereichen erlebt wird, umso = 1.0; Max. = 4.0). Hier zeigt sich mit deut- geringer wird auch die WLB eingeschätzt. lichem Abstand zu den anderen Bereichen,
Work-Life-Balance, berufsbezogenes Belastungserleben und Self-Compassion 87 Diskussion und die Versorgung der Familie usw. Mit den vorliegenden Daten kann Aspekten wie den Die vorliegende Untersuchung verfolgte genannten nicht nachgegangen werden, für das Ziel, die WLB von Lehrkräften, die an weiterführende Studien wäre es relevant, FFSH arbeiten, zu analysieren und hier- diese inhaltlich zu vertiefen. bei den Zusammenhang zu verschiedenen Als weiteres soziodemografisches Merk- Faktoren genauer zu betrachten, die einen mal von Relevanz hat sich der Faktor „kom- möglichen Erklärungsbeitrag für die WLB munikatives Setting“ erwiesen. Danach leisten. zeigen Lehrkräfte, die (auch) in bimodal-bi- Die Ergebnisse haben gezeigt, dass sich lingualen Settings unter Einbeziehung von die WLB der untersuchten Stichprobe nicht Lautsprache und Deutscher Gebärdenspra- von der WLB der Lehrerstichprobe aus der che arbeiten, eine geringere WLB haben als Validierungsstichprobe von Syrek et al. Personen, die ausschließlich in rein laut- (2011) unterscheidet und somit davon aus- sprachlichen Settings und/oder in Settings zugehen ist, dass Lehrkräfte an FFSH in mit Einsatz von lautsprachunterstützenden ihrer WLB nicht in höherem Maße beein- Gebärden (LUG) arbeiten. Überlegungen, trächtigt sind (Fragestellung 1). Dennoch dass möglicherweise die Arbeit in einem bleibt festzuhalten, dass unter Berücksich- bimodal-bilingualen Setting besonders he- tigung der Standardabweichung für die Ver- rausfordernd ist, können mit dem vorlie- teilung der Daten knapp ein Fünftel (18.7 genden Datenmaterial nicht abschließend %) der befragten Personen einen Mittelwert geklärt werden. Mündlich auf Tagungen M ≤ 2.71 erzielt, was bedeutet, dass die fünf berichtete Erfahrungen von bimodal-bilin- Items der WLB-Skala von diesen Personen gual arbeitenden Lehrkräften aus der Praxis mehrheitlich problematisch eingeschätzt deuten jedoch darauf hin, dass die Vorberei- werden. Das ist ein Hinweis, dass für diesen tungsarbeiten (Erstellen von Materialien etc.) Personenkreis eine Gefährdung ihrer WLB sowie die Abstimmung der Teams im bimo- angenommen werden kann. dal-bilingualen Unterricht außerhalb der of- Von den in der vorliegenden Untersu- fiziellen Schulzeit mehr Zeit und Aufwand chung überprüften soziodemografischen kosten. Das hängt u. a. damit zusammen, Merkmalen zur Erklärung der WLB (Fra- dass entsprechende Materialien hier häufig gestellung 2) hat sich zum einen das Ge- noch nicht existieren und schulübergreifen- schlecht der Lehrkräfte als bedeutsam erwie- de Konzepte gerade erst geschaffen werden. sen. Frauen, die an FFSH arbeiten, haben Ebenfalls geringer ist die WLB von Lehr- eine geringere WLB als Männer. Obgleich kräften, die (auch) in der Begleitung inklusiv sich in der Validierungsstudie von Syrek et beschulter Kinder eingesetzt werden, was al. (2011), in der das gleiche Befragungsins- für immerhin knapp ein Drittel (31.3 %) trument verwendet wurde wie in dieser Stu- der befragten Personen zutrifft. Hier gilt es die, kein Geschlechtereffekt zeigte, liegen in weiterführenden Studien zu diskutieren, gleichwohl einige Studien vor, die diesen inwieweit es spezifische Aspekte der Tätig- Gender Gap in Bezug auf WLB aufzeigen keit in inklusiven Settings sind (und wenn, (Emslie & Hunt, 2009; Foster, 2001; Murray welche), die möglicherweise zu einer ge- et al., 2011). Der Tenor der Befunde geht da- ringeren WLB dieser Gruppe beitragen. hin, dass berufstätige Frauen nach wie vor im Anzudenken ist, dass die Tätigkeit in der Vergleich zu Männern eine Vielfalt von Rol- Inklusion für Lehrkräfte im Förderschwer- len und Aufgaben jonglieren müssen, wobei punkt Hören in besonderem Maße zeitliche die Erziehung und Versorgung der eigenen Beanspruchungen enthält, da diese häufig Kinder nur einen Teil dieser Aufgaben abbil- mobil arbeiten und verschiedene allgemei- det. Andere Aufgaben betreffen die Fürsorge ne Schulen in der Umgebung aufsuchen, um kranke oder alte Eltern, den Haushalt in denen einzelintegrierte Kinder beschult
88 Karolin Schäfer, Kathrin Vogt & Manfred Hintermair werden. Dies umfasst z. T. lange Fahrtzei- lenwert einer hohen beruflichen Selbstwirk- ten, häufige Ortswechsel und ein breites samkeit für die WLB aufzeigen, unterstüt- Aufgabenspektrum an Beratungs- und Un- zen insgesamt den Stellenwert personaler terstützungsleistungen (Kaul, 2018). Merkmale für die effektive Bewältigung Die Ergebnisse der durchgeführten Korre- beruflicher und privater Herausforderungen lations- und Regressionsanalyse (Fragestel- (Blackburn et al., 2017; Seong, 2016). lung 3) haben gezeigt, dass insbesondere Was in weiterführenden Studien vertie- wahrgenommene Belastungen im berufli- fend zu untersuchen ist, ist der Befund der chen Alltag die WLB beeinträchtigen. Eine vorliegenden Studie, wonach eigene Kinder genauere Analyse der Belastungsfaktoren für das Erleben der WLB der Lehrkräfte, die (Fragestellung 4) zeigte, dass es vor allem an FFSH arbeiten, keine Rolle spielen. Die Verwaltungsarbeiten, aber auch Vorberei- Einschätzung der WLB war unabhängig von tungsarbeiten (für den Unterricht etc.) und der Angabe, ob die befragten Lehrkräfte die Zusammenarbeit mit den Eltern sind, eigene Kinder haben, wie viele Kinder sie die hier für die WLB eine besonders rele- haben und wie alt diese sind. In weiter- vante Rolle spielen. Von den Lehrkräften gehenden Untersuchungen sollten daher wird Verwaltungsarbeit mit Abstand zu an- z. B. die Entwicklung der Kinder, das Be- deren anfallenden Aufgaben als besonders lastungserleben der Eltern oder auch die belastend erlebt und je höher diese erlebte Eltern-Kind-Beziehung in die Analysen mit Belastung ist, umso eingeschränkter erleben einbezogen werden. sie ihre WLB. Hierzu passt ein weiterer Be- fund der vorliegenden Studie, wonach Lehr- Limitationen kräfte mit höherem Belastungserleben nicht nur eine geringere WLB aufweisen, sondern Neben den bereits genannten Aspekten, die diese Personen auch häufiger angeben, in weiterführenden Studien zur WLB von sich von neuen zusätzlichen Aufgaben eher Lehrkräften an FFSH zu berücksichtigen sind, überfordert zu fühlen. Dies könnte ein Hin- unterliegen die mit dieser Untersuchung ge- weis sein, dass es sich hier um eine beson- wonnenen Erkenntnisse noch einer Reihe ders vulnerable Gruppe handelt, die mögli- anderer Limitationen, die deren Aussagekraft cherweise bereits „am Limit“ arbeitet und in einschränken. Zunächst ist festzuhalten, dass ihrer psychischen Gesundheit gefährdet ist. es den Personen, die den Link zugeschickt Neben den Faktoren im beruflichen Um- bekamen, freistand, den Fragebogen zu be- feld hat sich auch das in dieser Studie er- antworten, wodurch Selektionseffekte nicht fasste personale Merkmal der Self-Com- auszuschließen sind, die die Repräsentativi- passion als relevant für die Ausprägung der tät der gezogenen Stichprobe in Frage stel- WLB erwiesen: Personen, die mit sich selbst len. Generell spielen bei der Beurteilung freundlich, achtsam und wohlwollend um- des Rücklaufs von Online-Befragungen vie- gehen und dabei eine gesunde Kultur im le unterschiedliche Faktoren eine Rolle, die Umgang mit Fehlern und herausfordernden statistisch kaum erfasst werden können, wie Situationen entwickelt haben, gelingt es z.B. Zugang der Befragten zum Internet, Ein- leichter, eine gute WLB auszubilden als Per- gang des Fragebogenlinks im Posteingang sonen, die sich selbst gegenüber eher kri- oder Spam-Ordner, mögliche Unsicherheit tisch und weniger nachgiebig sind. Studien der Befragten über Datenweitergabe bei On- zum Zusammenhang von Self-Compassion line-Fragebögen etc. (Theobald, 2003). und psychosozialem Wohlbefinden bestä- Weiter ist kritisch anzumerken, dass in der tigen die stärkende Kraft dieses Persönlich- vorliegenden Arbeit als assoziierte Faktoren keitsmerkmals (Baer, Lykins & Peters, 2012; zur WLB fast ausschließlich berufsrelevante Neff, 2004; Neff, Rude & Kirkpatrick, 2007). Merkmale abgefragt wurden, während eine Andere vorliegende Arbeiten, die den Stel- genauere Betrachtung von Faktoren, die aus
Work-Life-Balance, berufsbezogenes Belastungserleben und Self-Compassion 89 dem privaten Leben der Befragten in die Ge- de WLB erreicht werden kann (Wittmann, staltung der WLB mit hineinspielen, nicht Hampel & Groen, 2019). Auch im späteren vorgenommen wurde (bis auf die Frage Verlauf des Berufslebens erscheinen per- nach eigenen Kindern). Dies ist möglicher- sönlichkeitsstärkende Maßnahmen in Aus- weise auch eine Erklärung dafür, dass durch und Weiterbildungskursen hilfreich zu sein, die Regressionsanalyse lediglich 30 % der insbesondere in Arbeitsfeldern, die stetigen WLB erklärt werden konnten. Hier sollten Veränderungen unterworfen sind, wie es in weiterführenden Studien z. B. die Rolle in der Sonderpädagogik, der Inklusion und der Familien- und Lebenszufriedenheit, As- selbstverständlich auch in den unterschied- pekte der Partnerschaft, Freizeitgestaltung lichen Arbeitsbereichen der allgemeinen und Gesundheit mit erhoben werden. Das Schulen der Fall ist. könnte dazu beitragen, die WLB noch dif- Zu den hörgeschädigtenspezifischen ferenzierter zu betrachten und mehr Erklä- Arbeitsfeldern der bimodal-bilingualen Set- rungsvarianz zu erzielen. tings und der häufig mobilen Arbeit in der Schließlich wurden die Belastungen, die Inklusion sollten weitere Forschungsarbei- die befragten Personen in ihren beruflichen ten angeschlossen werden, da die in die- Aktivitäten erleben, lediglich mit knappen sen Bereichen tätigen Lehrkräfte über eine einschätzenden Ratings erhoben. Da sich geringere WLB berichten. Somit könnte gezeigt hat, dass es insbesondere diese Be- weiterführend untersucht werden, ob und lastungen sind, die mit der WLB in Zusam- inwiefern diese Arbeitsbereiche tatsächlich menhang stehen, wäre für weitergehende beanspruchender sind als andere Tätigkei- Studien vorzuschlagen, Belastungserfahrun- ten und wie hier Unterstützung geleistet gen in den einzelnen Tätigkeitsbereichen werden könnte. Es könnte z.B. ermittelt wer- entweder differenzierter (und nicht nur je- den, ob es in bimodal-bilingualen Settings weils mit einem Item) abzufragen oder dies an Materialien oder Ressourcen mangelt, in Form qualitativer Interviews zu gestalten, die verstärkt entwickelt und bereitgestellt indem die konkreten belastenden Erfahrun- werden könnten. Bezogen auf die mobi- gen und Herausforderungen durch Gesprä- le Arbeit in der Inklusion könnte erprobt che sichtbar und verstehbar gemacht wer- werden, ob bestimmte Beratungstätigkeiten den können. Dadurch könnten mögliche auch durch Videokonferenzen, Blocktage in Auswirkungen auf die WLB konkretisiert Einrichtungen o. Ä. ersetzt werden könnten, und Hinweise für präventive gesundheits- um lange und häufige Autofahrten zu redu- förderliche Maßnahmen formuliert werden. zieren. Auch die Corona-Krise hat zu zusätzli- Pädagogische Implikationen chen Anforderungen und Veränderungen in Bildungseinrichtungen geführt, die sicher- Obwohl die Daten der vorliegenden Studie lich noch weit über die Pandemie hinaus keine Hinweise auf eine besondere Ge- auf alle Beteiligten einwirken werden. Mit- fährdung der WLB von Lehrkräften an FFSH hilfe von konkreten Belastungsanalysen am enthalten, sollte das Thema angesichts der Arbeitsplatz könnte z.B. erörtert werden, Tatsache, dass dennoch knapp ein Fünftel welche Faktoren konkret auf den privaten der Befragten ihre WLB als problematisch Bereich wirken und diesen ggf. negativ be- erleben, bereits in der Ausbildung an den einflussen („Spillover-Effekt“). Hochschulen und in der Referendariats- Dies könnte dabei helfen, Strategien zu phase aufgegriffen werden. Auf diese Wei- vermitteln und Hilfen zu implementieren, se kann präventiv über Anforderungen des um die WLB von Lehrkräften (nicht nur im Berufs und relevante gefährdende Faktoren Fachbereich Hören) langfristig positiv zu aufmerksam gemacht sowie Strategien ver- beeinflussen und zur Gesundheitsförderung mittelt werden, wie eine zufriedenstellen- der Berufsgruppe beizutragen.
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