Zu viel versprochen? Grenzen und Potenziale der Outputsteuerung - Bildungspolitik

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Zu viel versprochen? Grenzen und Potenziale der Outputsteuerung - Bildungspolitik
H A N S A N A N D PA N T i m D i a l o g m i t M a r t i n a D i e d r i c h
Humboldt-Universität zu Berlin                               IfBQ, Hamburg

Zu viel versprochen? Grenzen und Potenziale der
Outputsteuerung
WZB Webinar 15.06.2021
Zu viel versprochen? Grenzen und Potenziale der Outputsteuerung - Bildungspolitik
2   Thesen zur Output-Steuerung

            These 0
                                          Wie war das noch schön….

Quelle: DER SPIEGEL 50 (2001)
Zu viel versprochen? Grenzen und Potenziale der Outputsteuerung - Bildungspolitik
3    Thesen zur Output-Steuerung

            These 1
                  Zahlreiche Staaten haben in den vergangenen 25 Jahren Elemente des
                  New Public Management sowie des Modells evidenzbasierter Steuerung
                  im Rahmen neuer bildungspolitischer Steuerungskonzepte
                  implementiert. Diese neuen Steuerungskonzepte verbinden Maßnahmen
                  zur Erhöhung von Rechenschaftspflicht (Accountability) mit Maßnahmen
                  zur Ausweitung von Autonomie auf den der Politik nachgelagerten
                  Entscheidungsebenen.
                  Weil im Vergleich zum alten Steuerungsmodell neben dem Zugang zu
                  Bildungsressourcen die Qualität der Lerngelegenheiten sowie die
                  erreichten Lernergebnisse erhöhte Aufmerksamkeit erfahren, sind eine
                  Verständigung über zu erreichende Standards sowie eine valide Messung
                  von Outcomes zentrale Voraussetzungen des neuen Steuerungsmodells.
Quelle: Thiel, Cortina & Pant 2014
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4    Thesen zur Output-Steuerung

            These 2
                In sogenannten High-Stakes-Systemen erfolgt eine testbasierte Zurechnung von
                Effekten auf Einzelschulen und Lehrkräfte mit dem Ziel der Akkreditierung von
                Schulen, der Entscheidung über Mittelzuweisung, über Einstellung und
                Bezahlung von Lehrkräften sowie – im Fall fortgesetzt auftretender Defizite –
                einen Austausch der Schulleitung.
                In sogenannten Low-Stakes-Systemen haben die Testdaten dagegen die Funktion
                eines Feedbacks für professionelle Akteure, auf dessen Grundlage Prozesse der
                Schul- und Unterrichtsentwicklung angestrengt werden sollen.
                Während High-Stakes-Systeme vor allem auf die Steuerungswirkung von
                Kontroll- oder Marktmechanismen setzen (Prinzipal-Agenten-Beziehung
                zwischen Schulverwaltung/Schulen oder Schulleitung/ Lehrkräften), betonen
                Low-Stakes-Systeme die Selbstregulierungskraft der professionellen
                Gemeinschaft.
Quelle: Thiel, Cortina & Pant 2014
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5    Thesen zur Output-Steuerung

            These 3
                  Von Kritikern des High-Stakes-Steuerungsansatzes werden häufig auch
                  die Zuverlässigkeit und die Validität der Leistungsdaten hinsichtlich der
                  Beurteilung der professionellen Leistung in Zweifel gezogen. Die
                  Messgenauigkeit von Effekten, die Lehrkräften oder Schulen zurechenbar
                  sind (Added Values), sei grundsätzlich als problematisch anzusehen,
                  sodass sie als Kennziffer für Lohnanteils- oder andere Mittelzuweisungen
                  fraglich seien.
                  Weitere Kritik: Standardbasierten Tests erfassten zum einen nur einen
                  kleinen Ausschnitt des Spektrums professioneller Leistungen von
                  Lehrkräften und es bestünden erhebliche Bedenken, weil unerwünschte
                  Einflussnahmen wie Teaching-to-the-Test oder gar Manipulation und
                  Betrug durch High-Stakes-Evaluationen verstärkt würden.
Quelle: Thiel, Cortina & Pant 2014
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6    Thesen zur Output-Steuerung

             These 4
                  Professionelle Selbstregulierung baut auf allgemeinen, durch die Profession definierten
                  und kontrollierten professionellen Standards auf. Voraussetzung für professionelle
                  Selbstregulierung sind (a) ein Kernbestand professionellen Wissens und professioneller
                  Normen, der die Qualität der professionellen Leistung begründet, (b) ein professionelles
                  Ethos, das die Leistungserbringung im Sinne dieser Normen motiviert, und (c)
                  Institutionen professioneller Selbstkontrolle, die Missbrauch professioneller Autonomie
                  sanktionieren können.
                  Leistungsdaten sind dem Ansatz der professionellen Selbstregulierung zufolge dann
                  wertvolle Informationen, wenn die Profession die zentrale Rolle bei der Definition der
                  Standards spielt und die Datenhoheit allein bei der Profession liegt, z. B. über interne
                  Evaluation zur Entwicklung schuleigener Curricula und kollaborativer
                  Unterrichtsentwicklung.
                  Die grundsätzliche Schwäche professionsgebundener Regulation besteht in „informellen
                  wechselseitigen Nichtangriffspakten“ (Schimank, 1994).

Quelle: Thiel, Cortina & Pant 2014
7    Thesen zur Output-Steuerung

            These 5
                  Nicht nur in der agenturtheoretischen, sondern auch in der
                  professionstheoretischen Perspektive werden Schulen als zentrale
                  Steuerungsakteure im Schulsystem betrachtet. Deshalb erscheint eine
                  differenziertere Analyse der tatsächlichen Autonomiespielräume in den
                  unterschiedlichen (Bundes-)Ländern von hohem Interesse.
                  Brauckmann (2012) kann zeigen, dass nur in vier von sieben untersuchten
                  europäischen Ländern weitreichende Entscheidungen hinsichtlich der
                  Unterrichtsorganisation, der Personalentwicklung und der Ressourcen auf
                  der Schulebene getroffen werden. In Deutschland existieren nach wie vor
                  eher zentralisierte Entscheidungsstrukturen, Schulen wird hier nur die
                  „Umsetzungsverantwortung“ überlassen.

Quelle: Thiel, Cortina & Pant 2014
8   Wirkungen von mehr Schulautonomie?

                                                   § Leistungsfähige Schulsysteme weisen ein
                                                     hohes Maß an Autonomie auf
                                                   § Verbindung von schulsicher Autonomie und
                                                     professioneller Kooperation unter Lehrkräften
                                                     hat positive Effekte auf Leistungsindikatoren
                                                     des Schulsystems
                                                   § Staatliche Maßnahmen müssen umso stärker
                                                     sein, je flexibler das Schulsystem ist: Vorgabe
                                                     einer strategischen Vision, klarer Leitlinien für
                                                     das Bildungswesen plus Bereitstellen von
                                                     Feedback und Unterstützungssystemen für
                                                     lokale Schulnetzwerke und einzelne Schulen

                                 Deutschland
Index der Schulautonomie in PISA 2015 (vgl. Schleicher, 2019)
9    Thesen zur Output-Steuerung

             These 6
                 Die derzeitige Steuerungspraxis im deutschen Bildungswesen erscheint wie
                 „eingeklemmt“ zwischen wirkmächtig gebliebenen bürokratischen Leitvorstellungen und
                 agenturtheoretisch bzw. professionstheoretisch beschreibbaren Antagonismen. Die
                 strukturelle Folge ist bis heute eine Asynchronizität und mangelnde Kohärenz zwischen
                 dem Evaluations- und Rechenschaftslegungssystem einerseits und Entwicklungs- und
                 Unterstützungsangeboten für schulische Akteure andererseits, also zwischen den
                 Pressure- und Support-Elementen.
                 Die Einführung der standard- und outcomebezogenen neuen Steuerungsinstrumente,
                 wie Vergleichsarbeiten, zentrale Examina oder Schulinspektoraten erfolgte top-down,
                 implizierte aber gleichzeitig – quasi als „Nebenbedingung“ für deren gelingende
                 Implementation – schulische Bottom-up-Aktivität aus der Profession heraus, z. B. die
                 Ablösung stofforientierter Unterrichtsskripte durch Unterrichtsformen, die kognitiv
                 aktivierende, kompetenzorientierte und kumulativ angelegte Lernprozesse ermöglichen.
                 Die Wirkhoffnungen für eine leistungsrelevante Qualitätsverbesserung gründeten in
                 Deutschland demnach auf dem Paradoxon einer top-down initiierten, bürokratisch
                 überwachten Bottom-up-„Strategie“.
Quelle: Thiel, Cortina & Pant 2014
10   Thesen zur Output-Steuerung

     These 7
       Um die bislang nicht aufgelösten Widersprüche und
       Indifferenzen in der Steuerung von Schulqualität anzugehen,
       bedarf es eines „3K-Ansatzes“, der auf konsequente
       Verbesserung folgender Aspekte zwischen den Maßnahmen-
       und Akteursgruppen zielt:
       - Kohärenz
       - Kommunikation
       - Ko-Konstruktion (Kooperation)
11   Thesen zur Output-Steuerung

     These zum Schluss (ist gar keine)
     Aus dem Abschlussbericht der „Qualitätskommission zur Schulqualität in Berlin. Empfehlungen
     zur Steigerung der Qualität von Bildung und Unterricht in Berlin“, 2020, S. 77:
     „Den vielen Aktivitäten der Leistungsmessung in Berlin stehen keine flächendeckend
     implementierten Ansätze zur Nutzung der Daten für Unterrichtsentwicklung und individuelle
     Förderung gegenüber (…).“

             Empfehlungen der Ständige wissenschaftliche Kommission der KMK (StäwiKo) zur Nutzung des
             Outcome-Monitorings nach der Pandemie
             Auf Ebene der Schüler*innen und auf Schulebene (S. 16):
             „Die StäwiKo empfiehlt an dieser Stelle,
             •   dass die Länder, die Vera 3 und Vera 8 nutzen, im Frühjahr 2022 die Vergleichsarbeiten
                 verbindlich durchführen,
             •   dass anders als in früheren Jahren in Vera 8 alle drei Fächer (Deutsch, Mathematik, 1.
                 Fremdsprache) verbindlich getestet werden,
             •   dass die Schulen verpflichtet werden zu dokumentieren, welche Rolle die Vera-Ergebnisse bei
                 der weiteren Umsetzung von Förderangeboten spielen.“
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