Jesus, erzähl uns von Gott! - Erstkommunion 2020 - Bonifatiuswerk

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Jesus, erzähl uns von Gott! - Erstkommunion 2020 - Bonifatiuswerk
Jesus,
             erzähl uns
              von Gott!

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Erstkommunion 2020        1
Jesus, erzähl uns von Gott! - Erstkommunion 2020 - Bonifatiuswerk
INHALT

In diesem Heft ...
    3 VORWORT

    4 EINFÜHRUNG
        4 „Jesus, erzähl uns von Gott!“
        6 Die Bibelstelle nacherzählt (Lukas 2,41-52)

    7 GEDANKEN ZUR ERSTKOMMUNION
      7 Nach Gott fragen – in Bildern Gott suchen – Gott zur Sprache bringen
      10 „Glaube ganz einfach“, Interview mit Yvonne Willicks
      12 „Von Mensch zu Mensch …“, Interview mit Thomas Hoffmeister-Höfener,
    		 Theomobil e. V.

    				                14 KATECHETISCHE BAUSTEINE
    					14 Wie geht Erzählen ganz praktisch?
    					 16 Gottesvorstellungen und Gottesbeziehung zur Sprache bringen
    					 18 „Oma, erzähl mir von Gott!“

    				                 20 LITURGISCHE BAUSTEINE
    					                      20 Liturgische Anregungen zum Jahresthema
    					                      23 Mottolied: Jesus, erzähl uns von Gott

    24 PROJEKTE
       DER KINDER- UND JUGENDHILFE
      24 Kommunionkinder helfen Kindern
         und Jugendlichen
    		 Danke schön
      25 Das Beispielprojekt 2020
    		 Liebe und Geborgenheit für schwerstkranke
    		 Kinder – das St. Antoniushaus in Kiel

    26 MATERIALIEN UND GESCHENKIDEEN
         30 Buchempfehlungen zur Erstkommunion

    31 IMPRESSUM

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Jesus, erzähl uns von Gott! - Erstkommunion 2020 - Bonifatiuswerk
VORWORT

Liebe Katechetinnen
und Katecheten
in der Erstkommunionvorbereitung,
„Jesus, erzähl uns von Gott!“ – So lautet das Leitwort unserer Erstkommunion-Aktion im Jahr 2020. Das
Motto und das Motiv knüpfen dabei an die Begegnung des zwölfjährigen Jesus mit den Schriftgelehrten im
Jerusalemer Tempel an, von der uns in Lukas 2,41-52 berichtet wird. Jesus sitzt mitten unter den Schriftge-
lehrten, hört ihnen zu, stellt Fragen und versetzt alle mit seinem Verständnis in Erstaunen.
Heute ist das Erzählen von Gott ein zentrales Anliegen der Erstkommunionvorbereitung. Immer wieder
sollten wir uns daher die Fragen stellen: Wie sprechen wir heute von Gott? Welche Zuschreibungen geben
wir Gott? Wo wird unsere Gottesbeziehung im Leben erfahrbar? Auf welche Weise sprechen Kinder von
Gott, welche Botschaft haben sie an uns Erwachsene? Das vorliegende Heft möchte Ihnen Annäherungen zu
diesen Fragen geben und Impulse für die Erstkommunionvorbereitung schenken.
Ich möchte Sie, liebe Katechetinnen und Katecheten, dazu ermutigen, in der Erstkommunionvorbereitung
von Gott und ihrem Glauben zu erzählen. Unsere Kirche braucht glaubwürdige Zeuginnen und Zeugen, die
von der Liebe Gottes zu uns Menschen berichten. Schon der heilige Papst Paul VI. betont in diesem Zusam-
menhang: „Der heutige Mensch hört lieber auf Zeugen als auf Gelehrte, und wenn er auf Gelehrte hört,
dann deshalb, weil sie Zeugen sind.“
Die Kinder- und Jugendhilfe des Bonifatiuswerkes fördert Projekte, die Kindern und Jugendlichen helfen
möchten, mehr von Jesus und seiner Freundschaft, die er allen Menschen anbietet, zu erfahren. In der ost-
und norddeutschen Diaspora sowie in Nordeuropa, Estland und Lettland unterstützen wir Initiativen und
Aktionen, die zur Bildung christlicher Gemeinschaft und zur Vermittlung der christlichen Botschaft an die
junge Generation in einer extremen Minderheitensituation notwendig sind. Auch diakonische Projekte, die
junge Menschen auf ihren nicht immer einfachen Wegen durch das Leben
begleiten, sind ein Schwerpunkt der Kinder- und Jugendhilfe. Auf den Seiten
24-25 stellen wir Ihnen beispielhaft vor, wohin die Gabe der Erstkommu-
nionkinder 2020 geht: an das St. Antoniushaus in Kiel.
Von Herzen danke ich Ihnen, liebe Katechetinnen und Katecheten, für Ih-
ren Mut und Einsatz und sicherlich auch Ihre Freude, den Erstkommuni-
onkindern von Gott zu erzählen. Gleichzeitig gilt mein aufrichtiger Dank
auch allen, die auf vielfältige Weise an diesem Heft mitgearbeitet haben.
Für Rückfragen und Rückmeldungen zu den Materialien stehen wir
 Ihnen sehr gerne zur Verfügung.
Für Ihre Arbeit mit den Erstkommunionkindern 2020 wünsche ich
Ihnen gutes Gelingen und Gottes reichen Segen!

Ihr
Jesus, erzähl uns von Gott! - Erstkommunion 2020 - Bonifatiuswerk
EINFÜHRUNG

      „Jesus, erzähl uns von Gott!“

      Gedanken zum Jahresthema und zur Bibelstelle

                                                                                            von Inga Schmitt

Wer hat Ihnen von Gott erzählt?                           dazu wenig ausdrücklich zu sagen. Aber sie bietet
Da ich ein Gedächtnis wie ein Sieb habe, wie meine        ganz unterschiedliche Identifikationsmöglichkeiten
Kinder sagen würden, habe ich leider keine Erinne-        an, auch für Kinder. Wer selbst ein Kind/Kinder hat
rung daran, wer mir als Erste*r biblische Geschich-       bzw. Verantwortung für Kinder trägt, wird viel-
ten erzählt oder vorgelesen hat. Prägend für mich         leicht ganz mit den Eltern Jesu fühlen. Ihnen ist der
waren aber meine Religionslehrer*innen ab der             zwölfjährige Sohn im Trubel der gen Heimat reisen-
dritten Klasse. Ich nehme an, dass auch Ihnen eher        den Pilger unbemerkt abhandengekommen. Sorge,
zuerst Erwachsene Geschichten von Jesus und Gott          Angst, das Hin-und-hergerissen-Sein zwischen Er-
erzählt haben.                                            leichterung, Freude und Ärger, als der Sohn endlich
Und einer dieser Erwachsenen ist sozusagen auch           gefunden ist, sind nachvollziehbar. Löst die Antwort
Jesus gewesen bzw. ist es immer noch. Natürlich           Jesu auf die Frage seiner Mutter, warum er einfach
höre ich ihn nicht mit lauter Stimme reden und            in Jerusalem geblieben sei und damit seinen Eltern
habe auch keine Erscheinungen. Aber doch lese             Sorge bereitet habe, eher Empörung oder Verwun-
und höre ich Abschnitte aus den Evangelien, teile         derung aus? Wie ein Erwachsener antwortet Jesus.
ihre Botschaft mit anderen, höre ihre Deutung und         Oder vielleicht sehen Sie sich eher unter denen, die
Übertragung ins Heute im Gottesdienst. Das ganze          im Tempel das Ganze als Zuschauer*innen betrach-
Leben Jesu und auch sein Sterben und seine Auf-           ten und sind ebenso erstaunt über die Klugheit des
erstehung erzählen von Gott. Ich lese darin Gottes        Zwölfjährigen und darüber, wie er mit den Lehrern
Leidenschaft für die Menschen, seinen innigen             diskutiert. Und die Lehrer? Was ist ihnen durch den
Wunsch, dass wir nicht nur überleben, sondern             Kopf gegangen? Heute würden sie vielleicht zu dem
Leben in Fülle haben. Ich höre seine Ermahnung,           Schluss kommen, ein hochbegabtes Kind vor sich
dass wir mehr vom Leben haben, wenn wir uns an            zu haben. Das kann Staunen und Freude über einen
ihm orientieren und füreinander Sorge tragen. Ich         so jungen ebenbürtigen Gesprächspartner auslösen.
fühle darin Trost und Aufrichtung, Ermutigung             Aber auch Schrecken und sogar Angst – wie später,
und Herausforderung. Ich sehe vor mir ein Haus, in        als der erwachsene Jesus das Volk lehrt und Streit-
dem jede*r Wohnung findet und geborgen ist wie            gespräche mit Schriftgelehrten und Führenden
im Schoß einer Mutter / eines Vaters. Was kommt           des Volkes führt und die herrschende Ordnung so
Ihnen in den Sinn, was haben Sie von Jesus über           durcheinanderbringt, dass die Herrschenden um
Gott erfahren?                                            ihre Macht fürchten müssen. Vielleicht identifi-
                                                          zieren sich Kinder leichter mit dem zwölfjährigen
      Was hat der zwölfjährige                            Jesus, auch wenn er damit für die damalige Zeit fast
       Jesus wohl erzählt?                                schon erwachsen war. Er diskutiert auf Augenhöhe
          Ob die Lehrer im Jerusalemer Tempel             mit den Lehrern im Tempel. Und scheint sich dabei
           gehört, gesehen, gefühlt haben, was Sie        sauwohl in seiner Haut zu fühlen, wie man so sagt.
            oder ich heute in den Evangelien lesen,       Er wird von den Erwachsenen ernst genommen.
            hören, erkennen?                              Das möchten nicht nur Kinder. Dass Jesus ganz in
            Die kleine Episode über den zwölfjäh-         seinem Element ist, als er im Tempel, dem Haus
            rigen Jesus im Tempel (Lk 2,41-52) hat        Gottes, sitzt und sich mit Fragen rund um Gott be-

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Jesus, erzähl uns von Gott! - Erstkommunion 2020 - Bonifatiuswerk
EINFÜHRUNG

schäftigt, könnte den Kindern vielleicht fremd sein.       dem wir eng verbunden sind. Ein Bild von Gott, das
Aber es könnte ihnen ebenso imponieren, da sie             wir pflegen und das uns durch das Vaterunser sehr
selbst oft erleben, dass sie ausschließlich wie Ler-       vertraut ist.
nende behandelt werden. Dass auch wir Erwachse-            So ist in dieser Episode vorweggenommen, wer Je-
nen einiges von Kindern lernen können, kann man            sus als Erwachsener sein wird: einer, der alle lehren
entdecken, wenn man mit Kindern theologisiert.             wird – in Wort und Tat, wie/wer Gott ist.
Was das ist und wie das funktioniert, können Sie in
den Beiträgen von Rainer Oberthür nachlesen (siehe         Was erzählt das Bildmotiv?
Seite 7-9; 16-17).                                         Der zwölfjährige Jesus fällt sofort ins Auge, auch
                                                           wenn er die kleinste Figur auf dem Bild ist. Er sitzt
Und was hat nun Jesus über Gott erzählt?                   im Zentrum und spricht gerade zu den Lehrern,
Das einzige Konkrete, das wir erfahren: Er spricht         die im Halbkreis um ihn herum versammelt sind.
von Gott als seinem Vater und bietet damit auch            Seine Augen leuchten geradezu, seine Hände unter-
uns Lesenden bzw. Hörenden dieses Bild von Gott            streichen, was er erzählt. Die Gesichter der Lehrer
an, das in den Evangelien immer wieder auftaucht.          drücken Staunen aus und Interesse. Sie scheinen
Mit einem Vater können wir anders reden als mit            Freude an dem Gespräch zu haben. Einer der Lehrer
einem König und Herrn. Mit einem Vater verbinden           – er steht rechts von Jesus und hat die Hand leicht
wir in der Regel Fürsorge und Zuwendung, auch              erhoben, den Mund schon geöffnet, seine Augen
Orientierung, jemanden, zu dem wir aufsehen,               sind auf Jesus gerichtet – ist im Gespräch mit Jesus

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Jesus, erzähl uns von Gott! - Erstkommunion 2020 - Bonifatiuswerk
EINFÜHRUNG

und wirkt freudig erregt durch die intellektuelle           Das geht ganz praktisch: Die Kinder überlegen, wer
Herausforderung. Andere lächeln oder haben ihr              was sagen könnte, schreiben dies in eine Sprech-
Kinn nachdenklich auf eine Hand gestützt. Alle              blase. Die fertigen (ausgeschnittenen) Sprechblasen
haben sie Jesus im Blick. Die Szene ist wie in strah-       können auf das Plakat geklebt werden.
lendes, warmes Sonnenlicht getaucht, als würde das          Ich bin mir sicher, dass das, was die Kinder entde-
Gespräch den ganzen Raum erhellen.                          cken und zu sagen haben, uns Erwachsene genauso
Im leichten Schatten einer Säule hinter Jesus stehen        staunen lassen kann wie der zwölfjährige Jesus die
seine Eltern. Maria hat ihre Hände erhoben, den             Lehrer und Umstehenden im Tempel.
Mund geöffnet und wirkt doch eher sprachlos. Ihre
Augenbrauen sind etwas zusammengekniffen. „Was
passiert hier gerade?“, mag sie vielleicht denken.                             AUTORIN
                                                                               INGA SCHMITT
Josef steht beschützend hinter ihr, eine Hand auf                              Pastoralreferentin, Referentin im
Marias Schulter, ein eher zögerliches Lächeln um-                              Bereich Glaubenskommunikation und
spielt seinen Mund, als wollte er sagen: „Alles wird                           Koordinatorin für den Bereich Liturgie
gut, Maria. Wir haben ihn gefunden!“                                           & Kirchenmusik, Bistum Osnabrück
Das erzählt mir das Bildmotiv. Und Ihnen oder den
Kommunionkindern?

Was erzählt das Bildmotiv                                                      ILLUSTRATORIN
den Kommunionkindern?                                                          MARIJKE TEN CATE
Betrachten Sie das Bild mit den Kindern gemeinsam.                             Das diesjährige Erstkommunionmotiv
                                                                               wurde gestaltet von Marijke ten Cate,
Lassen Sie die Kinder beschreiben, was sie sehen. Le-
                                                                               freie Illustratorin, Zwolle/Niederlande.
sen oder erzählen Sie die Bibelstelle. Anschließend                            www.marijketencate.nl
können sie darüber sprechen, und die Kinder kön-
nen den abgebildeten Figuren Worte in den Mund.

Die Bibelstelle nacherzählt (Lukas 2,41-52)
„Da ist er!“ – Maria und Josef waren außer sich.            Lehrern. Der zwölfjährige Jesus hörte ihnen auf-
Tagelang hatten sie Jesus gesucht.                          merksam zu und stellte kluge Fragen. Alle, die ihn
Wie jedes Jahr waren sie von Nazareth nach Jerusa-          mit den Lehrern reden hörten, waren erstaunt:
lem hinaufgezogen. Sie hatten dort zusammen mit             „Hört euch diesen zwölfjährigen Jungen an! Er gibt
vielen anderen Juden aus ganz Israel das Pascha-Fest        Antworten und stellt Fragen wie ein Lehrer. Von
gefeiert zur Erinnerung daran, dass Gott das Volk           ihm können wir ja noch etwas über Gott lernen. So
Israel aus der Gefangenschaft in Ägypten befreit              etwas haben wir noch nie gesehen!“
hatte. Maria und Josef hatten nach einem Tag                   Jesu Eltern sahen sich das an, hörten zu und ge-
gemerkt, dass der zwölfjährige Jesus sich gar                   rieten außer sich. Sie verstanden nicht, was hier
nicht mit ihnen auf den Heimweg gemacht                         vor sich ging. Maria fragte ihren Sohn: „Kind,
hatte. Nirgendwo in der großen Pilgergruppe                     warum hast du uns das angetan? Dein Vater und
war er zu finden, auch nicht bei den Ver-                            ich haben dich verzweifelt gesucht.“ – „Wa-
wandten und Bekannten. Also waren sie                                  rum habt ihr mich denn gesucht?“, fragte
voll Sorge wieder nach Jerusalem                                        Jesus verwundert zurück. „Konntet ihr
zurückgekehrt, um Jesus dort zu                                          euch denn nicht denken, dass ich genau
suchen. Sie waren in Jerusalem                                           hier bei meinem Vater im Tempel sein
alle Gassen und Wege abgelaufen,                                         muss? Wusstet ihr denn nicht, dass ich
auf denen sie während der                                                mich im Haus Gottes mit seiner Sache
Feiertage unterwegs gewesen                                              beschäftigen muss?“ – Maria und Josef
waren. Nirgendwo hatten sie                                           verstanden nichts. Trotzdem bewahrte
ihn finden können. Maria                                               Jesu Mutter die Worte ihres Sohnes im
und Josef hatten so viele                                               Herzen: „Vielleicht verstehe ich sie später
Leute gefragt: „Habt ihr Jesus                                          einmal.“ Jesus aber stand auf und kehrte
gesehen?“ „Nein“, bekamen sie                                           mit seinen Eltern zurück nach Nazareth
von jedem zur Antwort.                                               und hörte auf sie.
Am dritten Tag ihrer Suche waren sie dann zum               Jesus wuchs heran und wurde erwachsen. Mit ihm
Tempel, dem Haus Gottes, hinaufgegangen. Und                wuchs auch seine Klugheit. Bei Gott und bei den
hatten ihn gefunden. Da saß er inmitten von                 Menschen fand er Gefallen.

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Jesus, erzähl uns von Gott! - Erstkommunion 2020 - Bonifatiuswerk
GEDANKEN ZUR ERSTKOMMUNION

     Nach Gott fragen –
     in Bildern Gott suchen –
     Gott zur Sprache bringen
     Von den Chancen des Theologisierens mit Kindern
                                                                                           von Rainer Oberthür

„Gott macht alles mit, was die Menschen machen!“            nicht nichts? Warum lebe ich? Wieso bin ich ich?
Diese Erkenntnis eines zehnjährigen Mädchens bei            Was ist der Sinn? Was kommt nach dem Tod? Da-
unserem Nachdenken über die Frage nach dem Leid             mit berühren sie entscheidende Fragen und Themen
mithilfe der Geschichte von Hiob beeindruckt mich           der Theologie.
zutiefst. Das Kind ahnt, dass der eine Gott der Juden
und Christen mitleidend und solidarisch mit seinen          Theologisieren mit Kindern
Geschöpfen ist, dass sich der „immer größere“ Gott          Die großen Fragen stellt der Mensch also schon
kleinmacht und besonders mit den Kleinen, Armen,            als Kind! Das geschieht auch, ja vielleicht sogar
Kranken und Leidenden mitfühlt. Einsichten dieser           intensiver als früher, in einer säkularisierten Gesell-
Art sind Ausdruck einer Haltung und Praxis des              schaft. In ihren „großen Fragen“ und auch direkt
Theologisierens mit Kindern, das ich seit Jahrzehn-         fragen junge Menschen nach Gott und ahnen, dass
ten mit großer Freude als sehr guten Weg erfahre.           es ein „Mehr“ über alles hinaus gibt. Wir sollten
                                                            aufmerksam jede Chance wahrnehmen, mit ihnen
Wie Jesus von Gott erzählt                                  diese Fragen zur Sprache zu bringen und gemein-
Christen glauben, in Jesus ist Gott Mensch gewor-           sam nach Antworten zu suchen. Dabei bekommen
den. Jesus ist also das Bild des unsichtbaren Gottes.       die biblische Überlieferung und die Antworten der
In anschaulicher Sprache für Kinder: Jesus ist das          christlichen Theologie ihren Platz.
beste Bild von Gott, den niemand sehen kann! Das            Eine philosophische, fragend-staunende Grundhal-
können wir zweifach erfahren: zum einen, wenn               tung führt uns ins Theologisieren mit den Kindern,
wir auf Jesus schauen und sehen, wie er handelt,            bei dem wir dreifach gefordert sind: als aufmerksa-
mit Menschen umgeht, in Berührung mit der Welt              me Beobachter, als begleitende Experten in Theolo-
und allem Leben ist – zum anderen, wenn wir auf             gie und als stimulierende Gesprächspartner (nach
Jesus hören, wie er seine Botschaft vor allem in den        Petra Freudenberger-Lötz). Kinder brauchen Ver-
Gleichnissen, in der Bergpredigt und in Gesprächen          traute, die ihre Möglichkeiten und Grenzen achtsam
mit den Menschen entfaltet. Beide Wege führen uns           wahrnehmen, die ihnen in einfachen Worten mit
das mit ihm schon beginnende Reich Gottes vor Au-           theologischem Wissen und stimmigen Impulsen
gen und machen den unsichtbaren Gott wie nichts             Nahrung zum Nachdenken geben und die somit im
anderes anschaulich. So erzählt uns Jesus von Gott.         konstruktiven Gespräch Chancen der Weiterent-
Doch bereits vor und in allem Hören und Schau-              wicklung geben. Mit Comenius gesprochen, geht es
en auf Jesus trägt der Mensch und schon das Kind            darum, ALLEN ALLES AUF ALLE ERDENKLICHE WEI-
Bilder Gottes in sich. Bewusst oder unbewusst,              SE zu ermöglichen. Das kann gelingen, wenn sich
fragend und staunend, nachdenkend und zweifelnd,            die unmittelbare Theologie DER Kinder und eine
glaubend und ablehnend sind und wirken in uns               elementare Theologie FÜR Kinder begegnen und
Gottesfragen, Gottesvorstellungen und Gottesbezie-          sich daraus eine dialogische Theologie MIT Kindern
hungen, Gottesahnungen und Gotteszweifel. Darauf            entwickelt. Sie kann ihnen helfen, im Staunen und
gilt es zu hören, sie gilt es bewusst zu machen und         Suchen, im Fragen und Antworten, im religiösen
zur Sprache zu bringen. Besonders deutlich kommt            Erfahren und Lernen sowie im Glauben zu wachsen
das in unseren Fragen zum Ausdruck. Bereits Kin-            und erwachsen zu werden.
der fragen: Woher kommt die Welt? Warum gibt es

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GEDANKEN ZUR ERSTKOMMUNION

Wie wir Kindern helfen zu fragen                              und anspruchsvollen Fragen lernen, die wir an-
Fast alles Interessante und Relevante beginnt, steht          bieten. Das veranschaulichen Beispiele (hier mit
und fällt mit den Fragen, die wir stellen. Das hören          dem Fokus auf die Gottesfrage) aus dem Kalender-
wir nicht nur von den Philosophen, das bestätigen             buch „So viele Fragen stellt das Leben“ (s. u.), die
sogar die Hirnforscher. Fragen wir also, was erfor-           auf Karten zur Auswahl und zum Nachdenken
derlich ist, damit Kinder große Fragen stellen.               präsentiert werden können:

1. Zuallererst bedarf es einer Haltung und Atmo-                      Wie lautet deine größte Frage?
    sphäre der Ermutigung und Zustimmung, in der                      Was ist für dich ganz sicher wahr,
    jede Äußerung in Wort und Bild erwünscht ist                    obwohl du es nicht beweisen kannst?
    und es keine „dummen“ Fragen gibt. Eine Hal-                      Warum kann keiner Gott sehen?
    tung des Fragens und Staunens lässt die Kinder                   Fändest du es eigentlich gut, wenn
    erkennen: „Wenn man nie fragt, kriegt man nie                         wir Gott sehen könnten?
    Antwort.“ Sie stellen erstaunt fest: „Wer fragt,              Angenommen, auch Tiere könnten glau-
    weiß schon etwas!“ Eine Kultur des Fragens führt              ben: Wie würden sie sich Gott vorstellen?
    sie zur Einsicht: „Es gibt eine Weisheit in den                  Glaubst du, dass Gott deine Gefühle
    Fragen, aber es gibt keine Weisheit ohne Fragen.“                            mit dir teilt?
    Wer erfahren hat: „Du bist gefragt!“, kann den                       Brauchst du Gründe, um an
    Zuspruch und Anspruch in eine eigene Frage- und                            Gott zu glauben?
    Suchbewegung umsetzen.                                             Warum lässt ein guter Gott das
                                                                        Leid auf der Welt geschehen?
2. Zudem sind motivierende und herausfordernde                       Wie würdest du dich vorbereiten,
    Wege und Methoden erforderlich, die das Poten-                  wenn du morgen einen einstündigen
    zial junger Menschen wachhalten. Zum Beispiel                         Termin bei Gott bekämst?
    haben sich die 88 Symbol- und Erzählbilder der                 Was würdest du Gott sagen und fragen?
    „Symbol-Kartei“ (s. o.) als Fragen-Wecker be-
    währt. Mit selbst ausgewählten Bildern finden           Offenheit und Vorgaben im Gleichgewicht
    und stellen Kinder ihre Fragen.                         Immer stellt sich die Frage nach einer ausgewoge-
                                                            nen Gewichtung von Offenheit und Steuerung des
            Woher kommt die Welt?                           Frage-, Such- und Lernprozesses. Kinder brauchen
           Warum müssen wir sterben?                        die Anregung, die Sprachhilfe, den Bildimpuls, die
                 Wer bin ich?                               Gedichtstrophe, das „Vorbild“, um selbst zur Spra-
                                                            che zu kommen. Mit dem gesetzten Rahmen, der
3. Schließlich ist es erforderlich, dass junge Men-        vorgegebenen Struktur, dem herausfordernden Im-
    schen uns als fragende Erwachsene erfahren und          puls können wir sie in die Freiheit entlassen. Mithil-
    das eigene Fragen an originellen, motivierenden         fe der Vorgabe bringen sie etwas Eigenes zustande.

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Jesus, erzähl uns von Gott! - Erstkommunion 2020 - Bonifatiuswerk
GEDANKEN ZUR ERSTKOMMUNION

 Der Mensch denkt sich                                                                        Ich habe Gott überall
 Gott so, wie er ihn sich                                                                     erblickt und niemals
wünscht; aber Gott bleibt                                                                           begriffen.
  immer so, wie er ist.                                                                        Alphonse de Lamartine
     Franz von Assisi
                                                                                            Man sieht an der Welt,
 Wir malen, töpfern und                                                                      dass es Gott gibt, aber
schnitzen ihn (Gott). Aber                                                                 keiner begreift ihn. Sonst
wir können ihn nicht ver-                                                                  würde sich zum Beispiel
   ändern, denn er ist,                                                                     keiner die Frage stellen,
        wie er ist.                                                                        warum Gott Krieg zulässt.

  Gott wohnt, wo man                                                                         Das ist das Äußerste
      ihn einlässt.                                                                        menschlichen Gotterken-
      Martin Buber                                                                         nens; zu wissen, dass wir
                                                                                              Gott nicht wissen.
Wenn du an Gott glaubst,                                                                       Thomas von Aquin
 dann ist Gott bei dir.
                                                                                            Zu Wissen gehört eigent-
                                                                                           lich ein Ausrufezeichen, zu
                                                                                             Nicht-Wissen gehört ein
                                                                                             Fragezeichen. Wenn wir
                                                                                            Gott nicht wissen, wissen
                                                                                           wir, wir wissen Gott nicht.

Im nur vermeintlichen Nachmachen kommen sie                   andergreifend zusammenkommen, damit wir alle
zu sich. Eine 16-jährige Schülerin, die vier Jahre un-        gemeinsam Fragen stellen und Antworten suchen,
seren Grundschulunterricht besuchte, brachte es im            versuchsweise und vorläufig, jedoch selbstbewusst
Rückblick auf den Punkt: „Der Religionsunterricht             und glaubwürdig. Es ist und bleibt ein anspruchs-
war aktiv, man hat etwas gemacht und sich über                voller Prozess mit Aneignung UND Vermittlung,
Sachen Gedanken gemacht, hat nichts aufgezwun-                Erfahrung UND Reflexion, Gedanken UND Gefühlen
gen bekommen, es war alles von einem selber, man              bei allen Beteiligten. In allem wirkt dabei die eigene
bekam Gedankenanstöße, die man selbst ausformu-               Begeisterung, wie sie Augustinus beschreibt: „In
liert hat. Sie haben uns nicht so viel erklärt und bei-       dir muss brennen, was du in anderen entzünden
gebracht, sondern das, was wir schon in uns hatten,           willst!“
herausgeholt, weil über so Fragen denkt man nicht
von allein nach.“                                             Literatur:
                                                              Oberthür, Rainer, So viele Fragen stellt das Leben.
Vom Fragen zum Antworten                                      Ein Kalenderbuch für alle im Haus, München (Kösel)
Natürlich mündet das Fragen ins Suchen und Ver-               2010
suchen von Antworten. Auch das kann ein Beispiel              Oberthür, Rainer / Greune, Mascha, Die Symbol-Kar-
zur Frage nach Gott veranschaulichen. Wir legten              tei. 88 Symbol- und Erzählbilder für Religionsun-
Kindern Aphorismen zur Gottesfrage (s. Kopiervor-             terricht und Gruppenarbeit, mit 44 Zugängen im
lagen im Begleitbuch der Symbol-Kartei) vor, die sie          Begleitbuch, 8. Aufl., München (Kösel) 2018
mit einer der Symbolkarten zusammenbrachten
und dazu ihre Gedanken formulierten (s. o.).                                      AUTOR
                                                                                  Rainer Oberthür
Gemeinsam mit Begeisterung                                                        Dozent für Religionspädagogik,
                                                                                  Grundschullehrer, stellvertretender
Gott zur Sprache bringen
                                                                                  Leiter des Katechetischen Instituts des
Im Nachdenken über Gott und im Versuch, Gott in
                                                                                  Bistums Aachen und Autor zahlreicher
Worten und Bildern zur Sprache zu bringen, sollten                                Bücher. www.rainer-oberthuer.de
die drei Aspekte einer Theologie DER Kinder, FÜR
Kinder und MIT Kindern ausgewogen und inein-

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Jesus, erzähl uns von Gott! - Erstkommunion 2020 - Bonifatiuswerk
GEDANKEN ZUR ERSTKOMMUNION

      „Glaube ganz einfach“

                                                INTERVIEW MIT YVONNE WILLICKS

Als Verbraucherjournalistin ist Yvonne Willicks einem        Christentum umgeben bin: zum Beispiel wenn es
breiten Fernsehpublikum in Deutschland bekannt.              um zwölf oder 18 Uhr zum Angelus läutet. Das sind
Seit 2010 ist die Mutter dreier Kinder Moderatorin           für mich kleine Erinnerungspunkte. Auch wenn
des Verbrauchermagazins „Servicezeit“ und der Sen-           ich in der Eifel spazieren gehe, fallen mir die vielen
dung „Der Große Haushaltscheck“ im WDR. Im Jahr              Kreuze am Wegesrand auf, die mich immer wieder
2018 veröffentlichte sie ihr Buch „Glaube ganz ein-          daran erinnern, dass wir christliche Wurzeln haben.
fach“. Im Interview mit dem Bonifatiuswerk spricht           Besonders deutlich werden diese Wurzeln an den
sie über ihren Glauben, blickt auf ihre eigene Erst-         zahlreichen Festen im Jahreskreis, die alle aus ei-
kommunionvorbereitung zurück und gibt praktische             nem christlichen Ursprung heraus entstanden sind.
Tipps, wie der Glaube im Alltag gelebt werden kann.
                                                             Das Motto der Erstkommunion-Aktion 2020 des Boni-
In Ihrem Buch „Glaube ganz einfach“ stellen Sie              fatiuswerkes lautet: „Jesus, erzähl uns von Gott!“ Wer
heraus, dass wir alle unmittelbar von Christlichem           hat Ihnen zuerst von Gott erzählt und wie?
umgeben sind. Wo genau erleben Sie Christliches in
Ihrem Alltag?                                                Schon in meiner frühen Kindheit wurde mir von
                                                             Gott erzählt. Meine Mutter hat mir nämlich immer
Ich erlebe das tagtäglich, weil ich in Köln lebe und         abends das Lied „Guten Abend, gute Nacht“ vorge-
oft am Dom vorbeilaufe. Aber auch in anderen Städ-           sungen, in dem es heißt: „Morgen früh, wenn Gott
ten nehme ich immer wieder wahr, dass ich vom                will, wirst du wieder geweckt.“ Als Kind habe ich

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GEDANKEN ZUR ERSTKOMMUNION

mich da schon gefragt: Wer ist denn Gott? Und will               Die Vorbereitung auf die Erstkommunion ist für viele
er, dass ich morgens wieder wach werde? Eigentlich               Kinder und ihre Familien eine besondere Zeit. Wie ha-
ist das ja ein gruseliger Text, wenn man anfängt,                ben Sie diese Vorbereitungszeit als Kind und als Mutter
darüber nachzudenken. Aber meine Mutter hat uns                  von drei Kindern erlebt?
immer auch vom liebenden Gott erzählt, der uns
beschützt, gut durch die Nacht bringt und uns am                 Meine eigene Erstkommunionvorbereitung fand ich
nächsten Morgen auch wieder aufstehen lässt.                     total super. Als ich zur Erstkommunion gegangen
                                                                 bin, war ich Feuer und Flamme für die Sache Jesu.
Wem erzählen Sie heute selbst etwas von Gott und                 Besonders gefallen hat mir unsere Erstkommunion­
Ihren Erfahrungen mit ihm?                                       mappe. Da kam beispielsweise die Erzählung von
                                                                 Zachäus – eine meiner Lieblingsgeschichten – vor.
Das ergibt sich ganz oft von selbst, denn wie meine              Ich weiß noch ganz genau, wie wir diese Szene
Oma pflege ich zu sagen: „Das ist Gottes Fügung.“                malen durften: Jesus und Zachäus, der – weil er so
Häufig verdrehen dann meine Kinder, die mittler-                 klein war und unbedingt Jesus sehen wollte – auf
weile erwachsen sind, die Augen und sagen: „Das                  einem Baum saß. In der Erstkommunionvorberei-
ist Zufall gewesen, Mama!“ Aber ich glaube nicht an              tung haben wir uns viel mit biblischen Geschichten
den Zufall. Ich bin mir sicher, dass wir viel mehr Be-           auseinandergesetzt, die genau auf uns Kinder zuge-
gegnungen mit Gott im Alltag haben können, wenn                  schnitten waren. Das war wirklich sehr positiv!
wir uns auf ihn einlassen.                                       Bei meinen Kindern habe ich nicht immer gute
                                                                 Erfahrungen mit der Erstkommunionvorbereitung
Sie wollen andere Menschen dazu ermutigen, „einfach              gemacht. Oft wussten die Kinder gar nicht, von was
zu glauben“. Welche praktischen Tipps haben Sie, um              da gesprochen wurde. Weil mein Mann und ich von
dem Glauben im Alltag Raum zu geben?                             unserer eigenen Erstkommunionvorbereitung so be-
                                                                 geistert waren, sind wir dann selbst aktiv geworden
Tatsächlich ist es so, dass ich bei Fragen des Glau-             und haben zum Beispiel mit den Eltern und Kom-
bens eher weniger nach praktischen Tipps gefragt                 munionkindern ein Wandbild gestaltet. Auch ein
werde. Aber wenn ich einen Rat geben müsste, dann                gemeinsames Wochenende in einer Jugendherberge
würde der lauten: Macht euch ein bisschen lockerer,              haben wir für die Kinder mit ihren Eltern initiiert.
seid entspannter und sprecht über euren Glauben.                 Das hat allen großen Spaß bereitet, und bis heute
Ich bin davon überzeugt, dass viele Menschen eine                werde ich noch auf dieses Wochenende angespro-
Sehnsucht nach Halt und Orientierung in ihrem Le-                chen.
ben haben. Der Glaube kann eine Antwort auf diese
Sehnsucht sein. „Vertrauen“ und „Mut“ sind dabei                 Was wünschen Sie sich für die Kinder und ihre Famili-
für mich Übersetzungen des Wortes „Glaube“. Der                  en, die sich heute auf die Erstkommunion vorbereiten?
Glaube ist also kein kompliziertes Konstrukt. Dies
möchte ich mit dem Titel des Buches „Glaube ganz                 Ich wünsche mir, dass in der Vorbereitung auf die
einfach“ unterstreichen.                                         Erstkommunion eine Sprache gesprochen wird, die
                                                                 das Herz der Kinder und ihrer Eltern anrührt. Es
Die Bibel erzählt die Geschichte Gottes mit den Men-             sollte daher nicht zu verkopft zugehen, sondern
schen. Ihnen ist das Lesen in der Bibel sehr wichtig. Was        vielmehr sollte mit Gefühlen gearbeitet werden.
macht für Sie die Faszination der biblischen Texte aus?          Den Erstkommunionkindern und ihren Eltern
                                                                 wünsche ich, dass sie diese Zeit der Vorbereitung als
Die Bibel ist die größte und älteste Literatursamm-              Bereicherung erleben und noch gerne an diese Zeit
lung der Menschheitsgeschichte – ein absoluter                   zurückdenken!
Bestseller seit vielen Jahrhunderten. Besonders
beeindrucken mich die tiefen Erfahrungen, die in                 Das Interview führte
den biblischen Texten enthalten sind. Diese Erfah-               Simon Rüffin,
rungen haben ganz viel mit dem zu tun, was wir in                Bonifatiuswerk.
unserer heutigen Zeit an Erfahrungen machen. Im-
mer wieder stelle ich fest, dass die Probleme, die in
der Bibel beschrieben sind, überhaupt keine ande-
ren Probleme sind als die, die wir heute auch noch               Literaturhinweis:
kennen: Neid, Missgunst oder Leidenserfahrungen.                 Yvonne Willicks: Glaube
Aber auch die biblischen Erfahrungen von Glück                   ganz einfach. Wie Gott uns
und Mut lassen sich auf unsere heutige Situation                 überall begegnet. Eine per-
übertragen. In der Bibel gibt es also viele Anknüp-              sönliche Spurensuche, Adeo,
fungspunkte für mich und mein Leben.                             192 Seiten, 16 Euro, ISBN:
                                                                 9783863342128

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GEDANKEN ZUR ERSTKOMMUNION

      „Von Mensch zu Mensch …“

                          INTERVIEW MIT THOMAS HOFFMEISTER-HÖFENER

Seit über zehn Jahren ist der Theologe Thomas                 für religions- und kulturpädagogische Projektarbeit
Hoffmeister-Höfener im Rahmen der kultur- und                 gegründet, Theomobil e. V. Mit unseren Projekten
religionspädagogischen Projektarbeit von Theomo-              sind wir inzwischen bundesweit unterwegs, zum
bil e. V. als selbstständiger Künstler unterwegs und          Beispiel mit unserem Erzählzelt oder den Trommel-
erzählt kleinen und großen Menschen Geschichten.              geschichten.
Im Interview mit dem Bonifatiuswerk spricht er über
das Erzählen biblischer Geschichten und blickt auf die        Warum ist Erzählen gerade für Kinder und Jugendliche
Chancen des Erzählens in der Erstkommunionvorbe-              wichtig?
reitung.
                                                              Das freie Erzählen lebt im Unterschied zum Vorle-
Sie sind seit über zehn Jahren als Geschichtenerzähler        sen vom direkten Kontakt zwischen Erzähler und
unterwegs. Wie wird man als Theologe Geschichten­             Zuhörern. Nichts steht zwischen mir und ihnen,
erzähler?                                                     nicht mal ein Buch. Außerdem kann ich die Ge-
                                                                schichte sprachlich frei der momentanen Gruppe
Das ist eine lange Geschichte. Nein,                              und Situation anpassen. Ich kann auf meine
im Ernst: Das liegt näher, als man                                 Zuhörer eingehen, sie einbeziehen. Und ich
vielleicht denkt: Die Bibel steckt                                  habe die Hände frei, kann gestikulieren und
voller Geschichten, die erzählt                                     die Geschichte spielerisch erlebbar machen.
und weitererzählt wurden, bevor                                      Damit fessele ich auch Kinder und Jugend-
man sie aufschrieb. Auch Jesus                                         liche, die das Zuhören (und Stillsitzen)
hat Geschichten erzählt, vom                                                 nicht mehr gewohnt sind – und das
verlorenen Sohn etwa oder                                                         ist heutzutage die Regel. In einer
vom barmherzigen Sama-                                                                Welt, die vom digitalen Medi-
riter. Das Christentum                                                                 enkonsum geprägt ist, sind
ist eine Erzählgemein-                                                                  der menschliche Kontakt,
schaft. Das, was uns                                                                     das ganzheitliche Erleben,
wichtig ist, was wir                                                                     das Entstehen von inne-
glauben und hoffen,                                                                       ren Bildern und Empathie
geben wir in Erzäh-                                                                       keine Selbstverständ-
lungen weiter. Als ich                                                                    lichkeit mehr und daher
in Münster Theologie studierte, wurde                                                     (lebens)wichtig. Kinder
viel über „narrative Theologie“ geredet,                                                  von heute brauchen Ge-
aber wie Erzählen praktisch geht, das                                                      schichten wie Vitamine,
habe ich erst später von Erzählkünst-                                                      sagt der Schriftsteller
ler*innen aus ganz verschiedenen                                                           Paul Maar. Ja, und sie
Ländern und Kulturen gelernt. Dann                                                         brauchen Menschen,
haben wir mit Theolog*innen und                                                           die ihnen Geschichten
Künstler*innen einen kleinen Verein                                                     erzählen.

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GEDANKEN ZUR ERSTKOMMUNION

Was ist das Besondere am biblischen Erzählen?

Dass es die Geschichten, die wir erzählen wollen,
schon lange gibt. Es sind alte Texte, die wir oft nicht
mehr verstehen, weil darin Begriffe vorkommen,
die wir nicht kennen, zumal die Texte aus einem
anderen kulturellen Kontext stammen. Wichtig
ist also, dass wir uns erst einmal selbst mit der
Geschichte auseinandersetzen, ich sage immer,
die Geschichte muss durch mich hindurch, muss
zu meiner Geschichte werden. Dabei hilft es, sich
klarzumachen, dass alle biblischen Geschichten
eingebunden sind in eine Hoffnung: in den Glau-
ben an die große Liebesgeschichte Gottes mit den
Menschen. Wie ein roter Faden zieht sich diese Bot-
schaft durch die Bibel. Es ist unsere Aufgabe mit un-
seren Erzählungen, diese „frohe Botschaft“ wieder
zu vermitteln – mit unseren eigenen Worten. Oft
sind wir ängstlich, und wir fragen uns, ob wir den
Kern des biblischen Textes getroffen haben. Aber als
Geschichtenerzähler (und übrigens auch als Theo-
loge, der sich lange mit der Exegese beschäftigt hat)
weiß ich, dass Geschichten eher wie Äpfel sind, sie            waren gekommen. „Kanntet ihr die Geschichte
haben mehrere Kerne. Jede Geschichte hat verschie-             schon?“, fragte ich nachher. Nein, kein Kind hatte
dene Bedeutungsebenen. Es ist spannend, diese                  die Geschichte je gehört. „Erzählst du gleich noch
beim Erzählen gemeinsam mit den Kindern neu zu                 eine Geschichte?“, fragten die Kinder. „Aber nur,
entdecken!                                                     wenn ihr eure Freunde mitbringt“, sagte ich. In der
                                                               nächsten Runde saßen schon über 20 Kinder vor
Das Motto der Erstkommunion-Aktion 2020 des Boni-              mir und ein paar Eltern, in der dritten Runde reich-
fatiuswerkes lautet: „Jesus, erzähl uns von Gott!“ Wer         te der Platz im Raum nicht mehr aus. Die Geschich-
hat Ihnen zuerst von Gott erzählt und wie?                     ten hörten alle zum allerersten Mal. Kinder (und
                                                               ihre Eltern!) kennen die biblischen Geschichten oft
Meine Eltern. Ich kann mich erinnern, wie ich als              gar nicht mehr, haben sie noch nie gehört. Dann
kleiner Knirps einmal von der Schule kam, ganz                 hat das Erzählen plötzlich wieder die Funktion der
zerknirscht, weil meine neue Lehrerin zu mir gesagt            Evangelisation. Das Schöne beim Erzählen ist: Jede
hatte: „Und du bist der ungläubige Thomas.“ Da hat             und jeder erzählt anders. Das Erzählen ist sehr per-
meine Mutter mich in den Arm genommen und ge-                  sönlich, daher wirkt es auch immer authentisch. Es
sagt: „Das bist du nicht.“ Und ich habe ihr geglaubt.          ist eine persönliche Weitergabe des Glaubens, von
Auch als sie mir später erzählt hat – da war ich               Mensch zu Mensch. Das können Kinder immer noch
gerade so richtig fertig mit dem Leben –, dass Gott            spüren.
immer, wenn ER eine Tür zuschlägt, ein Fenster
öffnet. Mein Vater und meine Mutter haben mir oft              Was wünschen Sie sich für die Kinder und ihre Famili-
von ihren eigenen Glaubenserfahrungen erzählt.                 en, die sich heute auf die Erstkommunion vorbereiten?
Das fand ich sehr überzeugend. Und als ich später
die Passionsgeschichte von unserem Kaplan erzählt              Dass sie wieder mehr miteinander erzählen als
bekam, weiß ich noch, dass ich dachte: Das ist ja              posten, sich in die Augen schauen statt auf einem
spannender als ein Krimi …                                     Bildschirm wischen und dass sie die Geschichten
                                                               der Bibel nicht mit dem moralischen Zeigefinger,
Wie kann Ihrer Meinung nach das biblische Erzählen             sondern wie ein Geschenk entdecken. Ich wünsche
in der Erstkommunionvorbereitung passend eingesetzt            den Kindern und ihren Familien, dass sie für einen
werden?                                                        Moment eintauchen in die wunderbare Welt bibli-
                                                               scher Geschichten und dass sie daraus Mut und Ver-
Immer und überall, ob in der Katechese, den Gottes-            trauen schöpfen. Wenn uns eine Geschichte einmal
diensten oder gemeinsamen Familienfeiern. Neu-                 im Herzen berührt, dann vergessen wir sie oft unser
lich war ich auf einem „Familientag“ eingeladen,               ganzes Leben nicht.
biblische Geschichten zu erzählen. Man stellte mir
einen kleinen Raum zur Verfügung. Ich erzählte in              Das Interview führte Simon Rüffin,
der ersten Runde das „verlorene Schaf“, acht Kinder            Bonifatiuswerk.

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KATECHETISCHE BAUSTEINE

      Wie geht Erzählen
      ganz praktisch?
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Schon in der Bibel wurde viel erzählt, auch Jesus             Erzählung machen. Infrage kommen alle Figuren –
war ein Geschichtenerzähler. Aber wie geht Erzäh-             Menschen, Tiere oder Gegenstände –, die im bibli-
len ganz praktisch? Wie eine biblische Erzählung              schen Text genannt werden, und mit etwas Fantasie
gestaltet werden kann, soll hier am Beispiel der              Figuren, die vielleicht auch dabei waren. Ochs und
Speisung der Fünftausend gezeigt werden:                      Esel werden ja auch in der Bibel nicht genannt,
Lk 9,10-17 parr.                                              dürfen aber in keiner Krippe fehlen! Neben Tierfi-
Eigentlich ist Erzählen ganz einfach, denn erzählte           guren ist eine Kinderfigur gerade für Kinder sehr
Geschichten sind immer ähnlich aufgebaut. Wir                 geeignet. „Ich stelle mir vor, dass damals auch ein
können auch sagen: Jede Geschichte hat einen roten            Junge lebte, Elias hieß er und war genauso alt wie
Faden, an dem wir uns orientieren können. Dann                ihr ...“ Wenn wir die Geschichte nun mit besonde-
kommen wir immer am Ende an. Noch besser: Wir                 rem Blick auf diese Figur erzählen, also wie diese
erzählen eine spannende Geschichte.                           Figur das Geschehene erlebt hat, dann hat unsere
                                                              Geschichte ein Gesicht. „Elias war so aufgeregt, als
Anfang. Jede Geschichte hat einen Anfang. Erzählte            er all die Menschen und Jesus sah ...“ Wir können
Märchen fangen mit „Es war einmal“ an. Doch dies              Gedanken bzw. Gefühle transportieren und machen
ist kein Anfang für biblische Erzählungen. Es sind            ein Identifikationsangebot. Je näher die Zuhörenden
keine Märchen, die wir erzählen wollen. Besser wir            den erzählten Figuren kommen, desto intensiver
beginnen zum Beispiel mit: „Es wird erzählt …“                erleben sie die Geschichte.
Diese Formulierung ist knapp, prägnant, einfach
zu merken und trifft auf alle biblischen Geschich-            Motor oder Problem. Wenn Ort, Zeit und Figur den
ten zu. Außerdem macht sie in einem Atemzug                   Zuhörenden vorgestellt sind, hört man den Erzähler
verständlich: Diese Geschichte, die ich euch jetzt            oft sagen: „Eines Tages ...“ oder „Plötzlich ...“. Jetzt
erzählen möchte, wurde vor mir schon von anderen              geschieht etwas, meistens tritt ein Problem auf. Das
vor langer Zeit erzählt.                                      ist immer so in Geschichten. Man kann sagen, dass
Der Anfang einer Erzählung ist die Eingangstür in             der Motor der Erzählung angelassen wird. „Plötz-
eine andere Welt. Wir beschreiben den Zuhörenden,             lich hörte Elias, wie die Jünger zu Jesus flüsterten:
wann und wo die Geschichte spielt. So können sie              Schick die Leute nach Hause, es ist spät und alle
sich eine Vorstellung machen und in die Bilderwelt            haben Hunger ...“ Jetzt geht die Geschichte richtig
der Geschichte eintauchen. „Es wird erzählt, dass             los, und wir sind gespannt, ob und wie das Problem
es in der Zeit, als Jesus lebte, eine große Stadt gab,        gelöst werden kann.
ganz in der Nähe des Sees Genezareth, die hieß
Betsaida ...“ So hieß die Stadt wirklich, und dass            Krise. Damit eine Geschichte spannend wird, müs-
sie in der Nähe des Sees lag, können wir auf einer            sen Hindernisse überwunden, Rätsel gelöst oder
Landkarte von Israel zur Zeit Jesu sehen, beinahe             Kämpfe bestanden werden. Je größer die Probleme
jede Bibelausgabe bietet solche Landkarten. Die               werden, die sich den „Helden“ in den Weg stellen,
biblischen Texte verzichten beinahe völlig auf Aus-           desto mehr beißen sich die Zuhörenden auf die
schmückungen oder örtliche Beschreibungen (kaum               Unterlippe, und die Spannung steigt. „Elias schaute
zu glauben, wo sie doch aus der orientalischen                sich um und er sah so viele Menschen, es waren
Erzähltradition stammen!), daher ist es wichtig, sich         Hunderte, ja Tausende. Und er dachte bei sich: Fünf
selbst den Ort der Geschichte ganz konkret vorzu-             Brote und zwei Fische – das reicht nie im Leben ...“
stellen, ihn am besten vor seinem inneren Auge zu
sehen wie einen Film im Kopf.                                 Höhepunkt. Die Geschichte bewegt sich unablässig
                                                              auf ihren Höhepunkt zu. Und wenn die Stimme
Hauptfigur. Dann wählen wir eine Figur als „Er-               des Erzählers leiser wird, die Blicke eindringlicher,
lebnisperson“ aus, die wir zur Hauptfigur unserer             wenn seine Bewegungen sich verlangsamen und

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KATECHETISCHE BAUSTEINE

er für einen Moment ganz verharrt – dann hält                Ende kann es auch reichen, sich einfach von den
das Publikum den Atem an. Denn erst jetzt ent-               Kindern zu verabschieden: „Diese Geschichte wurde
scheidet sich der Ausgang der Handlung: Ein Kind             schon vor langer Zeit erzählt, in der Bibel, im Evan-
wird gerettet, eine Krankheit geheilt, das Verlorene         gelium nach Lukas. Es gibt noch viele wunderbare
gefunden – im glücklichen Fall. „Da teilte jemand            Geschichten in der Bibel. Die erzähle ich euch ein
ein Stück Brot mit ihm. So wie Jesus es getan hatte.         anderes Mal.“ Und dann löschen wir die Kerze aus.
Und dann noch eins. Und dann ein kleines Stück               Denn auch das ist wahr: Jede Geschichte hat einen
Fisch. Und dann etwas zu trinken. Elias wunderte             Anfang und ein Ende – und beides sollte nicht zu
sich: Woher kamen nur all die Sachen? Aber er kam            weit auseinanderliegen.
gar nicht dazu, zu fragen. Alle Menschen lachten
jetzt und waren fröhlich, sie redeten miteinander,           Noch einige praktische Tipps zum Erzählen: Die ideale
und auf einmal war alles anders. Da war ein Geben            Form zum Erzählen ist der Halbkreis. Ob der/die Er-
und Nehmen, und es war genug für alle da ...“ Jede           zähler*in sitzt oder steht, hängt von der Größe der
Geschichte braucht einen solchen dramatischen                Gruppe ab. Die Dauer der Erzählung sollte sich nach
Höhepunkt – sonst ist sie langweilig.                        dem Konzentrationsvermögen der Kinder richten,
                                                             wird in der Regel aber sieben bis acht Minuten nicht
Schluss. Aber die Geschichte ist noch nicht zu Ende:         überschreiten. Es ist möglich, aber nicht notwen-
Langsam lassen wir die Figuren wieder aus dem                dig, beim Erzählen Requisiten, Bilder oder Figuren
Blickfeld der Zuhörenden entschwinden, wir räu-              zu verwenden, das einfache Erzählen lebt von dem
men sozusagen die Bühne der Geschichte. Auch                 ständigen direkten (Augen-)Kontakt zwischen Erzäh-
unser Elias geht am Ende wieder zurück nach                  ler und Zuhörern. Auch können wir immer wieder
Hause, und „noch lange erzählten die Leute in den            mit den Zuhörenden in Interaktion treten, sie um
Gassen und Winkeln der Stadt davon, wie alle alles           Rat fragen, Fragen beantworten oder sie zu einer
miteinander geteilt hatten und alle satt geworden            Bewegung auffordern. Diese Interaktionen sollten
waren“. Figuren kehren zurück, reisen weiter oder            aber nicht die gemeinsame Spannung stören. Schön
legen sich schlafen, es wird Abend, es wird Nacht –          ist es immer, wenn wir eine Bibel dabeihaben, damit
Schluss.                                                     die Kinder sehen, woher die Geschichte kommt, die
                                                             wir erzählen.
Moral von der Geschicht’. Am Ende drängt es man-             Wenn wir den biblischen Text mit Fantasie und
chen, noch einen Satz zu sagen. Vielleicht auch, um          eigenen Worten erzählen, dann immer um das wei-
sicherzustellen, dass die Geschichte auch verstan-           terzugeben, was wir verstanden haben und was uns
den wurde. Aus einem Satz wird in der Praxis dann            wichtig ist. So gut wir können. Denn da, wo wir von
leider oft eine umständliche Erläuterung oder                der Liebe Gottes erzählen, lebt die Hoffnung weiter.
Predigt. Berührender wäre, wir lassen das, was
uns wichtig erscheint, in die Erzählung einfließen.
Zum Beispiel könnte unser Elias am Ende vor dem
Einschlafen denken: „Wäre es nicht wunderbar,                                   AUTOR
wenn die Welt immer so wäre? Gott hat uns doch                                  Thomas Hoffmeister-Höfener
                                                                                Theologe, Geschichtenerzähler, Mit-
eigentlich alles gegeben, was wir zum Leben brau-
                                                                                glied bei Theomobil e. V. in Senden-
chen. Das reicht doch eigentlich für alle, wenn wir                             horst, Workshop- und Fortbildungslei-
es gerecht teilen.“ Wichtig ist, zu wissen, dass jede                           ter. www.theomobil.de
Geschichte mehrere Bedeutungen hat, nicht zuletzt
jene, die die Zuhörenden in ihr entdeckt haben. Am

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KATECHETISCHE BAUSTEINE

      Gottesvorstellungen und
      Gottesbeziehung zur
      Sprache bringen

                                                                                         von Rainer Oberthür

BAUSTEIN 1 – Akzent „Theologie der Kinder“                 sonst stirbt Gott auf der Erde / wir bräuchten unzäh-
Vielfach bewährt hat sich der Zugang über eine             lige Bilder, um Gott ein wenig zu begreifen / unsere
Bildersammlung wie z. B. die 88 Karten der Sym-            Gottesbeziehung verändert sich laufend – nach
bol-Kartei. Dabei ist der theologisch stimmige Auf-        Stimmung, Lebenserfahrung, Alter / am nächsten
gabenimpuls wichtig, der die Gottesvorstellung, das        Tag, im nächsten Monat, im nächsten Jahr suchen
Persönliche, das Begrenzte und Vorläufige berück-          wir ein anderes Bild aus …
sichtigt und so das Bild zum Medium und Sprach-
helfer macht:                                              Wenn das alles mit einem schriftlichen Satz verbun-
                                                           den wird, finden bereits acht bis neunjährige Kinder
              Suche dir ein Bild aus,                      ausgewählte Bilder mit tiefen Gedanken:
         das für dich etwas von Gott zeigt
      und mit dem du den anderen etwas von
               Gott erzählen kannst!

           • Du wirst dich für ein Bild
        von vielen möglichen entscheiden.

          • Du wirst ein Bild auswählen,
           das für dich das richtige ist.

        • Du wirst mit dem Bild nur etwas,
         also ein ganz kleines „bisschen“,
             von Gott zeigen können.

         • Du wirst mit dem Bild erzählen,
             was es dir von Gott zeigt.

Die Kinder betrachten bei stiller Musik die auslie-
genden Bilder mit der Fragestellung. Dann wird die
Musik langsam ausgeblendet, jedes Kind nimmt
sich ein Bild und geht damit in den Sitzkreis. Wird
dasselbe Bild mehrfach ausgewählt, nehmen es die
Kinder zusammen, oder jemand wählt ein anderes,
das auch infrage kommt. Die ausgewählten Bilder
stellen wir einander vor. Im Gespräch ergeben sich
grundsätzliche Fragen und Einsichten: Jeder bringt
ein Bild nach seiner Vorstellung ein / wir müssen
uns über unsere Gottesvorstellung austauschen,                 Gott guckt, dass es immer neues Leben gibt.

                                                      16
KATECHETISCHE BAUSTEINE

   Gott erschafft uns, wie Mama uns leben lässt.                       Gott hilft uns beim Wachsen.

BAUSTEIN 2 – Akzent „Theologie mit Kindern“                 Literatur:
Um die eigene Beziehung zu Gott zu bedenken, sich           Oberthür, Rainer / Greune, Mascha, Die Symbol-Kar-
vor Augen zu führen und mit anderen auszutau-               tei. 88 Symbol- und Erzählbilder für Religionsun-
schen, ist die folgende Übung besonders geeignet.           terricht und Gruppenarbeit, mit 44 Zugängen im
Sie kann mit zwei Stiften oder zwei Fäden erfolgen:         Begleitbuch, 8. Aufl., München (Kösel) 2018
ein blauer für Gott, ein roter für den Menschen. Das
Ergebnis wird mit Fäden nicht nur schöner, es liegt         Delval, Marie-Helèn / Nascimbeni, Barbara: Wie
in der Methode eine kreative und intensivierende            siehst du aus, Gott?, frei übersetzt von Jean-Pierre
„Verlangsamung“, denn das Legen und Kleben von              Sterck-Degueldre / Rainer Oberthür, Stuttgart (Gab-
Fäden kann nicht so schnell geschehen wie das               riel) 2011
Zeichnen.
                                                            Oberthür, Rainer / ten Berge, Marieke, So viel mehr
  Du und Gott auf einem Bild                                als Sternenstaub. Nachdenken und Staunen über
  Versuche einmal, deine Beziehung zu Gott auf              Gott, 2. Aufl., Stuttgart (Gabriel) 2018
  einem Bild zu zeigen. Du brauchst dafür einen
  roten und einen blauen Stift/Faden. Zeichne/
  Lege und klebe zwei Figuren, die rote stellt
  dich dar, die blaue steht für Gott. Jede Figur                       DOWNLOAD
                                                                       Der BAUSTEIN 3 – Akzent „Theologie für Kinder“ steht
  soll aus nur einer Linie bestehen, die beliebig                      unter: www.bonifatiuswerk.de/erstkommunion zum
  verlaufen kann. Es kann zum Beispiel ein Kreis                       Download bereit.
  sein, ein Herz, eine Spirale, eine Welle oder ein
  Mensch oder irgendeine andere Form oder Fi-
  gur. Deine Beziehung zu Gott kannst du durch                                   AUTOR
  die Form und durch die Größe der beiden Figu-                                  Rainer Oberthür
  ren und durch die Entfernung oder die Nähe                                     Dozent für Religionspädagogik,
  der Figuren zueinander zeigen. Überschneiden                                   Grundschullehrer, stellvertretender
  sich die Figuren, ist auf deinem Bild Gott in                                  Leiter des Katechetischen Instituts des
                                                                                 Bistums Aachen und Autor zahlreicher
  dir oder du in Gott? Wenn es fertig ist, schau
                                                                                 Bücher. www.rainer-oberthuer.de
  es dir in Ruhe an! Schreibe in einem Satz auf,
  was du mit deinem Bild sagen willst.

                                                       17
KATECHETISCHE BAUSTEINE

     „Oma,                                                                                  Gott
                                                                                            G o tt
                                                                                                   ist cool.

     erzähl mir
                                                                                                    ist gut.
                                                                                       G o tt
                                                                                              ist mächtig.
                                                                                   G o tt
                                                                                          ist ein
                                                                                                     Schöpfer.

     von Gott!“
                                                                                    Jonat
                                                                                            han, 9 Jah
                                                                                                          re

                                                                                           von Margret Keusgen

Die Kommunionvorbereitung bedeutet eine Chance
für jede Familie, denn sie kann eine besondere Zeit                       Wir wünschen den Kindern,
sein. Viele Eltern sehen zunächst besorgt die vielen                 Eltern, Begleiterinnen und Begleitern
Termine, die sie und ihr Kind im vollgepackten Alltag                 in unserem Erstkommunionkurs
zusätzlich wahrnehmen sollen. Die meisten Fami-
lien haben einen genau ausgeklügelten Zeitplan,                       die Erfahrung, dass wir alle von Gott
in dem Gemeindeleben und Kirche nicht unbedingt                          geliebt und angenommen sind
vorkommen. Auch die Lebensform und die Struktur
der Familien entsprechen oft nicht den katholischen                        dass sie Jesus Christus und
Idealvorstellungen. Doch das Fest der Erstkommunion                        sein Leben kennenlernen
bedeutet ihnen so viel, dass bei uns im Rheinland die
katholischen Kinder des dritten Schuljahres nahezu                         die Freundschaft mit Jesus
alle zur Kommunionvorbereitung angemeldet wer-
den.                                                                 die innere Versöhnung mit sich selbst,
                                                                        mit Gott und den Mitmenschen
Der Pfarrgemeinderat Rommerskirchen-Gilbach legt
                                                                          eine herzliche Gemeinschaft
Wert darauf, dass jedes Kind mit seiner Familie von
                                                                             in unseren Gemeinden
Herzen willkommen ist. Als katholische Kirche tun
wir gut daran, jede und jeden so zu nehmen, wie sie                    einen starken Zusammenhalt und
oder er ist, und die bunte Vielfalt aus dem Glauben                    eine schöne Zeit in ihren Familien
heraus zu begrüßen und zu respektieren.
                                                                      den Glauben und das Vertrauen, dass
Kein Kind soll während der Kommunionvorberei-                         wir nie allein sind in unserem Leben
tung allein sein! Deshalb lassen wir uns die Kon-
taktdaten einer erwachsenen Begleitperson geben,                        den Heiligen Geist als Kraft, die
die mit dem Kind zu den gemeinsamen Veranstal-                           hilft, durchs Leben zu gehen
tungen der Kommunionkinder, also auch zu den
            Gottesdiensten, kommt. Das sollen mög-                    die Hoffnung auf ein Leben in Fülle –
                  lichst die Eltern, können jedoch                            über den Tod hinaus
                     auch Großeltern, Paten oder an-
                       dere Verwandte oder Freunde                        immer wieder die Begegnung
                         sein. Ihnen allen wünschen                        mit Jesus in der Eucharistie
                          wir zu Beginn des Kurses,
                          dass sie (neue) Grunderfah-         Das Ziel jeder Kommunionvorbereitung ist das
                          rungen im Glauben machen            Wachsen einer Freundschaft mit Jesus, theologisch
                          können, und formulieren             ausgedrückt: das Entstehen einer Christusbezie-
                          das in der Einleitung zu un-        hung und Christusverbundenheit. Glauben kann
                        serer Mappe.                          nicht angelernt, sondern will erfahren werden. Das

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KATECHETISCHE BAUSTEINE

passiert in der Beziehung zu und im Austausch mit             lich das Mitgehen und Mitmachen sind die einfachs-
glaubenden Menschen. Jesus Christus hat es uns                te Möglichkeit, in einen Austausch zu kommen.
vorgelebt, und seit über 2000 Jahren ist das trotz al-        Besonders bietet sich die gemeinsame Teilnahme
ler Veränderungen in der Kirche so geblieben, Gott            an der Sonntagsmesse an. Dem Kommunionkind
sei Dank!                                                     tut es gut, zu sehen, wenn seine Großeltern, Paten,
                                                              Freunde der Familie oder Bekannte Glaubende sind
Außer den Eltern spielen dabei die Großeltern,                und sich aktiv beteiligen. Hier bedeutet das gelebte
Patinnen und Paten sowie die anderen gläubigen                Vorbild mehr als alle Worte. Ein schöner Brauch
Menschen im Umfeld des Kindes eine entscheidende              besteht darin, mit dem Kind zusammen eine Kirche
Rolle. „Erzähl mir von Gott!“, bittet das Kommuni-            zu besuchen, dort still zu beten oder eine Kerze an-
onkind häufig konkret, wenn es von den Kommu-                 zuzünden. In der Weihnachtszeit laden die Krippen
nionstunden, -treffen und Gottesdiensten berichtet.           zum Betrachten und Erzählen ein. Das Gebet am
„Was glaubst du? Wie stehst du zu Jesus?“, fragt es.          Morgen, vor dem Essen und am Abend ist ein gutes
Schön, wenn Kinder auf auskunftswillige Erwachse-             Ritual, ebenso das Segnen des Kindes mit Weihwas-
ne stoßen. Viele von uns haben wenig Übung darin,             ser.
mit eigenen Worten auf die Fragen zu antworten.
Hier ist Ehrlichkeit angesagt, denn ein Kind spürt            Häufig wohnen Großeltern oder Paten nicht im
genau, ob wir es ernst nehmen. „Lebe das wenige               selben Ort wie das Kommunionkind. Dann sind
vom Evangelium, was du begriffen hast, aber lebe              Flexibilität und Kreativität gefragt, um miteinander
es“, meinte Frère Roger, der Gründer der Gemein-              im Kontakt zu sein.
schaft von Taizé. Auch wer sich kirchlich nicht
gebunden fühlt, kann mit dem Kind darüber spre-               Katharina, 24 Jahre, studiert Deutsch, Mathematik
chen, woran sie oder er glaubt und worauf es im Le-           und Religion auf Grundschullehramt. Sie sieht ihr
ben ankommt. Persönliche Meinungen zählen und                 Patenkind wegen der Entfernung zu seinem Wohn-
bewirken mehr als angelerntes Wissen oder aus-                ort recht selten. Trotzdem begleitet sie Jonathan
weichende Antworten. So manches Mal können wir                während seiner Kommunionvorbereitung zur Ein-
staunen, wie Kinder über Gott und die Welt, über              führungsmesse und zu Weggottesdiensten. Er freut
Leben und Tod denken. In vielerlei Hinsicht können            sich, dass seine Patentante sich für ihn interessiert
wir von ihnen lernen und sie im Nachdenken über               und extra angefahren kommt. Gerne erzählt er ihr
diese Themen unterstützen.                                    von den Gruppentreffen, den Liedern, die er gelernt
                                                              hat, und von dem, was ihn bewegt. Katharina ist
Eine Großmutter sagt: „Vielleicht kann ich als Oma            ganz Ohr, und er kann ihr seine Fragen stellen. Spä-
ein bisschen von meinen Erfahrungen weitergeben,              ter wird zusammen gespielt.
dass Höhen und Tiefen im Leben dazugehören.
Es ist schön, meinen Enkelkindern von Gott zu er-             Gegenseitige Besuche, auch in den Ferien, gemein-
zählen in der Hoffnung, dass sie ihren eigenen Weg            same Ausflüge, Briefe, Telefonate und auch die Nut-
finden, dass sie an einen Gott glauben können, der            zung der neuen sozialen Medien bieten vielfältige
uns alle in seinen Händen hält!                               Möglichkeiten, sodass ein Kommunionkind bitten
Wichtig ist es, seine Ohren zu spitzen, herauszufin-          kann: „Erzähl mir von Gott!“
den, wo Gott spürbar ist! Mit einem gemeinsamen
Lied, mit dem Gebet zum Mittagessen, mit dem                  Allen Kommunionkindern wünsche ich Großeltern,
Bestaunen eines Käfers, der über die Wiese krabbelt.          Patinnen und Paten sowie Verwandte und Erwach-
Ich bin fest davon überzeugt, wenn wir die Ohren              sene in ihrem Umfeld mit offenen Augen und
spitzen, lernen wir viel mit unseren Enkelkindern             offenen Herzen, die gerne Auskunft geben über die
über die große Liebe Gottes zu den Menschen.“                 Hoffnung, die sie trägt – wie der Apostel Paulus im
Diese Großmutter nahm ihre Enkelinnen von klein               Brief an die Gemeinde von Ephesus schreibt (Eph
auf mit in die Messe und zu anderen Gottesdiens-              1,18).
ten. Eine Enkelin, die gerne singt, begleitet sie zum
Kinderchor, denn die Musik ist eine wunderbare
Weise, um Gott zu begegnen.

Die Bibel ist voller Erfahrungen, die Menschen mit                               AUTORIN
Gott gemacht haben. Mit dem Kind in eine Kinderbi-                               Margret Keusgen
                                                                                 Gemeindereferentin,
bel zu schauen, ihm vorzulesen oder es selbst lesen                              Religionspädagogin, Erstkommu-
zu lassen, kann ein guter Einstieg ins Gespräch sein.                            nionvorbereitungskreis Köln-Rom-
Religiöse Bücher und Filme eignen sich ebenfalls                                 merskirchen
dazu. Interessierte Nachfragen der Erwachsenen zu
Veranstaltungen der Kommunionkinder und natür-

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