Workshop 2 Der "Brexit" im Unterricht - Ursachen - Folgen - Szenarien 11. Tag der ökonomischen Bildung in Oldenburg
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11. Tag der ökonomischen Bildung in Oldenburg Workshop 2 Der „Brexit“ im Unterricht Ursachen – Folgen - Szenarien Referent: Dr.: Karl-Josef Burkard, Oldenburg
Agenda 1. Curriculare Bezüge: 10. Jahrgang des Gymnasium und der Oberschule in Niedersachsen 2. Karikatur als Einstieg? 3. Ursachen des „Brexit“ – Korrektur eines historischen Irrtums? Die Frage der Souveränität 4. Die „Brexit“-Verhandlungen – Optionen und Szenarien für die künftigen Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU 5. Quo vadis EU? Die Szenarien des Weißbuchs der EU-Kommission
KC Wirtschaft, OBS, Jg.10: Ökonomisches Handeln regional, national und international … hat bestimmte Europa/Die Welt … bietet Ausbildungs- und wirtschaftliche Merkmale Beschäftigungsmöglichkeiten Deutschland (Wirtschaftssektoren) Infrastruktur/Logistik Niedersachsen Branchen Arbeitsmarkt Unsere schulische und betriebliche Einkommens- möglichkeiten • Region Ausbildungen … ist mit anderen Regionen in Struktur der Deutschland verbunden Wirtschaftssektoren Warenhandel Branchen Logistik … entwickelt sich und Vergleich von Regionen unterliegt dem … ist mit dem Ausland verflochten wirtschaftlichen Wandel … profitiert vom inter- … ist in die Europäische … ist Teil der Globalisierung Standortwettbewerb nationalen Handel Union eingebunden internationale Strukturwandel Im- und Export Integrationsstufen Arbeitsteilung Wirtschaftsraum Eurosystem globale Probleme Leitbilder des inter- nationalen Handels soziale Unterschiede in internationaler Arbeitsmarkt der EU Arbeitsmarkt
Aus urheberrechtlichen Gründen kann die Karikatur von Jos Collignon hier nicht abgebildet werden. Auf sie kann aber im Internet zurückgegriffen werden: https://www.volkskrant.nl/foto/collignon~p3761431/#&gid=1&pid=3618886 Karikatur „We will rule the waves” von Jos Collignon (erschienen in: „de Volkskrant“) “
Rule, Britannia! (aus der Oper „Alfred“, 1740) (gilt als „inoffizielle Nationalhymne“ von Großbritannien) When Britain first, at Als Britannien erstmals, auf Heav’n’s command, Arose Geheiß des Himmels, aus from out the azure main, der blauen See entstieg, This was the charter of the war dies die Gründung des land, And guardian angels Landes, und Schutzengel sang this strain: sangen diese Melodie: |:Rule, Britannia! |:Herrsche, Britannia! Britannia rule the waves; Britannia beherrsche die Britons never will be Wellen; Briten werden slaves.:| niemals Sklaven sein.:| Siehe auch Last Night of the Proms 2009: https://www.youtube.com/watch?v=Sgd9nYqVz2s
Churchill: „eine Art Vereinigte Staaten von Europa“ "Es gibt ein Heilmittel, das […] innerhalb weniger Jahre ganz Europa, oder den größeren Teil Europas […] so frei und glücklich machen würde, wie es die Schweiz heute ist. Dieses Mittel besteht in der Erneuerung der europäischen Familie oder doch eines möglichst großen Teils davon. Wir müssen ihr eine Winston Churchill Rede vor dem Ordnung geben, unter der sie in versammelten Münsterhof in Zürich, Frieden, Sicherheit und Freiheit 19. September 1946. leben kann. Wir müssen eine Art Vereinigte Staaten von Europa* errichten ." * sollten alle Staaten Kontinentaleuropas umfassen, während die Sowjetunion, Großbritannien und die USA die Rolle der "Freunde und Förderer des neuen Europa" einnehmen …
Einstiegsphase des Unterrichtsvorhabens: In or out – das schwierige Verhältnis Großbritanniens zur EU Wann? Was? AnnäherungA Distanzierung Januar 1973 Beitritt Juni 1975 Referendum Juni 1984 „Briten-Rabatt“ November 1993 Maastricht-Vertrag März 1995 „Schengen“ Dezember 2000 Grundrechte-Charta Januar 2002 Euro-Bargeldeinführung Mai 2004 Osterweiterung Januar 2013 Camerons Grundsatzrede Mai 2015 Ankündigung des Referendums Februar 2016 „Reformpaket“ Juni 2016 Brexit-Referendum März 2017 Austrittsantrag
Einstiegsphase des Unterrichtsvorhabens: In or out – das schwierige Verhältnis Großbritanniens zur EU Wann? Was? AnnäherungA Distanzierung Januar 1973 Beitritt X Juni 1975 Referendum X Juni 1984 „Briten-Rabatt“ X November 1993 Maastricht-Vertrag X März 1995 „Schengen“ X Dezember 2000 Grundrechte-Charta X Januar 2002 Euro-Bargeldeinführung X Mai 2004 Osterweiterung X Januar 2013 Camerons Grundsatzrede X Mai 2015 Ankündigung des Referendums X Februar 2016 „Reformpaket“ X Juni 2016 Brexit-Referendum X März 2017 Austrittsantrag X Siehe auch: „Der Brexit und die britische Sonderrolle in der EU“ http://www.bpb.de/internationales/europa/brexit/
Integrationsstufen und der Prozess der europäischen Integration * EFTA EWG 1999/ * „Vier Freiheiten“ 1993 1960 1957 2002
Die EU als „Staatenverbund“ (BVerfG 1993) – ein „politisches System sui generis“ Staaten- Bundes- bund staat „Staatenverbund“ Staa Bund souveräner Souveräner Übertragung von Staaten Teilkompetenzen auf Bundesstaat völkerrechtliche die supranationale staatsrechtliche Verbindung von Politikebene, partieller Verbindung von Souveränen Staaten, Souveränitätsverzicht bei nichtsouveränen die die Inhaber der ausdrücklicher Achtung Gliedstaaten - Souveränität sind nationaler Identitäten Bund = Inhaber der Souveränität
Die Referendumsfrage am 23.6.2016 „Should the United Kingdom remain a member of the European Union or leave the European Union?“
Der Ausgang des Brexit-Referendums am 23.6.2016 Wahlbeteiligung 72,2 % „Leave“ 51,9% „Remain“ 48,1% Drei Bruchlinien: - regional - demografisch - sozial
Ursachen des „Brexit“-Votums • Im Wahlkampf standen sich i. W. EU-Skeptiker und EU-Gegner gegenüber, die sich in ihrer Abneigung gegen eine weitere politische Integration einig waren. Während für Erstere die Vorteile des Binnenmarkts die Nachteile einer EU-Mitgliedschaft überwogen, sahen Letztere es genau umgekehrt. • Während die „Remainers“ defensiv mit den ökonomischen Kosten eines Austritts argumentierten, mobilisierten die „Brexiteers“ aggressiv die Ängste vor ungebremster Einwanderung (aus der EU) und einer wirtschaftlich kollabierenden EU sowie die Sehnsucht nach Wiederherstellung britischer Souveränität. • Die Agitation der „Brexiteers“ konnte verfangen, weil (1) es anders als auf dem Kontinent nie eine breite Identifikation mit dem „europäischen Projekt“ gab, (2) sich das pragmatische Kosten-Nutzen-Kalkül der EU-Befürworter in der Krisenphase der EU in sein Gegenteil verkehrte.
Die Austrittserklärung Großbritanniens Schreiben der britischen Premierministerin Theresa May an den Präsidenten des Europäischen Rates, Donald Tusk, vom 29.3.2017 „Am 23. Juni 2016 hat sich das britische Volk ent- schieden, die Europäische Union zu verlassen. […] Das Referendum war, wie wir es sehen, ein Votum für die Wiederherstellung unserer nationalen Selbstbestimmung. Wir verlassen die Europäische Union, aber wir verlassen nicht Europa […]. Hiermit zeige ich dem Europäischen Rat gemäß Artikel 50 (2) des Vertrages über die Europäische Union die Ab- sicht des Vereinigten Königreichs an, aus der Euro- päischen Union auszutreten.“
Artikel 50 (2) des Vertrages über die Europäische Union 1) Jeder Mitgliedstaat kann im Einklang mit seinen verfassungs- rechtlichen Vorschriften beschließen, aus der Union auszutreten. (2) Ein Mitgliedstaat, der auszutreten beschließt, teilt dem Euro- päischen Rat seine Absicht mit. Auf der Grundlage der Leitlinien des Europäischen Rates handelt die Union mit diesem Staat ein Abkommen über die Einzelheiten des Austritts aus und schließt das Abkommen, wobei der Rahmen für die künftigen Beziehungen dieses Staates zur Union berücksichtigt wird. Das Abkommen wird […] vom Rat im Namen der Union geschlossen; der Rat beschließt mit qualifizierter Mehrheit* nach Zustimmung des Europäischen Parlaments. (3) Die Verträge finden auf den betroffenen Staat ab dem Tag des Inkrafttretens des Austrittsabkommens oder andernfalls zwei Jahre nach der in Absatz 2 genannten Mitteilung keine Anwendung mehr, es sei denn, der Europäische Rat beschließt im Einvernehmen mit dem betroffenen Mitgliedstaat ein- stimmig, diese Frist zu verlängern. * In diesem Fall (laut EP): 72 % der EU-Länder, die mindestens 65 % der EU-Bevölkerung repräsentieren
„Brexit-Fahrplan“ 23.6.2016 Referendum 29.3.2017 Rat: 29.4.2017 Austrittsantrag 19.6.2017 Leitlinien Verhandlungsbeginn • Rechte der Bürger in EU + UK (Davis – Barnier) • Nordirische Grenze • Zahlungsverpflichtungen Unterhaus 12.9.2017: Phase 1 (bis Dezember 2017) Austrittsgesetz Rat 15.12.2017: „Ausreichender Fortschritt“ Phase 2 (ab März 2018) (1) Austrittsabkommen (2) Freihandelsabkommen Okt. 2018 Verhandlungsende Ratifizierungsprozess Ratifizierung durch das (1) Rat + EP britische Parlament 29.3.2019 Austrittsdatum * (2) Rat + EP + 27 nat. Parl. Geregelter Erfolg oder Scheitern Ungeregel- Brexit ter Brexit *Übergangsphase bis 31.12.2020
Integrationsstufen – Formen der Anbindung an die EU Türkei Mit der EU Kanada(CETA) verbunden u.v.a.m. CH: Netz bilateraler Abkommen mit EU NOR, ISL, LIE: EFTA + EU = EWR
Modelle der Anbindung des UK an die EU Nicolai von Ondarza (SWP): Auswirkungen des Brexit - Statusfragen und wirtschaftliche Aspekte. Gutachterliche Stellungnahme für die Anhörung des Europaausschusses des Deutschen Bundestages am 24.04.2017, 13 Seiten
Ökonomische Auswirkungen eines „harten Brexits“ (WTO-Regeln) für Großbritannien für Deutschland Zölle/Zollsätze Verteuerung importierter und Verteuerung importierter und - Waren generell: 5 % exportierter Waren, Nachteile exportierter Waren, Nachteile - auf Autos: 10 % für Konsumenten und Produ- für Konsumenten und Produ- - Auf Lebensmittel: bis 50% zenten zenten Relativierende Faktoren - Wechselkurse - Wechselkurse - Wettbewerbsintensität - Wettbewerbsintensität - Präferenzen - Präferenzen Nichttarifäre Handels- Unterschiedliche Gesund- Unterschiedliche Gesund- hemmnisse: heits- und Umweltstandards + heits- und Umweltstandards + - Standards unzureichende Zollinfrastruk- unzureichende Zollinfrastruk- - Zollabfertigung tur behindern Warenverkehr tur behindern Warenverkehr Dienstleistungen Zugang britischer Finanz- Verteuerung britischer Finanz- dienstleister zum EU- dienstleistungen für Haushalte Binnenmarkt versperrt und Unternehmen Arbeitsmarkt Abwanderung von Arbeits- kräften aus MOEL, Engpässe Internationale Störung von Produktions- und Störung von Produktions- und Arbeitsteilung Lieferketten Lieferketten
Das Weißbuch der EU-Kommission vom 1.3.2017
Fünf Szenarien zur Zukunft der EU 1. Weiter wie bisher: Die Europäische Union konzentriert sich auf die Umsetzung ihrer positiven Reformagenda. -> „Muddling-Through“ 2. Schwerpunkt Binnenmarkt: Die Europäische Union wird schrittweise wieder auf den Binnenmarkt ausgerichtet. -> Minimal- Szenario, Rückverlagerung von Funktionen auf die nationale Ebene 3. Wer mehr will, tut mehr: Die Europäische Union ermöglicht es Mitgliedstaaten, die dies wünschen, in bestimmten Bereichen mehr gemeinsam zu machen. -> Europa der mehreren Geschwindigkeiten, verstärkte Zusammenarbeit, „Kerneuropa“ … 4. Weniger, aber effizienter: Die EU27 konzentriert sich darauf, in ausgewählten Politikbereichen rascher mehr Ergebnisse zu erzielen („Leuchtturmprojekte“), unternimmt in anderen Bereichen aber weniger. 5. Viel mehr gemeinsames Handeln: Die Mitgliedstaaten beschließen, auf allen Politikfeldern viel mehr gemeinsam zu machen. -> vertiefte Integration, „mehr Europa“, Maximalszenario
Diskussion: „Europa der mehreren Geschwindigkeiten“ "Wollen wir wirklich alles mit 28 Ländern gemeinsam machen, wo wir schon das 28. Land ver- loren haben, oder geht es nicht vielmehr darum, dass Länder, die schneller vorangehen wollen, das auch tun können. Immer unter der Voraussetzung, dass sie nichts machen, was die anderen Länder stört und dass die Strukturen offenbleiben für alle, die später dazukommen wollen.“ (Jean-Claude Juncker, März 2017) Pro-Argumente Contra-Argumente Differenzierte (flexible) Integration Differenzierte (flexible) Integration • gibt es schon längst: Eurozone, • erhöht die Komplexität und Intranspa- Schengen-Raum, ESM, Fiskalpakt etc. renz der EU, unterminiert den einheit- • ist durch Opt-Out-Bestimmungen und lichen Rechtsrahmen der EU. die „verstärkte Zusammenarbeit“ in EUV (20) und AEUV (326ff.) rechtlich • spaltet die EU in Mitglieder erster und gedeckt. zweiter Klasse, in Kern und Peripherie, • kann Reformblockaden auflösen, die in „Ins“ und Outs“. Gefährdet den Handlungsfähigkeit der EU erhöhen. Zusammenhalt. • kann Impulse zur Vertiefung der Inte- • verstärkt die Intergouvernementali- gration geben: Einige gehen voran, sierung der europäischen Integration andere folgen später. auf Kosten der EU-Institutionen. • kann der Diversität der nationalen • schwächt die europäische Demokratie. Besonderheiten und Interessen besser • führt keineswegs zwangsläufig zum Rechnung tragen. späteren Nachvollzug der Integration.
Zwei Instrumente der differenzierten Integration Die intergouvernementale Das Instrument der „verstärkten Strategie der Differenzierung Zusammenarbeit“ nach Art. 20 EUV • Abschluss völkerrechtlicher Ver- • Verstärkte Kooperation nur im träge zwischen mehreren Mit- Kompetenzbereich der EU möglich, gliedsstaaten zur vertieften Inte- wenn Kompromissfindung ge- gration in Politikfeldern, in denen scheitert ist´. (Ausnahme: aus- die EU keine eigenständige Kom- schließliche Zuständigkeit der EU) petenzen hat. Beispiel: Fiskalpakt Beispiele: Scheidungsrecht, europäische Staatsanwaltschaft • Außerhalb des Rahmens der EU- • Einbindung in den europäischen Institutionen: Keine Beteiligung Gesetzgebungsprozess (Gemein- von EP und Kommission, sondern schaftsmethode). Über EU- Aushandlung zwischen nationalen Kommission, Rat der EU und EP sind Regierung und ausschließliche Nichtteilnehmer beteiligt und Legitimation durch nationale informiert. Regierungen.
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