Manuskript ZÜNDFUNK Generator - Titel: Bayerischer Rundfunk

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Manuskript

ZÜNDFUNK Generator

Titel:            Das Ende vom Schweigen der Lämmer:
                  Was hat sich nach einem halben Jahr #metoo in Kultur und Medien
                  verändert?

Autorin:          Barbara Streidl

Sendedatum: 15.04.2018

Sendezeit:        22.05 – 23.00 Uhr

Redaktion:        ZÜNDFUNK / Julia Fritzsche

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MUSIK             Katy Perry, The one and only

drüber

ZSP 01            Oscar an Frances McDormand

                  (Jodie Foster): “And the Oscar goes to:”

                  (Jennifer Lawrence): “Frances McDormand, ‘Three Billboards

                  outside Ebbing, Missouri’”! (Applaus)

                  (Frances McDormand): “So, I’m hyperventilating a little bit, if I

                  fall up, help me because I’ve got some things to say.”

ERZ               Dolby Theatre in Los Angeles. Frances McDormand betritt die

                  Bühne. Sie erhält einen Oscar für ihre Hauptrolle in „Three

                  Billboards outside Ebbing, Missouri“. Sie dankt dem Regisseur,

                  allen Anwesenden und im Besonderen ihrer Familie, ihrem „Clan“,

                  wie sie sagt. Dann bittet sie alle Frauen, die 2018 für einen Oscar

                  nominiert wurden, aufzustehen: Die Filmemacherinnen, die

                  Produzentinnen, die Drehbuchautorinnen, die Komponistinnen, die

                  Bühnenbildnerinnen – alle erheben sie sich von ihren rot

                  gepolsterten Stühlen.

ZSP 02            Oscarrede von Frances McDormand

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(Applaus)         (Frances     McDormand):             “Okay,        look      around

                  everybody, look around: Because we all have stories to tell

                  and projects we need financed. Don’t talk to us at the parties

                  tonight, invite is to your offices in a couple of days, or you

                  can come to ours, which ever suits you best, and we will tell

                  you about them.”

ERZ               Alle für einen Oscar nominierten Frauen möchten Geschichten

                  erzählen, planen Projekte, die finanziert werden müssen. Sprecht

                  uns an, sagt Frances McDormand – und zum Schluss hat sie noch

                  eine Idee:

ZSP 03            (Frances McDormand): “I have two words to leave with you

                  tonight, ladies and gentlemen: ‘Inclusion rider’.” (Applaus)

ICH               An der Stelle habe ich mich gewundert, Anfang März 2018, als ich

                  die Oscarnacht mitverfolgte: Was bitte ist ein „inclusion rider“?

ZSP 04            Jeff Vespa inclusion rider

                  Inclusion rider – a rider is a attachment essentially to a

                  contract. That rider can say in your contract ‚I will not work

                  on this movie, I will not work for you as a company in less

                  you agree to certain stipulations. Such as the crew of this

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movie needs to be fifty percent women. Or such as the male

                  lead and the female lead must be paid the same.

Overvoice         Ein „inclusion rider“ ist ein Zusatz zu einem Vertrag. Damit

                  können Bedingungen ausgehandelt werden, zu denen jemand

                  für einen Film arbeitet, etwa „die Filmcrew muss zu 50

                  Prozent aus Frauen bestehen“ oder „die männliche und die

                  weibliche Hauptrolle müssen dasselbe verdienen“.

ERZ               Jeff Vespa kennt sich aus in Hollywood, er ist Ende 40 und ein

                  sehr bekannter Fotograf aus Los Angeles: Er fotografiert seit

                  vielen Jahren die Stars, Jake Gyllenhaal, Chloe Sevigny, Robert

                  Pattinson, Kheira        Knightley,        Robert       de Niro.        Gelegentlich

                  produziert       er   auch   Filme.      Für     Jeff     Vespa       war      Frances

                  McDormands Erwähnung des „inclusion rider“ der wahre „#metoo-

                  Moment“ bei den Oscarverleihungen 2018: Für ihn hat sie damit

                  einen Weg aufgezeigt, Strukturen zu verändern.

ZSP 05            Jeff Vespa biggest thing

                  Because that quite frankly could be something that would

                  change the industry a lot quicker than anybody could

                  imagine.

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Overvoice         Denn das würde die Industrie schneller ändern, als wir uns

                  vorstellen können.

MUSIK             Little Axe, When I rise

drüber

ICH               In der #metoo-Bewegung geht es zum Einen um konkrete

                  Gewalterfahrungen, also darum, wer wen wann belästigt hat. Es

                  geht aber auch um die dahinterliegenden Strukturen, die die

                  Belästigungen zulassen, in vielen Fällen folgenlos. Es geht um ein

                  System, das es etwa einem mächtigen Filmemacher ermöglicht

                  haben        soll,    über    Jahre       hinweg        Schauspielerinnen              mit

                  sexualisierter Gewalt zu begegnen, ohne dafür belangt zu werden.

                  Mehr Frauen, als ich Finger habe, werfen Harvey Weinstein vor,

                  sie in seiner rund 30-jährigen Zeit als Produzent angegriffen zu

                  haben. Er hätte versprochen, die Frauen zu Stars zu machen,

                  wenn sie sich fügen. Wenn nicht, hätte er trotzdem nach ihnen

                  gegriffen und hinterher Schweigegeld gezahlt. Geschwiegen

                  haben die meisten – bis Oktober 2017.

Musik             Joan Baez, Another world

drüber

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ZSP 06            SPRm Titel

                  Das Ende vom Schweigen der Lämmer: Was hat sich nach

                  einem halben Jahr #metoo in Kultur und Medien verändert?

                  Sendung von Barbara Streidl

ERZ               Seit        Februar           2018          prüfen         US-Staatsanwaltschaften

                  Anklagevorwürfe gegen Harvey Weinstein. Auch gegen sein

                  Unternehmen, die Weinstein Company, ermitteln sie, wegen

                  Verletzung            der    Bürgerrechte,          Menschenrechte              und       des

                  Arbeitsrechts.

ICH               Dass Weinstein zahlreiche Frauen belästigt und angegriffen

                  haben soll, wussten anscheinend viele in Hollywood – sie haben

                  das auf jeden Fall in den letzten Monaten eingeräumt:

                  Schauspielerinnen, Regisseure, Geldgeber, Leute aus den

                  Filmcrews. Und auch Jeff Vespa aus Los Angeles: Jahre nachdem

                  er Rose McGowan im roten Kleid neben Weinstein fotografierte,

                  erfuhr er, dass die beiden sich außergerichtlich geeinigt hatten:

                  McGowan hatte Weinstein 1997 der Vergewaltigung bezichtigt.

                  Sie war es, die zwanzig Jahre später, vor rund sechs Monaten, im

                  Oktober 2017, eine Lawine lostrat, als sie auf Twitter ihr

                  Schweigen brach.

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ZSP 07            Jeff Vespa Rose’s story

                  I, I knew. I have been kind of around for a very long time, and

                  when this all comes out to see the picture rerun for many

                  times, that I shot of Rose and Harvey together, I didn’t have a

                  good feeling about that.

Overvoice         Ich wusste es, ich bin ja schon lange dabei. Und als alles

                  rauskam und dieses Foto, das ich von Rose und Harvey

                  gemacht hatte, überall zu sehen war, fühlte ich mich nicht

                  sehr gut.

ERZ               Das Foto von Rose McGowan und Harvey Weinstein, sie im roten,

                  schulterfreien Kleid, er daneben, im dunklen Anzug ohne Schlips,

                  entstand vor rund zehn Jahren, bei der Premiere des Films

                  „Grindhouse“.         McGowan,        die     die     Hauptrolle        spielte,      und

                  Weinstein, der Produzent, stehen nebeneinander: Ein typisches

                  Bild von einer Filmpremiere.

MUSIK             Little Axe, London Blues Dub

drüber

ICH               Dieses Bild erzählt eine Geschichte: Dass McGowan überhaupt in

                  einer Weinstein-Produktion eine Hauptrolle bekam, nachdem sie

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ihn der Vergewaltigung beschuldigt hatte, lag am Engagement des

                  Regisseurs: Robert Rodriguez gab ihr eigenmächtig die Rolle.

                  Denn Weinstein hatte McGowan auf eine Art „Blacklist“ verbannt:

                  Sie durfte nicht in von seiner Firma finanzierten Filmen spielen.

                  Auch andere Schauspielerinnen wurden – wohl aus ähnlichen

                  Gründen – auf dieser Liste geführt, was ihren Karrieren schadete.

                  Über all das, die sexualisierten Attacken, die schwarze Liste,

                  diesen Machtmissbrauch, darüber sprach niemand. Damals.

                  Warum?

ZSP 08            Jeff Vespa couldn’t have done

                  I certainly couldn’t have done anything against him. I

                  certainly couldn’t even have talked to him. Even if I had talked

                  to him, it wouldn’t have done anything. Let’s put it in another

                  way. If a friend of mine – forget Rose – if some other friend of

                  mine, came to me and said ‘Harvey Weinstein did this to me’

                  and it was something that just happened, than that would

                  have been a different story. I would have done everything to

                  support that person to come out and tell the story.

Overvoice         Ich hätte nichts gegen ihn ausrichten können, nicht mal mit

                  ihm sprechen können. Selbst wenn ich mit ihm gesprochen

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hätte, hätte das nichts verändert. Aber hätte eine Freundin

                  von mir erzählt, dass Harvey Weinstein ihr gerade eben etwas

                  angetan hätte, hätte ich alles getan, um sie zu unterstützen

                  und ihre Geschichte öffentlich zu machen.

ICH               Jeff Vespa windet sich offensichtlich: Es mag am Hörensagen

                  gelegen haben, dass er nichts unternahm, vielleicht auch daran,

                  dass Rose McGowan für ihn nur eine Kundin war, für die er dann

                  aber Kopf und Kragen hätte riskieren müssen. Seit Oktober 2017,

                  seitdem durch Rose McGowan und die daraus entstehende

                  #metoo-Bewegung Harvey Weinsteins Übergriffe international

                  bekannt wurden, gibt es viele solche Geschichten. Frauen und

                  Männer, die sexualisierte Gewalt erfahren haben, die sich

                  ausgeliefert fühlten, berichten. Ebenso wie Frauen und Männer,

                  die von Übergriffen wussten, gehört hatten, etwas ahnten, sich

                  aber nicht in der Lage sahen, zu handeln, einzuschreiten,

                  aufzustehen, zu protestieren.

                  Dass sie ihr Schweigen brechen, ist für viele ein erster Schritt in

                  eine gewaltfreiere Welt. Doch hat sich abseits der plötzlichen

                  heftigen Aufregung schon etwas verändert?

ZSP 09            Anne Wizorek Veränderung

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Was sich natürlich grundlegend verändert hat, ist, dass wir

                  noch darüber reden. Ich glaube, vielen ist gar nicht bewusst,

                  wie neu das tatsächlich ist, dass eine Sexismusdebatte so

                  lange anhält wie es jetzt im Fall von #metoo ist. Weil sonst

                  wird das Thema ja gerne schnell wieder unter dem nächsten

                  Nachrichtenzyklus begraben.

MUSIK             To Rococo Rot, She loves me

drüber

ERZ               Anne Wizorek, Autorin und feministische Aktivistin, hat etwas

                  Ähnliches 2013        im deutschen             Sprachraum mitinitiiert:              die

                  Onlineaktion #aufschrei gegen Alltagssexismus. #metoo ist wieder

                  eine Aktion mit einem Hashtag, doch diesmal ist der Impact

                  größer, internationaler: Viele, viele Geschichten sind erzählt

                  worden, Talk-Show-Hosts wie Charlie Rose wurden ebenso

                  beschuldigt wie Hollywood-Produzenten oder Schauspieler. Und:

                  Es blieb nicht bei den Geschichten: Die Oscar-Academy

                  bezeichnete Weinsteins Verhalten als „abstoßend, abscheulich

                  und unethisch“ und schloss ihn aus. Wenig später warfen mehrere

                  Schauspieler dem zweifachen Oscar-Preisträger Kevin Spacey

                  sexuelle Belästigung vor – in der Folge wurden seine Szenen aus

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dem Film „Alles Geld der Welt“ von Regisseur Ridley Scott

                  persönlich herausgeschnitten.

ICH               Es hat sich also wirklich etwas getan: Ein vermeintlicher Täter wird

                  aus dem System Hollywood ausgeschlossen – und somit auch

                  seine Kunst.

ZSP 10            Anne Wizorek was haben wir vermisst

                  Für mich ist es dann auch eher der Punkt zu gucken, wie

                  können wir die Projekte fördern, von den Personen, die eben

                  nicht so mit ihren künstlerischen Stimmen zu hören waren.

                  Dass wir uns auch darauf konzentrieren, was haben wir denn

                  bisher vermisst? Das ist ja auch ein Problem in der

                  Diskussion, dass das dann immer dargestellt wird, ja, wenn

                  wir jetzt die ganzen Filme von Kevin Spacey und Dieter Wedel

                  und wie sie alle heißen, wenn wir die weg lassen, dann bliebe

                  keine Kunst mehr übrig. Und stimmt natürlich überhaupt

                  nicht, im Gegenteil, wir haben ganz viele künstlerische

                  Beiträge einfach immer noch nicht sehen können, weil die

                  Menschen, die sie beizutragen hätten, eben durch diese

                  gewaltvollen Strukturen verdrängt worden sind.

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ICH               Da sind wir wieder bei den „inclusion riders“ aus der Rede von

                  Oscarpreisträgerin Frances McDormand: Vor allem die großen

                  Stars haben es in der Hand. Sie können mit ihrem Einfluss

                  Bedingungen stellen, zum Beispiel 50 Prozent Frauen am Set,

                  gleiche und transparente Honorare. So können sie helfen,

                  diejenigen sichtbar und hörbar zu machen, die bislang keine

                  Stimme und keine Bühne zur Verfügung hatten. Bis McDormand

                  im März 2018, also nach mehreren Monaten #metoo-Bewegung,

                  von „inclusion riders“ und den damit verbundenen Möglichkeiten

                  sprach, hatte kaum jemand davon Notiz genommen.

                  Welche anderen Maßnahmen gibt es nach einem halben Jahr

                  #metoo?

ERZ               Eine      neue        Initiative   kommt        von     „Time’s       up“,     eine      US-

                  amerikanische Kampagne, angeführt von Frauen aus der

                  Unterhaltungsindustrie              wie      den      Schauspielerinnen              Reese

                  Witherspoon, Ashley Judd und Eva Longoria, der Produzentin

                  Shonda Rimes und der Anwältin Tina Tchen. Die Time’s up-

                  Macherinnen hatten keine Zeit für ein Interview mit dem

                  Bayerischen Rundfunk, sondern schrieben in einer Mail, um was

                  es ihnen geht.

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ZSP 11            SPRw Time’s up

                  Eine von drei Frauen zwischen 18 und 34 wird an ihrem

                  Arbeitsplatz sexuell attackiert. 71 Prozent dieser Frauen

                  schweigen             darüber.     Quer       durch        alle     Branchen,          von

                  Farmarbeiterinnen zu Restaurantaushilfen, wurden Frauen zu

                  lang zum Schweigen gebracht.

                  Time’s up hat über 19 Millionen US-Dollar gesammelt, um

                  Einzelnen zu helfen, sich vor Gericht und in der Öffentlichkeit

                  gegen sexuelle Angriffe zu wehren.

                  Daneben setzt sich Time’s up für die Idee „5050by2020“ ein:

                  Bis       zum         Jahr     2020        sollen        50       Prozent         Frauen

                  branchenübergreifend                in    allen      Ebenen         gleichberechtigt

                  arbeiten, die Führungsetagen mit inbegriffen.

ERZ               Das Geld von Time’s up kommt von den Stars: Jennifer Aniston

                  und Taylor Swift haben gespendet, Mark Wahlberg kündigte an,

                  seine Gage für die Nachdreharbeiten von Ridley Scotts Film „Alles

                  Geld der Welt“ zu spenden.

ICH               Womit er nicht nur Geld in Aussicht stellt, sondern auch die

                  Bedeutung der „inclusion rider“ zeigt: Schon weit vor #metoo hatte

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Wahlberg in eben einem solchen Vertragszusatz eine Bedingung

                  festgelegt: ein Veto-Recht hinsichtlich der Auswahl seiner Co-

                  Stars. Als Kevin Spacey dann ersetzt werden soll, handelt

                  Wahlbergs Agentur aufgrund dieses Veto-Rechts zusätzliche 1,5

                  Millionen US-Dollar für eine Handvoll Drehtage aus. Wahlbergs

                  Co-Hauptdarstellerin Michelle Williams hat so etwas nicht in ihrem

                  Vertrag und erscheint für eine Gage von rund 80 Dollar pro Tag

                  noch mal auf dem Filmset.

ERZ               Bislang haben die Creative Artist Agency – J.J. Abrams, Cate

                  Blanchett, George Clooney und Michelle Pfeiffer werden von ihr

                  neben vielen anderen vertreten – und die Agentur ICM Partners

                  zugesagt, Time’s up zu unterstützen.

ICH               Nicht alle sind begeistert von Time’s up. In einer Talkshow hat z.B.

                  Rose McGowan, wohl prominenteste Beschuldigerin von Harvey

                  Weinstein, gesagt, die Idee wäre schon gut, doch am Ende ginge

                  es um positive Aufmerksamkeit, die einige Agenturen erzeugen

                  wollen:

ZSP 12            Rose McGowan

                  The intentions are good. But I know the people behind it. It is

                  four CAA agents who needed good PR. And I hope I

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desperately hope that they help these women. But there is

                  Justin Timberlake hashtagging “my wife looks hot tonight”

                  hashtag “time’s up” hashtag “I just did a movie with Woody

                  Allen”. So come on, it is fake.

ERZ               Da Justin Timberlake in Woody Allens neuem Film „Wonder

                  Wheel“ spielt, nennen viele seine Unterstützung von Time’s up

                  Heuchelei: Woody Allens Adoptivtochter Dylan Farrow wirft

                  Timberlake vor, mit dem Mann zu arbeiten, der sie als

                  Siebenjährige sexuell missbrauchte – was Woody Allen bis heute

                  bestreitet.

ZSP 13            Rose McGowan (weiter)

                  I wish it wasn’t our heroes. But sometimes our heroes needed

                  to be better.

ICH               „Ich wünschte, es wären nicht unsere Helden. Aber manchmal

                  müssten unsere Helden eben besser sein“, sagt Rose McGowan.

                  Doch die Debatte über sexualisierte Gewalt sollte Anfang 2018

                  noch andere Helden stürzen. Auch in Deutschland.

MUSIK 01          Ezra Furman, God lifts up the lowly

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ICH               Die Geschichten, die unter dem Hashtag #metoo in den letzten

                  Monaten öffentlich bekannt wurden, zeigen, dass sexualisierte

                  Gewalt gegen Frauen bei Filmproduktionen oder an Theatern kein

                  Hollywood-Phänomen sind – es gibt sie überall auf der Welt. Auch

                  in Deutschland gab es einen Skandal, als der renommierte

                  Regisseur Dieter Wedel beschuldigt wurde, Schauspielerinnen

                  attackiert zu haben. Von diesen Angriffen wussten nicht nur die

                  Kolleginnen           und     Kollegen         am      Set,      sondern        auch       die

                  Produktionsfirma – und der Saarländische Rundfunk.

ZSP 14            Sandra David Wedel

                  Anhand von dem Beispiel ist natürlich in der ganzen ARD

                  überprüft         worden,          gibt’s      bei     uns       im     Haus        weitere

                  Verdachtsfälle, und da sind sie aktuell noch dran am

                  Aufarbeiten. Der Bayerische Rundfunk hatte eben eine Serie

                  mit Dieter Wedel, und da ist nichts bekannt gewesen, und der

                  NDR hat jetzt zuletzt auch dementiert, die ja auch mehrere

                  Produktionen hatten, dass sie ihm auch nichts nachweisen

                  können.

ERZ               Sandra David ist Gleichstellungsbeauftragte im Bayerischen

                  Rundfunk. Seit den Vorwürfen gegen Dieter Wedel tauschen sich

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die ARD-Anstalten aus – sie untersuchen alte Produktionsakten

                  auf      mögliche         Vorfälle.      Und:        Sie      wollen        ein      neues

                  Verantwortungsgefühl schaffen, in der ARD und bei den

                  Unternehmen, die Filme in ihrem Auftrag realisieren.

ZSP 15            Sandra David ARD

                  und       dort        versucht     die      ARD        momentan            auch,       eine

                  übergeordnete zentrale Anlaufstelle zu schaffen, gemeinsam

                  mit den Produktionsfirmen, und es wird aktuell auch geprüft,

                  ob      hier     bei     den      bestehenden              Leitlinien       eine      Anti-

                  Diskriminierungsklausel eingefügt werden kann.

ICH               Es gibt viele Produktionsfirmen, die zum Teil eng mit den

                  Sendeanstalten              verwoben             sind:        Tochterunternehmen,

                  Tochtertochterunternehmen gar, die im ARD-Auftrag drehen. Es

                  werden und wurden unterschiedliche Verträge abgeschlossen zu

                  wahrscheinlich           unterschiedlichen             Bedingungen             und       mit

                  unterschiedlichen Honoraren. Eine zentrale Anlaufstelle zu

                  etablieren, das kann man sich wirklich als Mammutaufgabe

                  vorstellen. Eine Anti-Diskriminierungsklausel würde wohl auf Basis

                  des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes formuliert werden,

                  das jede Form von Diskriminierung aufgrund von Alter, ethnischer

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Herkunft, Geschlecht, Religionszugehörigkeit, Behinderung oder

                  sexueller Identität verhindern soll.

ERZ               Im Bayerischen Rundfunk gibt es schon länger eine „Null

                  Toleranz“-Grenze, was bedeutet …

ZSP 16            Sandra David Null Toleranz

                  …      dass       jegliche    Art     von      sexueller         Belästigung           am

                  Arbeitsplatz oder Machtsmissbrauch nicht geduldet wird.

ERZ               Wird ein Verstoß gegen diese Null-Toleranz-Grenze gemeldet,

                  geht die Personalabteilung gemeinsam mit der Führungsetage

                  diesem sofort nach, das ist auch im Intranet des Bayerischen

                  Rundfunks nachzulesen.

ICH               Null Toleranz gegenüber sexuellen Übergriffen und Leitlinien

                  gegen Diskriminierung generell, das schützt im konkreten Fall.

                  Und solche Maßnahmen weisen durch ihre bloße Existenz darauf

                  hin, dass es ein Ungleichgewicht zwischen Männern und Frauen

                  gibt. Das hat ja auch der Fall der BBC-China-Korrespondentin

                  Carrie Gracie gezeigt, die ihren Job nach Jahrzehnten kündigte:

                  Sie erfuhr durch die Offenlegung der BBC-Gehälter, dass sie

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deutlich weniger verdiente als ihre Kollegen an gleicher Stelle mit

                  gleicher Qualifizierung.

ZSP 17            Johanna Montanari Macht

                  In dem Bereich #metoo, da haben wir ganz viele Fälle, da

                  geht’s um Prominente, da geht’s ums Showbusiness, da

                  gibt’s sehr starke Machtgefälle, mit jungen Frauen die auf

                  ältere Männer in Machtpositionen treffen. Und ich glaube,

                  diese Situationen sind nicht auf diese Beziehungen begrenzt,

                  die     äußern         sich       aber      sehr      machtvoll          durch       dieses

                  Machtgefälle. Und klar, die Möglichkeiten, Nein zu sagen, sind

                  nicht für alle gleich zugänglich, und gerade in Beziehungen

                  mit Machtgefällen weniger zugänglich. Es ist leichter, sich zu

                  treffen, wenn es kein so großes Gefälle gibt.

ERZ               Johanna Montanari ist Autorin. Sie lebt in Berlin, arbeitet als

                  Redakteurin           für   die     Wochenzeitung            Der      Freitag      und      ist

                  Mitherausgeberin des Buches „Wege zum Nein“, in dem es in

                  verschiedenen Texten um neue Modelle von Beziehungen geht,

                  Arbeitsbeziehungen wie private Beziehungen. Anlass des Buches

                  war die Änderung des Sexualstrafrechts im Jahr 2016 in

                  Deutschland, durch die „Nein“ wirklich „Nein“ heißen soll.

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ICH               Das Gesetz wurde hier in Deutschland also schon vor der #metoo-

                  Bewegung              geändert.          Das      lag       vielleicht        an        den

                  aufsehenerregenden               Übergriffen         gegen         Frauen        in      der

                  Silvesternacht 2015/16 in Köln, wo unter den Tätern auch viele

                  Migranten waren. Vielleicht lag es aber auch an den schon

                  bestehenden Diskussionen über die Grenze zwischen Sexualität

                  und sexualisierter Gewalt, wie sie auch die #aufschrei-Debatte

                  vorangetrieben hatte. Und hier kommen wir an einen weiteren

                  Punkt, an dem sich in den letzten Jahren – jetzt verstärkt durch

                  #metoo – etwas ändert: die Geschlechterverhältnisse und damit

                  verknüpfte            Machtstrukturen.            Der        Baukasten             unserer

                  Geschlechterrollen, in dem sich die Frau ziert, der Mann trotzdem

                  erobert,       der     zeigt    sich     auch      in    der     #metoo-Bewegung.

                  Sexualisierte          Gewalt      ist     ein     Abbild       unserer         historisch

                  gewachsenen Vorstellung von Beziehungen zwischen Männern

                  und Frauen.

ZSP 18            Johanna Montanari Zitat

                  „Es gibt eine machtvolle Erzählung, in der die Person, welche

                  ein Grenze überschreitet, mit Männlichkeit verbunden wird.

                  Die Person, die ihre Grenzen aufzeigt, wird mit Weiblichkeit

                  verbunden, selbst wenn sich diese anders definiert.“

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„Ich glaube, dass die Metapher der Grenze auf feindselige

                  Logiken verweist, auf Logiken der Herrschaft, und dass diese

                  Logiken dafür sorgen, dass Beziehungen zu Käfigen werden.

                  Ich wünsche mir Beziehungen mit Verbündeten voller

                  Wohlwollen. Dazu gehört für mich Nein sagen zu können,

                  ohne dass das bedeutet, dass ich mich abgrenze.“

ERZ               Ein Auszug aus dem Text „Kein Käfig, keine Grenze“ von Johanna

                  Montanari. Sie weist darauf hin, dass es dringend eine

                  gesellschaftliche Debatte über die Verknüpfung von „Sexualität“

                  und „Gewalt“ benötigt. Wer etwa von „sexualisierter Gewalt“

                  spricht, ordnet die Sexualität als eine Spielart der Gewalt unter;

                  wer von „sexueller Gewalt“ spricht, stellt die beiden Begriffe als

                  miteinander verwoben dar.

ICH               Aus diesem Grund spreche ich von „sexualisierter Gewalt“ im

                  Rahmen der #metoo-Bewegung. Dass Sprache ein wichtiges

                  Instrument in der Gleichstellungsarbeit ist, sagt auch Sandra

                  David, die sich für eine geschlechtergerechte Sprache im

                  Bayerischen           Rundfunk         engagiert.          Daneben           will      sie

                  Vertrauenspersonen auch in Sachen „Sexuelle Belästigung

                  erkennen“ ausbilden, auch aus der Personalabteilung und der

                  Führungsetage.

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ZSP 19            Sandra David Verunsicherungen

                  Ich glaub, dass es eben auch zu Verunsicherungen führt im

                  Umgang miteinander zwischen Frauen und Männern, also,

                  was darf ich, was darf ich nicht, und genau solche

                  Fragestellungen können dann in so einem Seminar auch in

                  einem kleinen geschlossenen Raum auch mal besprochen

                  werden. Ich selber hab bereits lang vor #metoo Kontakt mit

                  unserer Ausbildung aufgenommen, dass man da auch

                  Präventionsmaßnahmen ergreift, da bekommen die Azubis

                  Workshops auch zu diesem Thema, wie gehe ich damit um,

                  was kann ich denn tun, wenn ich mitbekomme, dass das

                  jemand anderem passiert, an wen wende ich mich, wie kann

                  ich da Kontakt aufnehmen. Jede Frau empfindet anders,

                  nimmt das anders wahr, und wenn ich mich da dann selber

                  irgendwie beleidigt fühle, angemacht fühle, dann sollte ich

                  das auch einfach direkt sagen. Und so kann man Konflikte

                  oder Unsicherheiten aus dem Weg räumen, und man überlegt

                  sich beim nächsten Mal, was sage ich dann. Da braucht’s

                  auch Interesse für den anderen Menschen auch, um zu

                  merken, wie tickt der oder die.

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ICH               In der #metoo-Bewegung wollen viele Betroffene und Zeugen

                  Menschen zur Rechenschaft ziehen für etwas, was diese getan

                  oder gesagt haben. Viele wollen unter dem Stichwort aber auch

                  klarmachen und gemeinsam erörtern, welches Verhalten wir in

                  unserer Gesellschaft tolerieren, und welche Strukturen ein

                  gleichberechtigtes Miteinander von Menschen ermöglichen. Beim

                  Aushandeln des richtigen Verhaltens werden wir immer wieder an

                  Grenzen stoßen, welche Geschichten zu #metoo gehören und

                  welche nicht:

ERZ               Der Schauspieler Matt Damon hat öffentlich gesagt, es gebe für

                  ihn einen Unterschied zwischen jemanden an den Hintern fassen

                  und Vergewaltigung oder Kindesmissbrauch. Auch wenn Damon

                  sofort nachgeschoben hat, dass all diesen Fällen nachgegangen

                  werden        solle,   bekam      er    deutlichen        Gegenwind.          In    einer

                  Onlinepetition fordert etwa Rebekka G., dass Damon aus seinem

                  neuen Film, „Ocean’s 8“ herausgeschnitten wird. Bislang wurde

                  die Petition knapp 30.000 Mal unterschrieben. Die Aktion mag

                  überzogen sein, dennoch gibt es offensichtlich Probleme damit,

                  was ein Fall für die #metoo-Bewegung ist und was nicht. Anne

                  Wizorek:

ZSP               Anne Wizorek Fälle

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Interessanterweise sehe ich diesen Vorwurf gar nicht mal von

                  den Betroffenen selber, die sich unter #metoo äußern,

                  sondern eher von denjenigen, die sowieso ne Haltung zu

                  #metoo haben, dass sie der Meinung sind, es wäre zu viel

                  und nicht notwendig. Aber ich sehe schon, dass wir natürlich

                  über das gesamte Spektrum sexualisierter Gewalt auch

                  sprechen können müssen. Sexualisierte Gewalt heißt ja, jede

                  sexuelle Handlung, die gegen den Willen einer Person

                  ausgeübt wird. Und das fängt eben schon an bei einem

                  ekligen Spruch, bei Grabschereien, und das kann auch schon

                  absolut erniedrigend sein für eine Person. Samantha Bee hat

                  das so schön gesagt in einer ihrer Moderationen, in ihrer

                  Show, da hat sie gesagt, ‚Etwas muss nicht erst eine

                  Vergewaltigung sein, um einen Menschen zu zerstören, und

                  es muss sich nicht erst um eine Vergewaltigung handeln,

                  damit wir darüber reden können dürfen.’

ICH               Es gibt also eine Diskussion über das, was sexualisierte Gewalt ist

                  und wie wir damit umgehen. Es gibt internationale Stars, die sich

                  in Vertragszusätzen für faire Arbeitsbedingungen einsetzen. Es

                  gibt neue Hilfsgelder für Betroffene von sexualisierter Gewalt und

                  eine neue Debatte über Geschlechterrollen. Was hat das mit der

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großen Politik und dem globalen Rechtsruck zu tun? Im November

                  2016 wurde ein bekennender Frauenverachter zum „leader of the

                  free world“ gewählt: Donald Trump.

MUSIK 02          Tracey Thorn, Sister

ZSP 20            Jeff Vespa new word

                  It’s hard to even say he’s like a sexual predator, that’s not

                  even enough, that even doesn’t describe what he did. I tell my

                  friends like Jeffrey Dahmer he is a serial killer I mean, it’s that

                  horrible. They have to come up with a new category for the

                  Harvey Weinsteins and Bill Cosbys of the world. Those

                  people are beyond like sexual predators. They have to be

                  called like something much worse. Specifically Harvey

                  created his life around, that was his main activity. Like

                  making movies was not his main activity. His main activity

                  was abusing women. And everything else was like a side

                  project. And everything that he did, all of his world was

                  created specifically to damage women.

Overvoice         Es ist schwer, ihn als Sex-Raubtier zu bezeichnen, das reicht

                  nicht aus. Er ist ein Serienmörder wie Jeffrey Dahmer – wir

                  brauchen eine neue Kategorie für die Harvey Weinsteins und

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Bill Cosbys der Welt. Besonders Harvey arrangierte sein

                  Leben um seine Haupttätigkeit – Filmemachen war das nicht,

                  sondern         Frauen      missbrauchen.             Alles      andere        war      ein

                  Nebenprojekt. Das, um was sich alles drehte, war: Frauen zu

                  beschädigen.

ERZ               Viele Frauen haben dieses Fehlverhalten zumeist und bis vor

                  kurzem hingenommen, zum Teil mit für sie schlimmen Folgen.

                  Ähnlich wie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Bill Cosby,

                  Dieter Wedel, Kevin Spacey, dem TV-Moderator Charlie Rose

                  oder dem Komiker Louis C. K.: Ihre Teams haben Gewalt,

                  sexistische           Äußerungen,           sexualisierte          Attacken           oder

                  Demütigungen hingenommen.

ICH               Im Rahmen der #metoo-Bewegung ist über dieses Hinnehmen

                  gesprochen worden: Viel läge an der berüchtigten Praxis des „hire

                  and fire“: In den USA, wo es im Vergleich zu Deutschland so gut

                  wie gar keinen Kündigungsschutz gibt, ist diese weit verbreitet.

                  Dazu kommen Karrieretipps wie „Impress the boss“, die Donald

                  Trump vor Jahren schon in seiner Fernsehshow „The Apprentice“

                  gab – von seinen Mitarbeiterinnen verlangt er wohl bis heute, dass

                  sie ausschließlich hübsche Kleidchen tragen. Auf der Republican

                  National Convention wurde Trump 2016 zum republikanischen

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Präsidentschaftskandidaten gewählt, während seine Fans T-Shirts

                  und Tassen verkauften, auf denen ein zum griechischen Held

                  stilisierter Trump das abgeschlagene Medusenhaupt von Hillary

                  Clinton in Händen hält. Im TV-Duell schließlich bezeichnete er

                  seine Gegnerin als „nasty woman“, als „bösartige Frau“. Kurz

                  darauf wurde er Präsident der Vereinigten Staaten.

ZSP 21            SPRw Zitat Marlene Streeruwitz

                  Jetzt. Nach dieser Wahl. Da könnte ich ja 'blöde Fotze' zu

                  Ihnen sagen, und es kann mir nichts passieren.

ERZ               In einem Artikel in der österreichischen Zeitung Der Standard

                  beschreibt            die    Schriftstellerin         Marlene         Streeruwitz          ein

                  Zusammentreffen kurz nach den US-Präsidentschaftswahlen mit

                  einem älteren Mann in einer Tiefgarage. Sie kommen ins

                  Gespräch, der Mann äußert sich kritisch über Frauen, die nicht

                  arbeiten wollen, sondern nur versorgt sein möchten, von reichen

                  Männern. Dann bezeichnet er die Schriftstellerin als ZITAT

                  „Fotze“. Und lächelt – „ich meine das nicht böse“, sagt er dann,

                  und „Die Zeiten haben sich geändert.“

                  Mit Trump hätte, wie Streeruwitz schreibt, „eine gewalttätige Kultur

                  des Rassismus und der Frauenverachtung gewonnen“ – was sie

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durch die Worte des ihr unbekannten Mannes in der Tiefgarage

                  bestätigt sieht.

ZSP 22            Lila

                  (Susanne Klingner:) Das Spannende fand ich, dass Donald

                  Trump von ganz vielen Frauen als Katalysator identifiziert

                  wird.

ERZ               So die Journalistin und Podcasterin Susanne Klingner.

ICH               Sie beobachtet: Nicht nur ältere Männer fühlen sich ermutigt, so

                  richtig „die Sau rauszulassen“ in ihrem Umgang mit Frauen. Auch

                  Frauen verändern durch die Wahl eines bekennend misogynen

                  Mannes zum Präsidenten der Vereinigten Staaten ihr Verhalten.

                  Davon sprechen etwa US-Amerikanerinnen in der #metoo-

                  Bewegung.

ZSP 23            Lila (weiter)

                  (Susanne Klingner:) Eine Frau beschreibt das sehr emotional,

                  dass sie sagt, ‚Okay, hier sind in meinem privaten Leben

                  habe ich diesen Typen, der mich belästigt, der versucht, mich

                  zu vergewaltigen, und auf den bin ich wütend, aber ich hab

                  für mich beschlossen, dass auf immer im hintersten Winkel

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meines Gehirns zu verschließen und mit niemandem darüber

                  zu reden.’ Und dann, in dem Moment, in dem sie sieht,

                  jemand, der genau das Gleiche getan hat, wird zum

                  Präsidenten gewählt, hat in ihr diese Wut ausgelöst, dass sie

                  gesagt hat, ‚Jetzt ist Schluss’.

ERZ               Viele Frauen berichten, sie hätten Übergriffe von Vorgesetzten

                  oder in Bewerbungsgesprächen über sich ergehen lassen: „Ich

                  konnte es mir nicht leisten, den Job zu verlieren“, sagen sie, oder

                  „Ich war auf die Stelle angewiesen“. Als Präsident kippte Trump

                  die von seinem Vorgänger eingesetzten Arbeitsschutzgesetze –

                  und schürte die Angst vor einem „You are fired!“.

ICH               Die #metoo-Bewegung ist nicht nur eine lange Erzählung von

                  sexualisierter Gewalt gegen Frauen, sondern es geht also auch

                  um grundsätzliche wirtschaftliche Fragen: Wie gut schützt ein

                  Staat Angestellte und Auftragnehmerinnen arbeitsrechtlich vor

                  Kündigungen? Wer verdient wie viel und wie transparent sind

                  Gehälter in Unternehmen?

                  Somit geht es in der #metoo-Bewegung auch um ein neues

                  Miteinander, um Solidarität.

ZSP 24            TITEL

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Das Ende vom Schweigen der Lämmer: Was hat sich nach

                  einem halben Jahr #metoo in Kultur und Medien verändert?

                  Sendung von Barbara Streidl

ZSP 25            SPRm Zitat Burgtheater

                  Liebe            Kunst-          und            Kulturschaffende,                   liebe

                  TheaterbesucherInnen, liebe Kulturinteressierte,

                  es ist uns, den Unterzeichnenden, 60 MitarbeiterInnen und

                  ehemaligen MitarbeiterInnen des Burgtheaters, ein Anliegen,

                  hier und heute mit Ihnen einige Überlegungen zum Thema der

                  aktuellen Debatte um Gleichstellung, sexuelle Belästigung,

                  Nötigung, Grenzüberschreitungen und Machtmissbrauch in

                  Arbeitsverhältnissen zu teilen. …

                  Für      die     Unterzeichnenden             ist    es      erschreckend            und

                  beschämend,            dass        wir       einige         Jahre         und        eine

                  gesamtgesellschaftliche Debatte benötigt haben, um die seit

                  damals         nachwirkende        Erstarrung          und      Vereinzelung            zu

                  überwinden            und    überhaupt           miteinander            über       diese

                  Vorkommnisse zu reden. Und dass wir – teilweise durch

                  Rückzug auf die eigene Arbeit, durch Passivität oder durch

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Wegducken – mit dazu beigetragen haben, dass sich dieses

                  Klima verfestigen und ausbreiten konnte.

ERZ               Dieser offene Brief richtet sich auch an den ehemaligen Wiener

                  Burgtheater-Direktor Matthias Hartmann, dem eine Vielzahl an

                  unangemessenen Handlungen vorgeworfen wird, etwa ….

ZSP 26            SPRm Zitat Burgtheater

                  dass eine fast ausschließlich weibliche Besetzung von

                  Hartmann gefragt wurde, ob sie beim Oralsex das Sperma

                  schlucken würde und ob das einer kalorienbewussten

                  Ernährung widerspräche. Ungewollte Berührungen, wie ein

                  Schlag        auf     den    Hintern        oder      Umarmungen,               wurden

                  zahlreichen Mitarbeiterinnen zuteil.

ICH               Es gibt viele Gerüchte über die Machtstrukturen in der

                  Theaterwelt, angefangen bei der „Besetzungscouch“, auf der

                  junge Schauspielerinnen angeblich über ihre Karriere entscheiden

                  können, wenn sie sich willig gegenüber Intendanten oder

                  Direktoren zeigen. Durch die #metoo-Bewegung werden diese

                  Strukturen nun öffentlich diskutiert – so hätte es den Burgtheater-

                  Brief vorher wohl nicht gegeben. Erwähnt werden dort nicht nur

                  das Fehlverhalten des ehemaligen Theaterdirektors Matthias

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Hartmann, sondern auch das Totschweigen seiner Handlungen

                  durch die Burgtheater-Belegschaft. Ein typisches Schweigen im

                  Theaterbetrieb, das auch andere brechen wollen:

ZSP 27            Hannah Saar Angefangen

                  Angefangen hat das ungefähr vor einem Jahr, da hab ich mit

                  Melmun in der Kantine der Kammerspiele war das damals, wir

                  hatten gerade ein Projekt zusammen gemacht und haben

                  angefangen, uns zu unterhalten über unseren Weg ins

                  Theater und was wir da für Erfahrungen gemacht haben, und

                  wie es auch so ist, Gehaltsverhandlungen zu führen, und

                  viele andere solche Dinge. Wir sind dann im Austausch

                  geblieben         die   ganze      Zeit     und      haben        uns      Whatsapp-

                  Nachrichten geschickt, haben miteinander telefoniert, und da

                  hat sich eine Art Freundschaft draus entwickelt, obwohl wir

                  davor gar nicht viel miteinander zu tun hatten, auch nicht in

                  derselben Stadt gewohnt haben, und wir haben vor allem

                  immer dann telefoniert, wenn eine von uns eine schwierige

                  Situation im Arbeitsleben hatte.

ERZ               Hannah Saar ist Theatermacherin, sie arbeitet seit neun Jahren

                  als       Produzentin        und        Dramaturgin            für      verschiedene

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Inszenierungen. Was sie durch den Kontakt zu ihrer Kollegin

                  Melmun Bajarchuu, einer Berliner Dramaturgin und Philosophin,

                  kennengelernt hat, möchte sie mit anderen Theaterleuten teilen.

                  Mit Melmun und einigen mehr hat sie die „Initiative für Solidarität

                  am Theater“ gegründet.

                  Ihr Ziel ist es, die Strukturen, die an vielen Theatern existieren, zu

                  verändern.            In   einem        hierarchischen            und       patriarchalen

                  Theaterbetrieb seien die Verantwortlichen in der Regel männlich,

                  weiß und heterosexuell. Diese Verantwortlichen könnten frei

                  darüber entscheiden, wem welche Räume geöffnet werden – und

                  wem welche Tür vor der Nase zugeschlagen werde. Die

                  strukturelle Unterdrückung am Theater bezieht sich also nicht nur

                  auf sexualisierte Gewalt, sondern auch auf ökonomische und

                  berufliche Perspektiven. Das Schwierige – auch am Theater – ist,

                  so Hannah Saar, dass sich dort sehr viele als Einzelkämpferinnen

                  und Einzelkämpfer verstehen.

ZSP 28            Hannah Saar Theater

                  Ich glaube, weil das Theater ein Ort ist, an dem die

                  Individualität das Marketinginstrument schlechthin ist. Man

                  kriegt da von Anfang an mit, ‚Du musst rausstechen!’

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Ellenbogen rechts und links, und du musst was Besonderes

                  sein. Du musst das Genie sein und das geht nicht, wenn du

                  dich mit anderen zusammentust. Und der Markt ist so

                  wahnsinnig umkämpft, dass es da schwerfällt, miteinander zu

                  sprechen und sich auch gegenseitig zu unterstützen und zu

                  helfen, weil man ja die ganze Zeit darauf bedacht ist, selber

                  nicht zu kurz zu kommen.

ICH               Schweigen, um sich selbst zu schützen oder Vorteile zu haben,

                  das ist auch im Arbeitsleben ein weit verbreitetes Verhalten, nicht

                  nur bei Bewerbungsgesprächen oder Gehaltsverhandlungen.

                  Männer und Frauen schweigen über das, was sie selbst erleben,

                  aber auch über das, was sie bei anderen beobachten.

ZSP 29            Anne Wizorek Schweigen

                  Ich hab das erst jüngst in einem Vortrag genannt, dass ich

                  das schon als ein kalkuliertes Schweigen sehe, natürlich gibt

                  es andere Fälle, und das ist auch klar, aber dass eben den

                  Betroffenen sehr klar ist, auch mit welchem Backlash sie zu

                  rechnen haben, wenn sie sich dazu äußern, das hat ja jetzt

                  z.B. auch der Dieter-Wedel-Fall ganz klar gezeigt. Bei der

                  Beweislage, die wir da haben, und wie lange es zurückgeht,

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und wie lange es letztendlich von einem ganzen System

                  totgeschwiegen wurde, und jetzt melden sich die betroffenen

                  Frauen,         und   werden       trotzdem          immer         noch        extrem

                  angegriffen, das kriegen ja andere Betroffene auch wieder

                  mit. Das führt dann auch wieder dazu, dass sie den Mut, den

                  sie vielleicht gefasst haben über #metoo, leider auch wieder

                  verlieren.

ERZ               Die Autorin und Aktivistin Anne Wizorek.

ICH               Natürlich gibt es Theater, die feministische Stücke und Debatten

                  aufgreifen. Es gibt auch Inszenierungen, in denen nur Frauen auf

                  der Bühne stehen. Vermeintlich visionäre Programme und Stücke

                  bilden aber nicht unbedingt die Realität am Theater ab, sagt

                  Hannah Saar:

ZSP 30            Hannah Saar als Masse

                  Das heißt vor allem, dass auch feministische Stoffe, selbst

                  wenn die auf die Bühne kommen, sie uns durch die Augen

                  von weißen Männern erzählt werden.

                  Es gibt ja Genderbeauftragte an Theatern, das weiß nur

                  niemand – ich wusste das auch nicht – es wird aber nicht

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genutzt,              auch        Gewerkschaften                   werden              von

                  Theaterschaffenden nicht genutzt. Ich glaube eben genau

                  weil man/frau noch nicht umgeschaltet hat in dem Denken,

                  wir müssen solidarisch miteinander sein, sondern jeder muss

                  es für sich schaffen, und ich muss mir meinen Weg da

                  durchwursteln und hab leider keine Kraft, nach links und

                  rechts zu schauen. Deswegen bringt nur das Vereinen von

                  vielen vielen Theaterschaffenden etwas, mit verschiedenen

                  ökonomischen                 Hintergründen,               mit         verschiedenen

                  Geschlechtern, und alle solidarisch miteinander, mit dem

                  Wissen auch um die eigenen Privilegien, mit dem Wissen um

                  die unterschiedlichen Situationen in denen man sich befindet,

                  denn ich als weiße Frau habe andere Privilegien als eine Frau

                  of Colour, das kann man nicht in einen Topf werfen und

                  darauf zu schauen, dass man nur als Masse tatsächlich stark

                  ist.

ICH               Hannah Saar hofft, mit ihrer Initiative eine neue Solidarität in der

                  Theaterwelt zu schaffen. Die im Übrigen gespalten ist: Neben der

                  renommierten Stadt- und Staatstheaterwelt gibt es die freie

                  Szene, die zwar gefeiert wird für Wildheit und besondere

                  Kreativität – in der aber viele Frauen, Queere und Menschen mit

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