Zwischenbericht der Fach arbeitsgruppe "Kita 2050" - für das Bündnis für frühkindliche Bildung in Bayern

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Zwischenbericht der Fach arbeitsgruppe "Kita 2050" - für das Bündnis für frühkindliche Bildung in Bayern
Bayerisches Staatsministerium für
                         Familie, Arbeit und Soziales

      Zwischenbericht
der Fach­arbeitsgruppe
          „Kita 2050“
                 für das Bündnis für
     frühkindliche Bildung in Bayern

                  Stand: September 2021
Vorbemerkung

Am 21. Juni 2019 hat das Bündnis frühkindliche Bildung in Bayern zur inhaltlichen Arbeit zwei Arbeitsgruppen
auf Fachebene zu den Themenkomplexen „Kita 2050“ und „Fachkräfte“ eingesetzt.

Die Facharbeitsgruppe „Kita 2050“ fasst mit diesem Zwischenbericht den Stand seiner Diskussion zusammen.
Zweck des Zwischenberichts ist es, das Bündnis frühkindliche Bildung fachlich zu informieren und zu beraten.
Hierzu spricht die Facharbeitsgruppe auch konkrete Handlungsempfehlungen aus. Ob das Bündnis die Einschät-
zungen teilt bzw. die Anregungen aufgreift, ist eine gesonderte Fragestellung. Hierzu zählt insbesondere auch die
Frage der Finanzierung der Handlungsempfehlungen.

Gemäß ihrem Auftrag beleuchtete die Facharbeitsgruppe die Kindertagesbetreuung aus der Perspektive des
Kindes, der Eltern, des Personals und der Träger. Dabei wird ausgehend von der Ist-Situation ein Szenario für die
Kita der Zukunft unter Berücksichtigung der voraussichtlichen Entwicklungen der Bereiche Familie, Gesellschaft,
Technik und Arbeitswelt abgeleitet und konkrete Empfehlungen für eine zukunftsträchtige Weiterentwicklung
und Weichenstellung aufgestellt.

Aus Sicht der Facharbeitsgruppe „Kita 2050“ handelt es sich um eine Daueraufgabe der Kindertagesbetreuung,
den zeit- und zukunftsgemäßen Anforderungen gerecht zu werden. Der Zwischenbericht prognostiziert, ausge-
hend von einer wertenden, richtungsweisenden Momenteinschätzung, eine wahrscheinliche Entwicklung der
frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung im Freistaat Bayern und bewertet diese. Die ausgesprochenen
Empfehlungen befassen sich mit den notwendigen Schritten, um diesen frühestmöglich Rechnung zu tragen.
Die Empfehlungen greifen die aktuelle Situation und wissenschaftliche Erkenntnisse auf und zielen darauf ab,
frühzeitig und proaktiv adäquate (Veränderungs-)Prozesse in der Kinderbetreuung unter Berücksichtigung der
sich abzeichnenden gesellschaftlichen, technischen und inklusiven Entwicklungen anzustoßen.

Der folgende Zwischenbericht wurde unter Mitwirkung und auf Basis der Beiträge der Teilnehmerinnen und
Teilnehmer der Facharbeitsgruppe „Kita 2050“ (Anhang) erstellt.

                                                                                      www.stmas.bayern.de           3
Aufbau des Zwischenberichts 1

I.      Ausgangssituation und Entwicklungsprognosen                                                           06

        1.  Bildungsbegriff                                                                                   06
        2.  Angebotsformen und Größe der Einrichtungen                                                        08
               a) Formen der Kindertagesbetreuung                                                             08
               b) Größe der Einrichtungen                                                                     08
        3. Öffnungszeiten und Randzeitenbetreuung                                                             12
               a) Umfang der Buchungen                                                                        12
               b) Randzeitenbetreuung                                                                         13
        4. Trägerstruktur und betriebliche Einrichtungen                                                      15
        5. Entwicklung des Angebotsspektrums der Einrichtungen                                                17
        6. Entfernung zur Einrichtung                                                                         20
        7. Räumliche Anforderungen an Kindertageseinrichtungen                                                21
        8. Inklusion                                                                                          22
               a) Inklusion von Kindern mit (drohender) Behinderung                                           22
               b) Interkulturelle Inklusion in den Kindertageseinrichtungen                                   22
        9. Digitalisierung                                                                                    25
        10. Anpassung der Rahmenbedingungen für mehr Chancengerechtigkeit                                     27
        11. Personelle Rahmenbedingungen                                                                      30
        12. Jugendhilfeplanung und Vernetzung                                                                 32

II.     Wesentliche Empfehlungen auf dem Weg zur Kita der Zukunft                                             34

Anhang                                                                                                        37

1
    	Anmerkung:
      Aufgrund der Vielzahl von thematischen Schnittstellen sowie der Beleuchtung von Themen aus unterschiedlichen
      Perspektiven, ließen sich Wiederholungen nicht immer vermeiden.

                                                                               www.stmas.bayern.de                   5
Entwicklungen und Folgerungen aus der Facharbeitsgruppe „Kita 2050“

I. Ausgangssituation und
Entwicklungsprognosen

1. Bildungsbegriff

Ausgangslage                                                gen oder in der Kindertagespflege bieten Raum und
                                                            Erfahrungsmöglichkeiten, um zusätzlich Bildungspro-
                                                            zesse bei den Kindern anzustoßen. Die Tätigkeit des
Bildung ist ein Menschen- und Kinderrecht. Leitziel         pädagogischen Personals ist daher nicht hoch genug
der pädagogischen Bemühungen in Kindertagesein-             einzuschätzen. Diese Bildungsbegleitung sollte dabei
richtungen ist der beziehungsfähige, wertorientierte,       in einer engen Bildungs- und Erziehungspartnerschaft
hilfsbereite, schöpferische und resiliente Mensch, der      zwischen den Eltern und dem pädagogischen Personal
sein Leben verantwortlich und selbstbestimmt ge­            erfolgen.
stalten und den Anforderungen in Familie, Arbeitswelt
und Gesellschaft gerecht werden kann. Die Kinder sind       Voraussichtliche Entwicklung
individuell und ganzheitlich im Hinblick auf ihr Alter
und ihre Geschlechtsidentität, ihr Temperament, ihre
Stärken, Begabungen und Interessen, ihr individuelles       Die Kita der Zukunft verfolgt ein ganzheitliches
Lern- und Entwicklungstempo, ihre spezifischen Lern-        Verständnis von Bildung.
und Unterstützungsbedürfnisse sowie ihren kulturel-
len Hintergrund zu stärken und zu fördern. Ziel ist, eine   Das oben dargestellte Bildungsverständnis ist dem
gesellschaftliche Teilhabe durch Bildung, unabhängig        Bayerischen Bildungs- und Erziehungsplan (BayBEP)
von der sozialen, kulturellen oder nationalen Herkunft      mit der dazugehörigen U3-Handreichung, den Bay-
der Eltern sowie deren finanziellen Lage, zu ermögli-       erischen Bildungsleitlinien sowie den verbindlichen
chen. Hierzu zählt auch, gleichwertige Bildungs- und        Bildungs- und Erziehungszielen des Bayerischen
Startchancen zu eröffnen, unabhängig von der Region,        Kinder­bildungs- und -betreuungsgesetzes (BayKi-
in der die Kinder aufwachsen.                               BiG) immanent. Die grundlegenden Weichen für die
                                                            Zukunft sind damit bereits gestellt, wenngleich auch
Bildung ist ein lebenslanger, selbsttätiger Prozess         aktuelle Entwicklungen eine Nachjustierung des
und bedarf der sozialen Interaktion. Bildung ist nicht      BayBEP erforderlich machen: Einzelne Themenbe-
nur Lernen von Faktenwissen. Vielmehr geht es um            reiche sind zu aktualisieren, neue Inhalte zusätzlich
den Erwerb von Kompetenzen, die Kinder durch ihre           aufzunehmen. Eine entsprechende bedarfsgerechte
eigenen Handlungen, vor allem im Spiel und in der           Nachjustierung des BayKiBiG sollte dabei im Schul-
sozialen Interaktion erwerben. Bildungsverläufe sind        terschluss aller am Bündnis frühkindlicher Bildung
dementsprechend ko-konstruktiv angelegt. Kindliche          beteiligter Kräfte erfolgen.
Bildungsprozesse beginnen innerhalb der Familie und
bedürfen verlässlicher, feinfühliger Beziehungen und        Kognitive Bildung und ästhetische Bildung werden
Bindungen, vor allem zu den Eltern, zu den Geschwis-        in der Kita der Zukunft nicht nur gleichermaßen Be-
tern und anderen Kindern und Erwachsenen. Bildung,          rücksichtigung finden, sondern greifen im Sinne des
Betreuung und Erziehung in Kindertageseinrichtun-           ganzheitlichen Bildungsverständnisses ineinander.
Der Bildungsauftrag der Kinder- und Jugendhilfe sowie                      Eine Schwerpunktsetzung in den MINT-Bereichen
der Auftrag zur Inklusion umfassen insbesondere die                        darf nicht in Konkurrenz zu ästhetischer Bildung oder
Entwicklung personaler und sozialer Kompetenzen                            anderen Bereichen treten, welche die Entwicklung
sowie der Reflexionsfähigkeit, die Unterstützung                           und Stärkung insbesondere der kindlichen Kreativität
der Entwicklung des Körpers, der Bewegung und der                          unterstützen. Die Kita der Zukunft muss auf ein Gleich-
Persönlichkeit, die Förderung des Demokratiever-                           gewicht aller Bildungsbereiche bedacht sein und
ständnisses und der demokratischen und gesellschaft-                       dabei alle Geschlechter im Blick haben. Gerade Neu-
lichen Teilhabe, die Medienbildung, die religiöse und                      gier, Kreativität, Selbstwirksamkeitserfahrungen und
ethische Bildung, die Bildung für nachhaltige Entwick-                     das Sich-selbst-Entdecken in den Bereichen Kunst
lung, globales Lernen und die kulturelle, technische,                      und Musik eröffnen in einer Welt der Digitalisierung
naturwissenschaftliche und mathematische Bildung                           und gerade in Kombina­tion der Bereiche miteinander
sowie die Entwicklung bzw. Förderung musischer und                         besondere Chancen, schaffen den notwendigen
künstlerischer Interessen.                                                 Ausgleich, auch den Ausgleich unterschiedlicher
                                                                           Stärken, und fördern Resilienz. Gleiches gilt auch für
Die Kita der Zukunft reflektiert, ob dem Bildungsan-                       die Bereiche Bewegung, Sport und körperliche Selbst-
spruch eines jeden Kindes mit seinen individuellen                         wahrnehmung im Sinne von Gesundheitsbildung und
Bedürfnissen und Kompetenzen entsprochen wird.                             Prävention.

Im Elementarbereich kommen Leistungsnachweise                              Die Unterstützung beim Erwerb von Medienkompe-
der Kinder grundsätzlich nicht in Betracht. Stattdessen                    tenz und eines kritisch-reflexiven Umgangs mit Medi-
müssen die Entwicklung der Kinder und das Erreichen                        en ist unverzichtbar, um die Kinder auf die Zukunft vor-
gesetzter Bildungs- und Erziehungsziele begleitet und                      zubereiten. Gerade dieses Thema wird zunehmend in
das Bildungsangebot individuell darauf ausgerichtet                        den Fokus der Bildungs- und Erziehungsarbeit rücken.
werden. Hierzu zählt eine strukturierte Dokumenta-
tion. Diese Aufgabe des pädagogischen Personals ist                     b) E
                                                                            ine Reflexion bedarf auch der Außensicht. Durch
besonders anspruchsvoll und bedarf ausreichender                           regelmäßige Befragungen der Kinder, Eltern und
Zeit. Für die notwendige Qualifizierung wird zum Teil                      pädagogischen Fach- und Ergänzungskräften sowie
noch Optimierungsbedarf gesehen. Die Anwendung                             – je nach Einrichtungsart – auch der Lehr­kräfte sollte
entsprechender wissenschaftlich fundierter Beobach-                        die Qualitätsentwicklung intern kritisch reflektiert
tungs- bzw. Entwicklungsbögen sollte verbindlich wer-                      werden, aber nicht in Form eines Beurteilungswe-
den. Digitale Formate könnten zu einer wesentlichen                        sens. Zudem können Fachdienste die Selbstreflexion
Arbeitserleichterung führen (Verweis Digitalisierung).                     bzw. Reflexionskompetenz des pädagogischen
                                                                           Personals auch hinsichtlich der Erreichung von
Bewertung zu 1                                                             Bildungszielen und -gerechtigkeit unterstützen, etwa
                                                                           durch Pädagogische Qualitätsbegleitung (PQB), den
                                                                           Fachdienst Integration, Leistungen der interdiszipli-
a) Konkret gilt es, die Bildungsziele für die Schulkindbe-                nären Frühförderstellen, die Digitalisierungscoaches
   treuung zu spezifizieren und die Bildungsinhalte zu                     („kita.digital.coach 3“) oder die Fachberatungen der
   konkretisieren (z. B. Bildung für nachhaltige Entwick-                  Aufsichtsbehörden bzw. der Verbände. In Ergänzung
   lung, Erwerb digitaler Kompetenzen, Demokratiebil-                      eines durch Außensicht gestärkten selbsttragenden
   dung). Um Inklusion als selbstverständliches Prinzip                    Qualitätssicherungssystems sollte ein Reflexionsin-
   und als Ergänzung zu den trägerspezifischen Profilen                    strument angeboten werden, z. B. für den Bereich der
   in der Kindertagesbetreuung nachhaltig zu imple-                        Interaktionsqualität des PQB-Qualitätskompass.
   mentieren, müssen die gemeinsamen Anstrengun-
   gen aller Verantwortlichen in Politik und Verwaltung                    Der Staat und seine Institutionen, die Kommunen
   sowie bei den Leistungsträgern und qualifizierten                       und Trägerverbände müssen aktiv die Bildungspro-
   Leistungserbringern noch intensiviert werden. 2                         zesse ermöglichen und gemeinsam die notwendigen
                                                                           personellen, räumlichen und sächlichen Rahmen­
                                                                           bedingungen schaffen.

2
    Angeregt wurde die Aufnahme eines Passus zur SGB VIII-Reform als Fußnote oder Ergänzung.
3
    Informationen zur Kampagne „Startchance kita.digital“: https://www.ifp.bayern.de/projekte/qualitaet/startchancekitadigital.php.

                                                                                                       www.stmas.bayern.de            7
Entwicklungen und Folgerungen aus der Facharbeitsgruppe „Kita 2050“

2. Angebotsformen und Größe
der Einrichtungen

Ausgangslage                                                An der Tabelle kann die Entwicklung der betreffenden
                                                            Betreuungsformen abgelesen werden. Auffällig ist,
                                                            dass der Ausbau der Kinderbetreuung insbesondere
a) F
    ormen der Kindertagesbetreuung                         im Bereich der Häuser für Kinder erfolgte. Dabei
                                                            haben sich rund 1.000 Kindergärten zu Häusern für
Die staatlich förderfähigen Kinderbetreuungseinrich-        Kinder weiterentwickelt. Der Ausbau im Bereich der
tungen sind in Art. 2 BayKiBiG definiert. Maßgebend         Tagespflege ist weniger darauf zurückzuführen, dass
ist für die Differenzierung der Einrichtungen, in welcher   mehr Tagespflegepersonen im Einsatz wären. Viel-
Altersgruppe überwiegend Bildungs- und Erziehungs-          mehr ist die Zahl damit zu erklären, dass Tagespflege
arbeit geleistet wird. Unterschieden werden Krippen,        zunehmend beruflich ausgeübt wird und mehr Kinder
Kindergärten, Häuser für Kinder und Horte. Die Un-          aufgenommen werden. Neu hinzugekommen ist nach
terscheidung ist für die Förderung mit Ausnahme der         Einführung des BayKiBiG die Großtagespflege, die
Fragen der Mindestbuchungen und Sonderregelungen            als Verbindungsglied zur Kindertageseinrichtungen
für Kinderkrippen im Grunde nicht erforderlich. Das         verstanden werden kann.
sogenannte Netz für Kinder ist eine Angebotsform, die
aufgrund einer Übergangsvorschrift gefördert wird,          b) Größe der Einrichtungen
und wäre den Häusern für Kinder zuzuordnen.
                                                            Die Zahl der genehmigten Plätze in den Kindertages­
                                                            einrichtungen steigt erheblich. Die Zahl der Einrich­
EINRICHTUNG/                  1.1.2006       1.1.2020       tungen mit mindestens 100 Plätzen hat sich seit 2007
TAGESPFLEGE                                                 verdreifacht.

Krippen                          438          1.464         Nach § 14 4. Durchführungsverordnung zum Bayeri-
                                                            schen Kindergartengesetz (4. DVBayKiG außer Kraft
Kindergärten                    6.011         5.094         seit 1.8.2005) sollte der Kindergarten bei Neuer-
                                                            richtung und Erweiterung nicht mehr als drei jeweils
Horte                            878           927
                                                            gleichzeitig betriebene Gruppen umfassen; hinzu
                                                            konnte eine Gruppe vom Schulbesuch zurückgestellter
Häuser für Kinder                28           2.229
                                                            Kinder kommen. Mit der Aufhebung der Vorschrift
Netz für Kinder                  112            64          und dem bedarfsgerechten Ausbau hat die Größe
                                                            der Einrichtungen zum Teil erheblich zugenommen.
Tagespflege (Plätze)            7.024         16.896        Mehrere Faktoren spielen hier eine Rolle: Größere
                                                            Einrichtungen sind flexibler bei der Planung des Ange-
Großtagespflege                   0            172          bots, Ausfälle des Personals lassen sich besser kom-
                                                            pensieren. Mit der Entwicklung zum Haus für Kinder
Quelle: Meldungen nach § 47 SGB VIII                        kann die Verweildauer in der Einrichtung verlängert
                                                            werden. Gleichzeitig entfielen mit Außerkraftsetzung
                                                            des BayKiG regulierende Vorgaben zur Gruppengröße
                                                            und zum Personal-Kind-Schlüssel. Das BayKiBiG setzt
                                                            eine Organisation in Gruppen nicht mehr voraus, der
                                                            Personal-Kind-Schlüssel wurde durch den Anstellungs-
                                                            schlüssel und die Fachkraftquote ersetzt.
ENTWICKLUNG DES ANSTELLUNGSSCHLÜSSELS IN BAYERN

                                                               9,30       9,32       9,29       9,30       9,24
                                          9,41      9,36
                                9,69
          10,01      9,93

10,60

2007              2011/2012            2013/2014               2016                 2018                   2020

Quelle: eigene Auswertung KiBiG.web

Dies förderte den Bau größerer Einrichtungen, weil       Voraussichtliche Entwicklung
erst mit der Förderumstellung flexiblere Strukturen
ermöglicht wurden, der Personaleinsatz flexibilisiert
und den Kindern eine größere Vielfalt an Angeboten       a) Formen der Kindertagesbetreuung
bereitgestellt werden konnte. Zudem ist es in größeren
Einrichtungen leichter möglich, längere Öffnungs­        Die Kita der Zukunft zeichnet sich durch eine weitere,
zeiten anzubieten oder Personalausfälle zu verkraften.   bedarfsgerechte Differenzierung der Betreuungs­
Die Entwicklung zu größeren Einrichtungen ist aber       formen aus.
auch dem Mangel an geeigneten Bauplätzen in den
Ballungsräumen geschuldet.                               Auch künftig wird sich die Kinderbetreuung den
                                                         sich ändernden Bedarfslagen anpassen, was auch
Die Vorteile größerer Einrichtungen werden von Eltern    zu Verschiebungen und/oder Ausweitung bei den
vor allem geschätzt, weil ein Wechsel der Einrichtung    Betreuungsformen führen wird. Die Zahl der „reinen“
bei einem altersübergreifenden Angebot oftmals           Kindergärten wird voraussichtlich weiter zurückgehen,
vermieden werden kann und ggf. auch Geschwister-         die der Häuser für Kinder weiter steigen, um künftig fle-
kinder an einem Ort zusammenkommen. Es werden            xibel auf Betreuungsbedarfe und die demografischen
dann ggf. auch längere Anfahrtszeiten zu den größeren    Entwicklung, wie die Entwicklung der Geburtenzahlen,
zentralen Einrichtungen in Kauf genommen. Die Ände-      reagieren zu können. Die Betreuung, Erziehung und
rungen der Arbeitswelt und damit einhergehend eine       Bildung von Schulkindern wird stark anwachsen. Dabei
Änderung der Bedürfnisse der Eltern könnte jedoch zu     ist der Hort eine Kita der Zukunft. Die mit der SGB VIII-
einem Umdenken dahingehend führen, dass kleinere,        Reform beabsichtigte Zuweisung der Eingliederungs-
überschaubare Einrichtungen bevorzugt werden. Viele      hilfe für Kinder und Jugendlichen mit geistiger, körper-
Eltern schätzen den familiären Charakter von Einrich-    licher oder Sinnesbehinderung („große Lösung“) in
tungen und wollen sich auch gerne mehr in den Betrieb-   die Zuständigkeit der Jugend­hilfe könnte dazu führen,
salltag einbringen (mehr Mitsprache, mehr Austausch      dass ein Nebeneinander von inklusiv tätigen Horten
und Mitwirkung).                                         und Heilpädagogische Tagesstätten (HPT) zuneh-
                                                         mend infrage gestellt und künftig Schulkindbetreuung
                                                         ausschließlich inklusiv angeboten werden sollte. Dann
                                                         stellt sich auch die Frage nach den entsprechenden
                                                         Rahmenbedingungen.

                                                                                   www.stmas.bayern.de               9
Entwicklungen und Folgerungen aus der Facharbeitsgruppe „Kita 2050“

Kombieinrichtungen (Kombination Ganztagsschule-            Eine Weiterentwicklung der Kindertagespflege ist
Hort/HPT) werden sich voraussichtlich etablieren           abhängig von den bundesrechtlichen Vorgaben. In ihrer
und einen entscheidenden Beitrag zur Umsetzung des         derzeitigen Form (familienähnliches Konzept, feste
Rechtsanspruchs der Grundschulkinder auf Ganz-             Zuordnung der Kinder, Tagespflegeentgelt) ist eine
tagsbetreuung auf hohem pädagogischem Niveau               Veränderung der Kindertagespflege nicht zu erwarten.
mit Fachkraftgebot leisten. Das gewachsene und             Diese Betreuungsform hat sich bewährt und wird auch
differenzierte Bildungs- und Betreuungsangebot an          künftig im Kleinkindbereich und zur ergänzenden Kin-
Grundschulen (Mittags- und Ganztagsbetreuung)              derbetreuung von Bedeutung sein. Kindertagespflege
wird noch längere Zeit Rückgrat der Ganztagsbetreu-        wird sich jedoch zunehmend professionalisieren.
ung für Schulkinder bleiben. Schrittweise werden sich      Die Anzahl der gleichzeitig betreuten Kinder (derzeit
Schule im Sinne des Schulunterrichts und sozialpäda-       drei bis vier von einer Tagespflegeperson) wird sich auf
gogische Betreuungsangebote annähern und werden            die Maximalzahl 5 Kinder erhöhen. Damit einherge-
die Unterschiede zunehmend abgebaut, werden sich           hend wird die Gewährung eines Tagespflegeentgelts
die institutionellen Grenzen auflösen. Es wird ange-       nicht mehr genügen. Tagespflegepersonen erwarten
strebt, das vorhandene Personal in der Mittags- und        eine tarifliche Absicherung bzw. bei selbstständiger
Ganztagsbetreuung über berufsbegleitende Qualifi-          Tätigkeit eine angemessene Entlohnung entsprechend
zierungsinitiativen zu professionalisieren und langfris-   der Qualifikation.
tig im Bereich der Kindertagesbetreuung zu binden.
Darüber hinaus wird sich zunehmend die Frage stellen,      b) Größe der Einrichtungen
ob die Ausbildung zur Grundschullehrkraft bzw. zur
Erzieherin oderzum Erzieher für den Schulbereich nicht     Die Kita der Zukunft ist vielfältig und bietet eine breite
vereinheitlicht werden sollte oder ob die Ausbildung       Palette an größeren und kleineren Einrichtungen.
nicht zumindest auf einer einheitlichen Basis aufbauen
könnte.                                                    Die Schulkinderbetreuung wird unter Berücksich-
                                                           tigung der unterschiedlichen Bedarfe erheblich an
Dass Kitas flexibel sind und sich auf verändernde          Bedeutung gewinnen, insbesondere vor dem Hinter-
Bedarfslagen einstellen, haben sie in der Vergangen-       grund des künftigen Rechtsanspruchs auf Ganztags-
heit unter Beweis gestellt. Allerdings müssen Ent-         betreuung für Grundschüler. Den Rechtsanspruch auf
wicklungen künftig proaktiv und frühzeitig erkannt         Ganztagsbetreuung für Grundschüler erfüllen zu kön-
und entsprechende Steuerungsmaßnahmen ergriffen            nen, wird eine große Herausforderung sein, vor allem,
werden. Gleichzeitig werden die Anforderungen, die an      um rein rechnerisch ausreichend Plätze schaffen zu
die Kinderbetreuung gestellt werden, weiter steigen.       können Dennoch muss gleichzeitig die Sicherstellung
Das BayKiBiG mit seiner einheitlichen Förderstruktur       eines qualitativ hochwertigen Angebotes der Bildung,
schafft hier per se gute Voraussetzungen, notwen-          Erziehung und Betreuung im Zentrum stehen. Betreu-
dige Anpassungsprozesse finanziell zu begleiten.           ungsangebote, die jetzt noch ohne Fachkräfte betrie-
Die Großtagespflege und die Sonderförderung von            ben werden, werden künftig nicht mehr den Ansprü-
Einrichtungen im ländlichen Raum sind Beispiele dafür,     chen genügen. Damit einhergehend dürfte verstärkt
wie einerseits Kinderbetreuung wohnortnah und flä-         die Forderung erhoben werden, dass die Einrichtungen
chendeckend angeboten und wie andererseits konkret         der Jugendhilfe und der Schule die Aufgabe gemein-
auf Versorgungsengpässe reagiert werden kann. Die          sam erfüllen, die Kinder bestmöglich zu fördern und
sogenannte Mini-Kita wird sich als besonders anpas-        Nachteile aufgrund der Herkunft oder etwa aufgrund
sungsfähige, die Betreuungslandschaft ergänzende           sprachlicher Defizite schnell und effektiv abzubauen.
Einrichtungsform etablieren. Es geht bei der Mini-Kita     Die Weiterentwicklung des inklusiven Auftrages
darum, der räumlichen Knappheit in Ballungsräumen          muss im Zuge der SGB VIII-Reform verstärkt auch für
Rechnung zu tragen, familienähnliche Betreuungssi-         Schulkinder in den Fokus rücken.
tuationen zu ermöglichen und Einrichtungsträgern
zusätzliche Flexibilität einzuräumen. Die Mini-Kita ist    Es gibt erste Anzeichen, dass sich Eltern zunehmend
keine Einrichtung minderer Qualität, Standardabsen-        wieder eine individuellere Betreuung und mehr zeitli-
kungen hinsichtlich der personellen und sächlichen         che Flexibilität in überschaubaren Settings wünschen
Ausstattung sind nicht intendiert. Dies schließt nicht     (siehe Zeile 2 der Tabelle). Sie schätzen eine familiäre
aus, als Ergänzungskräfte auch Personal einzusetzen,       Atmosphäre. In kleineren Einrichtungen besteht
das zwar nicht den üblichen Werdegang aufweist, aber       auch die Möglichkeit, mehr Einfluss auf den Betrieb
über (eine) entsprechende Qualifizierung(-en) einen        und die Inhalte der Kinderbetreuung zu nehmen.
gleichwertigen Abschluss erreicht.
Daher werden vermehrt Eltern bereit und nicht wenige        Wenn Eltern künftig vermehrt eine Betreuung ihrer
auch in der Lage sein, viel Geld für einen Platz in einer   Kinder in kleineren Einrichtungen wünschen, sollte dies
Kleinsteinrichtung auszugeben. Das darf jedoch nicht        grundsätzlich ermöglicht werden. Denn gerade Kinder
dazu führen, unterschiedliche Standards zu setzen und       mit besonderen Bedarfen könnten davon besonders
Tendenzen unterschiedlicher Chancen und Segrega­            profitieren, wenn sie kleinere und überschaubare
tion zu befördern.                                          Einrichtungen besuchen könnten. Allerdings müsste
                                                            einer möglichen Fehlentwicklung frühzeitig entgegen-
                                                            gewirkt werden. Wenn kleinere Einrichtungen geschaf-
Bewertung zu 2                                              fen werden, darf dies nicht zu Lasten der Qualität, der
                                                            Öffnungszeiten und der Verlässlichkeit des Angebots
                                                            gehen. Es könnten elitäre Kleinsteinrichtungen ent-
Die Erwartungshaltung an Qualität und Angebot               stehen, die sich ausschließlich wenige Eltern leisten
der Schulkindbetreuung ist vor dem Hintergrund des          können. Es wäre auch nicht zielführend, wenn sich die-
anstehenden Ausbaus hoch. Dem sollte von Anfang an          se kleineren Einrichtungen nicht auch den besonders
Rechnung getragen werden. Es wird daher empfohlen,          schwierigen pädagogischen Herausforderungen, etwa
Mittagesbetreuungen, die ohne Fachkräfte angeboten          der Inklusion, stellen würden und Kinder daraufhin
werden, mittelfristig zu professionalisieren und nicht      selektiert würden. Denn in der Folge müssten größere,
in diesem Format neu zu gründen. Auch der Bedarf an         vor allem kommunale Einrichtungen die betreffenden
längeren Betreuungszeiten und Ferienbetreuung sollte        Kinder vermehrt aufnehmen. Das Personal in diesen
eingeplant werden. Der Ausbau der Schulkindbetreu-          Einrichtungen würde zusätzlich belastet. Darunter
ung ist auch eine Chance, Inklusion in diesem Alters-       könnte die pädagogische Qualität leiden, wenn kein
bereich neue Impulse zu verleihen und einem Ausei-          personeller Ausgleich erfolgen würde. Chancenge-
nanderdriften von Chancen eines jeden Kindes mit            rechtigkeit, Vermeidung von Segregation etc. wären
zunehmendem Alter entgegenzuwirken. Besondere               unter diesen Vorzeichen nicht realisierbar. Zu beachten
Aufmerksamkeit bedarf dabei der Frage, wie Inklusion        ist auch, dass kleine, inklusiv arbeitende Einrichtun-
im Zusammenspiel der Institutionen besser erfüllt           gen bisher kaum finanzierbar sind. Ggf. würde eine
werden kann. Es muss sichergestellt werden, dass die        Nachjustierung der Förderung über das BayKiBiG er-
Qualitätsstandards der bisherigen SGB IX-HPT im             forderlich, um steuernd einzugreifen. Eine Anpassung
Rahmen einer BayKiBiG-Förderung gesichert werden            der Gewichtungsfaktoren, damit eine gute inklusive
könnten.                                                    frühe Bildung möglich wird, stellt dabei eine mögliche
                                                            Handlungsvariante dar. Fragen zum Raumprogramm
Um den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung                 werden gesondert unter 5. behandelt.
umzusetzen, kann die Mini-Kita als ein zusätzliches
Betreuungsmodell eine Rolle spielen. Daher sollte
in der Erprobungsphase der Mini-Kita auch die Schul-
kindbetreuung in den Blick genommen werden. Dies
betrifft die Aspekte der Finanzierung wie auch der
personellen Ausstattung sowie der Überführung von
Angeboten der Mittagsbetreuung. Großtagespflege-
stellen können sich auf dem Weg zur Mini-Kita vom
engen Korsett der verbindlichen Zuordnung Tages-
pflegeperson-Kind befreien. Notwendig ist hierfür
eine Anpassung des Betriebserlaubnisverfahrens.
Begleitend ist die Fachberatung von Kommunen und
Wohlfahrtsverbänden zu stärken und deren Finanzie-
rung zu sichern. Das pädagogische Personal sollte auf
ein breites (berufsbegleitendes) Angebot an Quali-
fizierungsmöglichkeiten zugreifen können, die auch
einen beruflichen Aufstieg eröffnen. Initiativen auf
Bundesebene zur Weiterentwicklung der Tagespflege
sind mittelfristig nicht zu erwarten. Es wäre zu prüfen,
ob die Weiterentwicklung der Tagespflege zu einem
eigenständigen Berufsbild durch einen bayerischen
Weg unterstützt werden könnte.

                                                                                      www.stmas.bayern.de             11
Entwicklungen und Folgerungen aus der Facharbeitsgruppe „Kita 2050“

3. Öffnungszeiten und Randzeitenbetreuung

a) Umfang der Buchungen
Ausgangslage

Kindertageseinrichtungen und die Kindertagespflege
unterstützen die Personensorgeberechtigten bei der
Betreuung, Bildung und Erziehung. Das Angebot ist
daher abhängig von den Bedarfslagen in den Familien.
Wir stellen fest, dass sich die tatsächliche Nachfrage
der Familien nach besonders langen Buchungszeiten in
der Kindertagesbetreuung nach wie vor auf verhältnis-
mäßig geringe Fallzahlen begrenzt. Die durchschnittli-
che Buchungszeit weist nur noch eine minimal anstei-
gende Tendenz auf. Gleichzeitig ist der Anteil der
Kinder mit Buchungszeiten von mehr als neun Stunden
pro Tag rückläufig. Der Anteil der Kinder mit Buchungs­
zeiten von mehr als acht bis einschließlich neun
Stunden stagniert nahezu. Die abnehmende Tendenz
von Buchungszeiten über neun Stunden wurde selbst
durch die Ausweitung des Beitragszuschusses auf die
gesamte Kindergartenzeit nicht unterbrochen. 3

                                               2010/2011          2015         2016         2017         2018        2019         2020

    Durchschnittliche Buchungszeit

                                                   6,24           6,56         6,56         6,57         6,58         6,60         6,62

    Anteil der Kinder nach Buchungszeit

    >7 bis 8 Std.                                12,34  %       15,40  %     15,70  %     16,10  %     16,60  %     17,12 %      17,65 %

    >8 bis 9 Std.                                 7,95 %        11,00 %      11,20 %      11,30 %      11,40 %      11,60 %      11,69 %

    >9 Std.                                       4,00 %         5,60 %       5,50 %       5,40 %       5,30 %       5,09 %       4,74 %

Quelle: eigene Auswertung KiBiG.web

3
    	Anmerkung: Tatsächliche Nachfrage und die Ergebnisse der amtlichen Statistik zu den Betreuungszeiten sind voneinander zu unter­
     scheiden. In die amtliche Statistik fließen die Buchungen entsprechend der Betreuungsverträge ein. In vielen Bundesländern besteht
     dabei nicht die Möglichkeit, stundenweise zu buchen, sondern die Buchungsmöglichkeiten sind oftmals vorgegeben und betreffen z. B.
     Halbtags- oder Ganztagsplätze. In Bayern ist grundsätzlich eine stundenweise Buchung möglich, soweit es keine Einschränkungen durch
     Vorgabe von Kernzeiten durch den Träger gibt. Zudem werden im Vorschulbereich geringere Buchungen als 3–4 Stunden nicht gefördert.
     Gebuchte und tatsächliche Zeiten sind daher weitgehend identisch. Statistisch weist Bayern im Bundesvergleich daher geringere Lang-
     zeitbuchungen auf. Mit den Betragszuschüssen des Freistaates zum Elternbeitrag entfällt zum Teil das Korrektiv, dass Eltern nicht mehr
     buchen als notwendig. Die Buchungszeiten dürften sich bei geringeren Elternbeiträgen statistisch und im Rahmen der kindbezogenen
     Förderung mittelfristig erhöhen.
Voraussichtliche Entwicklung                              in den frühen Morgen- oder späten Abendstunden
                                                          angewiesen sind. Es handelt sich aber hier, gemessen
                                                          am Gesamtbedarf, um Einzelfälle. Hierfür sind weit-
Die Kita der Zukunft bietet ein Höchstmaß an Flexibili­   gehend bereits Angebote geschaffen, in aller Regel in
tät und ermöglicht dadurch mehr Familienzeit.             betrieb­lichen Einrichtungen oder Tagespflegestellen.
                                                          Mit der erwarteten weiteren Flexibilisierung der
Es ist zu beobachten, dass die Eltern sich zunehmend      Arbeitszeiten dürfte sich der Sicherstellungsauftrag für
eine größere Flexibilität in der zeitlichen Ausgestal-    bestimmte Berufsgruppen künftig auch auf Samstage
tung der Kinderbetreuung wünschen. Gewünscht              erstrecken.
wird insbesondere die Möglichkeit unregelmäßiger
Buchungszeiten. Dieser Trend wird sich verstärken.
Eine weitere signifikante Ausweitung der durchschnitt-    Bewertung zu 3
lichen Buchungszeiten zeichnet sich dagegen nicht ab
(derzeit im Schnitt sechs bis sieben Stunden täglich im
Bereich U6, vier bis fünf Stunden im Bereich Ü6).         Auch wenn die Arbeitswelt zunehmend auf diese
                                                          Höherbewertung der Familienzeit mit einer Stärkung
Vielmehr erleben wir eine steigende gesellschaftliche     flexibler Arbeitszeitmodelle und die Ausweitung der
Bewertung der gemeinsamen Familienzeit. Ob diese          örtlichen Flexibilität durch Telearbeit und mobile
zu geringeren Buchungen führen wird, ist fraglich.        Arbeit reagiert, kann der Wunsch von Eltern nach mehr
Denn diese Entwicklung geht oftmals einher mit dem        Flexibilität mit Eintritt in die Familienphase derzeit
Wunsch, Betreuungszeiten flexibel gestalten zu kön-       oftmals noch nicht realisiert werden. Es braucht weitere
nen.                                                      Anstrengungen, damit sich, vielfältige Familienmodel-
                                                          le berücksichtigend, für Sorgeberechtigte, Väter und
                                                          Mütter eine Reduzierung der Arbeitszeit nicht auf die
b) Randzeitenbetreuung                                    Karrierechancen auswirkt.
Ausgangslage
                                                          Ziel muss auch sein, dass sich die Bedingungen der
                                                          Arbeitswelt – soweit dies möglich ist – an die Bedürfnis-
Der gesetzliche Auftrag, ein bedarfsdeckendes             se der Familien anpassen und diese so wenig wie möglich
Angebot an Betreuungsmöglichkeiten bereitzuhal-           hinter den Anforderungen der Arbeitswelt zurück­treten
ten, ist zeitlich nicht festgelegt und ist entsprechend   müssen. Konkret geht es um eine weitere Flexi­bilisierung
dem Wandel von Bedürfnissen und Erwartungen               der Arbeitszeitmodelle, um den Ausbau der mobilen
der Gesellschaft zu interpretieren. Aktuell fordert       Arbeit, den verstärkten Einsatz digitaler Bild-Kommu-
der Sicherstellungsauftrag nach Art. 5 BayKiBiG der       nikation, einer Intensivierung der Personalentwicklung,
Gemeinden, bei Bedarf Betreuungsangebote an Werk-         damit Kinder kein Karrie­rehindernis sind. Arbeitneh-
tagen (Mo–Fr) einzurichten. Die zeitliche Spanne be-      merrinnen und Arbeitnehmer müssen darin unterstützt
wegt sich in aller Regel und bedarfsabhängig zwischen     werden, Elternzeit und Teilzeit tatsächlich in Anspruch
06:00 und 20:00 Uhr.                                      zu nehmen. Elternzeit und Teilzeit dürfen weder für Frau-
                                                          en noch für Männer rechtfertigungsbedürftig sein oder
                                                          ein Karrierehindernis darstellen. Ganz im Gegenteil: Mit-
Voraussichtliche Entwicklung                              arbeiterrinnen und Mitarbeiter mit Kindern müssen in
                                                          der Welt der Unternehmen sogar erwünscht sein, deren
                                                          Potenziale erkannt und unterstützt werden. Personal-
Die Regelöffnungszeit wird sich in der Kita der Zukunft   planung und Arbeitsprozesse müssen sich rückhaltlos
nur unwesentlich verändern.                               darauf einstellen. Familien sind für die wirtschaftliche
                                                          Entwicklung außerordentlich wichtig, nicht nur als Kon-
Die Regelöffnungszeit ist bereits weitgehend be-          sumenten. Eltern verfügen in aller Regel über hohe Sozi-
darfsgerecht ausgebaut. Die Forderung nach weiterer       alkompetenz und Organisationsfähigkeiten, die auch für
Flexibilisierung der Öffnungszeiten wird zwar seit        Arbeitgeber von hohem Interesse sind. Vielmehr wird
Jahren immer wieder erhoben, statistisch lässt sich die   eine familiengerechte Arbeitswelt Fachkräfte dauerhaft
Notwendigkeit längerer Öffnungszeiten jedoch nicht        binden sowie die Mitarbeiter­zufriedenheit und darüber
belegen. Richtig ist, dass vor allem Beschäftigte im      die Produktivität und Effektivität des Unternehmens
Schichtdienst oftmals auf Randzeitenbetreuung auch        und des Betriebes deutlich steigern.

                                                                                    www.stmas.bayern.de               13
Entwicklungen und Folgerungen aus der Facharbeitsgruppe „Kita 2050“

                                                          Es bleibt vor Ort zu prüfen, ob entsprechende zu-
Der Trend, die gemeinsame Familienzeit zu erhöhen,        sätzliche Bedarfe von den etablierten Einrichtungen
wird sich nach unserer Einschätzung fortsetzen.           übernommen werden können. Dies betrifft insbeson-
Wenn Eltern eine echte Wahl haben, Arbeitszeiten          dere auch Bedarfe am Samstag. Dies sollte nicht als
und Kinderbetreuungszeiten flexibel planen zu kön-        zusätzliche Belastung begriffen werden, sondern könn-
nen, werden sie auch mehr Familienzeit in Anspruch        te zum einen eine Chance sein, Teilzeitbeschäftigung in
nehmen. Die Einrichtungen werden gefordert sein, auf      den Einrichtungen zu reduzieren und die Möglichkeiten
diese Wünsche mit einem flexiblen Angebot zu reagie-      einer Vollzeitbeschäftigung zu bieten. Vollzeitbeschäf-
ren, ohne den Bildungsauftrag infrage zu stellen. Diese   tigung könnte auch dazu beitragen, mehr Männer
Flexibilität korreliert mit dem Wunsch, mehr buchen zu    für den Erzieherberuf zu gewinnen. Möglicherweise
können, ohne damit Gefahr zu laufen, Fördermittel zu      könnte auch Zeitausgleich an einem anderen Werktag
gefährden.                                                gewährt werden und pädagogisches Personal dadurch
                                                          zusätzliche Optionen erhalten.
Insgesamt gehen wir davon aus, dass auch zukünftig
sehr lange Buchungszeiten und die Betreuung in Rand-      Zum anderen können hier neue Kooperationsformen
zeiten nur von einer Minderzahl der Eltern nachgefragt    aufgebaut werden. Beispielsweise könnten Träger ihre
werden. Dennoch kann gerade auch dieser Bedarf,           Räumlichkeiten zur Verfügung stellen, um dem Per-
z. B. bei Alleinerziehenden, entscheidend für die Mög-    sonal dort eine ergänzende selbstständige Tätigkeit
lichkeit auskömmlicher Erwerbsarbeit sein. Auch bei       im Sinne einer Tagesmutter/-vatertätigkeit zu ermög-
Kindern mit Bindungsschwierigkeiten ist zu bedenken,      lichen. Diese Möglichkeit, die grundsätzlich bereits
dass es nicht zu häufigen Wechseln des Betreuungs-        besteht, dürfte künftig mehr in das Interesse der für die
settings kommt. Der Bedarf von langen Öffnungszei-        Kinderbetreuung zuständigen Kommunen rücken.
ten ist daher auf regionaler Ebene genau im Blick zu
behalten.
4. Trägerstruktur und
betriebliche Einrichtungen

Ausgangslage                                            Gemessen an der Gesamtzahl der Kindertageseinrich-
                                                        tungen ist die Zahl der Einrichtungen, die dem Landes-
                                                        amt für Statistik und Datenverarbeitung als betriebli-
Kindertageseinrichtungen werden überwiegend von         che Einrichtungen gemeldet werden, vergleichsweise
freigemeinnützigen Trägern betrieben. Das Verhältnis    gering. Dies ist darauf zurückzuführen, dass selbst
zwischen kommunalen und freien Trägern bleibt seit      mittelständische Unternehmen in aller Regel keinen
Jahren weitgehend konstant. Mit dem Ausbau der          Bedarf für eine eigene Kinderbetreuung sehen. Koope-
Kinderbetreuung drängen aber immer mehr sonstige        rationen mehrerer Unternehmen werden zwar immer
Träger auf den Betreuungsmarkt.                         wieder angedacht, aber selten umgesetzt.

Verteilung nach Trägerschaft                            Entwicklung betrieblicher Kindertageseinrichtungen

                               2010         2020                                   15.03.2007    15.03.2020

Öffentliche Träger             29,9 %      28,0 %       Kindertageseinrichtun-        7.708            9.645
                                                        gen gesamt
Freie Träger                   70,1 %      72,0 %
                                                        davon für Kinder von            69              137
davon:                                                  Betriebsangehörigen

AWO                            4,4 %        4,7 %       Anteil                        0,90 %           1,42 %

Deutscher Paritätischer        2,7 %        3,9 %
Wohlfahrtsverband                                       Quelle: Bayerisches Landesamt für Statistik,
                                                        Stichtag: 15.03.2020
BRK                            1,5 %        2,2 %

Evang. Träger                  14,5 %      15,5 %

Kath. Träger*                  32,8 %      28,7 %

Sonstige                       17,0 %      14,2 %

Quelle: eigene Auswertung KiBiG.web
* Der Verband kath. Tageseinrichtungen weist darauf
hin, dass der prozentuale Rückgang im katholischen
Bereich auf Zusammenschlüssen zu Pfarrverbänden
und zu Kitaverbünden, nicht auf Abbau von Einrichtun-
gen, beruht.

                                                                                 www.stmas.bayern.de             15
Entwicklungen und Folgerungen aus der Facharbeitsgruppe „Kita 2050“

Voraussichtliche Entwicklung                               Bewertung zu 4

Die Kita der Zukunft wird auch künftig in erster Linie     Der Anteil sonstiger Träger, auch mit Gewinnabsicht,
von freigemeinnützigen und kommunalen Trägern              wird weiter zunehmen. Vor allem regional könnte
betrieben.                                                 sich dadurch die Konkurrenzsituation verschärfen.
                                                           Unternehmen betreiben in aller Regel betriebliche Ein-
Vor dem Hintergrund der für die kommenden Jahre und        richtungen, indem sie hierzu freigemeinnützige Träger
Jahrzehnte zu erwartenden Konkurrenz der Arbeitge-         beauftragen oder sich Belegrechte sichern. Soweit
ber um die begrenzte Zahl von Arbeitskräften werden        betriebliche Einrichtungen von Unternehmen selbst
Arbeitgeber zunehmend dem Druck ausgesetzt sein,           getragen werden, ist festzustellen, dass diese wie alle
mit einen Beitrag zu leisten, um die Vereinbarkeit von     anderen Einrichtungen als sonstige Einrichtungen ge-
Familie und Beruf durch geeignete Maßnahmen zu             fördert werden. Aufgrund dieser hohen staatlichen und
gewährleisten. Wir erwarten dementsprechend eine           kommunalen Förderung werden die Bundesprogram-
Weiterentwicklung der Arbeitswelt bzw. eine wei-           me zum Ausbau der betrieblichen Kinderbetreuung
tere Flexibilisierung der Arbeitszeiten wie die breite     in Bayern nur zögerlich angenommen. Es handelt sich
Einführung von flexiblen Arbeitszeitmodellen und           dabei um eine Anschubfinanzierung, eine Kombination
von Arbeitszeitkonten. Wann immer es geht, werden          mit der Länderförderung ist nur bedingt möglich.
Arbeitgeber auf die Vorgabe von festen, regelmäßigen
Arbeitszeiten verzichten und auf mobile Arbeitsplätze      Festzustellen ist, dass Unternehmen zunehmend
setzen.                                                    die Kinderbetreuung als Standortfaktor erkennen.
                                                           Nachdem Kinder weitgehend bereits einen Rechtsan-
Ein stärkerer, signifikanter Ausbau betrieblicher          spruch auf einen Betreuungsplatz haben und sich auch
Einrichtungen ist jedoch nicht zu erwarten. Größere        für Eltern die Kosten der Kinderbetreuung in Verbin-
Unternehmen verfügen bereits jetzt über eigene             dungen mit § 90 Abs. 4 SGB VIII moderat sind, kann
Betreuungsmöglichkeiten. Mittelständische Unter-           sich Kinderbetreuung nur dann hervorheben, wenn da-
nehmen werden auch künftig keine eigenen Einrichtun-       mit besondere Leistungen verbunden werden, die die
gen finanzieren, doch wird deren Engagement steigen,       reguläre Kinderbetreuungseinrichtung/Kindertages-
sich Belegrechte in den bestehenden Einrichtungen zu       pflegestelle nicht anbietet. Aus diesem Grund setzen
sichern. Durch Zahlungen werden diese zunehmend            betriebliche Einrichtungen auf besondere Personal-
Einfluss auf die Gestaltung der Öffnungszeiten und         ausstattung, besondere Angebote, Mehr­sprachigkeit,
Schließzeiten nehmen. Das Bundesministerium für            besondere Randzeitenbetreuung. Dieser Trend wird
Familien, Senioren, Frauen und Jugend hat zum 1. Sep-      sich künftig noch verstärken. Nachdem es sich (noch)
tember 2020 ein neues Förderprogramm „Betriebli-           um Einzelfälle handelt, ist eine Konkurrenzsituation
che Kinderbetreuung“ implementiert und damit eine          zwischen den örtlichen Einrichtungen allenfalls lokal zu
Entwicklung in diese Richtung weiter angestoßen.           befürchten. Nachdem aber von den betrieblichen Ein-
Die Zahl der Arbeitgeber, die bereit sind, Beschäftigten   richtungen in aller Regel auch Kinder der Sitzgemeinde
zusätzlich zur Entlohnung einen Beitrag zur Kinder­        profitieren, ist ein Handlungsbedarf staatlicherseits
betreuung zu leisten, dürfte steigen.                      nicht gegeben.
5. Entwicklung des Angebotsspektrums
der Einrichtungen

Ausgangslage                                               Flächenlandkreisen häufig nur in beschränktem Maße
                                                           der Fall. Es bestehen zudem Fragen, etwa wie andere
                                                           Professionen in den Einrichtungen eingesetzt werden
Originäre und vorrangigste Aufgabe der Kindertages-        können, wie die Kooperation mit dem Stammpersonal
einrichtungen ist die Bildung, Erziehung und Betreuung     zu erfolgen hat und wie dem Datenschutz Rechnung
der anvertrauten Kinder. Die Bildungs- und Erzie-          getragen werden kann.
hungsziele werden in der Kinderbildungsverordnung
konkretisiert. Der Bildungs- und Erziehungsplan inter-
pretiert diese Bildungs- und Erziehungsziele, stellt sie   Voraussichtliche Entwicklung
in den Kontext der wissenschaftlichen Forschung zur
frühkindlichen Bildung und beinhaltet handlungsleiten-
de Hinweise. Weiterer Schwerpunkt ist es, die Verein-      Die Kita der Zukunft bietet ein umfängliches Betreu­
barkeit von Familie und Beruf sicherzustellen. Die Kitas   ungspaket.
haben in Erfüllung dieser Aufgaben als Fördervoraus-
setzung mit jenen Einrichtungen, Diensten und Ämtern       Das Betreuungspaket der Kita der Zukunft wird künftig
zusammenzuarbeiten, deren Tätigkeit in einem sachli-       den Eltern verstärkt individuelle Lösungsmöglichkeiten
chen Zusammenhang mit den Aufgaben der Tagesein-           für die Betreuung der Kinder anbieten bzw. vermitteln.
richtung steht. Kindertageseinrichtungen kooperieren       Eltern werden bezogen auf zeitliche Flexibilität ein
insbesondere mit Frühförderstellen, Erziehungs- und        Höchstmaß an Dienstleistung erwarten und sich mehr
Familienberatungsstellen sowie schulvorbereitenden         wünschen, dass die Kita näher auf ihre Bedürfnisse ein-
Einrichtungen und heilpädagogischen Tagesstätten.          geht. In den letzten zwei Dekaden waren Eltern meis-
Kindertageseinrichtungen mit Kindern ab Vollendung         tens bereits glücklich, überhaupt einen Betreuungsplatz
des dritten Lebensjahres haben im Rahmen ihres             zu erhalten. Spezielle Wünsche wurden vernachlässigt,
eigenständigen Bildungs- und Erziehungsauftrags            auch lange Wegstrecken, unzureichende Betreuungs-
insbesondere mit der Grund- und Förderschule zusam-        zeiten wurden in Kauf genommen. Inhaltliche Diskus-
menzuarbeiten (Art.15 BayKiBiG). Nicht zuletzt auf-        sionen zur Ausrichtung der Erziehungsarbeit wurden
grund dieses gesetzlichen Auftrags und der Wünsche         oftmals vermieden. Eltern werden künftig fordernder
der Eltern haben sich zunehmend Kitas auf den Weg          auftreten und ihre Bedürfnisse artikulieren. Dabei
gemacht, über die eigentliche Kinderbetreuung hinaus       wird es weniger um noch längere Öffnungszeiten oder
(weiterführende) Dienste und Angebote anzubieten           um bessere Randzeitenbetreuung gehen. Es werden
oder zu vermitteln. Daher wurde die Kooperation mit        sich aber unter Berücksichtigung der Entwicklung des
Familienzentren und Beratungsstellen gesucht bzw.          Arbeitslebens und der erweiterten Möglichkeit des mo-
externe Expertise in die Einrichtung geholt. Auch wenn     bilen Arbeitens die familialen Bedarfslagen voraussicht-
bereits vielversprechende Förderprojekte aufgelegt         lich erheblich ändern. Wird derzeit eine Betreuung zu
wurden, um diesen Prozess zu unterstützen, wirkten         festen Zeiten in aller Regel akzeptiert und zum Teil so-
sich dabei die Projektfinanzierung und damit die feh-      gar gewünscht, wird aller Voraussicht nach künftig die
lende Garantie für eine Fortführung der Finanzierung       Zahl der Eltern steigen, die wesentlich differenziertere
nach Ablauf des Projekts negativ auf eine Verstetigung     Betreuungsarrangements wünschen (z. B. Montag bis
aus. Vor allem kommt die Öffnung der Kita, weitere         Dienstag ganztägige Betreuung, am Mittwoch Betreu-
Dienste und Angebote anzubieten oder zu vermit-            ung nur am Abend wegen Fortbildung, am Donnerstag
teln, nur in größeren Einrichtungen zum Tragen und         Betreuung wahlweise vormittags oder nachmittags,
hängt zudem davon ab, ob entsprechende externe             freitags kein Bedarf und am Samstag Betreuungsbedarf
Anbieter in der Nähe verfügbar sind. Dies ist gerade in    am Vormittag).

                                                                                     www.stmas.bayern.de          17
Entwicklungen und Folgerungen aus der Facharbeitsgruppe „Kita 2050“

Gleichzeitig besteht ein steigendes Interesse an mehr      ungszeiten hat dann Grenzen, wenn keine kontinuier-
Beratung und Unterstützungsleistungen. Eltern stehen       liche Bildungsarbeit mehr geleistet werden kann oder
mit der Bildung und Erziehung ihrer Kinder vor einer       nicht mehr ausreichend Bildungszeit zur Verfügung
enormen Aufgabe. Besondere Herausforderungen               steht, um die Bildungs- und Erziehungsziele erfüllen zu
bestehen vor allem                                         können. Es wird sich wie schon bei der Entwicklung des
• für Alleinerziehende,                                    BayKiBiG erneut die Frage stellen, ob der Bildungs- und
• für Familien, die in Armut oder bedroht von Armut        Erziehungsarbeit der Vorrang eingeräumt wird, indem
  leben,                                                   nur feste Betreuungszeiten und Öffnungszeiten sowie
• für Familien, die starken Veränderungsprozessen          Kernzeiten angeboten werden. Oder kann den Wün-
  und Umbrüchen ausgesetzt sind,                           schen der Eltern nach einem individuelleren Betreu-
• für Familien, mit psychisch kranken oder                 ungsarrangement verstärkt entsprochen werden und
  suchtkranken Eltern                                      welche Abstriche bei der Bildungsarbeit werden dabei
• für Familien aus bildungsfernen Milieus,                 ggf. in Kauf genommen?
• für Familien mit Migrationshintergrund,
• für Eltern, deren Kind eine Behinderung hat und          Heute, wie zukünftig muss die Antwort eindeutig sein.
• für Familien, bei denen beide Eltern Familie und         Der Blick auf das Kind, sein Wohlergehen in der außer-
  Beruf vereinbaren müssen.                                häuslichen Betreuung und eine qualitativ hochwertige
                                                           Bildungs- und Betreuungsarbeit sind oberstes Gebot.
Wir gehen davon aus, dass auch der Unterstützungs-         Die Interessensabwägung wird aber möglicherweise
bedarf für Familien mit zunehmender Veränderung            dann zu anderen Ergebnissen führen, wenn verstärkt
gesellschaftlicher Normen und Prozesse und mit             der Wunsch nach mehr Familienzeit geäußert wird.
steigenden Anforderungen an Kinder und Heranwach-          Denn dem Primat elterlicher Erziehungsverantwor-
sende noch zunehmen wird.                                  tung ist grundsätzlich Rechnung zu tragen. Familien-
                                                           zeit wirkt sich positiv auf die Entwicklung der Kinder
In den Kitas der Zukunft ist das Angebot heilpädagogi-     aus und muss in der Gesamtabwägung Berücksichti-
scher und medizinisch-therapeutischer Leistungen           gung finden. Die aktuelle Option, feste Mindestbetreu-
sowie eine im geprüften Einzelfall notwendige Medi-        ungszeiten und Kernzeiten verbindlich vorzuschreiben,
kamentenabgabe Routine, Mittagessen wird z. B. auch        dürfte dann womöglich nicht mehr genügen. Hierfür
für Allergiker angeboten. Auf Allergien, Erkrankungen      bedarf es der wissenschaftlichen Expertise, die einen
und chronische Krankheiten wie Diabetes sowie              fundierten Orientierungsrahmen für entsprechen-
Beeinträchtigungen von Kindern ist die Kita der Zukunft    de Flexibilisierungen unter Berück­sichtigung einer
vorbereitet. Das Personal ist künftig bezüglich dieser     förderlichen, kindlichen Entwicklungsumgebung und
Fälle gut vorbereitet, wird ärztlicherseits begleitet      den kindlichen Bedürfnissen nach Regelmäßigkeit und
oder regional durch medizinische Fachkräfte (z. B.         Konstanz sicherstellt.
Kinderkrankenschwestern und Kinderkrankenpfle-
ger) unterstützt, die trägerübergreifend tätig wer-        Unter dieser Prämisse könnten neue Organisations-
den. Die Küchen sind so ausgestattet, dass Geschirr        formen entstehen, die eine stärkere Binnendifferen-
entsprechend gereinigt werden kann bzw. dieses im          zierung vorsehen. Der pädagogische Alltag würde ent-
notwendigen Umfang vorhanden ist, um eine getrenn-         sprechend komplexer werden. Dabei wird zu beachten
te Nutzung (Normalnutzung, Nutzung ausschließlich          sein, dass auch das pädagogische Personal flexible
für Allergiker, Geschirr für glutenfreie Zubereitung) zu   Arbeitsbedingungen benötigt, um die Betreuung der
ermöglichen.                                               eigenen Kinder sicherstellen zu können. Digitale Unter-
                                                           stützung wird unerlässlich sein, um diesen steigenden
                                                           Anforderungen an die Träger und an die pädagogische
Bewertung zu 5                                             Leitung gerecht werden zu können. In diesem Zusam-
                                                           menhang wird empfohlen, administrative Aufgaben
                                                           verstärkt zu zentralisieren. Dies ist einrichtungs-, aber
Flexibilisierung des Betreuungsangebotes                   auch trägerübergreifend denkbar. Dienstplangestal-
Wenn Eltern einerseits mehr Flexibilität beim Betreu-      tung und Kommunikation mit den Eltern und dem Per-
ungsangebot wünschen und andererseits der Fokus            sonal sowie beispielsweise Dokumentation werden in
des erzieherischen Personals primär auf die Bedarfe        erster Linie digital erfolgen.
der Kinder ausgerichtet ist, kann dies zu einem Inter-
essenskonflikt führen. Die Flexibilisierung der Betreu-
Die etablierten Träger könnten bei o. a. Fragestellung       bzw. kennenlernen und eine Vertrauensbasis aufbauen
unter Druck geraten, wenn neue Anbieter auf den              können. Es bedarf eines guten Zusammenspiels und
„Betreuungsmarkt“ drängen, der Flexibilität der              einer Abstimmung der verschiedenen Kräfte in den
Betreuungszeiten besonderes Gewicht einräumen                Einrichtungen. Die Träger der öffentlichen und freien
und Eltern eine auf deren Situation abgestimmte              Jugendhilfe werden zu klären haben, ob und inwieweit
Dienstleistung anbieten. Viele Eltern sind bereit, dafür     sie diese Entwicklungen von vornherein selbst aktiv
viel Geld auszugeben. Arbeitgeber könnten dies als           gestalten wollen und/oder Kooperationen mit betref-
Chance begreifen, Arbeitnehmer zu gewinnen, indem            fenden Anbietern zulassen.
sie die höheren Kosten für mehr zeitliche Flexibilität
übernehmen.                                                  Nicht alle Eltern sind in der Lage, ihre Bedürfnisse
                                                             festzustellen und zu artikulieren, oder sie sind über
Auch wenn eine Regulierung des Marktes durch den             die Notwendigkeit frühkindlicher Bildung hinreichend
Staat mit Blick auf die Vertragsfreiheit nicht in Betracht   informiert. Oftmals fehlt die nötige Orientierung,
kommt und eine Steuerung durch das Förderrecht               Kenntnis und Gewandtheit, qualifizierte Kinderbetreu-
nur bedingt möglich ist, ist diese Entwicklung kritisch      ung einzufordern und das für ihr Kind beste Angebot
zu hinterfragen und sind ggf. steuernde Maßnahmen            zu wählen. Es ist jedoch von zentraler Bedeutung, allen
insbesondere zur Sicherstellung der Chancengerech-           Kindern gleiche Bildungschancen zu ermöglichen.
tigkeit zu prüfen. In erster Linie obliegt es jedoch den     Daher wird künftig eine aktive Begleitung der Eltern
Trägern, sich auf verändernde Bedarfslagen rechtzeitig       eine zentrale Rolle spielen. Denn Bildungsarbeit kann
einzustellen und Handlungsstrategien zu entwickeln           nur erfolgreich sein, wenn die Eltern möglichst eng
Diese könnten darin bestehen, das eigene Angebot             eingebunden werden. Das ist einerseits notwendig, um
soweit möglich zu differenzieren und zu erweitern.           dem Recht der Kinder auf Bildung Geltung zu verschaf-
Zu diesem Zweck wäre zielführend, den in Vollzeit            fen. Andererseits liegt es im Interesse der Gesellschaft,
beschäftigten Anteil an Kräften sukzessive zu heben.         jedem einzelnen Kind Chancen zu bieten und es
Generell wäre anzustreben, diesen Anteil von derzeit         individuell zu fördern. Denn Wohlstand baut auf der
knapp 40 % auf 60 % zu erhöhen.                              Bildung der Menschen, ihrer Kreativität und ihres En-
Wahlweise könnten Kooperationen mit anderen An-              gagements auf. Daher soll die Elternbegleitung helfen,
bietern eingegangen werden, die dafür Sorge tragen,          Familien aus sozial- und bildungspolitisch ungünstigen
dass besonderen Bedarfslagen Rechnung getragen               Strukturen herauszuführen.
wird (z. B. Kitabegleiterinnen und -begleiter), oder
dass zeitweise qualifizierte pädagogische Springer-          Diese Begleitung der Eltern kann dadurch bewerk-
kräfte zur Ergänzung/Entlastung der Stammteams               stelligt werden, dass die dafür nötige Vernetzung zu
regelmäßig abgestellt werden. Auf diese Weise können         relevanten Schnittstellen bzw. Diensten hergestellt
Einrichtungen externe Expertise nutzbar machen und           wird (z. B. zu Familienzentren). Denkbar wäre auch,
fachspezifische Themen wie Beratung der Eltern zu            teilzeitbeschäftigte Erzieherinnen und Erzieher oder
familialen, finanziellen Fragen etc. zusätzlich anbieten;    Fachkräfte im Erziehungsurlaub oder im Ruhestand
diese Kooperation könnte auch dadurch bewerk-                mit langjähriger Erfahrung mit Kindern mit höherem
stelligt werden, dass externe Anbieter (Hebammen,            Unterstützungsbedarf für die Elternbegleitung anzu-
Beratungsstellen, Kinderärztinnen und Kinderärzte,           werben. Schließlich könnte speziell geschultes Perso-
Kinderpsychologinnen und Kinderpsychologen,                  nal die Aufgabe einer Elternbegleitung übernehmen.
Ernährungsfachkräfte, Logopädinnen und Logopäden,
Motopädinnen und Motopäden) fest Kitas zugeordnet
werden und damit einen engen Kontakt mit den Eltern
aufbauen können. Kitas können auch verstärkt als Orte
für Maßnahmen der Erwachsenenbildung genutzt
werden. Zu denken ist ferner an einen Bring- und Ab-
holservice, der Eltern viel Zeit ersparen könnte.

Entscheidend ist, neben der Qualifizierung des Per-
sonals, auch auf eine Bezahlung nach Tarif zu achten
sowie für diese Kräfte gute Arbeitsbedingungen be-
reitzustellen. Die Kinder, aber auch die pädagogischen
Kräfte, müssen derart tätige Aushilfskräfte kennen

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