Zusammenhang zwischen Stress der Eltern und kindlichem Problemverhalten
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Kindheit und Entwicklung 18 (1), 39 – 48 Hogrefe Verlag, Gçttingen 2009 Zusammenhang zwischen Stress der Eltern und kindlichem Problemverhalten Annette Cina1 und Guy Bodenmann2 1 Institut für Familienforschung und -beratung, Universität Fribourg 2 Psychologisches Institut, Lehrstuhl für Klinische Psychologie mit Schwerpunkt Kinder / Jugendliche und Paare / Familien, Universität Zürich Zusammenfassung. Die Bedeutung von Stress fr die Entwicklung von Stçrungen in der Familie und beim Kind wird in verschiede- nen theoretischen Modellen diskutiert. Es bestehen jedoch kaum empirische Arbeiten, welche die theoretischen Modelle in ihrer Ge- samtheit berprfen. Die Arbeit stellt Stress der Eltern in Verbindung zu kindlichem Problemverhalten dar, wobei wichtige innerfami- lire Risikofaktoren wie das elterliche Erziehungsverhalten, die Kommunikation in Konflikten sowie das Befinden in das Modell in- tegriert sind. Diese drei Variablen stellen zusammen die wichtigsten Prdiktoren von kindlichem Problemverhalten im familiren Rah- men dar. Das Modell wird anhand der Angaben von 255 Eltern berprft. Die Ergebnisse zeigen, dass das Modell eine gute Aufklrung erreicht und damit bedeutsame Hinweise geben kann, wie Stress im komplexen System der Familie mit der Entwicklung der Kinder zusammenhngen kann. Insbesondere kovariiert Stress mit ungnstigen Erziehungshandlungen, die wiederum mit einem strkeren Ausmaß an kindlichen Verhaltensproblemen assoziiert sind. Schlsselwçrter: Stress, Erziehung, kindliches Problemverhalten, Risikofaktoren Relationship between parental stress and child problem behavior Abstract. The importance of stress for the development of family dysfunction and child misbehavior is often cited, but only few em- pirical works support the relationship between parental stress and dysfunctions in family members. This lack of empirical basis is es- pecially evident in the case of the three main predictors of negative child outcome within family variables: parenting, communication, and parents well-being. This article proposes a theoretical model framing the relationship between stress, parental functioning, and child behavior. Based upon this model, the current study, analyzing data from 255 parents, has been conducted. Results reveal that an association between stress, poor parenting, communication problems, and negative well-being and child problems exists. Key words: stress, parenting, child disorders, risk factor Verschiedene Studien zur Prvalenz von kindlichem Pro- gewicht oder schwieriges Temperament) und b) Bedin- blemverhalten, vornehmlich aus westlichen Industrieln- gungen, die psychosoziale Merkmale der Umwelt des dern, zeigen eine Hufigkeit von kindlichen Verhaltens- Individuums betreffen (finanzielle und materielle Nçte, aufflligkeiten und emotionalen Stçrungen von 18 bis Kriminalitt, psychische Stçrungen eines Elternteils, 28 % (Garton, Zubrick & Silburn, 1995; Hahlweg et al., hohe und chronische Konflikte in der Familie, mangeln- 2001). Petermann (2005) geht in einer kritischen Be- de Erziehungskompetenzen; Pellegrini, 1990; als ber- standsaufnahme von ber 10 % aller Kinder und Jugend- sicht Petermann, Petermann & Damm, 2008). Die Rele- lichen bis zum 18. Lebensjahr aus, die eine psychische vanz dieser Risikofaktoren ist in vielen Studien belegt Stçrung entwickeln. Die Tatsache, dass drei Viertel aller (z. B. Deater-Deckard, 1998; Downey und Coyne, 1990; Erwachsenen, welche an einer psychischen Stçrung lei- Gelfand & Teti, 1990; Herpetz-Dahlmann & Rem- den, schon vor ihrem 18. Lebensjahr und 50 % vor ihrem schmidt, 2000; Krishnakumar & Buehler, 2000; Loeber 15. Lebensjahr eine Stçrung aufweisen (Kim-Cohen et al., & Farrington, 2000; Schneewind, 1999). 2003), zeigt die Bedeutung auf, die Problemverhalten und Zu den Auswirkungen der verschiedenen Risikofak- emotionalen Stçrungen im Kindesalter als Vorlufer von toren gibt es eine breite Literatur, auch aus dem deut- klinischen Stçrungen im Erwachsenenalter zukommt. schen Sprachraum (z. B. Laucht, Esser & Schmidt, Studien zu Risiko- und Schutzfaktoren zur Entstehung 2000). In der Mannheimer Risikokinderstudie berichten und Aufrechterhaltung von kindlichem Problemverhalten die Autoren, dass pr- und perinatale Komplikationen erhalten vor diesem Hintergrund große Bedeutung. vor allem motorische und kognitive Funktionen, whrend Aktuell werden zwei Gruppen von Risikofaktoren un- belastete familire Lebensverhltnisse konzentriert die terschieden: a) Bedingungen, die sich auf biologische sozial-emotionale Entwicklung beeintrchtigen (Laucht, oder psychologische Merkmale des Individuums bezie- Schmidt & Esser, 2002). Als Schlsselvariable fr Prog- hen (z. B. genetische Belastungen, geringes Geburts- nosen werten Meyer-Probst und Reis (1999) soziale Fak- DOI: 10.1026/0942-5403.18.1.39
40 Annette Cina und Guy Bodenmann toren, da diese durch ihren andauernden Einfluss das delle betrachten den Zusammenhang zwischen dem Kind belasten und prgen. Insbesondere innerfamilire Stress der Eltern und deren Erziehungsverhalten, wobei psychosoziale Merkmale sind in diesem Zusammenhang Faktoren wie Partnerschaft der Eltern, Befinden der El- zu nennen: tern oder soziale Untersttzung als Moderatoren und Me- diatoren angenommen werden. Das Erziehungsverhalten l Erziehungskompetenzdefizite der Eltern (Leung, selbst wird eng mit Stçrungen im Verhalten und Erleben Sanders, Leung, Mak & Lau, 2003), des Kindes assoziiert. Im Modell von Belsky (1984) bei- l Partnerschaftsprobleme, insbesondere Kommunika- spielsweise wirkt sich Stress (in Form von Arbeits-, Part- tion in Konflikten (Krishnakumar & Buehler, 2000) nerschafts- und Stress aus dem sozialen Netzwerk) so- und wohl direkt als auch indirekt ungnstig auf das Erzie- l das Befinden der Eltern (Downey & Coyne, 1990; hungsverhalten aus. Das Befinden der Eltern (bei Belsky Gelfand & Teti, 1990), das eng mit dem Befinden subsumiert unter dem Bereich Persçnlichkeit der Eltern) und Verhalten des Kindes verknpft ist. und die Partnerschaftsqualitt mediieren bzw. moderie- Im Rahmen der Diskussion ber Risikofaktoren von ren den Effekt von Stress auf das Erziehungsverhalten. kindlichem Problemverhalten wird immer wieder auch Auch fr Webster-Stratton (1990) spielt das Befinden von dem Faktor Stress der Eltern gesprochen, der eng der Eltern eine bedeutsame Rolle hierfr, welches Erzie- mit dem gezeigten Verhalten in Erziehungssituationen hungsverhalten Eltern schlussendlich auf gezeigtes Pro- zusammenhngt. In ber 30 Jahren Stressforschung wur- blemverhalten zeigen. Beide Autoren beschreiben also de nachgewiesen, dass hoher und langandauernder Stress eine enge Verbindung zwischen dem gezeigten Erzie- eine Palette von ungnstigen Auswirkungen sowohl auf hungsverhalten und dem kindlichen Problemverhalten – das betroffene Individuum als auch auf dessen soziales ein Zusammenhang, der in vielen internationalen Studien Umfeld aufweist. Sowohl physische, psychische als auch belegt ist. Genaue Beschreibungen der Modelle finden soziale Stçrungen werden mit Stress assoziiert (z. B. sich in den Originalarbeiten der Autoren. All diesen Mo- Elfering, Grebner, Semmer & Gerber, 2002; Stangier, dellen ist gemeinsam, dass einzelne Zusammenhnge 1999; Burisch, 1994). zwischen den in den Modellen integrierten (Risiko-)Fak- toren nachgewiesen, jedoch nie in ihrer Gesamtheit ber- Insbesondere die engen Familienmitglieder (und da- prft worden sind. mit auch das Kind) sind oft direkt und indirekt von Stress eines Familienmitgliedes betroffen. So zeigen Studien deutliche Zusammenhnge zwischen Stress und schlech- Ein integratives Modell zur Erklärung tem psychischem Befinden (z. B. Burisch, 1994; Krohne, 1997), einer negativen Partnerschaftsqualitt (Boden- von kindlichem Problemverhalten mann, 2000; Bodenmann & Cina, 1999; 2000) und un- durch elterliche Faktoren gnstigem Erziehungsverhalten (Abidin, 1992; Belsky, 1984; Webster-Stratton, 2000). Neben den oben genann- Basierend auf den oben genannten Modellen und Erkennt- ten Faktoren scheinen vor allem die tglichen Widrigkei- nissen zum Zusammenhang zwischen Stress und Kom- ten, denen Eltern im Alltag ausgesetzt werden, von gro- munikationsqualitt, Befinden und Erziehungsverhalten ßer Bedeutung fr das Familienleben zu sein (Crnic & wird im Folgenden ein integratives Modell dargestellt, Acevedo, 1995). So zeigen tgliche Widrigkeiten bei- welches den Zusammenhang zwischen elterlichem Stress spielsweise Auswirkungen auf das Erziehungsverhalten und kindlichem Problemverhalten untersucht, wobei die der Eltern in Form eines aversiveren und negativeren Er- psychosozialen Risikofaktoren innerhalb der Familie ziehungsstils (Dumas, Gibson & Albin, 1989; Webster- (Erziehungsverhalten, Partnerschaftsqualitt, Befinden Stratton & Hammond, 1988) und einer geringeren emo- der Eltern) im Modell integriert werden. tionalen Verfgbarkeit fr die Kinder (Campbell, 1991). Das von uns postulierte Modell stellt einen Versuch Aus diesen berlegungen wird deutlich, dass Stress dar, die in der Literatur fr das Befinden und Verhalten weite Bereiche des Familienlebens beeinflusst und Vul- von Kindern als bedeutsam erachteten innerfamiliren nerabilitten fr psychische Stçrungen generieren kann, Faktoren berprfbar zusammenzufassen. Dabei wird auch wenn wenig bis keine Risikofaktoren aus dem Be- der Fokus auf das Verhalten der Eltern und dessen Zu- reich biologischer oder psychologischer Merkmale des sammenhang auf das kindliche Problemverhalten gelegt. Kindes sowie ungnstiger sozioçkonomischer Status Im Besonderen integriert das Modell den Stress der El- vorliegen. tern, die Kommunikation in Konfliktsituationen, das Be- Zur Wirkungsweise von Stress der Eltern auf das finden sowie das Erziehungsverhalten der Eltern. Diese Kind innerhalb von familiren Systemen bestehen bereits Variablen werden mit der Elterneinschtzung des kind- verschiedene Modelle mit unterschiedlichen Schwer- lichen Problemverhaltens in Verbindung gesetzt. Das punkten (z. B. Abidin, 1992; Belsky, 1984; Bodenmann, Modell basiert auf den in der Einleitung dargestellten 2002; Webster-Stratton, 1990). Die meisten dieser Mo- theoretischen Erkenntnissen und geht davon aus, dass
Zusammenhang zwischen Stress der Eltern und kindlichem Problemverhalten 41 Konflikt- kommunikation Erziehungs- Kindliches Stress verhalten Problemverhalten Befinden Abbildung 1. Integratives Modell zum Zusammenhang von Stress der Eltern und kindliches Problemverhalten unter Ein- bezug der elterlichen Konfliktkommunikation in der Partnerschaft, des elterlichen Befindens und Erziehungsverhaltens. Stress der Eltern direkt und indirekt (ber die Kommuni- Insgesamt liegen Angaben von 255 Elternpaaren mit kation in Konflikten und dem elterlichen Befinden) mit Einschtzungen zu sich und ihren Kindern vor (Alter dem gezeigten Erziehungsverhalten zusammenhngt. zwischen 2 – 12 Jahren). Die Mtter waren im Mittel 37.2 Alle drei Faktoren sind mit dem Verhalten des Kindes Jahre (SD = 4.5, Range: 27 – 52 Jahre) und die Vter 39.2 verknpft (siehe Abb. 1). Jahre (SD = 4.9, Range: 28 – 58 Jahre) alt. Die Partner- schaftsdauer lag bei 12.9 Jahren (SD = 5.0; Range: Bewusst werden im Modell keine gegenseitigen Zu- 1 – 26). Mehrheitlich waren die Paare verheiratet (95 %), sammenhnge angenommen, um das Modell in seiner wohnten zusammen (98.6 %) und hatten im Schnitt 2.3 Gesamtheit testen und um berprfen zu kçnnen, wie Kinder (SD = .8; Range: 1 – 6). Die meisten Mtter ver- stark die familieninternen Verhaltensformen kindliches fgen ber einen Berufsschulabschluss (44.1 %), je ein Problemverhalten aufklren kçnnen. Viertel ber ein Abitur oder einen Universittsabschluss. Die vorliegende Arbeit hat zum Ziel zu berprfen, Die Mehrheit der Vter verfgt ber einen Hochschul- welcher Zusammenhang zwischen Stress und kindlichem abschluss (50.6 %), ein Drittel besuchte die Berufsschule. Problemverhalten besteht und im Falle einer gengenden Die Stichprobe kann als reprsentativ fr die sozioçko- Modellqualitt darzustellen, welche Varianz des kindli- mische Schichtverteilung von Schweizer Familien ange- chen Problemverhaltens durch die Prdiktoren aufgeklrt sehen werden. werden kann. Im Modell sind lediglich Verhaltensfak- toren der Eltern eingeschlossen. Es bercksichtigt keine extrafamiliren, Umgebungs- und kindsbezogene Fak- Untersuchungsinstrumente toren. Damit ist es in seiner Aussagekraft auf die innerfa- miliren Prozesse beschrnkt. Bewusst werden im Mo- Das aktuelle Stressausmaß wurde mit dem Fragebogen dell gegenseitige Zusammenhnge und damit reale Zu- zur Erfassung des allgemeinen Stressniveaus ASN von sammenhnge ignoriert, mit dem Gewinn, das Modell in Bodenmann (2000) erfasst. Auf einer fnfstufigen Skala seiner Gesamtheit testen zu kçnnen. (gar nicht belastend – sehr stark belastend) wird der aktu- elle Belastungsgrad in verschiedenen Bereichen (Beruf, Kinder, Herkunftsfamilie, Partnerschaft, Finanzen, Frei- Methode zeit, tgliche Widrigkeiten) erhoben. Der Gesamtwert ber die 21 Items bildet das subjektive Stressniveau im Alltag ab (a = .82 in der vorliegenden Studie) und hat Stichprobe sich in verschiedenen Studien bewhrt. Die Stichprobe setzt sich zusammen aus allen Elternpaa- Die Kommunikation in Konfliktsituationen in der ren, die sich aufgrund von Aufrufen in Tageszeitungen Partnerschaft wurde mit dem Fragebogen zur Erfassung und Wochenzeitschriften in der Deutschschweiz in den der Qualitt der dyadischen Kommunikation (KOM- Jahren 2002 und 2003 gemeldet haben. Die Familien er- QUAL) von Bodenmann (2000) erhoben. Der Fragebo- klrten sich bereit, an einer 1-Jahres-Lngsschnittstudie gen erfasst die Hufigkeit konstruktiver Kommunikation ber Stress, Erziehung und kindlichem Verhalten teil- (6 Items) und problematischer Kommunikation (13 Items) zunehmen. Alle Eltern, die den Vorher-Fragebogen der in Konfliktgesprchen. Die Items werden fr die eigene Studie ausgefllt haben, bilden die vorliegende Stichpro- Person auf einer sechsstufigen Skala beantwortet. Der er- be. Beide Elternteile mussten die Fragebogen ausfllen, probte Fragebogen weist gute Gtekriterien auf (a = .82 um in die Studie aufgenommen zu werden. fr den Gesamtwert).
42 Annette Cina und Guy Bodenmann Das aktuelle Befinden wurde mit der Depression- le anhand AMOS 6 geprft. Strukturgleichungsmodelle Angst-Stress-Skala DASS-21 (Lovibond & Lovibond, lassen zwar keine Aussagen ber kausale Zusammenhn- 1995) ermittelt. Der Fragebogen wird oft in klinischen ge zu (diese werden aufgrund von theoretischen ber- Studien eingesetzt zur Erhebung des psychischen Befin- legungen angenommen), die Fit-Indizes geben jedoch dens. Die hier verwendete Kurzform besteht aus 21 Items an, inwiefern das Modell mit den Daten bereinstimmt und misst auf einer vierstufigen Skala das Befinden. Ne- und damit die Realitt widerspiegelt. Interpretiert wer- ben einem Gesamtwert kann zwischen dem Ausmaß an den die Fit-Indizes c2, CFI und RMSE. Whrend der c2 depressiver Gestimmtheit, Angst und Stressbelastung un- nicht signifikant ausfallen darf, misst der CFI (Compara- terschieden werden. Fr den Fragebogen bestehen Grenz- tive Fit Index) die proportionale Verbesserung des Fits werte. durch Vergleichen eines Zielmodells mit einem Basis- modell (Bentler, 1990). Ein perfekter Fit beschreibt ein Zur Erfassung des Erziehungsverhaltens wurde der CFI = 1. Zielwert ist > 0.9. Der RSMEA (Root Mean Erziehungsfragebogen fr Eltern (EFB), eine deutsche Square Error of Approximation) prft ergnzend, ob das Fassung der „Parenting Scale (PS)“ von Arnold, OLeary, Modell die Realitt hinreichend gut approximiert. Ein Wolff und Acker (1993), eingesetzt. Der Fragebogen er- RMSEA von < 0.5 beschreibt einen guten, ein RMSE fasst anhand von 13 Items auf einer siebenstufigen Skala von < 0.08 einen akzeptablen und ein RMSEA von > 0.10 das Erziehungsverhalten und die Erziehungsstrategien einen ungengenden Modellfit. von Eltern bei unangemessenem oder schwierigem Ver- halten ihrer Kinder, wobei er zwischen den beiden un- Da eine komplette Modelltestung unter Einbezug al- gnstigen Erziehungsstilen Nachsichtigkeit und ber- ler Verbindungen zwischen den Faktoren nicht mçglich reagieren in Erziehungssituationen unterscheiden kann. ist (saturiertes Modell), werden die Verbindungen, die Der Gesamtwert beschreibt das Ausmaß an ungnstigem bei einer ersten Modelltestung unbedeutende Korrelatio- Erziehungsverhalten. nen aufwiesen, in einem zweiten Schritt gleich Null ge- setzt, d. h. ignoriert. Dadurch wird eine Erhçhung der Zur Erhebung des kindlichen Verhaltens wurde die Freiheitsgrade erreicht, was eine komplette Modelltes- deutsche Fassung des amerikanischen Eyberg Child Be- tung ermçglicht. Die standardisierten Regressionskoeffi- havior Inventory (ECBI) von Eyberg und Robinson (1983) zienten der auf Null gesetzten Verbindungen werden der verwendet. Der Fragebogen misst die Einschtzung der Vollstndigkeit halber in den Abbildungen aufgefhrt. Eltern bezglich des Umfangs des Problemverhaltens berprft werden die Modelle erst auf individueller, in der Kinder im Alter von zwei bis 16 Jahren und die Be- einem zweiten Schritt auf dyadischer Ebene. lastung der Eltern durch das Verhalten der Kinder. Die Eltern beurteilen bei 36 problematischen Eigenschaften und Verhaltensweisen, die bei Kindern auftreten kçnnen, Ergebnisse l wie hufig diese bei ihrem Kind auftreten (1 – 7) und l ob sie durch die expansiven Verhaltensaufflligkeiten des Kindes belastet sind (ja/nein). Probleme des Kindes und elterlicher Stress Unter expansiven Verhaltensaufflligkeiten versteht Um zu berprfen, ob elterlicher Stress einen bedeut- der Fragebogen Symptome wie oppositionelles Trotzver- samen Anteil an der Einschtzung von kindlichem Pro- halten, Stçrungen der Aufmerksamkeit, Hyperaktivitt blemverhalten beitrgt, werden hierarchische multiple oder Stçrungen des Sozialverhaltens. Dabei gilt, je hçher Regressionen durchgefhrt. Hierzu werden in einem ers- die Skalensummenwerte, desto aufflliger ist das Verhal- ten Schritt Kindermerkmale (Alter und Geschlecht) so- ten des Kindes. Fr den Fragebogen bestehen Grenzwer- wie das familire Einkommen als Prdiktoren in die te von Eyberg und Ross (1978), die zur Bestimmung von Berechnungen aufgenommen, in einem zweiten Schritt klinischen Aufflligkeiten dienen (Hufigkeit des Pro- die innerfamiliren Risikofaktoren (Verhalten der Eltern: blemverhaltens: Summe > 127, Belastung durch das Pro- Kommunikation der Eltern in Konflikten, Befinden der blemverhalten: Summe > 11). Eltern und elterliches Erziehungsverhalten) und in einem dritten Schritt wird der elterliche Stress in die Berech- nungen aufgenommen. Bringt dieser eine zustzliche Va- Statistische Auswertung rianzaufklrung, kann davon ausgegangen werden, dass Stress der Eltern einen bedeutsamen zustzlichen Anteil Zur berprfung der Bedeutung von Stress fr Aufkl- an der Einschtzung der Hufigkeit von kindlichem Pro- rung des kindlichen Problemverhaltens werden hierar- blemverhalten beitrgt. chische Regressionen durchgefhrt (SPSS Version 14.0). Die Ergebnisse der hierarchischen Regressionen be- Das integrative Modell zum Zusammenhang zwi- sttigen die Annahme. Stress klrt bei den Mttern zu- schen Stress der Eltern und kindlichem Problemverhal- stzlich 3 % der Varianz und bei den Vtern 1% der Va- ten wird durch pfadanalytische Strukturgleichungsmodel- rianz auf (siehe Tab. 1).
Zusammenhang zwischen Stress der Eltern und kindlichem Problemverhalten 43 Tabelle 1. Hierarchische Regressionen zur Vorhersage der Hufigkeit von kindlichem Problemverhalten Model Mtter R2 R2 Change B SE Beta Schritt 1 .02 .02 Alter des Kindes – .48 .58 – .05 Geschlecht des Kindes 2.40 3.32 .05 Familires Einkommen – 1.83 1.06 – .11 + Schritt 2 .19 .17 *** Alter des Kindes – .77 .53 – .09 Geschlecht des Kindes 5.57 3.09 .11 + Familires Einkommen – 1.35 .97 – .08 Konfliktkommunikation – 4.98 4.19 – .08 Befinden 7.48 4.56 .11 Erziehungsverhalten 11.21 2.38 .32 *** Schritt 3 .21 .03 ** Alter des Kindes – .92 .53 – .10 + Geschlecht des Kindes 5.09 3.05 .10 + Familires Einkommen – 1.35 .96 – .08 Konfliktkommunikation – 2.86 4.21 – .05 Befinden 2.69 4.83 .04 Erziehungsverhalten 10.09 2.38 .27 *** Mtterlicher Stress 10.71 3.96 .19 ** Schritt 4 Vterlicher Stress .21 .00 Model Vter R2 R2 Change B SE Beta Schritt 1 .02 .02 Alter des Kindes – .33 .53 – .04 Geschlecht des Kindes 6.73 3.24 .13* Familires Einkommen – .97 1.22 – .05 Schritt 2 .19 .17*** Alter des Kindes – .72 .49 – .09 Geschlecht des Kindes 4.18 3.02 .08 Familires Einkommen – .39 1.12 – .02 Konfliktkommunikation – 2.29 3.44 – .04 Befinden 12.96 4.08 .20** Erziehungsverhalten 10.06 2.25 .29*** Schritt 3 .20 .01* Alter des Kindes – .89 .49 – .11 + Geschlecht des Kindes 3.66 3.01 .07 Familires Einkommen – .17 1.12 – .010 Konfliktkommunikation – 1.93 3.43 – .04 Befinden 9.18 4.46 .14* Erziehungsverhalten 9.31 2.27 .27*** Vterlicher Stress 8.93 4.39 .14* Schritt 4 Mtterlicher Stress .22 .01* Anmerkung: * p < .05, ** p < .01, *** p < .001
44 Annette Cina und Guy Bodenmann .24 *** .15% Neg. Konflikt- kommunikation M -.03 a .40 *** .28 * .25% .19% e1 -.24 *** .19 ** Ungünstiges . 28 *** Kindliches Stress M Erziehungs- Problemverhalten M e2 verhalten M .26% .17 * .51 *** Schlechtes .06 a Befinden M Anmerkungen: Standardisierte Regressionskoeffizienten. * p < .05, *** p < .001; Modellfit: c2 (df:2; N = 255) = 1.13, p = .568, CFI = 1.00; RMSEA= .000. e1/e2: Residualvarianzen; M = Mutter; a = ;in der Modellberechnung nicht bercksichtigt. Abbildung 2. Pfadanalyse zum Zusammenhang zwischen Stress und Hufigkeit von kindlichem Problemverhalten unter Einbezug der familiren Risikofaktoren (Mtter). .12 + .06% Neg. Konflikt- kommunikation V -.03 a .24 *** .33 * .23% .19% e1 -.24 *** .19 ** Ungünstiges . 28 *** Kindliches Stress V Erziehungs- Problemverhalten V e2 verhalten V .50 *** .25% .11 + Schlechtes .16 * Befinden V Anmerkungen: Standardisierte Regressionskoeffizienten. * p < .05, *** p < .001; Modellfit: c2 (df:1; N = 255) = .18, p = .671, CFI = 1.00; RMSEA= .000. e1/e2: Residualvarianzen; V = Vater; a = in der Modellberechnung nicht bercksichtigt. Abbildung 3. Pfadanalyse zum Zusammenhang zwischen Stress und Hufigkeit von kindlichem Problemverhalten unter Einbezug der familiren Risikofaktoren (Vter). Zusammenhang zwischen Stress Konfliktsituationen, einem geringeren Befinden sowie und der wahrgenommenen Häufigkeit einem ungnstigeren Erziehungsverhalten zusammen- hngt (siehe Abb. 2 und Abb. 3). von kindlichem Problemverhalten Bei der Mutter (siehe Abb. 2) hngt das kindliche Zur berprfung der Zusammenhnge zwischen elterli- Problemverhalten direkt mit dem Stress der Mutter chem Stress, den familiren Risikofaktoren, elterlichem (r = .24, p < .000) und ihrem Erziehungsverhalten (r = .28, Befinden, Kommunikation bei Konflikten sowie Erzie- p < .000) zusammen. Letzteres ist assoziiert mit dem hungsverhalten und der Hufigkeit von kindlichem Pro- Stress der Mutter (r = .19, p < .004), ihrem Befinden blemverhalten werden Strukturgleichungsmodelle durch- (r = .17, p < .011) und der Kommunikation in der Partner- gefhrt. In die Berechnungen gehen jeweils die Gesamt- schaft (r = .28, p < .000), wodurch insgesamt 25% der werte der verwendeten Fragebçgen ein. Varianz des Erziehungsverhaltens aufgeklrt wird. Da- mit zeigt sich, dass der Stress der Mutter auch indirekt Sowohl bei den Mttern (siehe Abb. 2) als auch den mit der Hufigkeit von kindlichem Problemverhalten as- Vtern (siehe Abb. 3) klrt das Modell insgesamt 19 % soziiert ist. Die Kommunikationsqualitt in Konflikten der Hufigkeit von kindlichem Problemverhalten auf. sowie das Befinden der Mutter sind nicht direkt und Beide Modelle erreichen gute Fit-Indizes (c2 nicht sig- signifikant mit dem kindlichen Problemverhalten ver- nifikant, CFI-Wert = 1.00 und RMSEA= .000). knpft, sondern indirekt ber das ungnstige Erziehungs- Die Analyse der Verbindungen zeigt, dass der elterli- verhalten. Dies deutet darauf hin, dass bei den Mttern che Stress bei beiden Elternteilen gemß den Hypothesen das Erziehungsverhalten einen bedeutenden Wirkfaktor signifikant mit einer ungnstigeren Kommunikation in darstellt.
Zusammenhang zwischen Stress der Eltern und kindlichem Problemverhalten 45 Ein hnliches Bild zeigt sich bei den Vtern (siehe modells verbunden ist (siehe Abb. 4). So ist der Stress Abb. 3). Auch hier spielt das Erziehungsverhalten eine der Mutter sowohl mit dem Befinden des Vaters (r = .16, zentrale Rolle: Stress ist bedeutsam mit dem Befinden p = > .006) als auch seiner Einschtzung der Kommunika- des Vaters und seiner Einschtzung der Paarkommunika- tion in Konfliktsituationen (r = .18, p = > .006) bedeut- tion als auch dem Erziehungsverhalten verbunden. Ins- sam verbunden, jedoch nicht mit seinem Erziehungsver- gesamt werden 23% der Varianz des berichteten Erzie- halten (r = .06, n. s.). Außerdem hngt der Stress der hungsverhaltens des Vaters durch seinen Stress (r = .19, Mutter nun direkt tendenziell mit der Einschtzung des p < .004), die Paarkommunikation (r = .33, p < .000) und Vaters der Hufigkeit von kindlichem Problemverhalten seinem Befinden (r = .12, p < .071) erklrt. Die Hufig- zusammen (r = .12, p < .054), whrend der Stress des Va- keit des kindlichen Problemverhaltens hngt mit dem Er- ters selbst keinen relevanten Zusammenhang mehr mit ziehungsverhalten des Vaters (r = .28, p < .000), seinem dem kindlichen Problemverhalten aufweist (r = .09, Befinden (r = 16, p < .017) und tendenziell direkt mit sei- n. s.). nem Stress zusammen (r = .12, p < .067). Die Paarkom- munikation hngt jedoch – wie bei der Mutter – nicht direkt (r = – .03, n. s.), sondern indirekt ber ein ungns- Diskussion tiges Erziehungsverhalten mit dem kindlichen Problem- verhalten zusammen. Das Ziel der vorliegenden Studie war zu untersuchen, Zusammenfassend kann gesagt werden, dass das Mo- wie sich die Zusammenhnge zwischen dem Stress der dell die Daten gut widerspiegelt und insgesamt gut ein Eltern und dem kindlichen Problemverhalten aus Eltern- Fnftel der Varianz der Beurteilung der Eltern, wie hu- sicht prsentieren. Aus der Literatur ist deutlich zu ent- fig das Kind Problemverhalten zeigt, erklren kann. nehmen, dass innerhalb der Familie neben den Risikofak- Gleichzeitig wird deutlich, dass das Erziehungsverhalten toren wie Erziehungsverhalten, Kommunikation der El- der Eltern eine bedeutende Rolle innerhalb des Modells tern in Konflikten und dem elterlichen Befinden auch spielt. Bei den Mttern ist neben dem direkten Zusam- der Stress der Eltern ein wichtiger Faktor darstellt (z. B. menhang zwischen mtterlichem Stress und ihrer Ein- in den Modellen von Abidin, 1992; Belsky, 1984; Boden- schtzung des Verhaltens des Kindes dieser indirekt nur mann, 2002; Webster-Stratton, 1990). Keines der Model- ber das Erziehungsverhalten signifikant. Bei den V- le ist jedoch in seiner Gesamtheit berprft und es lassen tern scheint auch das aktuelle Befinden eine bedeutende sich keine Aussagen darber ableiten, wie stark die ein- Rolle zu spielen. zelnen Faktoren miteinander verbunden sind. Im vorliegenden Beitrag ist ein integrierendes Mo- Stress des Partners dell der Familieninteraktion dargestellt, in dem ein Zu- sammenhang zwischen dem Stress der Eltern und den In einem weiteren Schritt wird berprft, welcher Zu- wichtigen innerfamiliren Risikofaktoren Erziehungs- sammenhang zwischen dem Stress des Partners und der verhalten, Befinden und Paarkommunikation angenom- eigenen Beurteilung des Verhaltens des Kindes besteht. men, jedoch auch von einem direkten Zusammenhang Es werden hierarchische Regressionen, anschließend zwischen dem Stress der Eltern und ihrer Einschtzung Strukturgleichungsmodelle mit Einbezug des Partner- des Verhaltens des Kindes ausgegangen wird. Ziel der stresses durchgefhrt. Nach den ersten drei Schritten Studie ist es, abzubilden, welche Faktoren wie stark mit- (vgl. Berechnungen unter Varianzaufklrung durch elter- einander verbunden sind und inwiefern die in dem Modell lichen Stress) wird in einem vierten Schritt der Stress des einbezogenen Faktoren das kindliche Problemverhalten Partners/der Partnerin in die hierarchischen Regressio- aufklren kçnnen. Außerdem soll der Anteil der Aufkl- nen einbezogen, um so zu berprfen, ob dieser zustzli- rung durch Stress von Seiten des Partners/der Partnerin che Varianzaufklrung bringt. untersucht werden. Wie aus Tabelle 1 ersichtlich, ist der Stress des Partners Die Modelltestung ergibt gute Modellfit-Indizes fr beim Modell der Mtter ohne Relevanz (R2change = .00; das Mutter- wie auch Vatermodell. Damit kann davon n. s.). Der Stress der Mtter klrt jedoch zustzliche Vari- ausgegangen werden, dass das Modell die vorliegende anz bezglich der Einschtzung des kindlichen Problem- Datenstruktur gengend abbildet. Insgesamt wird durch verhaltens bei den Vtern auf (R2change = .01, p < .043; die in das Modell einbezogenen Merkmale (Stress, Part- siehe Tab. 1). nerschaftsqualitt, Befinden, Erziehungsverhalten) ca. ein Fnftel der Gesamtvarianz der Elterneinschtzung In den nachfolgend berechneten Strukturgleichungs- des kindlichen Problemverhaltens aufgeklrt. modellen wird deutlich, dass kein Zusammenhang zwi- schen dem Stress des Vaters und den mtterlichen Varia- Werden die pfadanalytischen Strukturgleichungs- blen signifikant zu Buche schlgt, der Stress der Mutter modelle detaillierter betrachtet, fllt auf, dass der elterli- jedoch bedeutsam mit verschiedenen Faktoren des Vater- che Stress neben den in der Literatur oft diskutierten
46 Annette Cina und Guy Bodenmann . 09 .09% Neg. Konflikt- a kommunikation M .01 .17 ** .32 *** .24% .20% .18 ** e1 M . 17 ** Ungünstiges .27 *** Kindliches Stress Erziehungs- .17 ** Problemverhalten M .45 *** e2 .06 verhalten M . 44 *** .27% .11 + Stress F Schlechtes .14 * .16 ** Befinden M .12 + Anmerkungen: Standardisierte Regressionskoeffizienten. * p < .05, *** p < .001; Modell Fit: c2 (df:1; N = 255) = .37, p = .848, CFI = 1.00; RMSEA= .000. e1/e2: Residualvarianzen; F = Frau; M = Mann; a = in der Modellberechnung nicht bercksichtigt. Abbildung 4. Modell der Zusammenhnge zwischen Stress beider Elternteile und Hufigkeit von kindlichem Problemver- halten unter Einbezug der familiren Risikofaktoren bei den Vtern. wichtigen Risikofaktoren von kindlichem Problemverhal- len Erziehungsverhalten, welches wiederum mit einem ten einen bedeutsamen Anteil der Varianz des kindlichen hufigeren kindlichen Problemverhalten in Verbindung Problemverhaltens aufklrt, wie dies von verschiedenen gebracht wird. Auch das Befinden der Eltern und das Autoren moniert wird (z. B. Campbell, 1991; Sander, kindliche Problemverhalten sind bei den Modellen der 2002). Unsere Resultate belegen diesen Zusammenhang Mtter indirekt ber das Erziehungsverhalten miteinan- vor allem bei den Mttern. der verbunden. Dies verstrkt die Annahme eines indi- rekten Zusammenhanges zwischen elterlichem Befinden Als zweites Ergebnis kann zusammengefasst werden, und kindlichen Stçrungen, wie dies von Asselt et al. dass sich das Erziehungsverhalten als zentraler Faktor im (2002) diskutiert wird. Modell manifestiert. Bei den Mttern hngt die Einscht- zung der Hufigkeit des kindlichen Problemverhaltens nur Bei den Vtern zeigt sich ein etwas anderes Bild: direkt mit dem eigenen Stress und dem eigenen Erzie- Stress ist tendenziell direkt mit dem Problemverhalten hungsverhalten zusammen. Stress ist mit einer ungns- des Kindes assoziiert, indirekt ber eine ungnstige Paar- tigen Paarkommunikation in Konflikten, einem schlech- kommunikation, geringerem Befinden und ungnstige- teren Befinden und einem ungnstigeren Erziehungsver- rem Erziehungsverhalten. Bei den Vtern ist jedoch ne- halten verbunden. Das Erziehungsverhalten wird dann ben dem Erziehungsverhalten auch das Befinden direkt mit dem kindlichen Problemverhalten assoziiert. negativ mit dem kindlichen Problemverhalten verbun- den: Je schlechter es dem Vater geht, desto hufiger beur- Bemerkenswert sind die Modelle der Eltern in dem teilt er das Verhalten des Kindes als problematisch. Sinne, dass der Zusammenhang zwischen der Partner- schaftsvariable der Eltern und der Einschtzung des In einem weiteren Schritt wurde untersucht, ob der kindlichen Verhaltens lediglich indirekt bedeutsam bleibt. Stress des Partners/der Partnerin zustzlich Varianzauf- Der direkte Zusammenhang zwischen den beiden Variab- klrung bringt. Whrend der Stress des Partners bei den len fllt nicht signifikant ins Gewicht. Dies lsst erwarten, Mttern keine zustzliche Aufklrung mitbringt, ist der dass, wie Frosch und Mangelsdorf (2001) beschreiben, Stress der Mutter bedeutsam fr die Modelle der Vter. der Einfluss der Partnerschaft auf das kindliche Verhal- Wird auch der Stress der Mutter einbezogen, so ist nun ten durch das Erziehungsverhalten moderiert wird. Diese ihr Stress direkt bedeutsamer als der Stress des Vaters Ergebnisse decken sich auch mit den Ausfhrungen von selber mit der vterlichen Einschtzung des Problemver- Asselt et al. (2002), Cummings und Davies, (1994) sowie haltens des Kindes assoziiert. Diese auf den ersten Blick Erel und Burman (1995), die von einem indirekten Effekt etwas erstaunlichen Ergebnisse relativieren sich, wenn der Partnerschaftsqualitt auf das Kindsverhalten ber man bedenkt, dass die Hauptbetreuungsaufgabe der Kin- eine Beeintrchtigung des Erziehungsverhalten ausgehen. der in der vorliegenden Stichprobe bei den Mttern liegt So konnten Krishnakumar und Buehler (2000) bestti- (89.1 % der Mtter arbeiten zu 50 % oder weniger, ein gen, dass die Emotionen, Affekte und Stimmungen der Drittel geht keiner familien-externen Ttigkeit nach). Elterndyade sich auf die Kinder bertragen. Die Stim- Damit wird verstndlich, dass der Stress der Mutter einen mung und die Emotionen, die bei unzufriedenen und hos- strkeren direkten Zusammenhang zur Hufigkeit von tilen partnerschaftlichen Interaktionen entstehen (z. B. kindlichem Problemverhalten hat als der Stress des Va- rger und Frustrationen), fhren zu einem dysfunktiona- ters (r = .12, p < .10 vs. r = .09, n. s.).
Zusammenhang zwischen Stress der Eltern und kindlichem Problemverhalten 47 Insgesamt vermag die Studie aufzuzeigen, dass Stress Campell, S. B. (1991). Longitudinal studies of active and ag- einen relevanten Beitrag zur Aufklrung der Hufigkeit gressive preschoolers: Individual differences in early be- von kindlichem Problemverhalten leistet. Auch verdeut- havior and outcomes. In D. Cicchetti & S. L. Toth (Eds.), Internalizing and externalizing expressions of dysfunction. lichen die Resultate, dass das Erziehungsverhalten der Rochester Symposium on Developmental Psychopathology Eltern besondere Beachtung verdient. Fr die Praxis heißt (Vol. 2, pp. 57 – 89). Hillsdale, NJ: Erlbaum. dies, dass dem Thema „Stress“ in Prvention und Inter- Crnic, K. & Acevedo, M. (1995). Everyday stresses and parent- vention bei Stçrungen in der Familie, Eltern und Kindern ing. In M. H. Bornstein, (Ed.), Handbook of parenting vermehrt Aufmerksamkeit geschenkt und die Eltern ge- (Vol. 4, pp. 277 – 298). Mahwah, NJ: Erlbaum. coacht werden sollten, ihren Umgang mit Stress zu opti- Cummings, E. M. & Davies, P. (1994). Children and marital mieren. Zu ihrem eigenen Wohlbefinden, aber auch dem conflict: The impact of family dispute and resolution. New York: Guilford. Befinden der ganzen Familie. Denn gelassen sind die Deater-Deckard, K. (1998). Parenting stress and child adjust- Anforderungen von Erziehung positiver anzugehen. ment: Some old hypotheses and new questions. Clinical Als Einschrnkung muss betrachtet werden, dass das Psychology: Science and Practice, 5, 314 – 332. Downey, G. & Coyne, J. (1990). Children of depressed parents: Modell eine vereinfachte Darstellung der Realitt dar- An integrative review. Psychological Bulletin, 108, 50 – 76. stellt. So darf nicht vergessen werden, dass starkes und Dumas, J. E., Gibson, J. A. & Albin, J. B. (1989). Behavioral hufiges kindliches Problemverhalten zu einem erhçhten correlates of maternal depressive symptomatology in con- Stressniveau bei den Eltern fhrt (z. B. Morgan, Robin- duct-disorder children. Journal of Consulting and Clinical son & Aldridge, 2002). Damit spiegelt das Modell nicht Psychology, 57, 516 – 521. die reale Welt, sondern ermçglicht lediglich Einblicke in Elfering, A. Grebner, S., Semmer, N. K., & Gerber, H. (2002). die einzelnen Zusammenhnge. Auch handelt es sich um Time control, catecholamines, and back pain in young nurses. Scandinavian Journal of Work, Environment & Selbstberichtsdaten, die vom eigenen Befinden beein- Health, 28, 386 – 393. flusst sind. Die Frage, wie das Erziehungsverhalten ge- Erel, O. & Burman, B. (1995). Interrelatedness of marital rela- nau den Einfluss von Partnerschaft und Befinden der El- tions and parent-child relations: A meta-analytic review. tern moderiert oder allenfalls mediiert, muss in einer Psychological Bulletin, 118, 108 – 132. 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