Ein ETF-Manifest für die Arbeitsbedingungen von Berufskraftfahrern in Europa

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Ein ETF-Manifest für die Arbeitsbedingungen von Berufskraftfahrern in Europa
Ein ETF-Manifest für die Arbeitsbedingungen von Berufskraftfahrern in Europa

Inhalt:
Summary
Vollstreckung bestehender Gesetzgebung
         1. Eliminierung der Briefkastenfirmen-Praxis
         2. Vollstreckung der Verordnung (EG) 1072/2009 - Kabotage-Regeln
         3. Vollstreckung der Verordnung (EG) 593/2008 – Vertragliche Schuldverhältnis
         4. Klarstellung der Verordnung (EG) 561/2006 – Lenk- und Ruhezeiten
         5. Vollstreckung der Richtlinie 2002/15/EG – Regelung der Arbeitszeit für Berufskraftfahrer
         6. Verabschiedung der Verordnung zum Digitalen Tachografen
         7. Verbesserung der Richtlinie 2003/59/EG – Grundqualifikation
Notwendigkeit neuer Gesetzgebung
         8. Ermüdung – Aufforderung zur europaweiten Untersuchung
         9. Recht auf Privatsphäre – Fahrerüberwachungssysteme
        10. Marktzugang von Drittstaat-Betreibern – Quotenregelung Betriebslizenzen

Summary
2008 begannen die ETF und ihre Mitgliedsorganisationen, Berufskraftfahrer zu interviewen in
dem Bemühen, Beweise für ihre Arbeits- und Lebensbedingungen zu sammeln. Die
Interviews richteten sich an nicht-gebietsansässige Fahrer (Fahrer, die in einem anderen
Land als ihrem Heimatland arbeiten). Insgesamt wurden bisher etwa 1000 Interviews
durchgeführt. Die meisten auf improvisierten Rastplätzen, auf denen sich die
umherfahrenden Fahrer versammeln, um ihre Wochenenden zu verbringen. Das Ergebnis
dieser 4-jährigen Arbeit ist für den Sektor mehr als alarmierend und für ein soziales Europa
mehr als schockierend.

Löhne und Arbeitsbedingungen von Berufskraftfahrern verschlechtern sich. Eine
beträchtliche Anzahl der Kraftverkehrsunternehmen ‚kaufen' billige Arbeitskräfte in ganz
Europa ein, um Kosten zu sparen und ihre Gewinn zu erhöhen. Es gibt EU-Gesetze, um
diese ‚Maßnahmen' zu verhindern, aber sie sind entweder unzureichend oder werden nicht
durchgesetzt. Inzwischen neigen illegale, unmenschliche Praktiken dazu die Regel zu
werden und die bösen Spieler setzen den Maßstab für die gesamte Branche.

Durch den Einsatz von illegalen Praktiken werden die Fahrer über komplexe, dubiose Pro-
gramme beschäftigt, die Unternehmen, Tochtergesellschaften, Agenturen beteiligen, die
ihren Sitz in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten haben.        Auf diese Weise können
Kraftverkehrsunternehmen bis zu 90-95% bei den Arbeitskosten und Sozialabgaben
einsparen. Auf der Suche nach einer besseren Zukunft für sie und ihre Familien sind die
Fahrer, die in dem System gefangen sind, von ihren Arbeitsplätzen abhängig, und sie
akzeptieren, am Rande des Gesetzes zu arbeiten.

Die ETF und ihre Mitgliedsgewerkschaften aus ganz Europa stehen tagtäglich vor Fällen wie
dem oben beschriebenen. Sozialdumping wird mehr denn je offen und im großen Stil
praktiziert, vor den Augen der Vollzugsbeamten, der Berufskraftfahrer, der
Gewerkschaftsorganisationen. Daher rührt der große Missmut bei Fahrern und
Gewerkschaften. Die politischen Entscheidungsträger erneuern ihr Bekenntnis für ein
soziales Europa, eine soziale Agenda für Verkehr, einen nachhaltigeren
Straßentransport, während immer mehr Fahrer monatelang von zu Hause weg sind, in
Barracken oder Lkw schlafen, sich wochenlang mit Essen aus der Dose ernähren und ihnen
der grundsätzliche Zugang zu Sozial-, Grundrechten verweigert wird, die ihnen laut Gesetz
und sogar durch den Lissabonner Vertrag zustehen. Gesetze werden verabschiedet, aber
nicht umgesetzt. Der Fall der Briefkastenfirmen ist symptomatisch für einen Sektor, in dem
der Vollzug ernsthaft ins Hintertreffen geraten ist. Briefkastenfirmen öffnen die Tür für
Sozialdumping-Praktiken und sind seit Dezember 2011 allesamt illegal! Dennoch haben
Beschäftigungssysteme mit Briefkastenfirmen Hochkonjunktur.

Auf der Grundlage der von der ETF in den letzten vier Jahren gesammelten Fakten und in
Anbetracht der weiteren Verschlechterung der Situation der Berufskraftfahrer bei
ausbleibenden konkreten Aktionen in Gesetz und Politik will die ETF das Schweigen über
das brechen, was als eine Form moderner Sklaverei im heutigen Europa bezeichnet wurde:
Die Arbeits- und Lebensbedingungen von Berufskraftfahrern.
Die ETF hat die Absicht, den politischen Apparat in Gang zu setzen und auf
Legislativmaßnahmen zu dringen, um die Situation dieser Berufskraftfahrer zu verbessern.
Dabei wollen wir die Unternehmen dazu anhalten, ihre Pflichten zu erfüllen und ihren
Arbeitnehmern angemessene Bedingungen am Arbeitsplatz zu bieten.

Das vorliegende ETF-Manifest richtet sich an die Europäische Kommission, das Europäische
Parlament und die nationalen Regierungen der EU-Mitgliedstaaten. In diesem ETF-Manifest
werden die EU und nationale politische Entscheidungsträger aufgefordert, eine Reihe von
Maßnahmen zu treffen, um der weiteren Verschlechterung der Arbeitsplätze und
Arbeitsbedingungen im Straßentransportsektor Einhalt zu gebieten.

Dieses ETF-Manifest:
    stellt praktische Lösungen für den Vollzug der aktuellen EU-Sozial- und
      Straßentransportgesetzgebung in den Vordergrund.
    macht Vorschläge, um einige der bestehenden EU-Rechtsvorschriften zu
      korrigieren, damit Lücken geschlossen werden, die derzeit eine Ausbreitung
      von Sozialdumping und unlauterem Wettbewerb im Straßentransport
      ermöglichen.
    fordert neue Rechtsvorschriften im Transportbereich, allesamt mit dem Ziel der
      Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen von Berufskraftfahrern in
      Europa.

Um den Dumping-Praktiken im Straßentransport ein Ende zu bereiten und den politischen
Engagements einer ganzen Reihe von EU-Rechtstexten Folge zu leisten, angefangen mit
der Grundrechte-Charta der Europäischen Union, dem gemeinschaftlichen Besitzstand in
den Bereichen Soziales und Straßentransport und dem Weißbuch zum Verkehr 2011,
werden die politischen Entscheidungsträger aufgefordert, die folgenden Maßnahmen auf
Vorschlag der ETF zu ergreifen:

VOLLSTRECKUNG BESTEHENDER GESETZGEBUNG

1.) Eliminieren der Briefkastenfirmen-Praxis durch Vollstreckung von Verordnung (EG)
Nr.1071/2009

zur Einführung gemeinsamer Regeln bezüglich der einzuhaltenden Bedingungen zur
Ausübung des Berufs des Straßentransportbetreibers. Die ETF ruft in Erinnerung, dass

                                                                             Seite | 2 von 8
zur Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Kabotageregeln (gemäß
       Erwägungsgrund (17) der Verordnung) ermöglichen.
      In der Verordnung (EG) 1072/2009 die Begrenzung auf drei Kabotageoperationen pro
       siebentägigem Zeitraum zu klären und zu verstärken und die derzeit von der
       Europäischen Kommission beworbene Interpretation zurückzunehmen, wonach drei
       Kabotageoperationen nach jeder internationalen Güterbeförderung möglich sind.
       Diese Klarstellung wird in Art. 8 der Verordnung aufgenommen und die derzeitige
       Praxis abzuschaffen, mit der Unternehmen Wiederholungszyklen von drei
       Kabotageoperationen in einem siebentägigen Zeitraum organisieren, indem sie
       einfach die Grenze mit einer Warenpalette überqueren.
      In der Verordnung (EG) 1072/2009 die Verpflichtung einer Fahrzeugrückkehr in das
       Land der Zulassung nach einem für Kabotage zulässigen siebentägigen Zeitraum bei
       voll beladenem Fahrzeug einzuführen. Das setzt eine Abänderung von Art. 8 der
       Verordnung voraus. Das eliminiert die Praktiken illegaler Kabotage, greift das
       Problem der Leerfahrten auf und ermöglicht nicht-gebietsansässigen Fahrern, ihre
       wöchentliche Ruhezeit am Wohnsitz zu verbringen.
      In der Verordnung (EG) 1072/2009 den 'kombinierten Verkehr' in den
       Geltungsbereich der Verordnung aufzunehmen. Das setzt die Streichung von
       Erwägungsgrund (16) der Verordnung voraus. Das eliminiert Ausnahmen und
       erleichtert den Vollzug der Kabotageregeln. Gleichermaßen werden dadurch
       unlauterer Wettbewerb und Dumpingpraktiken abgeschafft, die sich derzeit in den
       Häfen und Seebereichen ausbreiten.
      In der Verordnung (EG) 1072/2009 die Verpflichtung eines Meldewesens seitens der
       Mitgliedstaaten in Bezug auf die Anwendung von Richtlinie 96/71/EG zur Entsendung
       von Arbeitnehmern im Rahmen der Kabotagevorschriften aufzunehmen. Diese
       Auflage muss in Art. 17 der Verordnung aufgenommen werden.

3.) Vollstreckung der Verordnung (EG) Nr. 593/2008

des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche
Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I). Die ETF betont, dass ein Teil der Lösung
zur Abschaffung von Sozialdumping im Straßentransport im unverzüglichen Vollzug dieser
Verordnung liegt. Die ETF erinnert daran, dass alle Unternehmen mit
Beschäftigungssystemen, durch die Fahrer in Mitgliedstaat 1 angestellt sind und dazu
gebracht werden, ihre Aktivität in Mitgliedstaat 2 unter den Lohn- und Arbeitsbedingungen
von Mitgliedstaat 1 auszuüben – über Agenturen, Filialen, Briefkastenfirmen, usw. – gegen
diese Verordnung verstoßen.

Daher fordert die ETF die Europäische Kommission und das Europäische Parlament zu
folgenden Maßnahmen auf:

      Eine Durchführungsrichtlinie (ähnlich wie Richtlinie 2009/5/EG zu verabschieden, in
       der die Häufigkeit und Mindestniveau der nötigen Vollstreckung festgelegt werden,
       damit die Regeln von Verordnung (EG) Nr. 593/2008 befolgt werden.
      Das Mithaftungsprinzip in die zukünftige Durchführungsrichtlinie aufzunehmen, mit
       dem Ziel, alle beteiligten Parteien, die in der Transport- und Beschäftigungskette
       involviert sind, für die Missachtung von Verordnung (EG) Nr. 593/2008 haftbar zu
       machen.
      Die Missachtung von Verordnung (EG) Nr. 593/2008 in die Liste der schwersten
       Übertretungen aufzunehmen, die laut Verordnung (EG) 1071/2009 zum Verlust der
       Zuverlässigkeit und zum Entzug der Transportlizenz führen.

                                                                             Seite | 4 von 8
zur Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Kabotageregeln (gemäß
       Erwägungsgrund (17) der Verordnung) ermöglichen.
      In der Verordnung (EG) 1072/2009 die Begrenzung auf drei Kabotageoperationen pro
       siebentägigem Zeitraum zu klären und zu verstärken und die derzeit von der
       Europäischen Kommission beworbene Interpretation zurückzunehmen, wonach drei
       Kabotageoperationen nach jeder internationalen Güterbeförderung möglich sind.
       Diese Klarstellung wird in Art. 8 der Verordnung aufgenommen und die derzeitige
       Praxis abzuschaffen, mit der Unternehmen Wiederholungszyklen von drei
       Kabotageoperationen in einem siebentägigen Zeitraum organisieren, indem sie
       einfach die Grenze mit einer Warenpalette überqueren.
      In der Verordnung (EG) 1072/2009 die Verpflichtung einer Fahrzeugrückkehr in das
       Land der Zulassung nach einem für Kabotage zulässigen siebentägigen Zeitraum bei
       voll beladenem Fahrzeug einzuführen. Das setzt eine Abänderung von Art. 8 der
       Verordnung voraus. Das eliminiert die Praktiken illegaler Kabotage, greift das
       Problem der Leerfahrten auf und ermöglicht nicht-gebietsansässigen Fahrern, ihre
       wöchentliche Ruhezeit am Wohnsitz zu verbringen.
      In der Verordnung (EG) 1072/2009 den 'kombinierten Verkehr' in den
       Geltungsbereich der Verordnung aufzunehmen. Das setzt die Streichung von
       Erwägungsgrund (16) der Verordnung voraus. Das eliminiert Ausnahmen und
       erleichtert den Vollzug der Kabotageregeln. Gleichermaßen werden dadurch
       unlauterer Wettbewerb und Dumpingpraktiken abgeschafft, die sich derzeit in den
       Häfen und Seebereichen ausbreiten.
      In der Verordnung (EG) 1072/2009 die Verpflichtung eines Meldewesens seitens der
       Mitgliedstaaten in Bezug auf die Anwendung von Richtlinie 96/71/EG zur Entsendung
       von Arbeitnehmern im Rahmen der Kabotagevorschriften aufzunehmen. Diese
       Auflage muss in Art. 17 der Verordnung aufgenommen werden.

3.) Vollstreckung der Verordnung (EG) Nr. 593/2008

des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche
Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I). Die ETF betont, dass ein Teil der Lösung
zur Abschaffung von Sozialdumping im Straßentransport im unverzüglichen Vollzug dieser
Verordnung liegt. Die ETF erinnert daran, dass alle Unternehmen mit
Beschäftigungssystemen, durch die Fahrer in Mitgliedstaat 1 angestellt sind und dazu
gebracht werden, ihre Aktivität in Mitgliedstaat 2 unter den Lohn- und Arbeitsbedingungen
von Mitgliedstaat 1 auszuüben – über Agenturen, Filialen, Briefkastenfirmen, usw. – gegen
diese Verordnung verstoßen.

Daher fordert die ETF die Europäische Kommission und das Europäische Parlament zu
folgenden Maßnahmen auf:

      Eine Durchführungsrichtlinie (ähnlich wie Richtlinie 2009/5/EG zu verabschieden, in
       der die Häufigkeit und Mindestniveau der nötigen Vollstreckung festgelegt werden,
       damit die Regeln von Verordnung (EG) Nr. 593/2008 befolgt werden.
      Das Mithaftungsprinzip in die zukünftige Durchführungsrichtlinie aufzunehmen, mit
       dem Ziel, alle beteiligten Parteien, die in der Transport- und Beschäftigungskette
       involviert sind, für die Missachtung von Verordnung (EG) Nr. 593/2008 haftbar zu
       machen.
      Die Missachtung von Verordnung (EG) Nr. 593/2008 in die Liste der schwersten
       Übertretungen aufzunehmen, die laut Verordnung (EG) 1071/2009 zum Verlust der
       Zuverlässigkeit und zum Entzug der Transportlizenz führen.

                                                                             Seite | 4 von 8
4.) Klarstellung von Verordnung (EG) 561/2006

des Europäischen Parlamentes und des Rates zur Harmonisierung bestimmter
Sozialvorschriften im Straßenverkehr (Lenk- und Ruhezeit) mit dem Ziel einer Begrenzung
und Kontrolle der Vergütung auf der Grundlage der zurückgelegten Distanz und der
Lieferung. Die ETF betont, dass eine zunehmende Zahl von Fahrern derzeit pro gefahrenen
Kilometer und/oder pro fristgerechte Lieferung bezahlt werden. Die aktuelle Rate liegt bei 10
€/100 Fahrkilometern.

In diesem Sinne fordert die ETF die Europäische Kommission und das Europäische
Parlament zur folgenden Maßnahme auf:

      Strikte Definition der Umstände, in denen Bezahlung nach zurückgelegter Distanz
       zulässig ist. Das setzt eine Klarstellung von Art. 10.1 der Verordnung voraus. Diese
       Maßnahme wird eine grundlegend positive Auswirkung auf die Ermüdung des
       Fahrers      und     seine     Arbeitsbedingungen      haben,    sowie    auf     die
       Straßenverkehrssicherheit.

5.) Vollstreckung von Richtlinie 2002/15/EG

des Europäischen Parlamentes und des Rates zur Organisation der Arbeitszeit von
Personen, die mobile Straßentransportaktivitäten durchführen. Die ETF betont, dass bis Juni
2010, als das Europäische Parlament den Vorschlag der EK zur Ausnahme selbständiger
Fahrer von den Arbeitszeitvorschriften ablehnte, eine Reihe von Unternehmen ihre
angestellten Fahrer zu Scheinselbständigen werden ließ, um so Arbeitskosten zu sparen.
Man geht davon aus, dass der Einsatz von scheinselbstständigen Fahrern fortbesteht. Die
ETF erinnert daran, dass diese Praktiken gegen Richtlinie 2002/15/EG, Art. 6.2 (e)
verstoßen.

Daher fordert die ETF die Europäische Kommission und das Europäische Parlament zu
folgenden Maßnahmen auf:

      In die Verordnung zum digitalen Fahrtenschreiber, derzeit in der Revision, die
       Verpflichtung zur Ausstattung der Fahrzeuge mit einem an den intelligenten
       Fahrtenschreiber gekoppelten Gewichtssensor aufzunehmen. Das gibt die
       Möglichkeit zur Messung der Zeit der Fahrer beim Be-/Entladen der Fahrzeuge über
       den Fahrtenschreiber, sowie bessere Kontrolle dieser Aktivität gemäß Definition von
       Arbeitszeit.
      In Richtlinie 2002/15/EG das Mithaftungsprinzip aufzunehmen (ähnlich wie
       Verordnung (EG) 561/2006 Art. 10) in Bezug auf den Einsatz scheinselbstständiger
       Fahrer,      das   Statut    Scheinselbständiger      und    die    Einhaltung    der
       Arbeitszeitbegrenzungen. Nach diesem Prinzip haften alle in der Transportkette
       involvierten Akteure für den Einsatz scheinselbständiger Fahrer und die Missachtung
       der Arbeitszeitregeln.
      Die Missachtung von Richtlinie 2002/15/EG – Einsatz von Scheinselbst-ständigen
       und Missachtung von Mindestpausen und maximalen Arbeitszeitbegrenzungen – in
       die Liste der schwersten Übertretungen aufzunehmen, die gemäß Verordnung (EG)
       1071/2009 zum Verlust der Zuverlässigkeit und zum Entzug der Transportlizenz
       führen.
      Eine Durchführungsrichtlinie (ähnlich wie Richtlinie 2009/5/EG) zu verabschieden, um
       Häufigkeit und Mindestniveau des erforderlichen Vollzugs festzulegen, damit die
       Regeln der Richtlinien 2002/15/EG befolgt werden.

                                                                               Seite | 5 von 8
(derzeit in der Revision ) für eine bessere Implementierung und Vollstreckung der
Arbeitsbedingungen der Fahrer. Die ETF erinnert daran, dass der digitale Fahrtenschreiber
eine zentrale Rolle bei der Sicherung der sozialen Bedingungen im Straßentransport spielt.

Daher fordert die ETF die Europäische Kommission und das Europäische Parlament zu
folgenden Maßnahmen auf:

      Alle Nutzfahrzeuge in den Geltungsbereich der Verordnung zum digitalen
       Fahrtenschreiber aufzunehmen. Das wird einer Ausbreitung der Dumpingpraktiken
       und des unlauteren Wettbewerbs auf der Grundlage des Fahrzeugtyps vorbeugen,
       Ermüdung und Stress durch unbegrenzte Lenk- und Arbeitszeiten aufgreifen und
       vermeiden, dass Fahrer von einem Fahrzeugtyp (Schwerlast) auf einen anderen
       (leichte Nutzfahrzeuge) versetzt werden.
      Das Mithaftungsprinzip (ähnlich wie Verordnung (EG) 561/2006 Art. 10) einzuführen,
       wonach Straßentransportunternehmen die volle Verantwortung für alle Übertretungen
       gegen die digitale Fahrtenschreiberverordnung übernehmen müssen. Ein Fahrer
       verstößt nur unter Lieferdruck gegen diese Verordnung. Anweisungen werden
       diesbezüglich von den Transportfirmen oder anderen Akteuren der Transportkette
       entgegengenommen (Versender, Spediteure, usw.).
      In der Verordnung zum digitalen Fahrtenschreiber, derzeit in der Revision, die Ver-
       pflichtung zur automatischen Aufzeichnung – über GNSS – des Ausgangs- und
       Endpunktes des Fahrzeugs für jede Transportoperation (anstatt nur der täglichen
       Arbeitszeit). Das verbessert den Vollzug von Verordnung (EG) 1072/2009 (Kabotage)
       und von Richtlinie 96/71/EG zur Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der
       Kabotageregeln.
      Die Verpflichtung zur Ausstattung der Fahrzeuge mit einem an den intelligenten
       Fahrtenschreiber gekoppelten Gewichtssensor aufzunehmen.              Das gibt die
       Möglichkeit zur Messung der Zeit der Fahrer beim Be-/Entladen der Fahrzeuge über
       den Fahrtenschreiber, sowie bessere Kontrolle dieser Aktivität gemäß Definition von
       Arbeitszeit. Dadurch wird auch Überladung vorgebeugt.
      Die Verpflichtung einzuführen – für alle gegen die Verordnung verstoßenden und
       dabei erwischten Unternehmen – den Lkw-Fuhrpark mit der letzten Generation
       digitaler Fahrtenschreiber auszustatten. Das wird ein echter Ansporn für die
       Einhaltung der Verordnung zum digitalen Fahrtenschreiber sein und zu einer
       rascheren und breiteren Einführung des neuen Fahrtenschreibers im Sektor
       beitragen.
      Alle Möglichkeiten zu eliminieren, wonach sich der digitale Fahrtenschreiber
       automatisch auf Ruhezeit schaltet, wenn die Fahrzeugzündung ausgeschaltet ist.
       Diese gängige Praxis kostet die Fahrer 30 Minuten oder mehr ihrer täglichen
       Arbeitszeit, was sich auf ihre Bezahlung, Lenk- und Ruhezeit auswirkt. Diese Art der
       automatischen Einstellung ist derzeit gesetzlich nicht klar geregelt; daher greifen
       Transportbetreiber ohne Information der Fahrer darauf zurück.
      Die Verpflichtung zur Aufzeichnung von allen Ruhe- und Urlaubszeiten
       beizubehalten, sowie die verbindliche Kontrolle dieser Zeiträume bei Straßen- und
       Unternehmenskontrollen. Oft setzen die Unternehmen Fahrer unter Druck, ihre
       Aktivitäten als Ruhezeit zu 'registrieren'. Durch diese Verpflichtung werden solche
       Praktiken abgeschafft.
      Lenk- und Ruhezeit in die Daten für eine Fernstraßenkontrolle aufzunehmen. Das
       erleichtert die Einhaltung von Lenk- und Ruhezeitbegrenzungen und reduziert
       potenziell die Anzahl der Übertretungen.
7.) Verbesserung der Richtlinie 2003/59/EG

desEuropäischen Parlamentes und des Rates zur Erstausbildung und zur periodischen
Fortbildung der Fahrer. Die ETF verweist darauf, dass die Fortbildung der Fahrer zur
Verbesserung der Kompetenzen im Sektor und zur Verbesserung des Statuts der Fachkräfte
und zum Image des Berufs beiträgt.

Daher fordert die ETF die Europäische Kommission und das Europäische Parlament zu
folgenden Maßnahmen auf:

      Als Teil der Richtlinie einen für alle Mitgliedstaaten geltenden hochwertigen
       Mindestlehrplan für Erstausbildung und Fortbildung der Fahrer aufzunehmen. Das
       dient als Anreiz für die gegenseitige Anerkennung der Qualifikationen.
      In die Richtlinie das Prinzip 'Fortbildung ohne Lohnverlust' aufzunehmen. Das
       eliminiert die Möglichkeit, wonach ein Fahrer der Fortbildung in seiner wöchentlichen
       Ruhezeit (Wochenende) oder im Urlaub folgt.
      Klare und strikte Kriterien für die Akkreditierung der Fortbildungsinstitute einzuführen.
       Das gewährleistet eine bessere und einheitlichere Qualität der Fortbildung in der
       Europäischen Union.

NOTWENDIGKEIT NEUER GESETZGEBUNG

Die ETF fordert die Europäische Kommission und das Europäische Parlament zur
Verabschiedung neuer Gesetzgebung in den folgenden Bereichen auf:

      Ermüdung
      Recht auf Privatsphäre der Berufskraftfahrer
      Marktzugang von Drittstaat-Betreibern

8.) Ermüdung

Im letzten Jahrzehnt wurde im Straßentransport keine EU-weit koordinierte Studie zur
Ermüdung durchgeführt, obschon es immer mehr Umstände gibt, die nur zu einer
gesteigerten Müdigkeit der Fahrer führen können. Die ETF fordert die Europäische
Kommission und das Europäische Parlament zum Start einer europaweiten Untersuchung
zum Thema Müdigkeit im Straßentransport und ihren Ursachen auf. Die ETF drängt die
Europäischen Institutionen zur Verabschiedung gesetzlicher Maßnahmen zur Bekämpfung
der Müdigkeit im gewerblichen Nutzverkehr. Es liegt in der Verantwortung der politischen
Entscheidungsträger nicht nur gegenüber dem Sektor und seinen Fachkräften, sondern auch
der Gesellschaft, da die Müdigkeit der Fahrer eine zentrale Rolle für die Verkehrssicherheit
spielt.

9.) Recht auf Privatsphäre der Berufskraftfahrer

Der Sektor verwendet immer mehr hochentwickelte Technologie zur Überwachung der
Fracht in der Transportkette. In den letzten Jahren aber wurde die Überwachung der Fahrer
von einem Sekundär- zu einem Primärziel der Straßentransport- und Logistikunternehmen.
Immer mehr Fahrer beschweren sich, dass sie über jede Minute außerhalb des Fahrzeugs
Rechenschaft ablegen müssen, auch in den Pausen! Fahrerüberwachungssysteme sind oft
auch mit Vergütungsniveaus verknüpft. Die ETF drängt die Europäische Kommission zu
einer europaweiten Untersuchung dieser Praktiken und einer anschließenden
Folgenabschätzung zu den Rechten der Fahrer auf Privatsphäre. Auf der Grundlage der

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beiden wird die Europäische Kommission aufgefordert, gesetzliche Maßnahmen zu
verabschieden, um diese Rechte der Fahrer auf Privatsphäre sicherzustellen.

10.) Marktzugang von Drittstaat-Betreibern

Das ist ein Verweis auf den Fall des Hafens von Triest: Anhänger werden auf dem Seeweg
in den Hafen gebracht und vor Ort an Zugmaschinen angehängt, die im Hafenbereich
warten. Die Fahrzeuge sind allesamt in Nicht-EU-Ländern zugelassen. Bemannt sind sie
hauptsächlich mit türkischen Fahrern, die mit Billigflügen oder auf dem Seeweg dorthin
gebracht werden und im Hafen leben müssen, bis ihnen ein Lastwagen zugewiesen wird.
Das kann Tage dauern. Indes sind die Fahrer gezwungen, sich in der Nähe aufzuhalten, wo
auch immer zu schlafen und in erbärmlichen Zuständen u.a. ohne Zugang zu Sanitäranlagen
zu leben. Die Fahrer werden in ihrem Heimatland angeworben, und ihre Papiere (Visum,
Verträge) werden auf dem Weg nach Triest geregelt. Sie kennen die Dauer ihres Vertrages
nicht, arbeiten aber normalerweise mit einem dreimonatigen Visum. Man geht davon aus,
dass noch zwei weitere französische Häfen mit diesem System arbeiten. Die ETF drängt die
Europäische Kommission zur Einführung und Koordinierung einer Quotenregelung für die
Vergabe von Betriebslizenzen an Drittstaat-Betreiber. Diese Quotenregelung wird
größtenteils auf dem aktuellen System unter Verwaltung des Internationalen Transport-
Forums (früher ECMT) aufbauen.

ETF, Brüssel, 4. Oktober 2012

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