Zwischen China und Europa - Ein vergessenes Zeugnis der "großen Begegnung" (D.Mungello)
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Die erste Übersetzung der „Vier Bücher“ und ihre Rezeption durch Christian Wolff (1679 - 1754) Ein vergessenes Zeugnis der „großen Begegnung“ (D.Mungello) zwischen China und Europa
Die „große Begegnung“ zwischen Ost und West: Entstehung und Zerstörung eines Dialogs zwischen China und Europa in der Frühneuzeit Die Zeit der „großen Begegnung“ zwischen China und Europa begann mit Matteo Ricci (1552-1610) im 16. Jahrhundert. Auf Ricci folgten über 100 Jahre lang Jesuiten aus allen Ländern Europas, die nicht nur die Chinesen missionierten, sondern auch als erste Europäer profundes Wissen über chinesische Kultur, Technik und Politik nach Europa überlieferten. Dieses Wissen löste bei den Gelehrten Europas einen Schock aus: Sie sahen sich einem „geistigen Kontinent“ gegenüber, der Europa ebenbürtig, ja sogar überlegen zu sein schien. Bis 1750 wurde chinesisches Know-How in großem Stil importiert (Porzellan, Tee, Gartenbaukunst, Feuerwerkskörper, Bildungswesen, Wirtschaftstheorie und – vielleicht am bedeutsamsten – konfuzianische Philosophie) Doch ab Mitte des 18. Jahrhunderts drehte sich die Bereitschaft, von China zu lernen, ins Gegenteil: Die Kirchen, die Philosophen (Kant und Hegel!), die Republikaner, die Handelsmächte – alle verbündeten sich und schufen ein negatives Chinabild, um den Kolonialismus auf allen Ebenen zu rechtfertigen.
Der Ritenstreit Ein zentrales Problem der China-Mission war die Frage, ob chinesische Christen konfuzianische Riten (vor allem die Konfuzius- und die Ahnenverehrung) beibehalten dürfen. Die Mehrheit der Jesuiten sprach sich für die sog. Akkomodation aus, so daß auf diese Weise relativ viele Konfuzianer zum Christentum bekehrt werden konnten (Im Jahr 1720 waren es 300 000) Diese Politik führte u.a. 1692 zu dem Toleranzedikt von Kaiser Kangxi (1654-1722), der den Jesuiten ungehinderte Missionstätigkeit garantierte. Doch durch die Ankunft der Dominikaner und Franziskaner wurde der auch unter den Jesuiten kontrovers geführte Ritenstreit verschärft. Die Gegner erreichten im Jahr 1704 ein Verbot der chinesischen Riten (unter Clemens XI). Dies wurde zwar von Seiten der Jesuiten zu verhindern versucht, aber die Bestätigung des Verbots im Jahr 1715 setzte dem Streit – und damit auch der Mission in China ein endgültiges Ende. François Noëls Missions- und Ü bersetzertätigkeit fällt somit exakt in die „heißeste“ Phase dieser Auseinandersetzungen zwischen dem chinesischen Kaiser und dem Papst und muß in diesem Horizont verstanden werden.
Wer war François Noël SJ (衛方濟)? François Noël (1651 - 1729) war belgischer Jesuit, der nach theologischer und literarischer Tätigkeit in Belgien im August 1685 in Macao landete; seine Missionstätigkeit übte er in der Provinz Jiangxi aus, vor allem in Nanchang und Nanan. Offenbar lernte er schnell und gründlich das Chinesische. Wie die Ü bersetzungshandschrift von 1700 (Bibliotheque Royale, Brüssel) zeigt, scheint er früh den Plan gefaßt zu haben, die „Vier Bücher“ vollständig neu zu übersetzen. Zwischen 1702-1707 ist Noël in Europa (London und Rom), um die Akkomodationspolitik zu rechtfertigen. 1708 wird er (zusammen mit anderen Priestern) als Spezialgesandter von Kaiser Kangxi wieder nach Rom geschickt, um in der „Tournon-Affaire“ zwischen Kaiserhof und Vatikan zu vermitteln. Die chinesischen und lateinischen Akten zu Noël‘s Auftrag liegen bis heute ungesichtet in den Archiven der Jesuiten in Rom. Von dort kehrt er nicht wieder nach China zurück, sondern er siedelt nach Prag über; dort arbeitet er in den folgenden Jahren an mehreren sinologischen Werken. 1711 erscheinen die Libri Classici.
Die Ü bersetzungen chinesischer Klassiker in das Lateinische als Strategie der Jesuitenmission Matteo Ricci erkannte richtig, daß in China nur eine „Mission von Oben“ gelingen würde: Wenn der Kaiser bekehrt werden könnte, würde auch ganz China katholisch werden. Doch hierzu mußten die Missionare die chinesische Sprache und Kultur verstehen, - was sie auch bis zu einem erstaunlichen Grad erreichten. Da die Missionare das Chinesische an Hand der „Vier Bücher“ erlernten, waren diese von Anfang an im geistigen Focus der Jesuiten. Doch die erste umfassende Ü bersetzung von Philippe Couplet SJ umfaßte nur die ersten drei der „Vier Bücher“. Zudem war Couplet bemüht, Übereinstimmungen mit der katholischen Weltsicht herauszuarbeiten. Seine Ü bersetzung hatte vornehmlich das Ziel, den neu ankommenden Missionaren bei der Lektüre der Klassiker zu helfen. Sie war nicht an den Leser in Europa gerichtet.
Sinensis Imperii Libri Classici Sex Die „Vier Bücher“: 1. Das „Große Lernen“ (Daxue 大學; bei Noël: Adultorum Schola) 2. Das Buch „Maß und Mitte“ (Zhongyong 中 庸; Immutabile Medium) 3. Die „Gespräche“ des Konfuzius (Lunyu 論語 – 5.-4.Jh.v. Chr.; Liber Sententiarum) 4. Das Buch Menzius (Mengzi 孟子 - 4./3.Jh.v.Chr.; Memcius) Außerdem fügte Noël zwei Bücher, die eigentlich keinen kanonischen Rang hatten, hinzu: 1. „Klassiker der Pietät“ (Xiaojing 孝經; Filialis observantia) 2. Das „kleine Lernen“ (Xiaoxue; 小學; Parvulorum Schola) von Zhu Xi Aufgrund dieser Edition ging Wolff von sechs klassischen Büchern aus, deren Gedankengut er insgesamt mit Konfuzius Lehre gleichsetzte. Aus historischer Sicht ist dies zwar zu undifferenziert; aus philosophischer Sicht läßt sich jedoch sagen, daß er ein authentisches Bild des neokonfuzianischen Denkens zu seiner Zeit gewinnen konnte.
Das Anliegen der Ü bersetzung: Aus der „Vorrede an den Leser“ Leser, mein lieber Freund, hiermit stelle ich Dir die lateinische Fassung der sechs klassischen Bücher der Chinesen vor, nicht so sehr, damit du lernen mögest, was sie geschrieben haben, sondern damit du in deinem Leben verwirklichen mögest, was sie in rechter Weise empfunden haben. Daher hat mich nicht so sehr etwas neues Vortreffliches in Bezug auf die Argumente und den Inhalt, sondern die Tatsache, daß eine solche Menge von Menschen (über Jahrtausende) sich um diese Bücher bemüht hat, dazu angetrieben diese mühsame Arbeit an der Übersetzung anzugehen. Ziemt es sich für die Europäer etwa nicht, um das, was dort (in Ostasien) viele Völker eifrig betreiben, zu wissen? Vielfältig redet man nämlich über die chinesische Wissenschaft, und man streitet von Zeit zu Zeit sogar über sie. Aber das, was die Chinesen in sich wirklich fühlen, das können sie nicht beurteilen, weil es keine gute Übersetzung der chinesischen Bücher gibt. Nutze, lieber Leser, die Frucht dieser nicht geringen Geduld und während du die Worte der Chinesen liest, bedenke (den Sinn) des Lebens der Christen. Möge Christus beiden ein Eckstein sein!
Welche Bedeutung hatten die „Vier Bücher“? Noël konstruierte nicht einen „christlichen Konfuzius“, sondern er war bemüht, die neokonfuzianische Tradition, wie er sie in seiner Gegenwart vorfand, zu verstehen und zu vermitteln. Wichtigster Bezugspunkt dieser Tradition war Zhu Xi (朱熹 1130-1200), der über 1500 Jahre nach Menzius eine Renaissance des Konfuzianismus eingeleitet hatte. Zhu Xi war Kompilator und Kommentator der „Vier Bücher“, die die geistige Achse darstellten, um die sich zwischen 1300 und 1900 alle Debatten drehten. Die wichtigste Neuerung der „Vier Bücher“ bestand darin, daß das Buch Menzius (Mengzi) zum Kerntext des Konfuzianismus wurde.
Zentrale Gedanken der „Vier Bücher“ „Alle Menschen sind von Natur aus gut“ (性善; Menzius): Durch die gute Natur wird einerseits das ethische Potential des Menschen begründet, andererseits die Aufgabe der Herrschenden, die Würde aller Menschen durch gute Regierung und Fürsorge zu garantieren. Durch Zhu Xi‘s Deutung der „Vier Bücher“ entstand ein Lehrkompendium, dessen Ziel es war, einen Leitfaden der ethischen Entwicklung und gleichzeitig der politischen Verantwortung zu schaffen. Neu war die Betonung kosmologischer Begründung der Ethik. Diese scheint Wolff vor allem in seinen naturwissenschaftlichen Interessen angesprochen zu haben (Astronomie – Ethik!) Bei Kant findet sich dieser Zusammenhang in folgenden Worten: „Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: der gestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir‚.
Bilder zu Noëls Ü bersetzung:
Das erste Kapitel des Menzius in Noëls chinesischer Handschrift:
Das erste Kapitel des Menzius in Noëls lateinischer Handschrift:
Zhu Xi
Memcius (Menzius – Mengzi –孟子) Menzius wurde von Noël das erste Mal übersetzt, frühere Jesuiten zögerten damit, weil Menzius die sexuelle Enthaltsamkeit explizit ablehnte. (Mungello) Vom Textumfang nimmt Menzius mehr als die Hälfte der Libri Classici ein. Noël erwähnt ihn im Vorwort als einen Philosophen, der die Lehre des Konfuzius systematischer und klarer vermittelt habe als irgend ein anderer Denker. Wolff hat Menzius nicht als eigenen Denker wahrgenommen und bezieht sich kaum auf ihn. Es gibt jedoch grundlegende Parallelen zwischen Menzius‘ zentralen Aussagen und den Idealen der Aufklärung: Die Ideen zum Wohlfahrtsstaat, die Notwendigkeit der Bildung des Volkes, die Würde aller Menschen, das Recht auf Tyrannenmord u.a.
Menzius
Ü bersetzungsbeispiel Menzius Menzius 7A 4 孟子曰﹕萬物皆備於我矣。反身而誠,樂莫大焉。 Menzius sagte: Alle Dinge sind vollständig in mir angelegt. Es gibt keine größere Freude, als mich meiner Person zuzuwenden und wahrhaftig zu werden. Itaque, addit Memcius, cum noster animus possit omnes omnino rerum naturas in se complecti, debet tantum se ipsum consulere; vere amare quod recta ratio amandum; agere quod agendum dictat. Et certe nulla hac major voluptas potest inveniri. Und so fügte Menzius hinzu: Weil unser Geist die Naturen der Dinge alle insgesamt umfassen kann, soll er nur sich selbst um Rat fragen und lieben und tun, was ihm die wahre Vernunft zu lieben und zu tun aufträgt. Es kann gewißkeine größere Lust gefunden werden. (Noël: 437/8; Jäger: Menzius-Lesebuch S.113 )
Ü bersetzungsvergleich Konfuzius – die Goldene Regel Lunyu 15.24 子貢問曰:「有一言而可以終身行之者乎?」子曰:「其恕乎!己所不欲,勿施於人。」 Zi Gong fragte: Gibt es ein Wort, nach dem man das ganze Leben hindurch handeln kann? Der Meister antwortete: Ist das nicht die Empathiefähigkeit? Was Du für dich nicht wünscht, das tue auch niemandem anderen an! Couplet: Noël:
Hypothesen zur Hermeneutik Noëls Es ist davon auszugehen, daß Noël die konfuzianischen Texte nicht nur als einen Gegenstand der Forschung bzw. Ü bersetzung betrachtete, sondern daß er sich weitgehend auf die konfuzianische Praxis der „Aneignung‚ (Ricoeur) der Texte einließ. Diese Praxis wird von Zhu Xi folgendermaßen beschrieben: 少看熟讀 ,反覆體驗 , 不必想像計獲 . (Zhuzi yulei, Dushufa, Bd.1.S. 165) Lieber wenig lesen und dies, bis es „gar“ ist. Das Gelesene immer wieder an der eigenen Erfahrung überprüfen. Niemals bei der Lektüre einen Nutzen im Voraus berechnen. Der Prozeß der „Aneignung“ wird zum Beispiel in der fehlerfreien Handschrift Noëls deutlich, mit der er die „Vier Bücher“ abgeschrieben hat. (Siehe Bild). Weiterhin ist zu vermuten, daß sich Noëls Haltung unmittelbar auf Wolff übertragen hat: Immer wieder betont er in der „Rede“, man müsse Noëls Werk sehr aufmerksam lesen, um die „Aussprüche und Taten“ des Konfuzius durch die eigenen Vernunft und Erfahrung bestätigen zu können.
Die konfuzianische Ethik als Frucht der Erfahrung Die Chinesen haben ihre Lehre aus Beispielen geschöpft und zu diesen zählten sie nur dann etwas, wenn sie es durch ein Experiment an sich selbst bestätigen konnten. […] Wenn du also würdig warst, die klassischen Bücher mit aufmerksamem Geist genau zu betrachten, wirst du nicht weiter bezweifeln, daß alle Einzelheiten, die ich behauptet habe, durch Experimente bestätigt sind (experimentis confirmata esse singula, quae affirmavimus, non amplius dubitabis).
Die Rezeption der Noël-Ü bersetzung in Europa Da die Ü bersetzung offenbar kurz nach der Veröffentlichung zurückgezogen wurde, war sie bald nach Erscheinen eine Rarität: Auch der Wolff-Schüler Georg Bernhard Bilfinger, der die erste systematische Darstellung der chinesischen Philosophie Specimen doctrinae veterum Sinarum schrieb, klagt in der Einleitung, nicht die Ü bersetzung des Menzius lesen zu können. Wolff war somit der einzige Denker von Rang, der Noëls Werk gelesen und rezipiert hat. Er verstand diese Lektüre jedoch als Bestätigung seines eigenen Denkens – nicht als eine Auseinandersetzung mit fremdem Denken. Eine weitere Verbreitung fand Noëls Werk in der ausführlichen inhaltlichen Schilderung des Inhalts der Libri Classici in dem Werk Description de l‘Èmpire de la Chine von Du Halde im Jahr 1736. Noëls Werk ist bis heute weder als Meisterwerk der Sinologie noch als „Quelle“ der Wolff‘schen Philosophie gewürdigt. Dies verwundert umso mehr, als seine Rede – in der Noël mehrfach direkt erwähnt wird – in ganz Europa bekannt geworden war. In keiner der mir bekannten Schriften gegen die Rede (aus dem 18. Jh.) wird ein Bezug zu Noël hergestellt. Ebensowenig findet man Hinweise in Enzyklopädien, Geschichtswerken und auch nicht in der einschlägigen Fachliteratur.
Urteile zu Noëls Werk: Abel Remusat (Erster Lehrstuhlinhaber für Sinologie in Paris im 19. Jh.): Das Lob: Aussi peut-on assurer que jamais les livres de Confucius et de ses disciples n’ont été aussi bien entendus ni au si complétement expliqués qu’ils les sont dans l’ouvrage du Père Noël. Die Kritik: Il a presque toujours meléaux phrases courtes et substantielles au texte les gloses ou les définitions des commentateurs, tandis qu’il eûdûles rejeter en note. David Mungello (bekanntester Forscher zur Geschichte der Jesuitenmission) : Noël built upon the work on his Jesuit predecessors to achieve a clearer understanding oft the Chinese texts. […] But when one considers the still pioneering nature of his achievement and the clearer understanding oft he text which the conveyed to his readers than had been conveyed in previous Jesuit translations, than the achievement of Noël and his collaborating Jesuits is due a respect and esteem which it has to this day not yet received.
Die „Rede über die praktische Philosophie der Chinesen“ im Jahr 1721 In der „Rede“, die Wolff im Juli 1721 anläßlich der Ü bergabe des Prorektorats an seinen Nachfolger Joachim Lange hielt, versucht Wolff eine umfassende Darstellung der Kerngedanken der konfuzianischen Tradition. Hierbei betont er wiederholt, daß es Noëls Ü bersetzung war, die ihm diese Tradition erschlossen habe: Zentraler Gedanke hierbei ist die cultura intellectus: Durch die „Pflege der Vernunft“ kann der Mensch unabhängig von aller Religion die Vollkommenheit anstreben. Die chinesische Tradition insgesamt und Konfuzius‘ „Aussprüche und Taten“ insbesondere sind hierfür die Bestätigung. Gleichermaßen fühlt sich Wolff in seinem Denken durch die konfuzianischen Texte bestätigt.
Das Titelblatt der „Oratio“
Wie begründet Wolff seine Wertschätzung des Noël‘schen Werkes in der Rede? Der bewundernswerte hochwürdige Vater François Noël aus der Gesellschaft Jesu – ein Mann, der sich durch seine vielseitige Gelehrsamkeit auszeichnete, und durch die Redlichkeit seines Lebenswandels hervorstach – hat, nachdem er mehr als zwanzig Jahre lang einen ungewöhnlichen Fleiß auf das Durcharbeiten der klassischen Bücher des Chinesischen Reiches gewendet hatte, diese endlich ins Lateinische übersetzt und sie vor ungefähr 10 Jahren in Prag veröffentlicht. Wem das nicht genügt, um sich davon überzeugen zu lassen, daß Konfuzius mit herzlicher Neigung der Glückseligkeit seines Volkes zugeneigt war, der studiere wieder und wieder aufmerksam die vielen anderen Aussprüche und Taten des Konfuzius, die in den klassischen Büchern (von Noël) berichtet werden.
Der größte Universitätsskandal des 18. Jahrhunderts: Wolffs Vertreibung aus Halle im Jahr 1723 Im November 1723 erhielt Wolff ein Schreiben aus Berlin, in dem ihm befohlen wurde, „bey Strafe des Stranges“ Preussen binnen 48 Stunden zu verlassen. Die „Rede“ war somit nicht mehr eine akademische Veranstaltung unter vielen, sondern „der größte Universitätsskandal des 18. Jahrhunderts“ (Norbert Hinske) Insgesamt wurden 130! Streitschriften gegen Wolffs Idee von der religionsunabhängigen Ethik – und implizit auch gegen konfuzianisches Denken – geschrieben. (Kein einziger der Autoren setzte sich allerdings mit Noël auseinander). Nach 1723 schrieb Wolff wieder fast ausschließlich Latein, außerdem wurde er sehr zurückhaltend in seinen Ä ußerungen über Konfuzius. So ist es auch zu erklären, warum es keine späteren Schriften gibt, in denen sich Wolff explizit mit chinesischer Philosophie beschäftigt.
Zum Schluß ein sehr aktueller Gedanke über den Fischfang: Menzius über den Der Gedanke des richtigen Fischfang: Menzius bei Wolff: 數罟不入洿池,魚鼈不可勝食 Es gehören hierher die Verordnungen, 也。 daß man kleine Fische, die mit größerem Vortheil können gebraucht werden, wenn sie erwachsen sind, Wenn man nicht mit nicht wegfangen und solcher Gestalt feinmaschigen Netzen Fische bey Strafe keine andere, als zu Erhaltung dieses Zweckes, dienlich und Schildkröten fängt, dann Netze und Haamen führen darf: gibt es so viele, daß man sie dergleichen auch schon von uralten nicht aufessen kann. Zeiten die Sineser gehabt. (Deutsche Politik, 1721, S. 560) (Menzius 1A,3)
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