WORTE FINDEN - Siegessäule
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SIEGESSAULE WE ARE QUEER BERLIN
JUNI 2017 • SIEGESSAEULE.DE
WORTE FINDEN
Tabu brechen:
Sexueller Missbrauch an schwulen Männern
Klartext:
SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz im Interview
Kampagnenstart:
Kein Aids mehr bis 2020
BERLINS MEISTGELESENES STADTMAGAZIN EXPANDED CONTENT IN ENGLISH
Ticciati
Robin
SAISON 2017 | 2018
DER NEUE IST DA!
Konzerte im ABONNEMENT
wer-ist-robin-ticciati.de
Foto Fabian Frinzel
Inhalt 3
Seite 08
Politik
Zum Auftakt unserer
Berichterstattung zur Bun-
destagswahl 2017 haben wir
FOTO: PHOTOTHEK
dem SPD-Kanzlerkandidaten
auf den Zahn gefühlt
Seite 24
Bühne
Das Theater am Kurfürsten-
damm bringt die legendäre
FOTO: TIMMO SCHREIBER
Feindschaft zweier Holly-
wood-Diven auf die Bühne
Seite 20
FOTO: CHRISTIAN KRAUSS
Titel
Warum fällt es schwulen
Männern so schwer, zu er-
kennen oder zu benennen,
„Ein bisschen
dass sie Opfer eines sexuel-
mehr Wut bitte!“
len Missbrauchs geworden
sind? Und welche Rolle
Viel Spaß mit der
spielen Drogen dabei? Jan
Juniausgabe der
Großer über ein Tabu
SIEGESSÄULE
wünscht
FOTO: ARNO
Chefredakteur
Jan Noll
wir heute hier
Special Media SDL GmbH 05 Tach auch 24 Bühne 39 Programm
SIEGESSÄULE In diesem Jahr gibt es wohl keinen alter- „Bette & Joan“ im Theater am Kurfürsten- Das ganze Berlin-Programm
Ritterstr. 3 nativen CSD in Kreuzberg. Was nun?, damm: Désirée Nick im Interview English calendar of events
10969 Berlin fragt sich SIEGESSÄULE-Chefredakteur
Redaktion, Tel.: 23 55 39-0 Jan Noll 26 Film 66 Stadtplan
redaktion@siegessaeule.de „Mein wunderbares West-Berlin“ von
SIEGESSÄULE.DE 08 Politik Jochen Hick 70 Essen
Redaktionsschluss: 09.06. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz im Das Selig in Neukölln
Programmtermine: -33, -46
Interview 30 Musik
termine@siegessaeule.de
Andy Bell von Erasure im Interview 72 Kleinanzeigen
Terminschluss: 07.06.
12 HIV
Historische Kampagne der Deutschen Aids- 32 Buch 80 Flashlights
Anzeigen: -13 Hilfe: Beendigung von Aids in Deutschland Schwuler Priester: Krzysztof Charamsas
anzeigen@siegessaeule.de bis 2020, 10 Jahre HIV-Schnelltest bei „Der erste Stein“
Anzeigenschluss: 13.06.
82 Das Letzte
Mann-O-Meter
Kolumne von Wolfgang Müller
Kleinanzeigen 34 Style File
kleinanzeigen@siegessaeule.de 14 Nightlife SIEGESSÄULE-Redakteurin Kaey über 82 Impressum
Kleinanzeigenschluss: 10.06. Das Festival „48 Tunten Neukölln“ Beauty- und Modetrends
Abonnement: -55 17 News 36 English
abo@siegessaeule.de
Mixed Messages, Sado Opera
SIEGESSÄULE 07/2017 18 Reise
erscheint am 28.06. Südkoreas Hauptstadt Seoul 38 Klatsch
wir 4 Stadtbild German Pinazo, Veranstalter der Partyreihe „BBB“, im Club UnterTage am 6. Mai Festgehalten von Jackie Baier fotografie.jackiebaier.de
Tach auch 5
Komfortzone verlassen Leaving the comfort zone
Einen alternativen CSD in Kreuzberg wird es in diesem Jahr wohl nicht It looks like there’s not going to be any alternative Pride parade this year. The
geben. Zu zerstritten scheint die linksqueere Community. Wie gehen wir mit left-wing community seems to be mired in conflict. SIEGESSÄULE chief editor
dieser Tatsache um?, fragt sich SIEGESSÄULE-Chefredakteur Jan Noll Jan Noll wonders how we should deal with this fact
> Das (vorläufige) Ende kam dann still und leise. Nach ausufern- > The (ostensible) end came softly and quietly. After the heated de-
den Debatten und viel politischem Getöse rund um den X*CSD in bates and political clamor in recent years over the alternative Pride
den letzten Jahren findet die Alternative zum sogenannten großen in Kreuzberg, it won’t take place at all in 2017. At least that’s what
CSD in diesem Jahr nicht statt. Zumindest sieht es nun – Ende things are looking like now – late May. Leading up to this, the most
Mai – ganz danach aus. Bisher maßgeblich beteiligte linke Com- active lefty community players such as Südblock, Rattenbar and
munity-Player wie Südblock, Rattenbar oder SO36 kapitulierten im SO36 capitulated when it seemed that certain bridges couldn’t be
Angesicht offenbar unüberbrückbarer Hürden – zu viele Interes- built – too many interest groups, too many differing political views,
sengruppen, zu verschieden die politischen Ansichten, zu tief die trenches too deep. Last year, for example, the confrontation between
Gräben. So hatte im letzten Jahr beispielsweise die Konfrontation anti-pinkwashing activists and those who claim their policies as anti-
von Anti-Pinkwashing-AktivistInnen und solchen, die deren Politi- Semitic escalated in physical hostility at the closing rally. Long-time
ken wiederum als antisemitisch bezeichnen, gar zu körperlichen co-organizer Tülin Duman from Südblock shared her disillusion with
Auseinandersetzungen bei der Abschlusskundgebung geführt. Ge- SIEGESSAUELE.DE: “While the world is falling apart, Berlin’s queer
genüber SIEGESSÄULE.DE äußerte sich die langjährige Mitorgani- scene is at each other’s throats! I think these conflicts are meaning-
satorin Tülin Duman vom Südblock zu Recht desillusioniert: „Die less and destructive.“
Welt dreht gerade durch, und die queere Szene in Berlin muss Now what do we do? Singing a soothing aria of “Let’s stick together“
sich zerfleischen! Ich finde diese Auseinandersetzungen inhaltslos is not going to suddenly solve a problem mired in such complex top-
und destruktiv.“ ics. We need to keep in mind exactly what results from these corro-
Nun mit einer rührigen „Wir müssen alle zusammenhalten“-Arie sive conflicts in the left scene: marginalized groups in the LGBTI*
einzusteigen wird sicherlich der Komplexität des Themas nicht community and in greater society who don’t feel represented within
gerecht, doch sollte man sich vor Augen führen, was genau das Er- the (political) spectrum of the mainstream Pride will continue to be
gebnis dieser destruktiv geführten Auseinandersetzung in linken made invisible. But no one in left-wing communities seems to care
Zusammenhängen ist: Ohnehin marginalisierte Gruppen der Ge- about that. This laziness reflects a persistent (and actually hated)
sellschaft und der LGBTI-Community, die sich im (politischen) consumerist mindset that if the big players in Kreuzberg don’t or-
Spektrum des großen CSD bisher nicht wiederfinden konnten, ganize an alternative Pride parade, then we have nothing. It’s really
werden wieder und wei- too bad, because even one individual can actually
ter unsichtbar gemacht.
Doch scheint das in den
Marginalisierte Gruppen make a difference. For example, our colleague
Kaey registered, organized and implemented the
... werden wieder und weiter unsichtbar
linksalternativen Com- Trans*March in Berlin last year. But admittedly,
munitys niemanden wirklich zu interessieren. Brä- there’s no use at this
sig wird in einer (eigentlich verhassten) Marginalized groups point in trying to place
further blame – it’s al-
Konsumhaltung verharrt, denn wenn die großen ... will continue to be made invisible
Player in Kreuzberg sich nicht kümmern, gibt es most definitely too late
eben auch nichts. Schade, denn dass sogar Einzelpersonen hier for a Pride in Kreuzberg to take place this year. The question now is
einiges bewegen können, bewies im vergangenen Jahr beispiels- how to deal with this fact. Stay at home? Forget about visibility? Or do
weise unsere Kollegin Kaey, die im Alleingang einen Berliner the obvious and march along with the main CSD. Considering the
Trans*March anmeldete, organisierte und durchführte. Aber zuge- persecution of gays in Chechnya and the dehumanizing debates sur-
geben, an diesem Punkt weiter nach Schuldigen zu suchen ist rounding same-sex marriage in the Bundestag, maybe it’s exactly
sicher der falsche Ansatz. Für einen CSD in Kreuzberg ist es in die- the right time to leave the left-wing comfort zone of Kreuzberg. <
sem Jahr wahrscheinlich ohnehin zu spät. Die Frage ist nun eher, Translation: Joey Hansom
wie wir mit diesem Fakt umgehen wollen. Einfach zu Hause blei-
ben? Sichtbarkeit ganz lassen? Oder das Naheliegende tun und
einfach mal beim großen CSD mit laufen? Vielleicht ist es ange-
sichts von Schwulenverfolgung in Tschetschenien und menschen-
unwürdiger Debatten um eine Öffnung der Ehe im Deutschen
Bundestag genau die richtige Zeit dafür, die linksqueere Komfort-
zone Kreuzberg zu verlassen. <
wir
6 Magazin
Volles Becken
Ehrlich gesagt, das Prinzenbad in Kreuzberg ist nicht unbedingt ein
Schutzraum für Menschen aus der LGBTI-Community. Das wollen wir
ändern! Endlich in Ruhe baden, knutschen, Händchen halten! Und
wie soll das bitte gehen? Ganz einfach: SIEGESSÄULE veranstaltet
gemeinsam mit den Berliner Bäder Betrieben den ersten Badetag ex-
klusiv für Schwule, Lesben, trans* und inter Menschen! „Queer Sum-
mer Splash – Der LGBTI-Tag im Prinzenbad“ steigt am Sonntag, den
06. August. Von 12:00 bis 22:00 gehört das Prinzenbad ganz der
Community. Obendrauf gibt’s ein kleines sommerliches Rahmenpro-
LLER/PIXELIO.DE
gramm mit Food, Drinks und DJs. Außerdem stellen sich die queeren
Berliner Sportvereine vor. Mehr Infos in Kürze!
FOTO: REINER MU?
Voller Energie
Coachings scheinen en vogue zu sein.
Nachdem wir euch im letzten Monat
FOTO: OLAD ADEN
einen Kurs für schwule Singles vorge-
stellt haben, gibt’s diesmal ein Ange-
bot, das sich speziell an „Gays 50
plus“ richtet: „Love Hero – Coaching
Volle Aufmerksamkeit for Mature Men“ heißen die Semina-
re von Journalist und Life Coach Mi-
Die Black-Lives-Matter-Bewegung ist seit 2012 internatio- chael von Raison (Foto), der dafür
nal aktiv. Sie kämpft für Sichtbarkeit, setzt sich gegen Ras- sorgen möchte, dass Schwule im Alter
sismus und Gewalt gegenüber Schwarzen Menschen ein den nötigen Drive bekommen, selbst-
und erlangt auch hierzulande immer größere Aufmerk- bewusst und sichtbar zu bleiben:
samkeit. Hinter diese Tendenz setzt der „Black Lives Mat- „Mit Love-Hero-Coaching findest du
ter Monat“ in Berlin, der vom 02. Juni bis zum 02. Juli Inspiration, Energie und Liebe wieder
stattfindet, nun ein Ausrufezeichen. Filmscreenings von und den Mumm, dich zu zeigen“, ver-
„Moonlight“ bis „I Am Not Your Negro“, Workshops, Le- spricht er. Infos und Kontakt unter
sungen, Diskussionen und Buchvorstellungen stehen für 0151/52 57 20 24.
„eine nachhaltige Veränderung unserer Gesellschaft und
gegen das Verschweigen von Rassismus“. Höhepunkt ist
der Protestmarsch, der ab 16:30 am U-Bahnhof M*straße
beginnt und gegen 19:00 am Spreewaldplatz endet. Alle
Infos unter: blacklivesmatterberlin.de
Voll verdient
Das Beratungs- und Kulturzentrum lesbischer Frauen, RuT Rad und Tat,
wurde am 15. Mai mit dem Magnus-Hirschfeld-Preis ausgezeichnet. Mit
dem von der Berliner SPD verliehenen Preis wurde das seit 1989 aktive
Projekt vor allem für seine niedrigschwelligen Angebote, den inklusiven
Ansatz und den Einsatz für lesbische Sichtbarkeit prämiert. Die Hoffnung
der Jury sei außerdem, erklärte Laudator Conny Kempe-Schälicke, durch
den Preis die Aufmerksamkeit auf das bereits seit Jahren in Planung be-
findliche Projekt „RuT-FrauenKultur & Wohnen“ zu lenken. Das Wohn-
und Kulturzentrum für Frauen und Lesben, dessen Entstehung SIEGES-
FOTO: JACKIELYNN
SÄULE und L-MAG als Medienpartner begleiten, bewirbt sich derzeit um
ein Grundstück in der sogenannten Schöneberger Linse. Ein Infoabend
zum Wohnprojekt steigt am 16. Juni ab 18:00 im RuT.
Community 7
Was macht eigentlich ... die neue
Unterkunft für queere Refugees?
Im März letzten Jahres berichteten wir, dass auf dem Gelände des queeren Wa-
genplatzes Kanal eine neue Sammelunterkunft für Geflüchtete geplant sei. Laut
Senatsverwaltung soll die Einrichtung mit 225 Plätzen im Dezember 2017 in Be-
trieb genommen werden und für besonders schutzbedürftige Geflüchtete vorge-
sehen sein, womöglich ausschließlich für queere Refugees. Einen Betreiber gibt
es bisher noch nicht und auch die Belegung des Standortes ist nicht abschlie-
ßend geklärt. Wir sprachen mit Stephan Jäkel von der Schwulenberatung Berlin,
die eine Unterkunft für queere Refugees betreut und gegenüber der Senatsver-
waltung bereits Einwände gegen das Projekt geäußert hat
> Stephan, welche Kritik habt ihr an dem Projekt? Die
Schwulenberatung Berlin hält eine Unterkunft in dieser Größe für
nicht geeignet. Das hat mehrere Gründe. Es ist zum Beispiel wich-
tig, dass die Unterkunft im Straßenbild möglichst unauffällig bleibt
und die konkrete Adresse nicht kommuniziert wird. Nur so kann
der größtmögliche Schutz der BewohnerInnen gewährleistet wer- Stephan Jäkel,
den. Denn auch hier ist diese Zielgruppe von Diskriminierung, Abteilungsleitung HIV Tickets 030. 883 15 82 // www.bar-jeder-vernunft.de
Homo- und Trans*feindlichkeit betroffen. Bei dem geplanten Pro- und queere Geflüchtete
jekt ist aber genau das Gegenteil der Fall: Adresse lange öffentlich bei der Schwulenbera-
bekannt und Unterkunft als solche erkennbar. LGBTI*-Geflüchtete tung Berlin
haben, so sind unsere Erfahrungen, mannigfaltige, oft jahrelange
Traumatisierungen erlebt. Dies alles erhöht die psychische Belas-
tung und Unruhe, und das multipliziert sich, je mehr Menschen
zusammenwohnen. Wir finden schon unsere Unterkunft mit 120
Plätzen eigentlich zu groß für diese Zielgruppe.
Wie könnten die Betroffenen besser untergebracht wer-
den? Wir brauchen kleinere Wohneinheiten und betreute Wohn-
gemeinschaften, die unauffällig im Straßenbild sind und als
kleinere Wohngruppen funktionieren. Es gibt in den ersten sechs
Monaten die Wohnverpflichtung in Erstaufnahmeeinrichtungen
wie unsere auch eine ist. Anschließend sollte es die Möglichkeit
für Wohngemeinschaften mit Einzelzimmern für maximal zehn
BewohnerInnen mit Betreuungsbedarf geben, dann sind eine In-
klusion in die Gesellschaft und eine Betreuung besser möglich.
Werdet ihr in die Planung des Projekts einbezogen? Im
Februar 2017 hat uns das Landesamt für Flüchtlingsangelegenhei-
ten (LAF) um eine Stellungnahme zu dem Projekt gebeten. In die-
ser haben wir unsere großen Bedenken geäußert. Wir sollten dann
zum Gespräch geladen werden. Daher sind wir überrascht, dass
die Planung jetzt so öffentlich verhandelt wird. Inzwischen haben
wir unsere Kritik gegenüber der Senatsverwaltung Integration,
Arbeit und Soziales erneuert. Ich gehe eigentlich davon aus, dass
das noch nicht entschieden ist.
Woher kommen die Geflüchteten? Wir haben BewohnerInnen
und Kontakt zu Menschen aus 19 Ländern, vorrangig aus Syrien,
dem Irak, Iran und den ehemaligen Sowjetrepubliken. In unserer
Unterkunft haben bisher insgesamt 190 Menschen gewohnt. Un-
sere Anlaufstelle für LGBTI*-Geflüchtete wurde 2016 von mehr als
Der Step-Tanz-Sturm
aus Down Under!
500 Betroffenen aufgesucht. Täglich gibt es Anfragen über die so-
zialen Medien und per E-Mail. Der Bedarf ist also groß. < 02. 06. – 30. 07.
Interview: Andreas Marschner
Tickets 030. 39 06 65 50 // www.tipi-am-kanzleramt.de
wir
8 Politik
„Wir wollen die
Öffnung der Ehe“
Mehr Gerechtigkeit, Lohngleichheit für Frauen und Männer, Öff-
nung der Ehe, Rassismus, Extremismus und Rechtspopulismus be-
kämpfen – die Wahlversprechen des SPD-Kanzlerkandidaten
Martin Schulz und seiner Partei sind stark emotional besetzte The-
men. Doch was verbirgt sich genau hinter markigen Slogans wie
„Zeit für mehr Gerechtigkeit“, und wie realistisch ist eine Öffnung
der Ehe überhaupt mit der SPD, die doch bisher am Ende immer vor
einem Nein der Union kuschte? Zum Auftakt unserer Berichterstat-
tung zur Bundestagswahl im September hatten wir – noch vor der
Wahlschlappe seiner Partei bei der Landtagswahl in Nordrhein-
Westfalen – die Gelegenheit, Martin Schulz per E-Mail ein paar
brennende Fragen zu stellen
FOTO: SUSIE KNOLL
> Herr Schulz, waren sie schon mal ein. Eine starke SPD kann und wird dieses Versprechen nach der
auf einem CSD? Nein, noch nie. Bundestagswahl schnellstmöglich einlösen.
LGBTI-Belange spielen in Ihrem Johannes Kars hat verlauten lassen, dass die SPD alles in
Wahlkampf aber durchaus eine Rolle. ihrer Macht Stehende tun werde, um den Gesetzesentwurf
Zum Beispiel die Öffnung der Ehe. Oft für die Öffnung der Ehe noch in dieser Legislaturperiode
wurde kritisiert, dass sich die SPD zu verabschieden. Eine Mehrheit in der Bevölkerung und
erst so kurz vor der Sommerpause im Bundestag ist vorhanden. Bis zum 30.06. kann die Ehe-
bzw. den anstehenden Bundestags- öffnung im Bundestag noch beschlossen werden. Es liegen
wahlen an dieses Wahlversprechen fertige Anträge vor, über die abgestimmt werden kann.
von 2013 erinnert. Wieso kommt das Wird die SPD ihr Versprechen diesmal halten? Wir haben
Thema erst jetzt auf den Tisch? Dass mit dem Lebenspartnerschaftsgesetz seinerzeit den Maßstab in
kommt nicht jetzt erst auf den Tisch. Die Europa gesetzt, gegen den harten, ideologischen Widerstand der
SPD setzt sich seit Langem für die Ehe für Union. Mehr als 100 diskriminierende Einzelregelungen sind auf
alle ein. Aber um das durchzusetzen, brau- unseren Druck hin beseitigt worden. Wir haben vor allem die Dis-
chen wir Mehrheiten, und die hatten wir kriminierungen im Steuerrecht beendet. Und die SPD will ohne
die letzten vier Jahre nicht. CDU und CSU Wenn und Aber die Ehe für alle. Die SPD-Bundestagsfraktion hat
lehnen die Ehe für alle ab und in einer Ko- hierzu Anfang März einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt, den
alition kann man keine Politik gegen den die Union bis heute blockiert. Die SPD wird weiterhin dafür wer-
Koalitionspartner machen. Wir haben bei ben. Und die Karten werden am 24. September neu gemischt.
den Koalitionsverhandlungen 2013 ver- Dann gilt: Je stärker die SPD aus den Wahlen hervorgeht, desto
sucht, die Union aus ihrer homophoben größer ist die Chance, das endlich auch durchzusetzen.
Ecke zu holen. Es ist uns nicht gelungen, Sollte es mit der Eheöffnung bis Ende Juni nicht mehr
aber natürlich bleiben wir dabei: Wir wol- klappen, bleibt sie – ebenso wie das Adoptionsrecht – als
len die Öffnung der Ehe. Das schließt die erneutes Wahlversprechen für die SPD ein heißes Eisen.
Gleichstellung beim Adoptionsrecht mit Was, wenn Ihre Partei schließlich doch wieder in einer
Politik 9 GroKo landet und die CDU weiterhin blo- zung der Gehälter zunehmend als ungerecht ckiert? Mein Ziel ist, dass die SPD als stärkste empfunden wird. Wir müssen wieder zurück zu Kraft aus den Wahlen hervorgeht. Wer dann mit einem Normalarbeitsverhältnis, zu guter Arbeit, uns koalieren will, kann sich bei uns bewerben. unbefristet, mit guten Tariflöhnen. Nach jahr- Als stärkste Partei können wir unseren Weg zehntelanger Arbeit muss die Rente ein ange- weitergehen und fortschrittliche Gesellschafts- messenes Leben im Alter ermöglichen. Mit einer politik machen, die mit Respekt und Anerken- wirkungsvollen Mietpreisbremse will ich dafür nung das Leben der Menschen verbessert. sorgen, dass Wohnen in der Stadt nicht zum Als Basis für die strukturelle Diskriminie- Luxus wird. Familien müssen entlastet werden, rung von LGBTI-Menschen dient nach wie Gebührenfreiheit von der Kita bis zur Uni hilft vor das Grundgesetz, das im Artikel 3, Abs. ihnen am meisten. Sie sehen, es geht um viel in 3, immer noch kein ausdrückliches Verbot den kommenden vier Jahren. der Diskriminierung von Menschen auf- Sie wollen die „hart arbeitenden Menschen grund ihrer sexuellen Orientierung oder in den Mittelpunkt stellen“. Wer sind denn Geschlechtsidentität enthält. Auch die Ihrer Meinung nach diese „hart arbeiten- rechtliche Situation von inter und trans* den Menschen“ im Gegensatz zu weniger Menschen ist nach wie vor in Deutschland hart arbeitenden Menschen? Artikel 1 unse- schwierig. Die FDP hat diese Themen of- res Grundgesetzes lautet: „Die Würde des Men- fensiv in ihr Wahlprogramm aufgenom- schen ist unantastbar.“ Da gibt es weder men. Wie steht die SPD dazu? Ich kämpfe Differenzierungen noch irgendwelche Bedin- für eine Gesellschaft, die jedem Menschen res- gungen. Übersetzt heißt das: Jeder und jede hat pektvoll begegnet. Unabhängig von Geschlecht, den gleichen Respekt verdient. Ich habe diesen Herkunft, sexueller Identität oder Religion. Un- Respekt vor der Lebensleistung der Menschen abhängig davon, ob jemand eine Behinderung in unserem Land; und es ist die Sozialdemokrati- hat, krank oder pflegebedürftig ist. Es geht mir sche Partei Deutschlands, die dafür sorgen wird, um Respekt für jeden Einzelnen. Menschen sol- dass jeder einzelne Mensch, jeder Mann, jedes len frei und sicher leben können – mit gleichen Kind, jede Frau im Mittelpunkt unseres Denkens Rechten und Pflichten. Die Gleichheitsrechte in und im Mittelpunkt unseres Handelns stehen. Artikel 3, Abs. 3, Grundgesetz, müssen daher um Was halten Sie von einem bedingungslo- die sexuelle Identität erweitert werden. So steht sen Grundeinkommen? Das ist für mich es auch in unserem Regierungsprogramm. keine Option. Ich denke, unsere Herausforde- „Zeit für mehr Gerechtigkeit“ ist der Slo- rungen – wie wir die Arbeit der Zukunft gestal- gan, mit dem Sie zu diesem Wahlkampf ten – liegen ganz woanders: Wir müssen angetreten sind. Was bedeutet generell sicherstellen, dass die Arbeit nicht das Leben Gerechtigkeit für Sie – Stichwörter Alters- auffrisst, dass die Menschen Zeit für anderes armut, Lohndumping, spekulativ anstei- haben. Wir müssen sicherstellen, dass Arbeit ge- gende Preise auf dem Immobilienmarkt … recht bezahlt wird, und wir müssen sicherstel- Gerechtigkeit ist die zentrale Voraussetzung für len, dass die Mitbestimmung im Betrieb Zusammenhalt und Wohlstand. Der aktuelle Ar- ausgeweitet wird. muts- und Reichtumsbericht muss uns doch alle Der Bild am Sonntag sagten Sie Ende aufrütteln. Der große wirtschaftliche Erfolg geht März, Sie würden als Kanzler Folgendes an vielen Menschen in unserem Land vorbei. „unmittelbar anpacken“: „die Abschaffung Natürlich freuen wir uns über eine Rekordzahl einer der größten Ungerechtigkeiten: dass an Beschäftigten, und das hat auch viel mit sozi- Frauen für die gleiche Arbeit weniger ver- aldemokratischer Politik zu tun. Aber diese Freu- dienen als Männer“. Das klingt erst mal de über positive Entwicklungen kann doch nicht großartig, doch wie wollen Sie das ganz heißen, negative Entwicklungen zu verschwei- konkret „anpacken“? Island plant bis 2020 gen, die es eben auch gegeben hat. Fragen Sie den Gender-Pay-Gap zu schließen, indem doch mal den Arbeitnehmer, dessen Reallohn Betriebe quasi zur Lohngleichheit ge- seit Mitte der 1990er-Jahre nicht gestiegen, son- zwungen werden. Ein vorstellbares Modell dern gesunken ist. Und das ist kein Einzelfall. für Deutschland? Dass Frauen für die gleiche Die unteren 40 Prozent der Beschäftigten haben Arbeit nicht das Gleiche verdienen wie ihre 2015 real weniger verdient als Mitte der 1990er- männlichen Kollegen finde ich einen Skandal. Jahre. Den reichen 10 Prozent gehört mittlerwei- Erinnern Sie sich doch nur daran, wie hart es le mehr als die Hälfte des gesamten Vermögens war – auch gegen die ganzen Unions-Frauen – in Deutschland. Hinzu kommt, dass die Sprei- das Entgelttransparenzgesetz > Seite 10
wir
10 Politik
„Seit 154 Jahren ist Gerechtigkeit
das Markenzeichen der SPD. Ich
werde nicht lockerlassen, bis die LGBTI-Asylsuchende aus einem von klar ist natürlich auch: Ein Beitritt kommt
Deutschland als „sicherer Herkunfts- unter den jetzigen Bedingungen nicht in
Lohnlücke zwischen Frauen und
staat“ eingestuften Land sind in ihrer Betracht. Dabei dürfen wir nie vergessen:
Männern geschlossen ist“ Heimat nicht zwangsläufig sicher. Erdoýan ist nicht die Türkei.
Man könnte sogar sagen, sie sind es In Ihrer Rede zur Eröffnung des
nie. Wie steht die SPD zur Debatte um Wahlkampfes sagten Sie, Sie wollen
sichere Herkunftsländer? Und wie Rassisten, Populisten und Extremis-
durchzusetzen. Es reicht nicht aus, wie soll zukünftig Schutz suchenden/ge- ten den Kampf ansagen. Klingt gut.
Jens Spahn Diskriminierung zu beklagen, flüchteten LGBTIs geholfen werden? Wie soll das konkret geschehen? Wir
aber dann keinen Finger zu rühren, wenn Wir stehen für eine humanitäre Flücht- werden im Wahlkampf deutlich machen,
es darauf ankommt. Seit 154 Jahren ist Ge- lingspolitik. Das gilt auch bei der Einstufung dass die Rechtspopulisten eben keine Ant-
rechtigkeit das Markenzeichen der SPD. von Ländern als sichere Herkunftsländer. wort auf die Probleme der Menschen
Ich werde nicht lockerlassen, bis die Lohn- Es ist ein Missverständnis, wenn immer haben. Die AfD will nichts weniger, als un-
lücke zwischen Frauen und Männern ge- wieder gesagt wird, hier gebe es kein Asyl- sere liberale und offene Gesellschaft ab-
schlossen ist und für gleiche Arbeit auch verfahren mehr. Hier kommt es auf die schaffen. Sie raunen viel von Volk und
gleicher Lohn gezahlt wird. Das Gleiche gilt Einzelfallprüfung an. Darauf legen wir gro- Vaterland – als würde das auch nur einen
für das Recht, nach Teilzeit wieder in Voll- ßen Wert. einzigen Arbeitsplatz schaffen. Sie schwad-
zeit arbeiten zu können. Das betrifft viele Immer wieder wurde der Umgang der ronieren ausgiebig von Nation und Identi-
Frauen, die etwa nach der Geburt eines Regierung Merkel mit Präsident Er- tät – als könnte man damit auch nur eine
Kindes ihre Arbeitszeit zunächst verrin- doýan kritisiert, da sie eine konstante einzige Schule sanieren. Daher sagen wir
gert haben. Die Union lässt die Frauen hier Unterstützung der AKP-Regierung ganz klar, die AfD ist keine Alternative für
weiter in der Teilzeitfalle sitzen. Das ist darstelle. Welchen Weg halten Sie für Deutschland, sondern eine Schande für die
nicht gerecht, das werde ich ändern. den richtigen im Umgang mit der Tür- Bundesrepublik. Das ist die politische Aus-
Warum sollten Frauen die SPD wäh- kei, vor allem auch im Hinblick auf einandersetzung, die wir führen müssen.
len? Schließlich gab es noch nie eine die Beitrittsverhandlungen zur EU? Aber wir werden auch mit aller rechts-
SPD-Kanzlerkandidatin und die CDU Die Entwicklungen in der Türkei sind ex- staatlichen Härte gegen extremistische Ge-
hat immerhin Angela Merkel. Wer hat trem besorgniserregend. Die türkische Re- walt vorgehen. Neben der konsequenten
denn in dieser Regierung gegen den erbit- gierung entfernt jeden Andersdenkenden Strafverfolgung wollen wir auch die Prä-
terten Widerstand der Union wichtige Ge- aus dem öffentlichen Dienst, drangsaliert ventionsarbeit ausweiten. Bereits in den
setze für Frauen durchgesetzt? Das waren Oppositionsparteien und Medien – und vergangenen Jahren haben wir die Mittel
Andrea Nahles, Manuela Schwesig und denkt an ein Referendum über die Todes- im Bundesprogramm „Demokratie leben!“
Heiko Maas. Frauenquote, Lohngerechtig- strafe. Die Demokratie und die gesellschaft- mehr als verdreifacht. Diesen Weg der Vor-
keit, Reform des Sexualstrafrechts, sodass liche Pluralität sind ernsthaft gefährdet. beugung wollen wir fortführen. Darum
der Grundsatz „Nein heißt nein“ endlich Ge- Hier darf man kein Blatt vor den Mund werden wir mit einem Gesetz zur Demo-
setz wurde. Die SPD hat vielfach gezeigt, nehmen, sondern muss der türkischen Re- kratieförderung und Extremismuspräven-
dass Frauenpolitik bei ihr in sehr guten gierung in aller Schärfe deutlich machen, tion die Strukturen der Präventionsarbeit
Händen ist. dass es so nicht weitergehen kann. Und langfristig sichern. < ( 030 ) 47 99 74 00
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12 HIV
Geschichte
machen
Es war eine historische Pressekonferenz
am 12. Mai in Berlin: Manuel Izdebski
(Bundesvorstand der Deutschen Aids-
Hilfe), Exbundestagspräsidentin Rita Süss-
muth und DAH-Pressesprecher Holger
FOTO: JASON HARRELL
Wicht (Foto: v. l. n. r.) stellten die Kampa-
gne „Kein Aids für alle!“ vor, die nichts
Geringeres als das Ende von Aids in
Deutschland bis 2020 zum Ziel hat
> „Den Unterschied zwischen HIV und Aids hat es Auch Maik aus Bayern – eines der Gesichter der
schon immer gegeben, aber nie war er so groß Kampagne – hätte sich seine Aids-Erkrankung
wie heute“, betont der Pressesprecher der Deut- sparen können, wenn er rechtzeitig zum Test ge-
schen Aids-Hilfe (DAH), Holger Wicht. HIV muss gangen wäre: „Ich hatte noch die alten Bilder von
heute nicht mehr zu Aids führen – wenn das Virus Aids im Kopf“, sagt Maik heute. „Und ich hatte
durch einen Test rechtzeitig erkannt wird. Genau Angst, dass ich abgestempelt wäre, wenn ich HIV
hieran hapert es noch: Mehr als 1.000 Menschen hätte.“ Gewichtsverlust, Dauerdurchfall, eine
jährlich erkranken in Deutschland an der Im- schwere Pilzinfektion: Trotzdem dauerte es ein
munschwächekrankheit – die meisten, weil sie Jahr, bis ihm ein Spezialist einen Aids-Test vor-
nichts von ihrer HIV-Infektion wissen. Knapp schlug. Maiks Erfahrung weist auf ein anderes
13.000 Menschen leben hierzulande unwissent- Problem: ÄrztInnen haben HIV im entscheiden-
lich mit HIV. Andere Menschen haben keinen Zu- den Moment oft nicht auf dem Schirm. Sie sollen
gang zu HIV-Medikamenten. deshalb besser sensibilisiert werden.
Damit soll in drei Jahren Schluss sein: „Kein Aids Schwulen und bisexuellen Männern empfiehlt
für alle“ lautet die Kampagne, die die DAH im Mai die DAH im Rahmen ihrer Kampagne „Ich weiss
angestoßen hat. Unterstützt wird sie von der ehe- was ich tu“, sich generell einmal jährlich testen zu
maligen Gesundheitsministerin Rita Süssmuth, lassen – ungeachtet dessen, wie sie ihre Sexuali-
die Ehrenmitglied der DAH ist. „Sie steht wie kein tät leben. Bei der Aktion „40 Orte – 40 Aktionen“
anderer Name für den Beginn der Krankheit in werden DAH-Mitgliedsorganisationen in ganz
den 80er-Jahren“, so Pressesprecher Holger Deutschland Projekte starten, die für den Nutzen
Wicht. „Deswegen ist es geradezu atemberaubend, eines frühzeitigen HIV-Tests sensibilisieren.
dass wir mit ihr zusammen nun das Ende in den Unter den vielen Zielgruppen der Kampagne be-
Fokus nehmen können.“ Die Vorkämpferin der finden sich auch Berliner Schwule: Bisher waren
erfolgreichen deutschen Präventionsstrategie unter den Nutzern des Testangebots der Berliner
macht mit ihrer Präsenz die historische Dimensi- Aids-Hilfe schwule Männer über 40 sowie schwu-
on des Vorhabens augenfällig. „Ausgrenzung le Männer ohne Abitur deutlich unterrepräsen-
müssen wir entschieden entgegentreten, Versor- tiert. Die sollen nun für einen Aids-Test
gungslücken schließen“, beschreibt Frau Süss- gewonnen werden – mit Gutscheinen, die in Sze-
muth die Strategie. Um die Ängste zu lindern, die nekneipen verteilt werden. Ähnliche Aktionen
viele von einem HIV-Test abhalten, will man ein richten sich speziell an MigrantInnen, Menschen
neues realistisches Bild von Aids vermitteln: Dass in Haft, SexarbeiterInnen oder Menschen, die
man nämlich bei rechtzeitiger Diagnose und Be- Drogen konsumieren. „Wir haben es auch damals
handlung heute mit HIV lange und gut leben, ja geschafft, mit allen Bürgerinnen und Bürgern
sogar auf natürlichem Wege Kinder bekommen und der Aids-Hilfe zusammen“, erinnert Frau
kann, wie Frau Süssmuth betont. „Mit dem zwei- Süssmuth an den Beginn der erfolgreichen deut-
ten Ziel bohren wir ein dickeres Brett“, so Holger schen Präventionsstrategie. „Wir können etwas
Wicht. „Hier geht es darum, die Stigmatisierung verändern, wenn wir zusammenhalten.“ <
weiter abzubauen.“ Carsten BauhausHIV 13
> Als Rudolf Hampel 1988 zum Team des neu gegründeten Infoladens
Mann-O-Meter, damals noch in der Tempelhofer Manteuffelstraße,
stieß, hätte er sich nicht träumen lassen, dass er nach fast dreißig Jah-
ren noch im Vorstand desselben Projektes aktiv sein würde. „Bun-
desweit waren wir die Ersten, die eine Schwulenberatung mit
Schwerpunkt HIV/Aids eröffneten. Bis heute sind viele zusätzliche
Angebote dazugekommen, wobei das schwule Überfalltelefon Maneo
und die anonymen, aber begleiteten HIV-Tests die herausragendsten
sind“, erzählt Rudolf.
In diesem Jahr feiert Mann-O-Meter noch ein besonderes Jubiläum:
2007 wurde – gegen einige Widerstände – der HIV-Schnelltest auf Ini-
tiative von Rudolf in Deutschland eingeführt. In den vergangenen
zehn Jahren haben über 10.000 Teilnehmer die verschiedenen
Testangebote wahrgenommen. „Die Schnelltests waren das Beste,
was uns passieren konnte“, ergänzt Wolfgang Osswald, verantwort-
FOTO: HASSAN
lich für das gesamte Testangebot. „Alle Infizierten, die therapiert wer-
den, fallen als Weitergeber aus. Das hat als Erstes das Robert
Koch-Institut erkannt und deren Einschätzung hat uns in der Au-
ßenwirkung viele Türen geöffnet.“ Heute ist das Mann-O-Meter im
schwulen Kiez in der Bülowstraße fest verankert. Das gemütliche
Foto:
Rudolf Hampel (li.) und Gemeinsam Cafè, das man zuerst betritt, lässt auch nervöse Besucher schnell ihre
Angst verlieren. „Es hat sich herumgesprochen, dass wir hier keinen
Wolfgang Osswald von
Aids beenden
unter moralischen Gesichtspunkten fragen: Warum machst du den
Mann-O-Meter Test? Grade konnten wir die Schnelltests auf drei Tage pro Woche aus-
weiten“, erzählt Wolfgang stolz. Die Testbereitschaft steigt, auch dank
Alle Infos zum anony- verbesserter Therapien. „Wir erreichen allerdings auch nicht jeden:
men Schnelltest unter Das Ende von Aids in Deutschland rückt in greifba- Geflüchtete, die türkische Community oder die Jungen, die denken,
mann-o-meter.de re Nähe – wenn wir alle mithelfen. Wichtig dabei: PrEP sei ein Wundermittel“, erklärt Rudolf. „Unser Ziel für die nächs-
Regelmäßig zum HIV-Test gehen! Zum Beispiel bei ten Jahre ist, dass sich jeder schwule Mann testen lässt.“ Dann wird
Mann-O-Meter, deren niedrigschwelliges Angebot der neue Blutabnahmestuhl, den die Schwestern der Perpetuellen In-
eines HIV-Schnelltests nun zehn Jahre alt wird dulgenz gestiftet haben, sicher nie leer bleiben. < Ingo Lenzwir
14 Nightlife
Tuntenterror
In bestimmten Stadtteilen verankerte Kulturveranstaltungen oder
Kiezfeste gibt es viele in Berlin – die meisten allerdings ohne konkre-
ten Bezug zu den in den jeweiligen Bezirken lebenden LGBTIs. Neben
dem Torstraßen Festival (08.–11.06.), das häufig queere MusikerIn-
nen im Programm hat, oder dem Bergmannstraßenfest, auf dem in
der Vergangenheit immer wieder Tunten und andere Acts aus der
Community die Bühne unsicher machten, wird nun auch in Neukölln
FOTO: ALEXANDER HEIGL
vorhandenes Kulturgut durchgequeert: Das Minifestival 48 Tunten
Neukölln findet in diesem Jahr zum ersten Mal parallel zu und ge-
meinsam mit dem Kunstfestival 48 Stunden Neukölln statt
48 Tunten Neukölln, > Vom 23. bis zum 25. Juni werden verschie- auch hier präsent sind. Und im eher hetero geprägten Kunst-Event
23.06.–25.06., dene Orte in Neukölln mit Performances 48 Stunden Neukölln für etwas Farbe sorgen.“
diverse Uhrzeiten und zum Thema Tunte bespielt. Darunter eine In der Schwulenszene war der Begriff Tunte ursprünglich ein
Locations Schminkshow in den Schaufenstern des Kul- Schimpfwort für feminine Männer. Doch gab es stets einige, die sich
turzentrums Gelegenheiten und ein Tunten- die Bezeichnung aneigneten und zum Politikum machten. Die Roll-
Programm: spaziergang ins Karstadt am Hermannplatz treppenidee etwa, sagt Kaey, sei nicht neu. „Das haben die Tunten in
23.06.: 19:00, Silver inklusive Besetzung einer Rolltreppe. den 90ern schon gemacht.“ Die Polittunte ist bis heute eine speziell
Future (Konzertabend), „Was eine Tunte ausmacht, ist die Sichtbar- berlinerische Institution, die neben Spaß am Uneindeutigen vor
23:00, SchwuZ (Party), keit“, sagt Toni Transit, einer der beiden Or- allem auch Politik- und Gesellschaftskritik auf die Bühne bringt. Das
24.06.: 14:00, Gele- ganisatorInnen des Festivals. „Tunten, wiederzubeleben sei ein Ziel des Festivals, sagt Toni. „Aber auch, den
genheiten (Schmink- Dragkings, sichtbare Homos und Queers: sie Begriff Tunte zu öffnen für ein neues Verständnis. Dragkings sind
performances, werden als solche erkannt. Mit allen Vor- genauso willkommen, oder genderqueere PerformerInnen, die sich
Tuntenspaziergang u. und Nachteilen, die das mit sich bringt.“ Mit jenseits der strengen Einteilung ,Damenimitatorin' bewegen.“
a.), 22:00, Ludwig dem Festival soll genau diese Sichtbarkeit Dabei kommt die Kunst nicht zu kurz: neben einer Tuntenlesung
(Tuntenshow), 25.06.: gefeiert werden. Sie träume schon lange oder einem Tuntensalon wird in der Bar Ludwig eine Gruppenaus-
15:00, Kindl Stuben davon, so etwas zu machen, erzählt Koorga- stellung gezeigt, mit Tuntengemälden und Fotografien. Auftaktparty
(Lesung), 19:00, Lud- nisatorin Kaey. Nicht nur, weil das Wortspiel des Festivals ist am 23. Juni im SchwuZ, einer der Institutionen, in
wig (Videoabend) 48 Stunden/48 Tunten so schön sei. Auch, denen die Berliner Tuntenkultur einst erblühte. Höhepunkt der
Weitere Infos im weil es genug DragperformerInnen oder Nacht wird eine Saalwette sein: Das SchwuZ wettet, dass Berlin es
Programmteil! Tunten gibt, die in Neukölln leben. „Wir wol- nicht schafft, bis 2:00 morgens 480 Tunten auf der Bühne zu vesam-
len dem Mainstream zeigen, dass Queers meln. Wenn das keine Herausforderung ist. < Franziska Schulteß
Bestattungsvorsorge. Eine Sorge weniger.
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Community 15
Fort Romeau Gonno Konstantin Leif Matthew Styles Nick Höppner Virginia
Edward Magic Touch Roi Perez Sleep D Steffi The Black Madonna
Jurassica Parka ist
Boris DJ Nobu Fiedel Jay Clarke Len Faki Marcel Dettmann
Berlins bekannteste
Multimediatranse mit
eigenem YouTube-
Kanal, eigener Party,
„Popkicker“ (10.06.)
im SchwuZ, und eige-
ner Late-Night-Show
(03.06., BKA). Am
11.06. und am 17.09.
schlüpft sie in die Rolle
der Elvira Klöppelschuh
und bringt mit Christi-
Janus|NON Xchange
an Radke das schwule
LIVE
90er-Kultbuch „Elvira
Angel-Ho Bonaventure Juliana Huxtable
JASSS LIVE Joachim Nordwall LIVE S. Jay & M. Jay
GRAFIK: JURASSICA PARKA
auf Gran Canaria“ im
Pet Shop Bears
Ada Amateurboyz Ata Pet Shop Bears
BKA auf die Bühne
(20:30 Uhr)
Klubnacht
Klubnacht
Ideal
Start 22 Uhr
> Hallo, ihr süßen Puppis. Es ist Juni, die Sonne beendete er am 4. Mai öffentlichkeitswirksam auf
Bill Kouligas Vladimir Ivkovic
Start 22 Uhr
Start 24 Uhr
Start 24 Uhr
wärmt mir meine kalten, abgestorbenen Krallen – Facebook die Zusammenarbeit! Sehr professionell.
Start 24 Uhr
herrlich. Und während ich mich nackt auf meiner Kann man so was nicht hinter den Kulissen klären
Berghain TR-101 LIVE Ben Klock
Panorama Bar Bézier LIVE Cashu
Dachterrasse räkle, gibt es da unten, in den ganz – so wie Nina? Über die Gründe kann ich nur spe-
Berghain Terence Fixmer LIVE
Panorama Bar Fantastic Man
Donnerstag 29.06.2017
niederen Gefilden der Szene, wieder nur Streit und kulieren. Wahrscheinlich konnten die sich nicht ei-
Mittwoch 07.06.2017
Samstag 10.06.2017
Samstag 17.06.2017
Zwietracht. Es ist wunderbar. nigen, ob neben dem Käfig mit den ausgestellten
Freitag 30.06.2017
Zum Beispiel hörte ich, dass unser liebster Trans- Transvestiten der Chinapfannenstand oder das
vestit ohne Gewissen, Nina Queer, nie wieder im Bierzelt hingeklatscht werden soll.
LIVE
SchwuZ bei „Madonnamania“ auflegen will! Das Nicht einigen kann man sich in diesem Jahr auch in
ist erst mal keine schlechte Nachricht, wirkte die Kreuzberg ganz gut. Das Orga-Team des X*CSD
Panorama Bar
FAKA
gute Frau Queer im SchwuZ ohnehin immer ein zoffte sich mal wieder so heftig, dass nun keiner
bisschen wie eine Nonne im Puff ... oder wie eine mehr Bock hat, den alternativen CSD zu organisie-
Säule
Säule
Nutte im Kloster? Keine Ahnung, ihr wisst, was ich ren. Ganz komplizierte, hochpolitische Kiste! Der
meine: deplatziert. Besonders amüsant war ihre Be- angepeilte Termin war der 24.06., aber es steht in
gründung für die fristlose Kündigung des ohnehin den durchgegenderten Sternen, ob in diesem Jahr
kargen Arbeitsverhältnisses. Ich zitiere nicht, son- überhaupt was passiert. Politische Querelen haben
dern gebe lediglich den Wortlaut wieder (so wie beim Kreuzberger CSD starke Tradition, aber dies-
RTL Extra, wenn die mit versteckter Kamera Hygie- mal steckt der Wagen so richtig tief in der Scheiße.
netests in Schweinemastanlagen machen), also: Sie Hm. Der große CSD hat doch damals sogar Robert
könne für alle Ewigkeit nicht mehr im SchwuZ auf- Kastl überlebt, was kann also bitte jetzt in Kreuz-
legen, da sie sich im Schlaf den Zeh gebrochen berg so schlimm sein? Obwohl: Fühlt sich ja auch
habe. Und damit zeige Ninas Körper ihr unterbe- niemand anderes verantwortlich, wenn Südblock,
wusst, dass sie nie mehr ins SchwuZ gehen solle. Rattenbar und SO36 mal Nö sagen. Typisch. Egal.
Und außerdem habe sie bei ihren letzten Besuchen Was gibt es sonst? Ach ja! Betty Bond! Der größte
dort den Laden nicht mehr gespürt. Hm. Also dass Travestie-Schock seit Günther Beckstein im Dirndl
Nina nichts mehr spürt, das wissen wir bereits alle. feiert das 150. Comeback ihres Bingos! Die Gute
Sie hätte das auch weniger blumig formulieren hat im Motzstraßenkiez eigentlich schon alle Knei-
können. Nina, der queere Fiebertraum. pen durch. Niemand wollte mehr, also war Sende-
Apropos schlimme Krankheit: Auch dieses Jahr fin- pause … schade. Aber keine Sorge. Die Bingokugel
det zwischen Stadtfest und CSD wieder die fressbu- des Schreckens dreht sich wieder, und zwar im Im-
denbestückte Homoschau am Potsdamer Platz biss Dampfschwein! ... Aber Moment, klebte nicht
statt: die Berlin Queer Days! Aber ich will keine ebendort neulich ein „Zu verpachten“-Schild an
Vorschusslorbeeren verteilen, vielleicht wird’s ja der Scheibe? War Betty Bond etwa schon vor
dieses Jahr besser – es KANN nur besser werden. Bingo-Start bereits Pleitebeschleunigerin? Ich blei-
Im Vorfeld gibt’s aber schon wieder Knatsch. Pa- be dran, klettere raus aus dem Morast der Miss-
trick Ehrhardt (macht u. a. das Booking für die gunst – hinauf in meinen Elfenbeinturm der
„Propaganda“ und ist eigentlich ganz schnuckelig) Glückseligkeit und mache Krallenpflege. Die Pal-
hatte neulich noch die Orga-Fäden bei den Berlin menklettern-WM auf Isla Nublar startet bald. Ich
Queer Days in der Hand. Aber dann …, schwupps, muss mich vorbereiten. Eure Juju <wir
16 Community
14.9. – Bakterien, Gerüche und Leichen
15.9. – Mord im Museum
Szene
machen
Dr. Mark Benecke
Do. 14.9. & Fr. 15.9.2017 Bernd M. Droste (Foto) ist eigentlich ge-
Huxleys Neue Welt
lernter Koch. Er hat viele Jahre in Gastro-
nomie und Eventmanagement gearbeitet.
Seit 2015 ist er selbstständig und organi-
siert Privatfeiern und Hochzeiten. Seine
Erwin Pelzig Klienten und Klientinnen sind sowohl he-
Fr. 29.9. & Sa. 30.9.2017 tero als auch homo, doch hauptsächlich
Urania Berlin
wird er von schwulen Paaren engagiert.
Bernd M. Droste organisiert von der Suche
FOTO: FRANK BERTRAM
nach der richtigen Location bis hin zum
passenden Floristen alles. Im Interview hat
Carolin Kebekus er uns erzählt, mit welchen Tücken man
Sa. 14. Oktober 2017 als Weddingplaner umgehen muss
Max-Schmeling-Halle
18.10. & 19.10. – Was, wenn doch!?
20.10. – König Ödipus
21.10. – Swingende Notwendigkeit
22.10. – Klaviersdelikte
Bernd M. Droste ist > Du planst und organisierst Ich lade die beiden zum Essen ein
Weddingplaner Hochzeiten für homosexuelle und koche etwas Schönes. Wir un-
und Eventbetreuer Paare, aber auch für Heteros. terhalten uns und ich kann heraus-
Gibt es da einen Unterschied in finden, wie die beiden ticken. Dann
Weitere Infos: der Herangehensweise? Eine greife ich auf mein Netzwerk zu-
Bodo Wartke thedaytoremember.de Hochzeit ist in erster Linie eine rück und kontaktiere Floristen, Ca-
Mi. 18.10. - So. 22.10.2017 gaywedding.de tering-Service usw. und suche nach
Admiralspalast Feier mit Freunden und Familie. Vor
allem die Eltern des Paares haben passenden Locations. Ich stelle eine
oft eine genaue Vorstellung, was sie Auswahl zusammen, von der ich
sich für ihre Kinder wünschen. In denke, dass sie zum Paar und des-
den meisten Fällen ist die Familie sen Wünschen passen könnte, und
Die Feisten natürlich selbst nicht queer und das präsentiere das Ganze.
Fr. 27. Oktober 2017 kann dann kompliziert werden. Die Es gibt immer noch keine Ehe
Urania Berlin
schwulen und lesbischen Paare für alle. Hast du den Eindruck,
haben oft unkonventionellere Vor- das schmälert die Freude deiner
stellungen, die ihre Eltern nicht KlientInnen? Der ganze politische
immer teilen. Es ist dann meine Aspekt der Gleichstellung spielt für
Erich von Däniken Aufgabe, als Puffer zu agieren und meine KlientInnen meist keine Rolle
So. 19. November 2017 dafür zu sorgen, dass das queere mehr. Die Entscheidung zu heiraten
UdK Berlin
Paar auch eine Hochzeit nach sei- haben sie, wenn wir sprechen, ja be-
nen Wünschen bekommt. reits getroffen, und es geht ihnen
Bisher hast du erst eine lesbi- hauptsächlich um ihr gemeinsames
sche Hochzeit organisiert. Wie Glück. Sie möchten zeigen, dass sie
Götz Alsmann & Band kommt das? Ich bekomme haupt- zusammengehören.
Sa. 9.3. & So. 10.3.2018 sächlich Anfragen von schwulen Glaubst du trotzdem, dass die
Admiralspalast
Paaren. Aber man kann tatsächlich Nachfrage ansteigen würde,
die Klischeeschublade aufmachen wenn es die Ehe für alle gäbe?
und sagen, dass lesbische Paare ein- Ja. Bereits als die steuerliche Gleich-
fach seltener opulent heiraten. Viele stellung für gleichgeschlechtliche
Gerburg Jahnke gehen aufs Standesamt und wollen Paare beschlossen wurde, haben sich
Sa. 28. April 2018 danach einfach in kleinem Kreis in der Folge deutlich mehr schwule
Tempodrom
etwas Privates unternehmen. Paare das Jawort gegeben und das
Tickets und Infos
030 755 492 560
Wie gehst du vor bei deiner Pla- dann auch gefeiert. < Interview: Kaey
www.d2mberlin.de nung? Ich nehme mir viel Zeit, das
sowie bei allen guten VVK-Stellen
Hochzeitspaar kennen zu lernen.News 17 TESTSIEGER
Kurz und bündig
+++ Die Grünen wollen eine Bundestagsabstim-
mung zur Ehe für alle über das Bundesverfas-
sungsgericht erzwingen, nachdem die große
Koalition das Thema seit Jahren immer wieder ver-
tagt. Volker Beck (Foto) reichte die Klage am 18.05.
FOTO: ANGELIKA KOHLMEIER
in Karlsruhe ein. Die Partei will mit ihrem Vorgehen
erreichen, dass der Rechtsausschuss vom Bundes-
verfassungsgericht verpflichtet wird, die Abstim-
mung noch vor der Sommerpause und der letzten
planmäßigen Sitzung am 30. Juni zu ermöglichen.
+++ Die Existenz des Village ist bedroht! Der Holz-
boden in einem der beiden Räume des queeren
Community-Centers wurde 2016 während eines
Starkregens zerstört. Um sich weiterhin finanzieren
zu können, ist das Village auf die Einnahmen seiner
beiden Studios angewiesen. Noch bis zum 01.06.
läuft eine Crowdfundingkampagne auf
startnext.com, um Geld für die Reparatur aufzutrei-
ben. Im Village findet u. a. das Stretch-Festival für
schwule, bisexuelle, trans* und queere Männer
statt. Mehr Infos auf village.berlin
+++ TrlQ – TransInterQueer e. V., Trialog e.
V./Queer Leben und Gladt e. V. suchen dringend
neue barrierefreie Räumlichkeiten für ihr queeres
Kompetenzzentrum. Ihr alter Mietvertrag läuft Ende
Juni aus, weil der aktuelle Vermieter Eigenbedarf
angemeldet hat. Die neuen Räumlichkeiten sollten
sechs Büroräume, vier Beratungsräume und einen
Gruppen- und Veranstaltungsraum umfassen. Kon-
taktdaten unter transinterqueer.org
+++ Auf der Eisensteig-Party im Mai wurden zum
ersten Mal ein Mr. Eisensteig Fetish und ein Mr.
Leather Brandenburg gekürt (Foto). Die Fetish-Out-
door-Party findet immer an ungewöhnlichen Locati-
ons im Berliner Umland statt. Das nächste Event
Finden Sie
steigt am 10. Juni. Der Ort stand bei Drucklegung
noch nicht fest. Infos unter eisensteig.jimdo.com
Ihren passenden
+++ Mitte Mai veröffentlichte das schwule Anti-Ge-
walt-Projekt Maneo seinen Jahresreport für 2016.
Partner über
Insgesamt wurden 291 in Berlin begangene Fälle
mit einem homophoben und trans*phoben Hinter-
grund erfasst. Das sind 40 Übergriffe mehr als 2015.
Allerdings betonte Bastian Finke, Leiter von Maneo,
dass Übergriffe auf LGBTIs in Berlin inzwischen bes-
ser ermittelt und geahndet werden und somit das
Dunkelfeld kleiner werde.
+++ Das Bündnis Enough is Enough! und das Akti-
onsbündnis gegen Homophobie e. V. sammeln wei-
terhin Spenden, um AktivistInnen und Opfern der
Schwulenverfolgung in Tschetschenien zu hel-
fen. Die Spenden unter dem Link bit.ly/aktiv-helfen
Jetzt parshippen
gehen an das Russian LGBT-Network.wir
18 Reise
Foto: Im Bukchon
Hanok Village von
Seoul
über die aktuelle politische Lage ins Gespräch komme und der ge-
rade seinen zweijährigen Wehrdienst als Sanitäter im Militärhospi-
tal macht. „Von daher hat sich hier kaum etwas verändert.“
Die Koreaner sind überaus fleißig: Schon früh geht der Arbeitstag los,
was zur Folge hat, dass die U-Bahnen wunderbar leer sind, wenn
man seinen Touri-Tag erst um zehn beginnt – dafür alle mit Wi-Fi
ausgestattet und so sauber, dass man kein Kaugummipapier fallen
lassen möchte. Als Erstes sollte man in dieser Riesenstadt in die Ge-
schichte eintauchen. Wer es aufregend mag, beginnt im Korean War
Memorial, in dem die bewegte Kriegsgeschichte Koreas erzählt wird.
Beschaulicher geht es in einem der alten Tempel zu, mit oft riesi-
gen, malerischen Parkanlagen. Der bedeutendste ist der Gyeong-
bokgung-Palast, zu Deutsch der „Palast der strahlenden Freude“. Er
war bis 1910 Sitz des koreanischen Kaisers. Die Japaner zerstörten
die meisten Gebäude, auch der Krieg in den Fünfzigern ließ nicht viel
übrig, anschließend wurden der Palast und die Gärten allerdings lie-
bevoll wiederaufgebaut. Gleich nebenan liegt das etwas höher gele-
gene Bukchon Hanok Village: In kleinen, flachen, 600 Jahre alten
Holzhäusern, die auf einem Hügel stehen, finden sich heute Dut-
zende von Läden, Teehäusern, Restaurants, aber auch Wohnungen.
FOTO: MICHAEL G. MEYER
Alte Frauen gehen mit Schildern durch die Gassen, auf denen steht:
„Ruhe bitte! Hier wohnen Menschen!“ Im Bukchon Hanok Village
kann man wunderbar den Nachmittag verbringen und herunter-
schauen auf das hektische Leben des modernen Seouls.
Die koreanische Hauptstadt ist im Schnitt zwar teuer, dafür kann
man als Tourist auch Schnäppchen machen, etwa mittags für kleines
Geld im gigantischen Kwang Jang Market essen oder sich im inter-
nationalen Stadtteil Itaewon ein Hemd bei Hamilton Shirts schon ab
Soul of Seoul
25 Euro maßschneidern lassen. Itaewon, fast im Zentrum, ist der idea-
le Ausgangspunkt, um die Stadt zu erkunden. Nicht nur, weil hier das
Homo-Viertel ist (genannt „Homo-Hill“, etwas höher gelegen auf
Weitere Infos: In der aktuellen politischen Lage erscheint eine einem Hügel), sondern auch weil die Menschen in Itaewon besser
visitseoul.net Reise nach Korea eher als ungewöhnliche Idee. englisch sprechen und man wirklich alles in einem der Hunderte
Doch während Pjöngjang im Norden mit Atomwaf- von Läden und Restaurants bekommen kann, rund um die Uhr.
Korean Queer fen droht, verläuft das Leben im südkoreanischen In Itaewon finden sich in nur einem Kilometer Umkreis rund ein
Festival: kqcf.org Seoul überraschend entspannt. SIEGESSÄULE-Autor Dutzend Gay-Bars und -Clubs, auch eine schwule Sauna. Am Wo-
Michael G. Meyer war vor Ort unterwegs chenende sind die Läden und die engen Straßen zwar rappelvoll,
Beste Bars: aber die Koreaner sind nicht bekannt für die ganz wilden Partys.
SoHo, Trance, beide in Man darf nicht vergessen: Die Mentalität ist eher zurückhaltend, die
Itaewon > „Wohin fährt du, nach Seoul? Spinnst du?“, Gesellschaft spricht selten offen über Homosexualität. Es gibt zwar
Bester Club: fragt mich eine Freundin, als ich ihr von kein Verbot in Südkorea, allerdings sind Soldaten im Militärdienst
Pulse – ist mit 20 Euro meiner geplanten Reise erzähle. Im Mai homosexuelle Kontakte gesetzlich untersagt. Im Vorfeld der Präsi-
Eintritt für deutsche waren die politischen Spannungen zwi- dentschaftswahl am 9. Mai wurde auch der Fall diskutiert, dass 700
Verhältnisse aber eher schen Nordkorea und den USA aufgrund des schwulen Soldaten bei Grindr und GayRomeo regelrecht aufgelau-
teuer Atomprogramms des sozialistisch-totalitä- ert wurde und sie angeklagt werden sollten. Allerdings wird darauf
ren Staates mal wieder besonders heftig. wohl angesichts der politischen Spannungen verzichtet, man will
Doch von all dem merkt der Tourist in Süd- nicht noch mehr Unruhe im Militär. Im Nachtleben spürt man von
korea nichts. Die Neun-Millionen-Stadt derlei Debatten und Tabus natürlich nichts, aber dennoch: Wer Be-
Seoul empfängt den Besucher ausgespro- kanntschaften machen will, muss oft den ersten Schritt wagen.
chen freundlich und entspannt. Dass nur 50 Jedes Jahr im Juni geht es in Seoul offener zu als im Rest des Jah-
Kilometer nördlich eine potenzielle Bedro- res: So ist das „Queer Korean Festival“ mit Filmen, Konzerten und
hung lauert, merkt man den Menschen Veranstaltungen ein echtes Highlight der Gay Community und auch
nicht an. „Wir leben seit Jahren damit, dass die Gay Pride Parade ist nach Bangkok die größte in Südostasien.
es mal knallen könnte“, sagt Joseph-Kim, ein Daher: Wer Südkorea und Seoul entdecken will, für den ist gerade
junger Seouler, mit dem ich in einer Bar jetzt die richtige Zeit, und das trotz der politischen Spannungen. <Sie können auch lesen
