WORKING PAPER-REIHE DER AK WIEN - E-Medien der ...

 
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WORKING PAPER-REIHE
                                                  DER AK WIEN

                                                  EINSTELLUNGEN ZUM SOZIALSTAAT IN DER
                                                  COVID-19 GESUNDHEITS- UND ARBEITSMARKTKRISE

                                                  Bernd Liedl
                                                  Philipp Molitor
                                                  Nadia Steiber

                                            210
                        978-3-7063-0858-8   MATERIALIEN ZU WIRTSCHAFT UND GESELLSCHAFT

WPR_210_SozialstaatCovidkrise.indd 1                                                            12.02.21 09:51
Materialien zu Wirtschaft
                     und Gesellschaft Nr. 210
                  Working Paper-Reihe der AK Wien

Herausgegeben von der Abteilung Wirtschaftswissenschaft und Statistik
             der Kammer für Arbeiter und Angestellte
                             für Wien

    Einstellungen zum Sozialstaat in der
COVID-19 Gesundheits- und Arbeitsmarktkrise

          Bernd Liedl, Philipp Molitor, Nadia Steiber

                            Februar 2021
Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme

          Ein Titeldatensatz für diese Publikation ist bei
               der Deutschen Bibliothek erhältlich.

                     ISBN 978-3-7063-0858-8

         Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien
A-1041 Wien, Prinz-Eugen-Straße 20-22, Tel: (01) 501 65, DW 12283
Zusammenfassung
Die Studie liefert auf Basis einer im Juni 2020 durchgeführten repräsentativen Befragung
von 2.000 Personen Einblicke in Einstellungen zu sozialpolitischen Maßnahmen und zu
Fragen der Finanzierung der Corona-Krise in Österreich. Die Ergebnisse weisen auf eine
breite Unterstützung sozialstaatlicher Maßnahmen. Mehr als 60% der Befragten waren
drei Monate nach Beginn der Krise der Meinung, der Sozialstaat sei im Zuge der Corona-
Pandemie wichtiger geworden. Diese Ansicht teilten insb. Personen mit höherer Bildung
und in höherem Alter. Die Sorge um eine Vergrößerung der Unterschiede zwischen Arm
und Reich durch die Corona-Pandemie war in der gesamten Bevölkerung Österreichs
weitverbreitet und unter älteren Personen besonders groß.

Im internationalen Vergleich werden in Österreich staatliche Maßnahmen zur Reduktion
von Einkommensunterschieden stark befürwortet. Dies war auch während der Corona-
Krise der Fall. Die Zustimmung zu staatlicher Einkommensumverteilung verstärkte sich
im Vergleich zu 2018/19 sogar leicht. Der subjektive soziale Status der Befragten übte
dabei einen starken Einfluss aus: Menschen, die ihren sozialen Status in der Gesellschaft
 eher unten verorteten, zählten besonders häufig zu den BefürworterInnen.

Während rund drei von vier Befragten der Meinung waren, der Staat solle mehr tun, um
Armut zu verringern, befürworteten deutlich weniger Menschen (knapp die Hälfte der
Befragten) staatliche Maßnahmen zur Sicherung eines angemessenen Lebensstandards
von Arbeitslosen. Jüngere und ältere Befragte befürworteten staatliche Maßnahmen zur
Sicherung eines angemessenen Lebensstandards von Arbeitslosen stärker als jene im
Haupterwerbsalter. Die aktuelle bedarfsorientierte Mindestsicherung schätzte rund die
Hälfte der Befragten als zu niedrig ein. Einen Mindestlohn bei Vollzeitbeschäftigung von
                                                      zu niedrig ein.

Die Vermögensverteilung in Österreich wurde wie auch im European Social Survey
(2018) überwiegend als ungerecht eingeschätzt, vor allem von Älteren. Zwei Drittel der
Befragten waren der Meinung, der Staat solle Maßnahmen ergreifen, um die
Vermögensungleichheit zu reduzieren. Wie schon bei der Befürwortung staatlicher
Umverteilung von Einkommen, zeigte sich auch hier, dass Befragte, die sich in der
Gesellschaft eher unten verorteten, die Vermögensunterschiede eher als ungerecht
groß einschätzten und eine staatliche Vermögensumverteilung eher befürworteten.

Einer stärkeren Besteuerung von Vermögen zur Finanzierung der wirtschaftlichen Folgen
der Corona-Pandemie stimmte rund jede zweite/r Befragte zu. Ebenfalls rund die Hälfte
sprach sich für eine stärkere Besteuerung hoher Einkommen aus. Die größte
Zustimmung erfuhr jedoch die stärkere Besteuerung großer Unternehmen (rund 64%).
Die Finanzierungsinstrumente mit umverteilender Wirkung wurden weitaus positiver
bewertet als eine Einschränkung von Sozialleistungen (weniger als 20% Zustimmung).
Abstract
This study provides insights into the attitudes of the Austrian population towards the
policy measures taken by the government to mitigate the direct economic consequences
of the COVID-19 pandemic and the lockdown. Based on a representative survey of 2,000
individuals aged 20-64 and living in Austria (carried out in June 2020), the findings show
a rather strong support for the state interventions. More than 60% of respondents felt
that the welfare state has become more important since the onset of the crisis. The
strongest support was found among the higher educated and the older population. The
majority of respondents and again especially older individuals indicated to worry about
a further widening of social inequality between the rich and the poor due to the crisis.

By international comparison, support for income redistribution is strong in Austria. This
continued to be the case during the Corona crisis. The support for income redistribution
grew even stronger compared to 2018/19 (data from the European Social Survey). Those
who felt their own social status to be rather low were the ones who were most strongly
in favour of income redistribution; but also among those with a higher subjective social
status support for income redistribution was widespread.

Three out of four respondents agreed that the state should do more to prevent people
falling into poverty. A smaller share of the population (just below half) thought that the
state should provide the unemployed with a decent standard of living (with a stronger
support from younger and older individuals as compared to the mid-aged). The current
level of
by about half of the respondents and a gross minimum wage for full-time employees of
                                           by more than 60% of respondents.

The wealth distribution in Austria was evaluated as unfair by the majority of respondents
(i.e. too large a difference between the top and low end of the distribution), which is in
line with recent findings from the European Social Survey (2018). About two thirds stated
that the state should take measures to reduce wealth inequality. Again, those of higher
age and those who subjectively felt their social status to be rather low were among
those most strongly in support of such measures.

Asked about the preferred means for financing the crisis, the stronger taxation of wealth
and high incomes received strong support (by about half of the population). The share
of respondents supporting the higher taxation of large enterprises was even higher
(about 64%). These redistributing options for financing the crisis costs received much
stronger support compared to welfare retrenchment (support from less than 20%).
Inhaltsverzeichnis
1     Einleitung .................................................................................................................. 1

2     Daten......................................................................................................................... 3
2.1   Kontext der Datenerhebung .................................................................................................. 5

3     Sozialpolitische Fragestellungen ............................................................................... 6
3.1   Wandel der Bedeutung des Sozialstaats in Österreich .......................................................... 6
3.2   Sorge um soziale Spaltung ..................................................................................................... 8
3.3   Einkommensverteilung und Mindestlohn ............................................................................. 9
      3.3.1        Einstellungen zur staatlichen Einkommensumverteilung ....................................... 9
      3.3.2        Einstellungen zum Mindestlohn............................................................................ 11
3.4   Sozialleistungen ................................................................................................................... 13
      3.4.1        Einstellungen zu sozialstaatlichen Aufgaben ........................................................ 13
      3.4.2        Sozialhilfe bzw. bedarfsorientierte Mindestsicherung ......................................... 15
3.5   Einstellungen zur Vermögensungleichheit .......................................................................... 16
3.6   Finanzierung der Corona-Krise ............................................................................................ 20

4     Verzeichnisse .......................................................................................................... 23
4.1   Abbildungsverzeichnis ......................................................................................................... 23
4.2   Literaturverzeichnis ............................................................................................................. 24
IHS Einstellungen zum Sozialstaat in der COVID-19 Gesundheits- und Arbeitsmarktkrise

1         Einleitung
Die Corona-Pandemie ist eine große wirtschafts- und finanzpolitische Herausforderung.
Für das Gesamtjahr 2020 erwartet das IHS einen Rückgang der Wirtschaftsleitung um
rund 7,5% (IHS, 2020)             -
dramatische Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. In Folge des ersten Lock-Downs ist die
Beschäftigung eingebrochen und die Zahl der registrierten Arbeitslosen stark gestiegen,
allerdings deutlich gebremst durch das Instrument der Corona-Kurzarbeit.

Der Regierung ist es gelungen, die finanziellen Einbußen der Menschen, die ihren Job
verloren haben oder für Kurzarbeit angemeldet wurden bzw. ihr Unternehmen während
der Lock-Downs ruhend stellen mussten, durch eine Reihe von Maßnahmen wie dem
Corona-Kurzarbeitsgeld, den Härtefonds, den Einmalzahlungen an Arbeitslose, usw.
abzufedern. Trotzdem gaben bei der AKCOVID Befragung im Juni 2020 rund 30% der
Haushalte an, dass sich ihr Haushaltseinkommen seit Beginn der Krise verringert hat. Vor
Beginn der Krise kamen weniger als 10% der Haushalte mit ihren Einkommen (sehr)
schwer zurecht, im Juni 2020 bereits mehr als jeder fünfte Haushalt (Steiber, 2021).

Die krisenbedingte Gesamtbelastung für das Budget beläuft sich laut einer aktuellen
Schätzung auf 38,3 Milliarden Euro für das Jahr 2020 und laut Prognosen auf weitere
22,5 Milliarden Euro im Jahr 2021 (Szigetvari, 2020). Darin beinhaltet sind die Kosten für
Unternehmenshilfen und -förderungen, die Corona-Kurzarbeit sowie Steuersenkungen
und -

Bereits zu Beginn des ersten Lock-Downs im März wurden Debatten über die länger-
fristigen Folgen der Pandemie für die Gesellschaft und den sozialen Wandel sowie über
verschiedene Optionen der staatlichen Krisenfinanzierung angestoßen. Die Krise wurde
teils als Chance für dringend notwendige Adaptionen der Organisation von Sozialstaaten
gesehen (Horx, 2020). ArbeitnehmervertreterInnen forderten früh Weichenstellungen
in Richtung Höherqualifizierung, eines sozial-ökologischen Umbaus der Wirtschaft und
einer fairen Lastenverteilung bei der Krisenfinanzierung (Wöss, 2020).

Die Pandemie als umfassende Gesundheits-, Wirtschafts- und Gesellschaftskrise stellt
verglichen mit bisherigen Krisen eine komplett neue Figuration gesellschaftlicher
Herausforderungen dar. Aus Studien zu anderen gesellschaftlichen Krisen ist bekannt,
dass mit Krisen einhergehende Unsicherheiten zu einem konservativen Reflex in der
Gesellschaft führen können (Dinesen & Jæger, 2013; Margalit, 2013; Van Erkel & Van
Der Meer, 2016). Dieser sogenannte rally-round-the-flag Effekt wurde seit Beginn der
Pandemie in verschiedenen europäischen Ländern beobachtet. Ursprünglich beschreibt
dieser Effekt kurzfristig steigende Zustimmungswerte in der Bevölkerung für Regierende
bzw. ein steigendes Vertrauen in Regierungen im Kontext von dramatischen Ereignissen
wie Wirtschaftskrisen, Kriegen oder Terroranschlägen (Mueller, 1973; Dinesen & Jæger,

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IHS Einstellungen zum Sozialstaat in der COVID-19 Gesundheits- und Arbeitsmarktkrise

2013). Erklärt wird dieser Effekt durch die Verstärkung kollektiver Identitäten bzw. durch
das Bedürfnis eines Festhaltens an staatlichen Institutionen in Zeiten von Unsicherheit.
Analysen von Daten aus sieben europäischen Staaten (u.a. aus Österreich) zeigen, dass
die Bevölkerung seit Beginn der Pandemie den Regierenden ein stärkeres Vertrauen
entgegenbringt und sich zufriedener mit dem demokratischen System zeigt (Bol, Giani,
Blais, & Loewen, 2020). In Schweden legen die Bürger seit Beginn der Krise ein stärkeres
Vertrauen in staatlichen Institutionen und ihre MitbürgerInnen (Esaiasson, Sohlberg,
Ghersetti, & Johansson, 2020). Es könnte sich dabei jedoch lediglich um kurzlebige
Verschiebungen der öffentlichen Meinung handeln, welche sich nach Behebung der
krisenbedingten Unsicherheit relativieren (Dinesen & Jæger, 2013; Margalit, 2013).

Die vorliegende Studie liefert einen Einblick in die Einstellungen und Werthaltungen der
österreichischen Bevölkerung in Bezug auf sozialpolitische Maßnahmen und den
österreichischen Sozialstaat. Durch Vergleiche mit ähnlichen Erhebungen früherer Jahre,
ist es möglich, für einige sozialpolitische Fragestellungen einen Zeitverlauf anzustellen
und potentiellen Veränderungen der Werthaltungen nachzugehen.

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IHS Einstellungen zum Sozialstaat in der COVID-19 Gesundheits- und Arbeitsmarktkrise

2            Daten
Basis dieser Studie ist eine repräsentative Befragung von 2.000 in Österreich lebenden
Personen im Alter von 20 bis 64 Jahren (AKCOVID Survey). Die Datenerhebung erfolgte
im Zeitraum zwischen dem 18.6. und dem 2.7. 2020. Mehr als 90% der Interviews fanden
im Juni 2020 statt. Aus diesem Grund wird der Einfachheit halber im Bericht Juni 2020
als Erhebungszeitpunkt genannt (Box 2 für Details zur Erhebung).

Neben dem AKCOVID Survey greift der vorliegende Bericht auch auf Daten aus dem
European Social Survey (ESS) aus den Jahren 2016 und 2018/19 zurück1. Der ESS ist eine
internationale Befragung zu Einstellungen, Überzeugungen und Verhaltensmustern in
Europa. Der Fragebogen beinhaltet ein Kernmodul sowie variierende Befragungsmodule
mit verschiedenen Themenschwerpunkten (z.B. Einstellungen zum Sozialstaat, Fairness,
Einkommens- und Vermögensverteilung). Durch das Heranziehen der ESS-Befragungen
vor der Corona-Krise sind wir in der Lage abzuschätzen, ob es seit Beginn der Pandemie
zu einem Wandel in den Einstellungen zu sozialpolitischen Themen gekommen ist.

__________________________________________________
1
  European Social Survey (2016) und European Social Survey (2018). In der vorliegenden Studie wurden ESS-Daten von
1.488 (Welle 8) bzw. 1.741 (Welle 9) Personen im Alter von 20-64 Jahren analysiert.

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IHS Einstellungen zum Sozialstaat in der COVID-19 Gesundheits- und Arbeitsmarktkrise

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IHS Einstellungen zum Sozialstaat in der COVID-19 Gesundheits- und Arbeitsmarktkrise

2.1       Kontext der Datenerhebung
Nachdem in der ersten Phase der Pandemie nahezu alle Bereiche des öffentlichen und
privaten Lebens durch einen                Lock-Down von 16.03.2020 bis 14.04.2020
auf ein Minimum beschränkt wurden, folgte eine schrittweise Öffnung. Am 15.05.2020
wurde die Gastronomie wiedereröffnet; am 15.06.2020 die Maskenpflicht gelockert. Die
Befragung startete am 18.06.2020. Der Zeitraum der Datenerhebung lag mithin nach
dem ersten Lock-Down in einer Zeit mit einem sehr niedrigen Infektionsgeschehen.

Die Zahl der vorgemerkten Arbeitslosen inkl. SchulungsteilnehmerInnen stieg während
des ersten Lock-Downs von rund 376.000 Mitte März auf rund 588.000 Mitte April. In
den folgenden Monaten sank die Zahl der Arbeitslosen wieder ab. Allerdings war die
Arbeitslosigkeit im Vergleich zum Vorjahr auch im Juni 2020 noch immer stark erhöht,
wie Abbildung 1 illustriert. Der Anstieg der Arbeitslosenzahlen wies ein Ost-West-Gefälle
auf: So hat sich die Zahl der Arbeitslosen in Salzburg und Tirol in etwa verdoppelt, in
Vorarlberg um rund 68% erhöht. In Wien ist die Zahl der Arbeitslosen um rund 50%
angestiegen, nur das Burgenland und Niederösterreich wiesen niedrigere Zahlen auf.

Abbildung 1: Anstieg der Zahl arbeitsloser Personen von Juni 2019 auf Juni 2020 (in %)

Das Sinken der Arbeitslosigkeit ab Mitte April bis zum Sommer 2020 ist einerseits der
neuerlichen Öffnung der Wirtschaft v.a. Handel, Gastronomie und personenbezogene
Dienstleistungen geschuldet; andererseits hat die Regierung versucht, durch staatliche
Maßnahmen wie dem Härtefallfonds, der Kurzarbeitsregelung oder dem Fixkosten-
zuschuss die Schließung von Betrieben und Arbeitslosigkeit zu verhindern. Menschen,
die trotz dieser Förderungen ihre Erwerbsarbeit verloren, wurden durch Sozialleistungen
  beispielsweise Mindestsicherung und Arbeitslosenversicherung unterstützt.

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IHS Einstellungen zum Sozialstaat in der COVID-19 Gesundheits- und Arbeitsmarktkrise

3          Sozialpolitische Fragestellungen
3.1        Wandel der Bedeutung des Sozialstaats in Österreich
Ein Ziel der AKCOVID Befragung war es zu untersuchen, ob sich aus Sicht der Bevölkerung
die Bedeutung des Sozialstaats seit Beginn der Corona-Krise erhöht hat. Im Fragebogen
wurde kurz ausgeführt, dass Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld und Sozialhilfe dazu
beitragen die Folgen der Corona-Krise für die Menschen abzufedern (Abbildung 2) und
dann wurde gefragt, ob aus Sicht der Befragten der Sozialstaat in der Krise viel wichtiger,
etwas wichtiger, etwas weniger wichtig oder viel weniger wichtig geworden ist bzw. ob
dieser die gleiche Bedeutung wie vor der Krise behielt. Aus Sicht der Mehrheit der
Befragten (rund 62%) ist der Sozialstaat seit Beginn der Corona-Krise (viel) wichtiger
geworden. Das Antwortverhalten unterschied sich dabei nicht zwischen Frauen und
Männern, jedoch nach dem Alter der Befragten (Abbildung 2). Zwischen 55% und 58%
der Personen unter 50 Jahren meinten, der Sozialstaat sei seit Beginn der Corona-Krise
viel oder etwas wichtiger geworden. Im Vergleich dazu schätzten mehr als zwei Drittel
der 50-59-Jährigen (rund 69%) und knapp drei Viertel der 60-64-Jährigen (rund 74%) den
Sozialstaat seit Beginn der Corona-Krise als viel oder etwas wichtiger ein.

Abbildung 2: Veränderung der Bedeutung des Sozialstaats, nach Alter

Die Einschätzung, dass der Sozialstaat an Bedeutung gewonnen habe, wurde von den
Befragten mit höherer Bildung häufiger geteilt (Abbildung 3). So teilten rund 56% der
Befragten mit maximal Pflichtschulabschluss im Vergleich zu rund zwei Dritteln jener mit
Matura und mehr als 70% der Befragten mit Hochschulabschluss diese Einschätzung.
Außerdem ist zu beobachten, dass Befragte mit maximal Pflichtschulabschluss häufiger
als Personen mit höheren Bildungsabschlüssen                          ß nicht wählten
(rund 18% verglichen mit durchschnittlich rund 8%).

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IHS Einstellungen zum Sozialstaat in der COVID-19 Gesundheits- und Arbeitsmarktkrise

Abbildung 3: Veränderung der Bedeutung des Sozialstaats, nach Bildung

Die regionalen Unterschiede in der Entwicklung der Arbeitslosenzahlen haben sich nur
bedingt in der Einstellung der Bevölkerung zum Sozialstaat niedergeschlagen (Abbildung
4). Im Burgenland und in Oberösterreich lebende Befragte stimmten dem Bedeutungs-
gewinn des Sozialstaats am wenigsten zu (rund 57%). TirolerInnen, SalzburgerInnen und
WienerInnen äußerten im regionalen Vergleich besonders hohe Zustimmung (64-68%).

Abbildung 4: Veränderung der Bedeutung des Sozialstaats, nach Bundesland

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IHS Einstellungen zum Sozialstaat in der COVID-19 Gesundheits- und Arbeitsmarktkrise

3.2        Sorge um soziale Spaltung
Viele Menschen sorgten sich, dass die Spaltung zwischen Arm und Reich in Österreich
aufgrund der Corona-Krise weiter zunehmen könnte. Mehr als zwei Drittel der Befragten
stimmt                     Ich mache mir Sorgen, dass sich der Unterschied zwischen
Arm und Reich aufgrund der Corona-Krise vergrößert wird Die Zustimmung zu dieser
Aussage nahm mit zunehmendem Alter zu (Abbildung 5). Rund 34% der 20-29-Jährigen
im Vergleich zu rund 55% der 60-64-Jährigen stimmten voll und ganz zu, dass sie sich
Sorgen um die Vergrößerung sozialer Unterschiede machten.

Abbildung 5: Sorge um soziale Spaltung, nach Alter

Die Sorge um die Vergrößerung des Unterschieds zwischen Arm und Reich war in allen
Bildungsgruppen weit verbreitet (Abbildung 6). Die Anteile sich sorgender Personen war
bei Personen mit Matura am geringsten (rund 31% bei AHS und rund 38% bei BHS) .

Abbildung 6: Sorge um soziale Spaltung, nach Bildung

Wie soll der Staat Ungleichheiten entgegenwirken? Im Folgenden gehen wir der Frage
nach, in welchem Ausmaß sich die Bevölkerung für staatliche Maßnahmen zur Reduktion
von Armut, Einkommens- und Vermögensungleichheit ausspricht.

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IHS Einstellungen zum Sozialstaat in der COVID-19 Gesundheits- und Arbeitsmarktkrise

3.3       Einkommensverteilung und Mindestlohn
3.3.1     Einstellungen zur staatlichen Einkommensumverteilung
Eine Möglichkeit den Unterschied zwischen Arm und Reich nicht größer werden zu
lassen besteht in der Reduktion von Einkommensunterschieden. Der Ruf nach staatlicher
Umverteilung ist in Österreich im internationalen Vergleich hoch (Ochsner et al., 2018).
Ein Vergleich der AKCOVID-Daten mit ESS-Daten aus den Jahren 2016 und 2018/19 legt
den Schluss nahe, dass die Wirtschafts- und Arbeitsmarktkrise im Zuge der COVID-19-
Pandemie die Zustimmung der Bevölkerung zu staatlicher Umverteilung weiter erhöhte.

In den beiden ESS-Wellen als auch in der AKCOVID-Umfrage stimmten rund 75% der
Befragten zu, dass der Staat Maßnahmen ergreifen sollte, um Einkommensunterschiede
zu reduzieren (siehe Abbildung 7). Es kann jedoch eine Verschiebung in der Stärke der
Zustimmung beobachtet werden: Von 2018/19 auf 2020 ist der Anteil der Personen, die
staatliche Einkommensumverteilung voll und ganz befürworteten um 11 Prozentpunkte
auf rund 41% angewachsen. Der Ruf nach einer Reduktion der Einkommensunterschiede
durch staatliche Maßnahmen wurde demnach im Zuge der COVID-19-Pandemie stärker.

Abbildung 7: Zustimmung zu staatlicher Einkommensumverteilung, im Zeitvergleich

Der weibliche Teil der Bevölkerung stand der staatlichen Umverteilung etwas positiver
gegenüber als der männliche (Abbildung 8). Rund 44% der befragten Frauen im Vergleich
zu 38% der Männer stimmten der Aussage voll und ganz zu, dass der Staat Maßnahmen
ergreifen sollte, um Einkommensunterschiede zu reduzieren. Das Antwortverhalten
unterschied sich jedoch nicht nach Alter oder dem höchsten Bildungsabschluss.

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IHS Einstellungen zum Sozialstaat in der COVID-19 Gesundheits- und Arbeitsmarktkrise

Abbildung 8: Zustimmung zu staatlicher Einkommensumverteilung, nach Geschlecht

Die Zustimmung zu staatlicher Umverteilung unterschied sich je nach dem subjektiven
sozioökonomischen Status2 (Abbildung 9). Personen, die ihren Status als eher niedrig
einschätzten, befürworteten staatliche Umverteilung stärker als Befragte, die sich den
mittleren und oberen Statusgruppen zurechneten. Obwohl bei den Personen mit einem
niedrigen subjektiven sozialen Status die Zustimmung mit 82% deutlich über jener der
beiden anderen Gruppen lag, war die Zustimmung in allen Statusgruppen sehr hoch
(rund 69% oder mehr der Befragten stimmten zu), was ein weiteres Indiz für die breite
Akzeptanz sozialstaatlicher Maßnahmen in Österreich ist.

Abbildung 9: Zustimmung zu staatlicher Einkommensumverteilung, nach sozialem
Status

Die Corona-Krise hatte zum Zeitpunkt der Befragung bereits spürbare Auswirkungen auf
die finanzielle Lage der Menschen in Österreich. Über 30% der Haushalte mussten im
Juni 2020 mit einem geringeren Haushaltseinkommen auskommen als vor Beginn der
Pandemie (Steiber, 2021). Rund jede zweite von solchen Einbußen betroffene Person
äußerte den starken Wunsch nach einer staatlichen Einkommensumverteilung stimme
                  ), wobei dies jedoch auch auf fast 40% jener zutraf, die (noch) nicht von
Einbußen beim Haushaltseinkommen betroffen waren (Abbildung 10).

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2

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einordnen. Die Antwortkategorien wurden anschließend zu drei sozioökonomischen Statusgruppen zusammengefasst,
wobei die Kategorien 5 bis 7 die soziale Mitte darstellen.

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IHS Einstellungen zum Sozialstaat in der COVID-19 Gesundheits- und Arbeitsmarktkrise

Abbildung 10: Zustimmung zu staatlicher Einkommensumverteilung, nach Einbußen
beim Haushaltseinkommen

3.3.2         Einstellungen zum Mindestlohn
Ein Mindestlohn wird als gängiges Mittel zur Reduktion von Einkommensunterschieden
diskutiert, weshalb die Einstellung dazu als eine weitere Dimension der Beurteilung des
Sozialstaats erhoben wurde. Die Befragten wurden um ihre persönliche Einschätzung
                                                          3
eines Mindestlohns bei Vollzeitbeschäftigung                brutto pro Monat als passend,
zu niedrig oder zu hoch gebeten. Rund 62% der Befragten schätzten diesen Mindestlohn
als zu niedrig ein; rund 6% als zu hoch und rund 28% als passend (Abbildung 11).

Abbildung 11: Bewertung des Mindestlohns

Es zeigten sich Unterschiede zwischen Männern und Frauen: Rund 32% der männlichen
im Vergleich zu rund 23% der weiblichen Befragten schätzten einen Brutto-Mindestlohn
               passend ein. Frauen (rund 68%) tendierten stärker als Männer (rund 56%)
zu einem höheren Brutto-Mindestlohn. Im Vergleich zu Befragten im Alter von über 60
Jahren (rund 18%), schien einem weit größeren Anteil der jüngeren Befragten (26-31%)
                             viel zu niedrig (Abbildung 12). Trotz beobachtbarer Alters-

brutto pro Monat mehrheitlich als zu niedrig empfanden.

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3
                                                                               sterreichischen Gewerkschaftsbundes.
Dieser spricht sich zwar gegen einen gesetzlichen Mindestlohn aus, fordert aber einen kollektivvertraglich festgelegten
                                                                                    (ÖGB, 2018).

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IHS Einstellungen zum Sozialstaat in der COVID-19 Gesundheits- und Arbeitsmarktkrise

Abbildung 12: Bewertung des Mindestlohns, nach Alter

Ein Brutto-                         wurde von Personen mit BHS-Matura oder einem
Hochschulabschluss eher als passend eingeschätzt (rund 34% bzw. 32%) als von jenen
mit maximal Pflichtschulabschluss oder einem Lehrabschluss (rund 26%, Abbildung 13):
Nichtsdestotrotz schätzten auch in diesen beiden Bildungsgruppen mehr als die Hälfte
der Befragten den vorgeschlagenen Mindestlohn als zu niedrig ein.

Abbildung 13: Bewertung des Mindestlohns, nach Bildung

Die Einstellung zur Höhe des Mindestlohns wurde nicht nur von soziodemographischen
Merkmalen, sondern auch von der sozialen Lage der Befragten beeinflusst. Personen,
die ihren sozioökonomischen Status selbst als             niedrig einschätzten, befanden
einen                                  viel zu niedrig (rund 39%) als Angehörige höherer
Statusgruppen (rund ein Viertel, siehe Abbildung 14).

                                                  12
IHS Einstellungen zum Sozialstaat in der COVID-19 Gesundheits- und Arbeitsmarktkrise

Abbildung 14: Bewertung des Mindestlohns, nach sozialem Status

3.4       Sozialleistungen
3.4.1     Einstellungen zu sozialstaatlichen Aufgaben
Der Mindestlohn ist zwar als Instrument zur Reduktion der Einkommensungleichheit von
Bedeutung, er kann jedoch Personen, welche nicht in vollem Ausmaß erwerbstätig sind
oder in Haushalten mit geringer Erwerbsintensität leben, kaum vor Armut schützen. Die
Akzeptanz staatlicher Maßnahmen zur Unterstützung armutsgefährdeter Bevölkerungs-
gruppen wurde mit zwei Items erhoben: Einerseits wurde gefragt, ob der Staat für einen
angemessenen Lebensstandard der Arbeitslosen sorgen sollte. Andererseits wurde
gefragt, ob der Staat mehr tun sollte, damit die Leute nicht in Armut abgleiten.

Dass der Staat für einen angemessenen Lebensstandard der Arbeitslosen sorgen sollte,
wurde von fast der Hälfte der Befragten befürwortet (Abbildung 15). Rund ein Viertel
der Bevölkerung stimmte dieser Aussage nicht zu, das übrige Viertel stand der Aussage
neutral gegenüber. Die Zustimmung zu einer stärkeren staatlichen Armutsprävention
war deutlich höher. Rund drei von vier Befragten stimmten der Aussage zu, dass der
Staat viel mehr tun sollte, damit die Leute nicht in Armut abgleiten. Weniger als 10% der
Befragten stimmten dieser Aussage nicht zu (Abbildung 15).

Jüngere und ältere Befragte befürworteten staatliche Maßnahmen zur Sicherung eines
angemessenen Lebensstandards der Arbeitslosen stärker als jene im Haupterwerbsalter:
Von den 40-49-Jährigen stimmten nur 40% der Aussage zu, der Staat solle für einen
angemessenen Lebensstandard der Arbeitslosen sorgen; bei den 20-29-Jährigen waren
es hingegen rund 52% und bei den 60-64-Jährigen rund 57%. Bei der Einstellung zur
Arbeitslosenunterstützung spielte das Alter eine untergeordnete Rolle (Abbildung 16).

Hinsichtlich beider Fragestellungen lässt eine Analyse nach Bildung keine eindeutigen
Schlüsse zu. Die staatliche Unterstützung von Arbeitslosen schien von Personen mit
mittleren Abschlüssen (BMS, Lehre) am wenigsten stark befürwortet zu werden; eine
verstärkte staatliche Armutsprävention am wenigsten von Personen mit Matura.

                                               13
IHS Einstellungen zum Sozialstaat in der COVID-19 Gesundheits- und Arbeitsmarktkrise

Abbildung 15: Staatliche Unterstützung bei Armut und Arbeitslosigkeit

Abbildung 16: Staatliche Unterstützung bei Armut und Arbeitslosigkeit, nach Alter

Die eigene wirtschaftliche Lage steht in einem Zusammenhang mit der Zustimmung oder
Ablehnung sozialstaatlicher Armutsprävention. Personen, die sich mehr Sorgen machten
aufgrund der Corona-Krise ihren Arbeitsplatz zu verlieren, begrüßten eine staatliche
Arbeitslosenunterstützung und Armutsprävention eher als Personen, die diese Sorge
nicht teilten (Abbildung 17).4

__________________________________________________
4
  Dies ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass Personen mit niedrigem sozialem Status eher befürchteten im Zuge der
Krise ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Doch auch nach Kontrolle der jeweils anderen Variablen in multivariaten Modellen
bleiben die Tendenzen bestehen.

                                                          14
IHS Einstellungen zum Sozialstaat in der COVID-19 Gesundheits- und Arbeitsmarktkrise

Abbildung 17: Staatliche Unterstützung bei Armut und Arbeitslosigkeit, nach Sorge um
Jobverlust

3.4.2     Sozialhilfe bzw. bedarfsorientierte Mindestsicherung
Ein wichtiges Instrument zur Reduktion von Armut in Österreich ist die Sozialhilfe bzw.
bedarfsorientierte Mindestsicherung, die auch Menschen außerhalb des Arbeitsmarktes
oder Personen mit geringer Erwerbsintensität das wirtschaftliche Auskommen sichern
soll. Gefragt wurde, ob eine Sozialhilfe/
Einzelperson zu niedrig, passend oder zu hoch ist. Diese liegt 369
aktuellen Armutsgefährdungsgrenze für Einzelpersonen (Armuts-konferenz 2020).

Eine Mindestsicherung in dieser Höhe wird von der Bevölkerung Großteils als passend
oder zu niedrig eingestuft;
rund 62% der Befragten anga                                     für Vollzeitbeschäftigte
sei zu niedrig, wurde eine Mindestsicherung für Einzelpersonen in der Höhe von maximal
           knapp der Hälfte der Befragten als zu niedrig bewertet. Umgekehrt meinten
rund 16% der Befragten, dass die Mindestsicherung in dieser Höhe zu hoch wäre.

Die Einschätzungen waren dabei in Bezug auf Geschlecht, Alter und Bildung ähnlich.
Einzig Personen mit Matura wichen vom österreichischen Durchschnitt ab (Abbildung
18). Wie schon bei der Einschätzung des Brutto-Mindestlohns               , waren auch
bei der Einschätzung der aktuellen Mindestsicherung Personen mit BHS-Matura weniger
geneigt (rund 42%), diese als zu niedrig einzuschätzen, während ein höherer Anteil jener
mit AHS-Matura (57%) der Meinung war, die aktuelle Mindestsicherung wäre zu niedrig.

Personen mit einem subjektiv niedrigen sozialen Status waren Großteils (rund 58%) der
Meinung, die aktuelle Mindestsicherung sei zu niedrig, während dies auf rund die Hälfte
der Personen mit einem subjektiv hohen sozialen Status zutraf (Abbildung 19).

                                               15
IHS Einstellungen zum Sozialstaat in der COVID-19 Gesundheits- und Arbeitsmarktkrise

Abbildung 18: Bewertung Mindestsicherung, nach Bildung

Abbildung 19: Bewertung Mindestsicherung, nach sozialem Status

3.5        Einstellungen zur Vermögensungleichheit
Neben der Einkommensverteilung ist die Vermögensverteilung ein wichtiger Indikator
für soziale Ungleichheit. Im internationalen Vergleich werden in Österreich Vermögen
kaum besteuert (Bittschi & Kocher, 2018). Im ESS sowie im AKCOVID-Survey wurden die
Befragten gebeten die Gerechtigkeit der Vermögensunterschiede in Österreich auf einer
9-teiligen Skala einzustufen, die von minus 4 (extrem ungerecht klein) über 0 (gerecht)
bis plus 4 (extrem ungerecht groß) reichte.

Die Befragungsergebnisse für Juni 2020 zeigen, dass rund 60% der Befragten der Ansicht
waren, die Vermögensunterschiede in Österreich seien ungerecht groß (Werte plus 2-4,
siehe Abbildung 20). Ein Vergleich mit dem European Social Survey (ESS) aus dem Jahr
2018 zeigt, dass sich die Einstellung der Bevölkerung mit dem Einsetzen der COVID-19-
Pandemie nur geringfügig verändert hat. Auch 2018/19 gaben rund 64% der Befragten
im Alter von 20-64 Jahren an, die Vermögensunterschiede in Österreich seien ungerecht

                                                  16
IHS Einstellungen zum Sozialstaat in der COVID-19 Gesundheits- und Arbeitsmarktkrise

groß. Eine signifikante krisenbedingte Verschiebung der öffentlichen Meinung lässt sich
mithin nicht erkennen.

Abbildung 20: Einstellung zu Vermögensunterschieden, im Zeitvergleich

Für die Analyse von Unterschieden in der Einstellung zur Vermögensverteilung zwischen
verschiedenen Bevölkerungsgruppen wurde die 9-teilige Antwortskala in drei Kategorien
zusammengefasst: ungerecht klein (Werte von -4 bis -2), annähernd gerecht (Werte von
-1 über Null bis +1) und ungerecht groß (Werte von 2 bis 4).

Der Anteil der Personen, welche die Vermögensunterschiede für ungerecht groß hielten,
stieg mit dem Alter (Abbildung 21) und war bei Personen, die ihren sozialen Status als
eher niedrig einstuften höher als im Durchschnitt (Abbildung 22). Befragte, die sich eher
einer hohen Statusgruppe zurechneten, waren zu 39% der Meinung, das Vermögen sei
gerecht verteilt im Vergleich zu rund 27% im Durchschnitt und zu rund 17% bei Personen,
die subjektiv einen geringen sozialen Status hatten.

Die stark unterschiedliche Einschätzung nach Alter spiegelt sich auch in den Meinungen
zur Finanzierung der Corona-Krise wider: Ältere Befragte waren eher der Meinung, die
Kosten der Corona-Maßnahmen sollten durch eine stärkere Besteuerung von Vermögen
finanziert werden (siehe Kapitel 3.6).

Personen mit mittlerer Bildung (Lehre oder BMS, rund 55%) sowie jene mit Hochschul-
abschluss (rund 60%) stuften die Vermögensverteilung häufiger als ungerecht groß ein
als jene mit maximal Pflichtschulabschluss (rund 37%, Abbildung 23). Diese Differenz
lässt sich jedoch zum Teil durch den hohen Anteil an weniger hoch gebildeten Personen
erklären, die keine Bewertung der Vermögensunterschiede machen konnten/wollten.5

__________________________________________________
5
 Unter Personen mit maximal Pflichtschulabschluss, die eine Einschätzung abgegeben haben, ist der Anteil der
Personen, welche die Vermögensunterschiede als ungerecht groß einstuften, rund 47%.

                                                         17
IHS Einstellungen zum Sozialstaat in der COVID-19 Gesundheits- und Arbeitsmarktkrise

Abbildung 21: Einstellung zu Vermögensunterschieden, nach Alter

Abbildung 22: Einstellung zu Vermögensunterschieden, nach sozialem Status

Abbildung 23: Einstellung zu Vermögensunterschieden, nach Bildung

                                                  18
IHS Einstellungen zum Sozialstaat in der COVID-19 Gesundheits- und Arbeitsmarktkrise

Die Einschätzung der Gerechtigkeit von Vermögensunterschieden in Österreich spiegelt
sich in der Bewertung staatlicher Maßnahmen zur Vermögensumverteilung wider.
Manche Bevölkerungsgruppen, welche die Vermögensunterschiede eher als ungerecht
groß einschätzten, befürworteten auch eher staatlichen Umverteilungsmaßnahmen.

Insgesamt stimmten rund ein Drittel der Befragten (34%) der Aussage, der Staat solle
Maßnahmen ergreifen, um Vermögensunterschiede zu reduzieren, voll und ganz zu. Der
Anteil der eher oder voll und ganz Zustimmenden lag bei rund zwei Dritteln (Abbildung
24), wobei dieser Anteil bei den 60-64-Jährigen mit rund 73% am größten war.

Abbildung 24: Einstellung zur staatlichen Vermögensumverteilung, nach Alter

Auch bei der Zustimmung zu einer staatlichen Vermögensumverteilung zeigte sich ein
deutlicher Zusammenhang mit dem subjektiven sozioökonomischen Status (Abbildung
25). Knapp die Hälfte Personen, die ihren Status als eher niedrig einschätzten, stimmten
staatlichen Maßnahmen zur Reduktion der Vermögensunterschiede voll und ganz zu,
jedoch nur rund ein Drittel der höheren Statusgruppen.

Abbildung 25: Einstellung zur staatlichen Vermögensumverteilung, nach sozialem
Status

                                               19
IHS Einstellungen zum Sozialstaat in der COVID-19 Gesundheits- und Arbeitsmarktkrise

3.6        Finanzierung der Corona-Krise
Es stellt sich die aus sozialpolitischer Sicht wichtige Frage, wie die gewaltigen Kosten der
staatlichen Unterstützungsmaßnamen und ausfallenden Steuereinnahmen längerfristig
finanziert werden sollen. Die vorliegende Studie untersuchte die Zustimmung zu vier
Finanzierungsszenarios der Corona-Krise: stärkere Besteuerung von hohen Einkommen,
großen Unternehmen oder Vermögen oder eine Einschränkung von Sozialleistungen.

Rund die Hälfte der Befragten sprach sich für Umverteilungsmaßnahmen von oben nach
unten und gegen eine Einschränkung der Sozialleistungen aus. Dagegen befürworteten
nur rund 20% der Befragten die Einschränkung von Sozialleistungen (Abbildung 26).

Abbildung 26: Finanzierung der Corona-Maßnahmen

Die höchste Zustimmung (rund 64%) und niedrigste Ablehnung (9%) erfuhr die stärkere
Besteuerung großer Unternehmen. Rund die Hälfte der Befragten stimmten einer
stärkeren Besteuerung hoher Einkommen und/oder von Vermögen zu. Dies deckt sich
mit einer ähnlichen Analyse des Austrian Corona Panel (Kalleitner & Schmitt, 2020).
Während die Optionen einer stärkeren Besteuerung hoher Einkommen oder Vermögen
bei rund jeder fünften Person auf Ablehnung stießen, war knapp jede zweite in
Österreich lebende Person gegen die Einschränkung von Sozialleistungen (rund 53%).

                                                  20
IHS Einstellungen zum Sozialstaat in der COVID-19 Gesundheits- und Arbeitsmarktkrise

Abbildung 27: Finanzierung der Corona-Maßnahmen, nach Alter

Die Meinung, die Krise sollte durch eine stärkere Besteuerung hoher Einkommen oder
Vermögen finanziert werden, wurde vor allem von den älteren Befragten vertreten
(Abbildung 27). Sozialleistungen einzuschränken war für die Befragten mit steigendem
Alter zunehmend keine Finanzierungsoption der Kosten der Corona-Krise. Knapp drei
Viertel der 60-64-Jährigen sprachen sich gegen die Einschränkung von Sozialleistungen
aus verglichen mit rund 44% der 20-29-Jährigen. Die Einschätzung einer stärkeren
Besteuerung großer Unternehmen unterschied sich kaum zwischen Bildungsgruppen
(Abbildung 28): Personen mit Matura oder einem Hochschulabschluss sprachen sich
eher gegen eine höhere Besteuerung von hohen Einkommen aus. Eine Einschränkung
der Sozialleistungen als Finanzierungsinstrument wurde mit höherer Bildung mit

                                              21
IHS Einstellungen zum Sozialstaat in der COVID-19 Gesundheits- und Arbeitsmarktkrise

Ausnahme der BHS-AbsolventInnen zunehmend abgelehnt: rund 45% der Personen
mit maximal Pflichtschulabschluss lehnten Kürzungen bei den Sozialleistungen ab, bei
Personen mit einem Hochschulabschluss lag dieser Wert bei rund 64%.

Abbildung 28: Finanzierung der Corona-Maßnahmen, nach Bildung

                                                  22
IHS Einstellungen zum Sozialstaat in der COVID-19 Gesundheits- und Arbeitsmarktkrise

4                  Verzeichnisse
4.1              Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Anstieg der Zahl arbeitsloser Personen von Juni 2019 auf Juni 2020 (in %) ...............................5

Abbildung 2: Veränderung der Bedeutung des Sozialstaats, nach Alter..........................................................6

Abbildung 3: Veränderung der Bedeutung des Sozialstaats, nach Bildung .....................................................7

Abbildung 4: Veränderung der Bedeutung des Sozialstaats, nach Bundesland ...............................................7

Abbildung 5: Sorge um soziale Spaltung, nach Alter .......................................................................................8

Abbildung 6: Sorge um soziale Spaltung, nach Bildung ...................................................................................8

Abbildung 7: Zustimmung zu staatlicher Einkommensumverteilung, im Zeitvergleich ...................................9

Abbildung 8: Zustimmung zu staatlicher Einkommensumverteilung, nach Geschlecht ................................10

Abbildung 9: Zustimmung zu staatlicher Einkommensumverteilung, nach sozialem Status .........................10

Abbildung 10: Zustimmung zu staatlicher Einkommensumverteilung, nach Einbußen beim
Haushalteinkommen .....................................................................................................................................11

Abbildung 11: Bewertung des Mindestlohns .................................................................................................11

Abbildung 12: Bewertung des Mindestlohns, nach Alter ..............................................................................12

Abbildung 13: Bewertung des Mindestlohns, nach Bildung ..........................................................................12

Abbildung 14: Bewertung des Mindestlohns, nach sozialem Status .............................................................13

Abbildung 15: Staatliche Unterstützung bei Armut und Arbeitslosigkeit ......................................................14

Abbildung 16: Staatliche Unterstützung bei Armut und Arbeitslosigkeit, nach Alter ....................................14

Abbildung 17: Staatliche Unterstützung bei Armut und Arbeitslosigkeit, nach Sorge um Jobverlust ...........15

Abbildung 18: Bewertung Mindestsicherung, nach Bildung ..........................................................................16

Abbildung 19: Bewertung Mindestsicherung, nach sozialem Status .............................................................16

Abbildung 20: Einstellung zu Vermögensunterschieden, im Zeitvergleich ....................................................17

Abbildung 21: Einstellung zu Vermögensunterschieden, nach Alter .............................................................18

Abbildung 22: Einstellung zu Vermögensunterschieden, nach sozialem Status ............................................18

Abbildung 23: Einstellung zu Vermögensunterschieden, nach Bildung .........................................................18

Abbildung 24:Einstellung zur staatlichen Vermögensumverteilung, nach Alter ............................................19

Abbildung 25: Einstellung zur staatlichen Vermögensumverteilung, nach sozialem Status ..........................19

Abbildung 26: Finanzierung der Corona-Maßnahmen ..................................................................................20

Abbildung 27: Finanzierung der Corona-Maßnahmen, nach Alter ................................................................21

Abbildung 28: Finanzierung der Corona-Maßnahmen, nach Bildung ............................................................22

                                                                          23
IHS Einstellungen zum Sozialstaat in der COVID-19 Gesundheits- und Arbeitsmarktkrise

4.2        Literaturverzeichnis
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                                                  24
Die AutorInnen:
Bernd Liedl ist Mitarbeiter am Institut für Soziologie der Universität Wien. Seine Forschungsgebiete
umfassen soziale Ungleichheit und Ungleichheit am Arbeitsmarkt, Migration und Integration bzw.
Armut und Lebensqualität.

Philipp Molitor ist Mitarbeiter und Studienassistent am Institut für Soziologie der Universität Wien. In
seiner Masterarbeit beschäftigt er sich mit Risikoperzeptionen und Adaptionsstrategien im Kontext
sozio-ökologischen Wandels.

Nadia Steiber ist Professorin für Sozialstrukturforschung und Quantitative Methoden am Institut für
Soziologie der Universität Wien und Fellow am Institut für Höhere Studien. Sie forscht zu den Themen
Bildung, soziale Mobilität und Lebensqualität/Gesundheit bzw. zu den Bereichen Erwerbsverläufe,
Qualität der Arbeit und Folgen von Arbeitslosigkeit.
„Materialien zu Wirtschaft und Gesellschaft"
                           Die Working Paper-Reihe der AK Wien
       sind unregelmäßig erscheinende Hefte, in denen aktuelle Fragen der Wirtschaftspolitik behandelt
        werden. Sie sollen in erster Linie Informationsmaterial und Diskussionsgrundlage für an diesen
                                         Fragen Interessierte darstellen.

            Ab Heft 80 sind die Beiträge auch als pdf-Datei zum Herunterladen im Internet

http://wien.arbeiterkammer.at/service/studien/MaterialienzuWirtschaftundGesellschaft/index.html

     Heft 189    Romana Brait u. a.     Keine Transparenz, Investitionen in Arbeit, Klima und
                                        gerechte       Verteilung     fehlen.     AK-Analyse      des
                                        Stabilitätsprogramms, April 2019
     Heft 190    Dietmar Aigner u. a.   Digitale Transformation im Steuerrecht; Juni 2019
     Heft 191    Schratzenstaller u. a. Die Auswirkungen der gemeinsamen konsolidierten
                                        Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage auf Österreich,
                                        Juli 2019
     Heft 192    Susanne Forstner u. a. Makroökonomische Auswirkungen von Reformoptionen für
                                        eine Senkung der Körperschaftsbesteuerung, Juli 2019
     Heft 193    Vasily Astrov u. a.    Die Lohnentwicklung in den Westbalkanländern, Moldau und
                                        der Ukraine, August 2019
     Heft 194    Adi Buxbaum u. a.      Wohlstandsbericht 2019, Oktober 2019
     Heft 195    Christoph Scherrer     Trumps neues Handelsabkommen mit Mexiko: Besserer
                                        Schutz für ArbeiterInnen?, November 2019
     Heft 196    Reinhold Russinger     Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung 1995 bis 2018,
                                        Jänner 2020
     Heft 197    Stefan Jestl u. a.     Distributional National Austria (DINA) for Austria 2004-2016,
                                        März 2020
     Heft 198    Georg Adam             Zur Dynamik der Arbeitsbeziehungen in vier EU-
                                        Mitgliedsländern, März 2020
     Heft 199    Georg Adam u.a.        Ist Zeit das neue Geld? Arbeitszeitverkürzung in
                                        österreichischen Kollektivverträgen, März 2020
     Heft 200    Georg Feigl u. a.      Budget 2020: Schritte zur Überwindung der Corona Krise,
                                        Mai 2020
     Heft 201    Julia Hofmann u. a.    Gerechtigkeits-Check: Wie fair findet Österreich die
                                        Einkommens- und Vermögensverteilung?, Juli 2020
     Heft 202    Gerald Gogola          Arbeitsplatzschaffende und personenbezogene Förderungen
                                        in Österreich und Deutschland – Ein Vergleich, September
                                        2020
     Heft 203    Michael Mesch          Der kollektivvertragliche Deckungsgrad in 24 europäischen
                                        Ländern 2000-2017, September 2020
     Heft 204    Jana Schultheiß u. a.  Wohlstandsbericht 2020, September 2020
     Heft 205    Georg Feigl u.a.       Zu spät, zu wenig, nicht ausreichend fokussiert. Budgetpolitik
                                        in der CORONA-Krise. Analyse des Bundesvorschlags 2021
                                        und darüber hinaus, November 2020
     Heft 206    Ines Heck u.a.         Vermögenskonzentration in Österreich – Ein Update auf
                                        Basis des HFCS 2017, November 2020
     Heft 207    Stefan Humer u.a.      Ökosoziale        Steuerreform:       Aufkommens-         und
                                        Verteilungswirkungen; Jänner 2021
     Heft 208    Matthias Petutschnig   Aufkommenswirkungen einer steuerlich abzugsfähigen
                                        Eigenkapitalverzinsung, Jänner 2021
     Heft 209    Gregor de Cillia u.a.  Datenmatching EU-SILC und HFCS; Erweiterung der
                                        Sozialberichterstattung um die Vermögensverteilung
     Heft 210    Bernd Liedl u.a.       Einstellungen zum Sozialstaat in der COVID-19
                                        Gesundheits- und Arbeitsmarktkrise, Februar 2021
     Eigentümer, Verleger, Herausgeber und Vervielfältiger: Kammer für Arbeiter und Angestellte für
     Wien; alle: 1041 Wien, Prinz Eugen-Straße 20-22, Postfach 534
WORKING PAPER-REIHE
                                                  DER AK WIEN

                                                  EINSTELLUNGEN ZUM SOZIALSTAAT IN DER
                                                  COVID-19 GESUNDHEITS- UND ARBEITSMARKTKRISE

                                                  Bernd Liedl
                                                  Philipp Molitor
                                                  Nadia Steiber

                                            210
                        978-3-7063-0858-8   MATERIALIEN ZU WIRTSCHAFT UND GESELLSCHAFT

WPR_210_SozialstaatCovidkrise.indd 1                                                            12.02.21 09:51
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