03/04 2 Optimistischer Blick in die Zukunft - Theater
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03/04 2016 Optimistischer Blick in die Zukunft Struktur des Theaters bis Ende 2020 gesichert Bevorzugt: das Gespräch danach Ballettdirektorin Annett Göhre zu Besuch am Stammtisch Ein perfekter Opernabend „Luisa Miller“ in Plauen – hier stimmte einfach alles Ein Leben für die Musik Eckehard Rösler – Pionier der Chorarbeit Kurzweil, Witz und viel Gefühl Küchenliederprogramm auf der Kleinen Bühne „Das geistreichste Lustspiel“ Roland May inszeniert „Nathan der Weise“ am Vogtlandtheater Sag mir, wo du stehst... Oberspielleiter zu Gast am Januar-Stammtisch
optimiStiScher Blick in Die Zukunft bis in die 2020er Jahr zu strecken und sozialverträglich zu gestalten. Struktur des Theaters bis Ende 2020 gesichert Finanzieller Verzicht Die daraufhin aufgenommenen Ver- handlungen mit den zuständigen Während vor einem Jahr noch düstere Wolken über der Zukunft des The- Gewerkschaften verliefen zügig und aters Plauen-Zwickau hingen, hat sich die Situation zum heutigen Zeit- konstruktiv und so konnte man sich bis Ende des vergangenen Jahres punkt beruhigt. Trotz reduzierter finanzieller Mittel kann bis Ende 2020 auf einen rückwirkend ab 1. August die Struktur des Vier-Sparten-Theaters weitgehend als gesichert gelten. und bis Ende 2020 geltenden Ver- zicht aller Mitarbeiter auf 9 Prozent Zur Erinnerung sowie die geplante alleinige Über- des Gehaltes einigen, immerhin 4 nahme des Puppentheaters durch Prozent weniger als der bis zum Der Grundlagenvertrag zwischen die Stadt Zwickau sollten die vier Sommer laufende Haustarifvertrag den Städten Plauen und Zwickau, Sparten des Theaters sichern und mit 13 Prozent. Die Mitglieder des der die Finanzierung der gemein- den Mitarbeitern auf ausdrücklichen Philharmonischen Orchesters ver- samen Theatergesellschaft regelt, Wunsch der beiden Gesellschafter zichten aktuell insgesamt auf rund lief im Sommer mit dem Ende der weitere Haustarifverträge mit Ge- 16 Prozent gegenüber 21 Prozent Spielzeit 2014/15 aus. Aufgrund haltsverzicht ersparen. im vorangegangenen Haustarif der schwierigen finanziellen Situ- durch den innerorchestralen Solida- ation der Stadt Plauen planten die Konzept zum Personalabbau ritätsausgleich zur Erhaltung einer Gesellschafter Stadt Zwickau und derzeitigen Personalstärke von 73 Stadt Plauen, die Zuschüsse ab Daraufhin legte die Theaterleitung Musikern auf 66 Planstellen. Für die 2018 von knapp 17 Millionen Euro ein Konzept zum Personalabbau vor, künstlerisch Beschäftigten wurde der auf 12,5 Millionen Euro zu senken, das aber aufgrund der jahrelangen Tarifvertrag über die Tarifpartner im was unabdingbar mit einem Abbau Haustarifverträge und der Altersstruk- Dezember 2015 unterzeichnet, für von mehreren Sparten verbunden tur der Beschäftigten nur mit großen die Beschäftigten nach TVöD wur- gewesen wäre. Nur Proteste aus Abfindungssummen im Zeitraum bis den zunächst Einzel-vereinbarungen der Bevölkerung, gebündelt im Ak- 2018 umzusetzen gewesen wäre. getroffen, die seit letzter Woche tionsbündnis Theater, dem Theater Die Hoffnung der Gesellschafter, durch den von ver.di unterzeichne- und dem Aufsichtsrat konnten diesen diese Summe weitgehend aus dem ten Tarif-vertrag abgelöst wurden. Schritt verhindern und die Politiker Strukturfond des Landes Sachsen zu Obwohl die Absenkung der Zu- aller Parteien aus beiden Städten finanzieren, zerschlug sich schnell, schüsse bei ständig steigenden Kos- an einen Tisch bringen. Dort wurde und so erhielt die Geschäftsführung ten nicht ohne weitere Einschnitte dann die Zuschusssenkung auf 15 durch den Aufsichtsrat den Auftrag, und Einbußen im Angebot umzuset- Millionen Euro reduziert. Weitere eine Lösung auch in Anlehnung an zen ist, sind die Theaterleitung und Maßnahmen wie die Veränderung Vorschläge aus dem Betriebsrat, der Betriebsrat froh über die erziel- der Kostenverteilung mit einem hö- den Personalabbau über einen so- ten Ergebnisse und blicken optimis- heren Anteil für die Stadt Zwickau lidarischen Verzicht aller Mitarbeiter tisch in die Zukunft. Dank an anonymen SpenDer Impressum Herausgeber: V.i.S.d.P. Dr. Lutz Behrens Samstag, 9. Januar. Vogtlandtheater. Es ist eine Viertelstunde vor der Premiere von „Luise Miller“. Verein zur Förderung des Plötzlich kommt unser Vereinsmitglied JuliaGroß, die an diesem Abend im Theater Dienst hat, Vogtlandtheaters Plauen e.V. Redaktion: Dr. Lutz Behrens, zu mir. In der Hand einen 10-Euro-Schein. „Den hat gerade ein Herr an der Abendkasse für den Georg-Benjamin-Str. 67, 08529 Plauen Förderverein gespendet“, erklärt sie. Ich bitte sie, den Herrn nochmals zu suchen und um seinen Tel.: 0 37 41 / 44 05 92, 0170 / 4814689, Namen zu bitten. Ergebnislos kommt Julia zurück. lutz.behrens@primacom.net Auflage: 1000 Deshalb auf diesem Weg: Erscheinung: aller zwei Monate Dank an den anonymen Spender! Druck: Helko Grimm, PCC Printhouse Colour Concept 02 Optimistischer Blick Syrauer Straße 5, 08525 Plauen/Kauschwitz in die Zukunft Layout+Satz: kinglike Werbung GmbH - Plauen Dank an anonymen Spender www.kinglike.de
inhalt Schnell Seite 02 Optimistischer Blick in die Zukunft SchreitenDeS Struktur des Theaters bis Ende 2020 gesichert Dank an anonymen Spender unglück Seite 03 Schnell schreitendes Unglück Seite 04 - 05 Bevorzugt: das Gespräch danach Ballettdirektorin Annett Göhre zu Besuch am Stammtisch "Fest, wie der Erde Grund, Für und Wider: Kulturraumgesetz gegen des Unglücks Macht Im Februar am Stammtisch notiert zu Wort steht mir des Hauses Pracht!" Seite 05 Doch mit des Geschickes Mächten Ein Opernabend der Superlative ist kein ew'ger Bund zu flechten, Unsere Mitglieder Harald und Sibylle Reichardt und das Unglück schreitet schnell. melden sich zu Wort Seite 06 - 07 Friedrich Schiller: Das Lied von der Glocke. Das lange Gedicht wurde mir Ein perfekter Opernabend in meiner Schulzeit vorenthalten, wohl wegen des Satzes: „Wenn sich die „Luisa Miller“ in Plauen – hier stimmte einfach alles Völker selbst befrein,/ Da kann die Wohlfahrt nicht gedeihn“ und anderem, Seite 08 - 09 eher konservativem Gedankengut, das so gar nicht zu Schiller, immerhin Ein Leben für die Musik Ehrenbürger der französischen Revolution, passen will. Doch die diesem Eckehard Rösler – Pionier der Chorarbeit Editorial vorangestellten Bedenken, dass „mit des Geschickes Mächten kein am Plauener Theater ew`ger Bund zu flechten“ sei und das Unglück schnell schreite, bekommt Seite 10 - 11 durch jüngste Äußerungen eines prominenten Politikers hohe Aktualität. Kurzweil, Witz und viel Gefühl Lesen wir zwei Zitate des Plauener Oberbürgermeisters in der Freien Presse Küchenliederprogramm auf der Kleinen Bühne vom 10. Februar dieses Jahres: „Das Hemd ist an allen Enden zu kurz. In Seite 11 so einer Situation muss das Theater seine Grenzen kennen.“ Die Hemd- Lieblingsplätze für alle Metapher lässt sich ja noch ins Faktische übertragen und als allgegen- Neuer Treppensteiger für die Singakademie Plauen wärtige Finanzmisere erkennen – die im Übrigen dann gilt, wenn es um Seite 12 - 13 nebulöse Dinge wie Kultur und Theater und nicht um die Pleite gegangene „Das geistreichste Lustspiel“ Roland May inszeniert „Nathan der Weise“ sächsische Landesbank geht, für die gut und gerne 2,75 Milliarden „übrig“ am Vogtlandtheater sind, wohlgemerkt Steuergelder, und, wer’s nicht parat hat: eine Milliarde Seite 14 sind 1000 Millionen! Aber bei Grenzen, die das Theater kennen muss, hört mein Verständnis auf. Ratlosigkeit bleibt. Das zweite Zitat des Plauener Sag mir, wo du stehst... Oberspielleiter zu Gast am Januar-Stammtisch Stadtoberhaupts klärt auf: „In zehn oder 15 Jahren werden wir nicht mehr Seite 15 Oper, Schauspiel und Ballett am Haus haben können.“ Damit ist die Katze Klartext mit Sprache aus dem Sack, die Misere offenbart, das Unglück benannt. Das Puppenthe- ater wird schon gar nicht mehr erwähnt, weil es in Plauen gerade den Ani- Begeisterung über „Luisa Miller“ mositäten von Plauen und Zwickau geopfert wird und die Ballettdirektorin Von unseren Mitglieder Gudrun und Armin Möbius bereits das Handtuch geworfen hat. Auch das Philharmonische Orchester am Theater Plauen-Zwickau kommt nicht vor. Betont wird aber im besag- Unser Titelbild zeigt Björn-Ole Blunck als Nathan. Lesen ten Zeitungsartikel, dass der Vogtlandkreis „seine Vogtlandphilharmonie“ Sie unsere Kritik auf den Seiten 12 bis 13 und versäumen habe… Sie diese Inszenierung von Roland May auf keinen Fall. Foto: Peter Awtukowitsch Was aber werden wir 2026 in Plauen für ein Theater haben? Die berüch- tigte Spielstätte? Da fällt mir nur nochmals Schiller ein: „Hier wendet sich der Gast mit Grausen:/ So kann ich hier nicht ferner hausen…“, denn einen Theaterförderverein brauchen wir dann nicht mehr, bedauert Ihr 03 Editorial Inhalt
Matthias Frank BevorZugt: DaS geSpräch Danach Ballettdirektorin Annett Göhre zu Besuch am Stammtisch Anfang Dezember, kurz nach ihrer ersten Premiere, war die neue Ballettdirektorin Annett Göhre zu Gast bei un- serem Stammtisch. Geboren in Halle, aufgewachsen in Templin, war sie von Anfang an ein lebhaftes Kind mit Hang zum Künstlerischen. Schon damals dachte sie sich Programme aus, die sie mit ihrem Team, bestehend aus Puppen und Plüschtieren, der Familie präsentierte. Über das Geräteturnen kam sie zum Ballett, bestand mit neun Jahren die Eignungsprüfung und begann ihre Ausbildung an der Staatlichen Ballettschule Berlin. Im Anschluss sammelte sie als staatlich geprüfte Bühnentän- zerin erste Erfahrungen an der Deutschen Oper Berlin, begann 1995 ein Engagement am Theater Chemnitz und wechselte 2000 an das Staatstheater am Gärtner- platz in München. Hier war sie als Solistin engagiert. Ballettdirektorin Annett Göhre war im Dezember Gast am Stammtisch des Fördervereins Foto: Theater egrüßt heater- eitung Günter Lienemann für unD WiDer: chende finanzielle Ausstattung des Theaters. In die Zeit von des Stadtrates am 2. Februar dieses Jahres, in der es um die unterschied- kulturraumgeSetZ 1991 bis 2001, in der Dieter lichen Standpunkte der Fraktionen Roth Intendant war, fiel auch zum Austritt der Stadt im Kulturraum das Inkrafttreten des sächsi- gehen sollte; eine Entscheidung soll Im Februar am Stammtisch notiert schen Kulturraumgesetzes (1. erst später fallen, das heißt, es lohnt August1994), von dem Dieter sich, zu gegebener Zeit nochmals Zur Geschichte des Plauener The- Roth in seiner Biographie „Eine virtu- über die Auswirkungen dieser Ent- aters und seiner Intendanten in der ose Lüge“ (2006) schrieb, dass sich scheidung zu informieren. Zeit von 1898 bis 2001 erschien „daraus eine immer wieder verlän- Ohne auf weitere Einzelheiten des in den Jahresheften 2014 und 2015 gerte, relative Sicherheit für die Fi- Gesetzes einzugehen, gab es eini- des „Vereins für vogtländische Ge- nanzierung der sächsischen Theater ge Informationen zu den wichtigsten schichte, Volks- und Landeskunde“ und Orchester“ ergab. Entscheidungsträgern im Kulturraum ein interessanter Beitrag von Gab- Es erschien sinnvoll, am Stammtisch Vogtland-Zwickau. riele und Dieter Roth. Viele Paralle- über dieses Gesetz zu informieren Für die künftigen Veranstaltungen len zur heutigen Situation unseres und zu diskutieren, auch ausge- des Stammtisches gibt es Überein- Theaters sind in dieser aufwendi- löst durch die Podiumsdiskussion stimmung, dass auch weiterhin das gen Arbeit beschrieben, ging es am 20. Januar 2016 unter Leitung Gespräch mit Gästen geführt wer- doch immer wieder um eine ausrei- des kulturpolitischen Sprechers der den soll, die nicht unbedingt im Fraktion Die Linke im sächsischen Rampenlicht stehen. Stärker in den Landtag, an der erfreulicherweise Mittelpunkt sollte aber auch die Dis- auch einige „Stammtischler“ teil- kussion über einzelne Stücke und nahmen. Einen weiteren Bezug zu Inszenierungen stehen; dies war 04 Bevorzugt: Das Gespräch danach diesem Gesetz bildete die Sitzung eigentlich ein Ansatzpunkt für die Für und Wider: Kulturraumgesetz
Noch während der aktiven Zeit als Tänzerin entstanden ihre ersten ei- Bandbreite dessen, was ein Theater Spartenübergreifend bieten kann. ein opernaBenD Der Superlative genen Arbeiten. So entwickelte sich Ein großes Thema an diesem Abend die Choreographie zu einem zwei- war das Verständnis einer Choreo- ten Standbein, welches sie nach graphie. Zusätzlich zur Matinee 2005 als freischaffende Künstlerin wurde von Einführungen vor der Vor- Unsere Mitglieder Harald und quer durch Europa, Japan, China stellung oder sogar von Übertitelung Sibylle Reichardt melden sich und Russland führte. gesprochen. Sicher sind das Mög- Seit Beginn der Spielzeit 2015/16 lichkeiten, aber muss denn wirklich zu Wort gehört sie nun als Ballettchefin zum alles erklärt werden? Wo bleibt der Ensemble des Theaters Plauen-Zwi- Spielraum für die eigene Phantasie? „Unser Eindruck und Empfinden zur ckau. Hier startete sie erfolgreich mit Vielmehr als an den Einführungen Premiere ‚Luisa Miller‘ von Giusep- dem Stück „Monsieur Claude“. Es davor ist Annett Göhre an den Ge- pe Verdi in unserem tollen Theater werden die „Goldfisch-Variationen“ sprächen danach interessiert. Weil Plauen: und der „Feuervogel“ folgen. Für genau dort Sichtweisen des Publi- Eine Musik, die einem begeisterte die nächste Spielzeit sind die Plä- kums erkennbar werden, die auch und zum Schwärmen brachte, Stim- ne auch schon gereift, blieben aber für den Choreograph einen neuen men, sowohl der Solisten als auch an diesem Abend vom Mantel des Blickwinkel auf seine Interpretation des Chores in brillanter Qualität, In- Schweigens umhüllt. Ideen jedenfalls des Stückes zulassen. szenierung in gekonnter Weise ge- gibt es genug. Mal ist es die Musik, lungen, in darstellender Handlung, die zu einer Geschichte führt. Oder Nach einem unterhaltsamen Abend Kostüm und Bühnenbild; so empfan- aber eine Geschichte, die mit Musik und mit der Aussicht auf ein „Ge- den wir diesen Abend. und Bewegung erzählt werden will. spräch danach“ dankten wir Annett Was diese Plauener Bühne mit all Ausgearbeitet zu einem Libretto, er- Göhre für den Besuch und wün- ihren Mitwirkenden hervorbrachte, zählt von Innen nach Außen, mit Tra- schen ihr für die Arbeit an unserm begeisterte nicht nur uns, sondern gik, Komik und klaren Charakteren. Theater alles Gute. auch viele andere Zuschauer; Zwi- Das ganze möglichst mit der vollen schenbeifall als auch überschäu- mende Euphorie der Zuschauer am Ende der Prämiere dokumentieren diese Meinung. Danke für diesen Gründung des Stammtischs und geburtstages gegenüber der Deut- Kunstgenuss. darf nicht unter den Tisch fallen. schen Presseagentur traf, prinzipi- Ein kleiner Wehmutstropfen beglei- Vereinbart wurde mit dem Vorstand, ell nichts geändert; auch wenn es tete uns aber doch; trotz Premiere dass innerhalb eines Monats nur scheint, dass mit dem neuen Grund- blieben noch einige Plätze frei. eine Veranstaltung stattfindet, entwe- lagenvertrag eine gewisse Pla- Man fragt sich immer wieder, was der Der Förderverein lädt ein oder nungssicherheit besteht, so stehen wollen die Plauener noch erleben, Stammtisch. doch Stellenabbau, Haustarif, Ge- wenn nicht mit solch einem Auftritt! Hinsichtlich der Einladung von Ge- haltsverzicht und ähnlichem genau Noch eine kleine Bemerkung zu sprächsgästen gibt es Bemühungen, wie damals auf der Tagesordnung, den Eintrittspreisen; einen Abend mit Frau Walz, die leitende Musikdra- als Herr Roth meinte: „Ich finde es dem genannten Kunstgenuss und maturgin, für einen Stammtischbe- bedauerlich, dass wir erneut in der noch dazu als Premiere für 26 Euro such zu gewinnen. Vorgeschlagen Situation sind, uns verteidigen zu (mit Theatercard 13 Euro), wo gibt wurde ferner, Generalmusikdirektor müssen…“ es das in anderen Städten Deutsch- Lutz de Veer einzuladen, da bisher lands? zum Konzertangebot kaum Meinun- Ein Dank gilt den aktiven Stamm- gen ausgetauscht wurden; dieser tischlern, die kaum eine Zusammen- Ja, liebe Plauener, informiert euch Besuch könnte im 2. Halbjahr statt- kunft versäumen; gleichzeitig darf und gönnt euch etwas Gutes, das finden. Über einen Stammtischbe- die Frage erlaubt sein, warum von möchten und müssen wir einfach such unseres früheren Intendanten 300 Mitgliedern nicht noch einige mal rüberbringen.“ Dieter Roth wäre nochmals zu be- mehr den Stammtisch besuchen. finden; eine gewisse Nostalgie ist Dank gilt auch Sven Gerbeth, der nicht auszuschließen. Andererseits regelmäßig zum Stammtisch kommt hat sich an den Aussagen, die er und über das Geschehen im Vogt- 05 in Vorbereitung des 100. Theater- land-Anzeiger berichtet. Bevorzugt: Das Gespräch danach Für und Wider: Kulturraumgesetz Ein Opernabend der Superlative
Julia Groß ein perfekter opernaBenD „Luisa Miller“ in Plauen – hier stimmte einfach alles Premiere von „Luisa Miller“ am sehr selten auf den deutschen Büh- und in sich geschlossenen Sache Vogtlandtheater in Plauen. Eigent- nen zu finden ist. Warum?, frage machte. An seiner Seite dabei Luisa lich war es ja die B-Premiere, da es ich. Aufführungen finden sich in Ber- Lange, die sich für Bühne und Kostü- in Zwickau schon eine Weile läuft. lin 1927, Wien 1930 oder in Zürich me verantwortlich zeigt. Luisa kenne Das tut der Sache jedoch keinen 1938. Warum aber nur so selten ich schon seit ihren ersten Tagen an Abbruch. Viel mehr Sorge machte und gar kaum im deutschen Raum? unserem Haus und kann nur sagen: allen die Erkältungswelle, die das Das Werk besitzt alles, was Opern- Hut ab vor dieser Leistung. Da ent- Ensemble seit Dezember fest im freunden den perfekten Abend be- standen mit relativ geringer Kulisse Griff hat. Zum Glück blieben alle scheren kann: Eine schlüssige und und fantastischer Beleuchtung wah- Solisten gesund, aber im Chor fehl- gut ausgebaute Handlung, das nöti- re Bilderwelten, die einfach nur ten knapp zehn Leute. Aushilfen ge Drama, bezaubernde Melodien faszinierend und traumhaft waren. mussten her; gar nicht leicht bei und Arien zum Niederknien. Dem Wahrlich ein goldener Griff für die- einer Oper, die nur relativ selten Musiktheaterdirektor Jürgen Pöckel se Inszenierung. zur Aufführung kommt. Aber zwei ist es nun zu verdanken, dass es die- kamen zum Premierentag extra aus ses Werk auf unsere Bühnen in Plau- Identitätsfragen stehen im Zentrum Hamburg, so dass alles gut von en und Zwickau geschafft hat – und um das große Thema der drama- der Bühne ging. das auf eine Weise, an der es nichts tischen Liebe: Wer ist man? Wer außer Lob zu finden gibt. Regie führ- will man sein? Was will man errei- Schillers „Kabale und Liebe“ bildet, te Thilo Reinardt, der im Haus schon chen? Zentrale Fragen, die auf der wenn auch in damals zensurbe- wunderbar „Joseph Süß“ inszeniert Bühne gestellt und von den Charak- dingt zurechtgestutzter Form, die hatte. Ein Hauch früherer 50er Jahre teren verkörpert werden. In einer Grundlage für Verdis „Luisa Miller“ lag in der Luft, als die Damen und von Gegensätzen regierten Welt (Libretto: Salvatore Cammarano), Herren in angedeuteter Rock'n‘Roll agieren die Charaktere, die indivi- eine Oper, die in unserer Zeit nur Manier Luisas Geburtstag feierten. dueller und klarer nicht gezeichnet Gewagt? Nein, denn es ergab sein könnten. Liebe stirbt, das Böse sich im Folgenden eine fesselnd überlebt – ein Ausgang, der Tri- konsequente Regieführung, die den umph und Versagen zugleich sein Abend zu einer komplett runden kann. Wir haben das kleine Haus 06 Ein perfekter Opernabend
der Millers im Vergleich zu einem wenige Szenen füllte sie den Abend Opernabend, der den Großstädten pompösen Festsaal im Hause des sowohl spielerisch als auch stimm- in keiner Weise nachsteht, ein bril- Grafen (meine Lieblingsbilder in der lich komplett und mehr als über- lantes Ensemble von immenser Qua- Oper) und die unendlichen Weiten zeugend aus und bestach mit einer lität und Stimmgewalt, das durch ein des Horizonts. Brillant war es auch, wahrlich bedrohlichen Kühle in der harmonierendes Orchester beglei- die Handlung quasi von hinten her Ausstrahlung, die der Rolle der Her- tet wird, sowie einen starken Chor. aufzurollen: Alles beginnt und endet zogin mehr als gerecht wurde. Jason All dies in einer wunderbaren Kulis- am Grab der Kinder. In der Ouver- Kim als Rodolfo verging in Liebe zu se vereint und perfekt ausgeleuchtet. türe sieht man schon die Väter an Luisa. Bedingungslos wollte er das Ja, die Beleuchtung muss hier ein- den Gräbern knien und am Ende einfache Mädchen lieben und wur- fach explizit erwähnt werden, denn ergibt sich dasselbe Bild. Ein kluger de Opfer der Intrige. Genau wie die Jungs erzeugten einfach einmali- Schachzug der Regie! die Liebe, verkörperte er auch die ge Stimmungen. Verzweiflung in einmaliger Brillanz. Das Philharmonische Orchester Ebenso glänzte Shin Taniguchi in Ein verdienter fulminanter Applaus, Plauen-Zwickau brillierte unter der der Partie des Vaters in gewohnter fliegende Blumensträuße und ein Leitung von GMD Lutz de Veer mit stimmlicher Qualität. Imposant auch toller Premierenempfang waren das großer klanglicher Qualität und ver- Karsten Schröter, mein persönlicher wohlverdiente Ende dieses einfach mittelte Verdis Melodien auf nahezu Bad-Boy des Musiktheaters. Die in- perfekten Opernabends. der ein- perfekte Art und Weise. Technisch triganten und bösen Rollen stehen mal mehr zeigte, dass es sich lohnt, perfekt Sonja Westermann in der ihm einfach gut zu Gesicht. Stimm- auch so manche Rarität auf die Büh- Hauptrolle der Luisa Miller. In be- lich füllt er diese auch mit seinem an- ne zu bringen. eindruckender Höhe und Klarheit genehmen Bass aus. Als letzter sei meisterte sie die anspruchsvollen Igor Levitan zu erwähnen, der das Koloraturen und vermittelte eine hauseigene Ensemble gastierend in wundervolle Ausgestaltung der Rol- der Rolle des Wurm sowohl stimm- le. Genauso auch ihre Kontrahentin lich als auch spielerisch bereicherte. Federica, die von Johanna Brault Summiert man dies alles, erhält man verkörpert wurde. Beschränkt auf einen qualitativ sehr hochwertigen 07 Ein perfekter Opernabend
Silke Kemmesies ein leBen für Die muSik Eckehard Rösler – Pionier der Chorarbeit am Plauener Theater Kapellmeister. 1985 folgte er dem fast 40 Vorstellungen die Singaka- „Herr Rösler, das, was Sie uns bei- Ruf ans Volkstheater Rostock. Aber demie Plauen hinter dem Gazevor- brachten, haben wir heute noch sein Herz hing am Vogtland, und so hang und den kleinen Gospelchor kehrte er 1991 als Chordirektor und auf der Bühne. drauf!“ – So die Aussage von Profis Kapellmeister an das Theater Plau- aus dem Opernchor und Laien aus en zurück. Mit Eintritt ins Rentenalter Anfang Juli folgte der schwere Ab- den beiden Singakademien Plauen 2007, wo ihm der Ehrentitel Ge- schied als Künstlerischer Leiter der neralmusikdirektor verliehen wurde, Singakademie Plauen. Eckehard und Zwickau. war aber noch lange nicht Schluss. Rösler übernahm 1972 den dama- Er führte weiterhin die Singakade- ligen Konzertchor mit 13 Sängern, Eckehard Rösler studierte an der mie Plauen als Künstlerischer Leiter darunter Charlotte Busch und Inge Hochschule „Carl Maria von We- sowie den Extrachor des Theaters Eichhorn, warb intensiv um Stimmen ber“ in Dresden Klavier und Di- Plauen-Zwickau. und konnte bereits ein Jahr später mit rigieren bei Professor Hinze und 50 Sängern die Nelson-Messe von Professor Neuhaus und kam, nach Im Frühjahr, zur letzten Vorstellung Josef Haydn aufführen. 1981 erhielt dreieinhalbjähriger Tätigkeit am des Schauspiels mit Musik „Wie im der Chor den Status Singakademie. Klubhaus Zschornewitz, im Jahr Himmel“, hielt er die Laudatio auf Nach seiner Rückkehr aus Rostock 1969 ans Theater Plauen, zunächst die 91-jährige Charlotte Busch, die stellte er sich erneut an die Spitze als Solorepetitor mit Dirigierver- Olga des Stückes, Chorsängerin der inzwischen Verein gewordenen pflichtung und umfangreicher Kam- der ersten Stunde. Sie wurde an Singakademie und führte diese zu mermusiktätigkeit. Später lautete diesem Abend mit dem Theaterpreis großen Erfolgen und hohen Mitglie- sein Vertrag auf Chordirektor und des Fördervereins geehrt. Eckehard derzahlen. Weg und Ziel waren Rösler war im „Himmel“, wie wir stets effektive Probenarbeit und eine den Titel dieses Stückes immer lie- bestmögliche künstlerische Quali- bevoll abkürzten, verantwortlich für tät. Er stellte Studien-Tonträger zum die Choreinstudierung, dirigierte in Lernen her und war sich nicht zu 08 Ein Leben für die Musik
Foto: (C) Jens Rötzsch schade, Zusatzproben für Sänger Mugge und so manche Feier haben Eckehard Rösler hätte die Geschi- zu Hause durchzuführen. Seine De- die beiden zusammen bestritten und cke von Singakademie/Extrachor/ vise: „Niemand darf auf der Strecke wussten immer köstliche Anekdoten Theater gerne noch ein Stück be- bleiben, auch der Schwächste muss aus ihrem erlebnisreichen künstleri- gleitet, aber sein Gesundheitszu- mitkommen!“ schen Dasein zu berichten. stand zwingt ihn, diesen Abschied Am 6. November 2015, zur Premi- als unwiderruflich gegeben hinzu- erenfeier von „Luisa Miller“ in Zwi- Eckehard Rösler prägte die musika- nehmen. Am Ende bleibt zu hoffen, ckau, wurde Eckehard Rösler von lische Arbeit an unserem Theater dass er trotz persönlicher Einschrän- der Theaterleitung verabschiedet. über Jahrzehnte mit. Zu seinen gro- kungen hin und wieder den Weg Die „Luisa“ war seine letzte Einstu- ßen Erfolgen in Choreinstudierung in die Zuschauerreihen des Theaters dierung mit dem Extrachor. Musik- und Dirigat gehören unter anderem finden kann. theaterdirektor Jürgen Pöckel sprach die Schubert-Messe Es-Dur, Carmi- zu Herzen gehende, dankbare na Burana, das Verdi-Requiem und Ich persönlich bin sehr dankbar für Worte und umriss kurz das erfüllte nicht zuletzt die beim Publikum so die Jahre seiner Wegbegleitung künstlerische Wirken und die Ver- beliebten Adventskonzerte. Er war und die musikalische Bildung, die dienste Röslers. stets ein harter Arbeiter und kämpfte ich durch ihn erfahren durfte. beherzt und durchaus streitbar für Im Dezember musste Eckehard Rös- die Belange seiner Profis und Laien ler Abschied nehmen von seinem gegen so manchen Widerstand. Freund und musikalischen Gefährten Heinz Hentschel, über den in der Eckehard Rösler: „Ich bleibe Musiker letzten Ausgabe berichtet wurde. und Theatermann bis zum letzten Die beiden waren seit 1969 be- Atemzug. In meinem Leben stand freundet und gemeinsam am Plaue- die Chorarbeit immer an erster Stel- ner Theater und für die Singakade- le!“ – Eine Haltung, die nicht selten mie stets im Einsatz. Auch so manche zu Lasten der Familie ging. 09 Ein Leben für die Musik
Lutz Behrens Auch ein Telefon gibt es schon. kurZWeil, WitZ Das Gemurmel im bis auf den letzten Stuhl besetzten Zuschauerraum verstummt; Sopranistin Judith Schubert, unD viel gefühl mit schwarzem Kleid und weißer Schürze leicht als Kö- chin zu erkennen, setzt sich an den Küchentisch und beginnt, nicht unbedingt enthusiastisch, Kartoffeln zu Küchenliederprogramm auf der Kleinen Bühne schälen. Als der erste – mit einem Messer – von seiner Schale befreite Erdapfel rumpelnd in den großen Topf plumpst, mahnt trocken eine Stimme aus dem Publikum Die (Kleine) Bühne, die sicher einiges gewöhnt ist, das fehlende „Wasser“ an… Soviel zum Thema Kunst überrascht als Küche im Interieur der vorletzten Jahrhun- und Wirklichkeit. Zudem treffend bemerkt, denn – wir dertwende. Links verbreitet ein Herd, dem nur noch die sind in Sachsen! – der unvermeidlich genossene Kaf- Kohlen zum Glühen fehlen, behäbige Gemütlichkeit. fee fließt dunkelbraun in die Tassen und wird mit ech- Ein breit dastehender Schleiflack-Küchenschrank ist ter Milch geweißt. Im Gegensatz dazu enthält die im weit entfernt von steriler Funktionalität, wie es heute Kü- Verlauf des Abends ständig kreisende Schnapsflasche chenmobiliar ausstrahlt. Der große Tisch bietet genug gewiss nicht – wie es den Anschein hat – glasklaren Fläche für die Küchenarbeit und lädt zum Schwatzen, Korn, sondern ist gewiss mit schlichtem Wasser gefüllt, wohl auch Singen ein. Ein an der Wand hängendes sonst mündeten die Gesangsbeiträge unweigerlich in Gestell mit Glöckchen irritiert – aber nur auf den ersten sinnlosem Gestammel. Doch dem ist nicht so. Ganz im Blick. Dem Kenner englischer Fernsehserien à la „Haus Gegenteil. am Eton Place“ verrät es eine Küche im Haus einer Die Damen zwitschern wie die Heidelerchen, ob die Herrschaft, die höchste Töne erreichende Julia Ebert als Dienstmäd- das Personal chen oder, eher verhalten, aber nicht minder wirkungs- per Klingelton voll, Judith Schubert. Marcus Sandmann als singender in Marsch zu Briefträger ergänzt die beiden Sopranistinnen vortreff- 10 Kurzweil, Witz und viel Gefühl setzen pflegte. lich. Am Klavier und auch problemlos als Sänger ge-
Judy Schubert übt sich im Kartoffelschälen. Dem Topf fehlte das Wasser … Foto: Peter Awtukowitsch lieBlingSplätZe für alle fordert: Matthias Spindler, dessen Neuer Treppensteiger für die Singakademie Plauen musikantischer Compagnon von Annette Schneider gestellt wird, Im Vogtlandtheater Plauen wurde Chorsaal zu gelangen. Bisher war die an Gitarre, Mandoline, Zither, erstmalig der neue Treppensteiger dies nur mit größter Anstrengung selbst Kantele sicher und wohltuend Scalamobil der Singakademie Plau- und Personenkraft möglich. zurückhaltend zupft und schlägt. en in Betrieb genommen werden. Zu loben sind ausdrücklich Regie Das elektrisch betriebene Gerät, Nachdem Anfang Dezember schon und Buch. Was sich Operndirektor mit dem sich vorher für Rollstuhlfah- ein Probelauf unternommen wurde, Jürgen Pöckel da für die kleine Form rer unüberwindbare Barrieren wie konnten nun Mitglieder der Singaka- einfallen lässt, macht den Abend unterschiedlichste Treppen bewälti- demie und Theatermitarbeiter in die kurzweilig, abwechslungsreich und gen lassen, ist nicht breiter als der Benutzung des Treppensteigers ein- – was ja kein Fehler ist – witzig. Das Rollstuhl und bewahrt sich dadurch gewiesen und damit das Gerät zur beginnt bei der Auswahl und An- seine Wendigkeit. Benutzung frei gegeben werden. ordnung des Liedgutes, reicht weiter Das Hilfsmittel soll auch für die zu einem gelungenen Schattenspiel Engagierte Sängerinnen der Sing- Öffentlichkeit im Theater und in und mündet im zu Herzen gehen- akademie Plauen hatten den Trep- anderen kulturellen Einrichtungen den Schlussgesang von „Ade zur pensteiger vor einem Jahr beim der Stadt nutzbar sein. So gibt es guten Nacht“. Wobei diese Art Lie- Investitionsprogramm Barrierefreies Überlegungen, den Treppensteiger der ja eigentlich ein gehöriges Maß Bauen 2015 „Lieblingsplätze für bei Theaterführungen einzusetzen. an Kitsch, Gefühlsüberschwang und alle“ beantragt, um es ihrer langjäh- Darüber hinaus plant die Singaka- Sentimentalität mitschleppen. Dem rigen und vielfach bühnenerprobten demie, das flexible und mobile Ge- wird auch durchaus Genüge getan. Sopranistin zu ermöglichen, unkom- rät auch bei auswärtigen Auftritten Aber eben immer mit einem char- pliziert zu den Proben in den – nur mitzunehmen. manten Augenzwinkern, einer iro- über Treppen zu erreichenden – nischen Geste, dass es sooo ernst nicht gemeint sei mit der Rasenbank am Elterngrab, der Männertreu und der holden Gärtnersfrau Liebeslust und -leid. Letzte Bemerkungen zu einem auch vom Premierenpublikum mit ordent- lichem Beifall bedachten Lieder- abend der heiteren Sorte. Zumin- dest erwähnt werden soll, dass die Moritat vom Räuber Rinaldo Rinal- dini im 19. Jahrhundert als Roman weite Verbreitung erfuhr. Dem Autor Christian Vulpius gelang damit ein Bestseller, der die Werke seines Schwagers Johann Wolfgang von Goethe, zumindest was die Auflage betraf, in den Schatten stellte. Und zuletzt noch ein Bonbon für alle Ver- ehrer des Konjunktivs: die letzte Stro- phe des Volksliedes „Ach wie ist’s möglich dann“ (Text vom Anfang des 19. Jahrhunderts) lässt uns herr- lich schwelgen; es ist dem „wär' “, „wollt' “, scheut' “, flög' “, schöß'“ (!), sänk' “, säh'st“ und gar „stürb' “ kein 11 Ende. Welch ein Fest der deutschen Kurzweil, Witz und viel Gefühl Sprache! Lieblingsplätze für alle
Lutz Behrens „DaS geiStreichSte luStSpiel“ Roland May inszeniert „Nathan der Weise“ am Vogtlandtheater Keinen weihevollen Klassiker, sondern ein hochaktuelles Stück, ganz der zeitlosen Intention Lessings folgend, zeigt Roland May mit dem „Nathan“ im Vogtlandtheater. Nicht hohles Pathos, sondern erhellender Witz würzte einen vergnüglichen und zudem erkenntnisfördernden Theaterabend. „Ein satirisches Stück“ neren Rollen wie der der Daja (Anja Schreiber), des Derwischs (Jens „Es wird nichts weniger als ein sa- Hollwedel) und vor allem des Klos- tirisches Stück, um den Kampfplatz terbruders (Timon Schleheck) kon- mit Hohngelächter zu verlassen“, geniale Interpreten. Überzeugend schrieb Lessing über den „Nathan“ auch ein nachdenklicher Saladin an seinen Bruder Karl. Hugo von (Daniel Koch), Else Hennig als seine Hofmannsthal pflichtete ihm, wenn Schwester Sittah und Helene Ader- wohnten Blankvers und dem oftmals auch viel später, mit einem überra- hold als naiv-kindliche Recha. Leo- archaischem Sprachduktus der schenden Superlativ bei, dass „man nard Lange bestach nicht nur durch Lessing‘schen Figuren in Einklang dieses Stück, für mein Gefühl, noch kräftezehrende Gymnastik; er gab bringen musste. Doch dieses Hemm- nie so gespielt hat, wie es gespielt dem Tempelherrn die Ehrlichkeit, nis war schnell überwunden, dank werden müsste; ganz als das geist- das Ungestüm und die Leidenschaft, auch der klaren Artikulation aller reichste Lustspiel, das wir haben …“. die er verlangt. Bedrohlich, und das Beteiligten und der gerne befolgten Beiden Deutungen muss man gera- nicht nur durch die bei seinem Auf- Notwendigkeit, sehr aufmerksam de beim „Nathan“ nicht unbedingt tritt eingesetzte, unheilschwangere zuhören zu müssen. folgen. Einem Stück, das oftmals sehr Musik: Gilbert Miroph als Patriarch; Bleibt die Schlussszene und ihre bedeutungsschwanger unmittelbar fanatisch, intolerant, beängstigend. gefährliche Nähe zum Kitsch. Bei nach dem Zweiten Weltkrieg, nach- Ein nachhaltiges, großartiges The- Lessing lautet die Regieanweisung: dem es die Nazis zwölf Jahre lang atererlebnis bot Björn-Ole Blunk in „Unter stummer Wiederholung all- von der Bühne verbannt hatten, end- der Titelrolle. Seine wache, intelli- seitiger Umarmungen fällt der Vor- lich wieder aufgeführt werden konn- gente und überzeugende Interpreta- hang“. Auch hier findet die Regie te. Doch dass sein „Nathan“ auch tion der Ringparabel bleibt haften. eine überzeugende Bildsprache; komödiantische Züge hat, wusste Da gab es keinen falschen Ton und die Figuren finden sich, wenden keiner besser als Lessing. So setzt nur richtige Gesten. Er meisterte sou- sich ab, das Stück klingt aus. Die Roland May in seiner erfolgreichen verän seine anspruchsvolle Rolle in Botschaft, so ist zu hoffen und zu (und mit langem Beifall) aufgenom- allen Phasen des Stückes. wünschen, ist angekommen. menen Inszenierung auch auf diese Seite des Stückes und findet dafür Kontrastprogramm Pure Ideologie? vor allem in den Darstellern der klei- Eines Stückes, in dessen Eingangs- Zum Stück kommt Lessing in einer szenen der Zuschauer erst einmal schlaflosen Nacht. Er nannte es die kühle Modernität des Bühnen- „einen närrischen Einfall“, der ihn bildes (Luisa Lange) mit dem unge- heimsuchte: „Ich muss versuchen, ob 12 „Das geistreichste Lustspiel“
man mich auf meiner alten Kanzel, Der Mensch zählt Werk lobt den Meister auf dem Theater wenigstens, noch ungestört will predigen lassen“. Al- Gottseidank nein. Im Gegenteil. Die Aussage der Ringparabel über les andere hatte man ihm durchaus Lessing gelingt es, neben der Ring- die Gleichheit, Gleichwertigkeit von verleidet. Lessing hatte es gewagt, parabel auch mit dem Figurenen- Christentum, Judentum und Islam nur des Bibelkritikers Reimarus Ansichten semble des Stückes seiner Absicht auf die drei geoffenbarten Religio- als „Fragmente eines Ungenannten“ bühnenwirksam gerecht zu werden. nen zu reduzieren, griffe zu kurz. zu veröffentlichen. Die Obrigkeit er- Am Ende bleibt Nathan Jude, Sa- Indem Lessing keinen der drei Rin- kennt in den darin aufgezeigten Wi- ladin gläubiger Muslim. Aber der ge, die für die Religionen stehen, als dersprüchen der Bibel einen Angriff martialisch-christliche Tempelherr den echten bezeichnet und allein auf herrschende Strukturen. Es kommt entpuppt sich als Sohn eines Mus- das Handeln seiner Träger dafür zu Lessings Polemik gegen die luthe- limen; Recha, in den Augen Dajas verantwortlich macht, um „die Kraft rische Orthodoxie und sein Eintreten eine Christin, die vom Juden Nathan des Steins in seinem Ring an Tag für eine praktische christliche Moral, aufgezogen wird, ist seine Schwes- zu legen“, erreicht er eine humanis- zusammengefasst im „Anti-Goeze“. ter. Der christliche Patriarch bleibt tische Dimension, die eine Gleich- Nicht zuletzt die deswegen vom ein Fanatiker: „Tut nichts! Der Jude heit aller Menschen postuliert, de- Bild: © JFL Photography / Fotolia.com Braunschweiger Herzog gegenüber wird verbrannt!“ Damals Ausdruck ren Menschsein sich allein in ihrem Lessing aufgehobene Zensurfreiheit „christlicher Nächstenliebe“ und ge- Handeln erweist. (so schlimm konnte es damals kom- richtet gegen einen einzelnen, wird Bleibt das Wort Herders an Lessing men) und ein Schreibverbot sollen daraus im vergangenen Jahrhundert über den „Nathan“: „Ich sage Ihnen den Wolfenbütteler Hofrat und Bi- der millionenfache Mord an Juden, kein Lob über das Stück; das Werk bliothekar mundtot machen. Er gibt industriell praktiziert von deutschen lobt den Meister, und dies ist Man- nicht auf, predigt auf seiner „alten Herrenmenschen. Leider aktuell des neswerk.“ Kanzel“, dem Theater. Ist also der Patriarchen Einlassung: „Denn ist „Nathan“ in Blankverse gepresste, nicht alles, was man Kindern tut, pure Ideologie? Gewalt?“ Um hinzuzufügen: „Aus- genommen, was die Kirch an Kin- 13 dern tut“. „Das geistreichste Lustspiel“
stellungen einiger Stammtischbesu- cher, die Schauspieler seien immer zu leise und kaum zu verstehen, war es eben diesmal zu laut. Auch Mei- nungen, die erste „Sonnenallee“ (in- szeniert vor 13 Jahren am Haus) sei besser gewesen, wurden geäußert, aber nur von wenigen geteilt. Eine zu hohe Überspitzung in den Fami- lienszenen wurde ebenso kritisiert. Im Grunde genommen war es das auch schon mit der Kritik am Stück. So ergriff Herr Mieroph das Wort und gab den 21 Stammtischbesu- cher Einblick in seine Ideen. Dabei ging es in besonderem Maße um die Aktualität, die in manchen Sze- nen der Sonnenallee steckt. „Sag mir, wo du stehst!“, diese Frage könnte man Eins-zu-eins auf heutige politische und globale Probleme münzen, vor deren Hintergrund sich jeder positionieren sollte. Dies spannte auch ziemlich schnell Patrick Seidel den Bogen zum weiteren Verlauf Sag mir, Wo Du StehSt... des Stammtisches. Plötzlich wurde wieder über Grundsätzliches disku- tiert; ermüdend und langweilend, Oberspielleiter zu Gast am Januar-Stammtisch gerade für die Stammtischbesucher, die sich bei jeder Runde vor den selben Diskussionen sehen, und schon absehen können, dass man Die Entscheidung, welche Schau- Nachfolger für das Musical „Come- sich auch dieses Mal nur im Kreis spiel-Stücke im Theater Plauen-Zwi- back“ aus den vergangenen beiden drehen wird. Wiedermal kam die ckau inszeniert werden sollen, tref- Spielzeiten zu produzieren. Es sollte „Margarethe“ ins Spiel, die von fen – das ist für viele nichts neues nicht nur eine Geschichte erzählt einigen aus Trotz (!) nicht besucht – der Oberspielleiter und die Dra- werden, es sollte auch unterhalten wurde, wieder kam das Spielzeit- maturgen im Einvernehmen mit dem – ohne dabei die Geschehnisse der motto „mit-sprache“ ins Spiel. Und Generalintendanten. Dabei achtet DDR zu glorifizieren. wiedermal kam die Frage auf, wa- man akribisch auf Geburts- oder Mit diesem Einblick in die Entschei- rum „so wenig Schulen“ im Theater Todestage namhafter Autoren oder dung und ersten Ideen zur Sonnen- sind. Herr Mieroph schien offen für eben auf besondere Jahrestage. allee eröffnete Gilbert Mieroph den Ideen und versuchte Partei für das So verwundert es nicht, dass 25 ersten Stammtisch im Jahr 2016. Theater zu ergreifen, aber auch in Jahre nach der Wiedervereinigung Als wiederholter Gast sollte er – so organisatorische Dinge der beiden das Schauspiel „Sonnenallee“ am das Ansinnen – Rede und Antwort Häuser Einblick zu gewähren. Hause inszeniert wurde. Dabei lag zu seiner Inszenierung der Sonnen- das Augenmerk darauf, nicht nur ein allee stehen. Und so kam es, dass Ein langer Abend ging mit gespal- bloßes Schauspiel auf die Bretter zu natürlich Lob ausgesprochen wurde tenen Meinungen über den Stamm- bringen, sondern einen adäquaten zur gelungenen Inszenierung, über tisch Ende. Nicht nur in Bezug auf die „gute Musikauswahl“ und die die „Sonnenallee“, sondern wieder Darsteller, die „wirklich gut singen einmal auch im Hinblick auf immer können“. Im fast gleichen Atemzug noch zu konservative Meinungen... wurde von anderer Seite die Laut- Aus Sicht der Jugend: Schade! 14 Sag mir, wo du stehst... stärke kritisiert. Entgegen den Dar-
klartext gar zu einem Arzt begeben und ihm Ratschläge geben, wie er et- Sprache geäußert werden. Die Theaterleitung ist für Neues und mit Sprache was besser machen könnte. Keiner Vorschläge offen und nimmt auch würde sich erdreisten, jemanden zu gern Kritik entgegen. So entsteht ein sagen, wie er seine Arbeit besser Dialog zwischen beiden Instanzen. zu machen hat, wenn dieser keinen Ein wie ich finde sehr wichtiger Di- In einer der Stammtischrunden of- Einblick in das Tätigkeitsfeld und das alog! Auf besondere Weise einbrin- ferierte unser Generalintendant, ganze „Drumherum“ hat. Nur weil gen hätte man sich aber ebenso vor dass das Spielzeitmotto eine heik- diese Spielzeit „mit-sprache“ heißt, Jahren schon. Kritik wird nur jetzt lau- le Aufgabe sei und immer mit viel wollen die Besucher plötzlich be- ter, weil es das Spielzeitmotto an- Bedacht ausgewählt werde. Man stimmen dürfen, was gespielt wird? geblich zulässt – verblüffend! „Wir suche nach Mottos, die sich in den „Er (Herr May) soll endlich einmal brauchen jetzt unbedingt eine Be- Premiere-Stücken der jeweiligen das spielen, was wir sehen wollen.“ sucherrat“, wir oft skandiert. Wo ist Spielzeit wiederfinden. Nach unter Oft ist das in Stammtischrunden zu das Vertrauen in die Theaterleitung? anderem „ego-land“, „ruhe-störung“ hören. Aber: Wer ist wir? Und was Wo ist eine gewisse Bereitschaft und „fremd-körper“ heißt es nun will gesehen werden? Und was Neuem gegenüber – Dinge und 2015/2016: „mit-sprache“. Ein jeder passiert, wenn alles gespielt wurde Inszenierungen in ihrer individuellen sieht zuerst das Substantiv, dass sich „was wir sehen wollen“? Fragen Art einmal zu hinterfragen? Wer hat schnell daraus bilden lässt: Mitspra- ohne substantielle Antwort wie mir denn damals die „Ruhe gestört“? che. Und viele fühlen sich dadurch scheint. Wer damals „anders gelebt“ nur direkt angesprochen. Jetzt kann ich Was aber wäre, wenn man aus weil es das Spielzeitmotto hergab? auch etwas sagen. Jetzt können wir dem vermeintlichen Substantiv, das Vielleicht sollte nicht aus jedem dem Generalintendanten unsere in dem Motto steckt, eine Wortgrup- Spielzeitmotto gleich ein Substantiv Wünsche und Ideen mitteilen. Jetzt pe macht: mit Sprache. Betrachtet gemacht werden. Wohl eher gilt kann ich mitbestimmen. man aktuelle Konflikte national wie es – wie auch die Inszenierungen Einige glauben sich jetzt profilieren auch international, so können diese am Haus – zu hinterfragen und drin- zu können, sich nun endlich mit ei- wohl besser mit Sprache, als durch gend mehrdeutig zu denken. nem Besucherrat in den Theaterbe- Gewalt gelöst werden. Mit Sprache Um einen Bogen zur „Sonnenal- trieb einmischen zu können. Mo- kann sich der Mensch verständigen lee“ zu ziehen: Schließlich gibt es ment mal! und austauschen, mit Sprache arbei- die DDR nicht mehr, weil die Bürger Das Theater ist eine eigenständige ten Schauspieler, um dem Theater- Mitsprache hatten. Sie haben mit Institution. Keiner würde sich zu ei- besucher etwas zu verstehen geben Sprache die DDR zu Fall gebracht nem Tischler, zu einem Friseur oder können. Meinungen können mit – oder irre ich? Patrick Seidel BegeiSterung üBer „luiSa miller“ Von unseren Mitglieder Gudrun und Armin Möbius Noch ein Wort zum Neujahrskon- zert: Die Notlage war zu offensicht- Es drängt uns, unsere Begeisterung Leistung von Herrn Taniguchi muss lich. Wenn sich schon keine Sän- für die überaus gelungene, grandi- unbedingt erwähnt werden. Er wühlt gerin für Operettenmusik kurzfristig ose Premiere „Luise Miller“ mitzutei- die Seele damit auf. Unser Dank gilt finden lässt (sehr unverständlich) soll- len. Schon durch die Einführung auf allen Akteuren und Beteiligten an te das Programm nicht auf primitive der Kleinen Bühne waren wir voller diesem großen Kunstgenuss! Art am Laufen und in die Länge ge- Spannung und Vorfreude! Die Premi- Sehr bedauerlich ist halt, dass nur zogen werden, Es war langweilig ere hat dies noch übertroffen! Büh- noch zwei Vorstellungen in Plauen und ermüdend. nenbild, Orchester, Chor und ganz terminlich feststehen. Man kann das besonders die fantastischen Sänger nicht begreifen und sollte unbedingt vom Hause waren einfach ganz schnellstens verändert werden. großes Theater. Die spielerische 15 Sag mir, wo du stehst... Begeisterung über „Luisa Miller“
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