10 Impulse zur Stärkung von Konjunktur und Wachstum in Deutschland und Nordrhein-Westfalen

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10 Impulse zur Stärkung von Konjunktur und Wachstum
       in Deutschland und Nordrhein-Westfalen
                                 (Stand: 22. Mai 2020)

                                    Präambel

Die Corona-Pandemie stellt unser Land vor enorme Herausforderungen. Die
Wirtschaft befindet sich in der größten Krise seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Um
diese Krise zu überwinden, ein „Hochfahren“ der Wirtschaft zu ermöglichen und auf
einen       Wachstumspfad           zurückzukehren,        sind      weitergehende
Unterstützungsmaßnahmen notwendig. Über eine kurzfristige Stabilisierung hinaus gilt
es, ein nachhaltig angelegtes qualitatives Wachstum zu stärken. Konjunkturpolitisch
wirkende Impulse sind dabei mit der ohnehin notwendigen Modernisierung der
Wirtschaft zu verbinden, um so einen doppelten Nutzen für eine dynamische
Entwicklung zu gewinnen. Als Landesregierung wollen wir mit 10 ersten Impulsen
diesen Weg hin zur konjunkturellen Erholung gemeinsam mit der Bundesregierung und
der Europäischen Union gestalten und ein Modernisierungsprogramm aufstellen. Beim
Neustart der Wirtschaft müssen wir jetzt das krisenbedingte „Auf Sicht fahren“
verlassen und den Blick auf die zukünftigen Herausforderungen richten –
Herausforderungen, die auch vor der Krise schon bestanden, bei denen nun in der
Krise aber mehr möglich sein muss als zuvor. Wir wollen einen Modernisierungsschub
ermöglichen.

Wie ganz Deutschland ist auch Nordrhein-Westfalen massiv von der Corona-
Pandemie betroffen. Für die gesamte Wirtschaft ist ein erheblicher, teils existenziell
gefährdender Einbruch der Leistung zu befürchten. Für einige Branchen werden
zudem aus Gründen des Gesundheitsschutzes absehbar Einschränkungen der
Geschäftstätigkeit fortbestehen. Der damit einhergehende Rückgang der
Wirtschaftsleistung dürfte in diesem Jahr mindestens so deutlich ausfallen wie in der
Finanzkrise 2008/2009. Ein Einbruch im zweistelligen Prozentbereich ist nicht
auszuschließen. Die Stimmung in der Wirtschaft und bei den Verbrauchern hat sich
erheblich verschlechtert. Das NRW.Bank Ifo-Geschäftsklima für Nordrhein-Westfalen,
wie auch der Ifo-Index für den Bund sind so stark eingebrochen wie nie zuvor. Laut
einer Umfrage der IHK NRW erwarten mehr als drei Viertel der Betriebe eine
Beeinträchtigung ihrer Geschäfte.

Mit der Corona-Soforthilfe haben wir seit Ende März rund 400.000 Unternehmen
unbürokratisch eine finanzielle Unterstützung gewährt. Insgesamt zahlten Land und
Bund bisher mehr als vier Milliarden Euro aus. Hinzu kommen die von Land und Bund
beschlossenen Darlehensprogramme, Bürgschaften und steuerlichen Erleichterungen
sowie das Kurzarbeitergeld. Die Sofortmaßnahmen hatten und haben das Ziel,

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betriebliche Strukturen zu erhalten, um einen Neustart überhaupt erst zu ermöglichen.
Erste Schritte für diesen Neustart haben wir mit unserem Fahrplan für sukzessive
Lockerungen unternommen. Mit dem Nordrhein-Westfalen-Plan bekommen die
Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und Beschäftigten die dringend benötigte
planbare Perspektive für einen schrittweisen Neustart des gesellschaftlichen und
wirtschaftlichen Lebens unter Wahrung des Gesundheitsschutzes.

Neben diesen Sofortmaßnahmen und Lockerungsschritten sind nun weitere
Maßnahmen für eine konjunkturelle Stabilisierung notwendig. Das Leibniz Institut für
Wirtschaftsforschung, RWI-Essen, und das Institut der deutschen Wirtschaft, IW-Köln,
haben dazu Vorschläge entwickelt, die einen grundsätzlichen Rahmen für ein solches
Stabilisierungsprogramm entwerfen. Die Institute haben bekräftigt, dass ohne einen
starken staatlichen Anstoß das Anspringen der Wirtschaft nicht gelingen wird. Dieser
Anstoß muss kurzfristig erfolgen, dabei aber langfristig Wirkung erzielen. Ebenen
übergreifend müssen sich die Europäische Union, der Bund, die Länder und die
Kommunen jetzt auf Maßnahmen konzentrieren, die schnelle Impulse mit langfristig
wirkenden Modernisierungsprozessen verbinden, den wirtschaftlichen Strukturwandel
beschleunigen und die Innovationskraft der Unternehmen stärken.

Da sie kurzfristig Angebot und Nachfrage gleichermaßen stärken und zukünftige
Wachstumsspielräume vergrößern, sind dabei Investitionen von herausragender
Bedeutung. Deswegen müssen die Europäische Union, der Bund, die Länder und die
Kommunen gleichermaßen öffentliche Investitionen in die Modernisierung der
Wirtschaft weiter massiv stützen und mit Verbesserungen des ordnungspolitischen
Rahmens verstärkt für eine Erneuerung notwendige private Investitionen anreizen.
Dazu gehören öffentliche Investitionen in qualitative und innovative staatliche
Leistungen und zukunftsfähige Infrastrukturen ebenso wie ein investitions- und
innovationsfreundliches Steuersystem, unbürokratische Genehmigungsverfahren und
insgesamt überschaubare Kostenbelastungen für Betriebe und Unternehmen.

Bei den öffentlichen Investitionen ist der doppelte Nutzen entscheidend – was vor der
Krise zukunftsweisend war, ist es nach der Krise erst Recht. Investitionen müssen also
dort ansetzen, wo sie kurzfristig Angebot und Nachfrage ankurbeln und gleichzeitig mit
einem Modernisierungsimpuls die Basis für eine Verstetigung des Wachstums setzen.
Dabei kommt den zwei Mega-Trends Digitalisierung und Klimaschutz eine
Schlüsselrolle zu.

Die digitalen Infrastrukturen und die digitale Modernisierung sind während der Corona-
bedingten Einschränkungen verstärkt ins Bewusstsein und in den Praxistest gerückt.
Die aktuellen Schulschließungen haben die Notwendigkeit verdeutlicht, digitale
Medien in den Schulen noch viel weitreichender zu etablieren. Die
Kontaktbeschränkungen offenbaren, dass der Staat auf allen Ebenen noch mehr in die
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Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung investieren muss. Deutlich wird in der Krise
auch, dass der Digitalisierungsgrad der Unternehmen ein zentrales Erfolgskriterium
ist.

Neben der Digitalisierung steht die Wirtschaft auch angesichts des Klimawandels vor
einem tiefgreifenden Wandel. Unternehmen müssen Produktion und Produkte mit
hoher Treibhausgasintensität grundlegend verändern. Nordrhein-Westfalen hat mit
einer hohen Zahl an Stromerzeugern und energieintensiven Unternehmen eine
besondere Herausforderung, die Dekarbonisierung zu meistern. Daher gilt es, mit Hilfe
geeigneter konjunkturstabilisierender Maßnahmen Investitionen in Klimaschutz zu
forcieren.

Angesichts der zurecht massiven Mobilisierung von öffentlichen Mitteln in der Krise
muss auch geklärt werden, wie die Staatsfinanzen langfristig aufgestellt werden, damit
der Staat handlungsfähig bleibt und weiter in die Zukunft investieren kann. Es ist von
erheblicher Bedeutung, dass die öffentlichen Investitionen in moderne Infrastruktur,
beste Bildung und Forschung sowie ein leistungsfähiges Gesundheitssystem
entsprechend der mittelfristigen Finanzplanungen auf allen Ebenen weitergeführt
werden können. Vor allem für die Kommunen als größtem öffentlichen Investor ist das
eine gewaltige Aufgabe, die aber eine unerlässliche Voraussetzung für einen
erfolgreichen Neustart der Wirtschaft ist. Den Kommunen drohen besonders hohe
Einnahmeausfälle bei der Gewerbesteuer und Belastungen auf Grund steigender
Sozialausgaben. Wir werden den Kommunen daher mit allen uns zur Verfügung
stehenden Mitteln helfen, ihre Investitionen für Transformation, Modernisierung und
Zukunftsfähigkeit von Wirtschaft und Gesellschaft tatsächlich auch leisten zu können.
Die dahingehenden Vorschläge des Bundes begrüßen wir und sind bereit, diese zu
unterstützen.

Zur Förderung des privaten Verbrauchs und zur Entlastung der Familien, die durch die
Schließung von Schulen und Kitas in den vergangenen Wochen besondere Lasten zu
tragen hatten, schlagen wir einen Familienbonus als Aufstockung des Kindergeldes in
Höhe von einmalig 600 Euro pro Kind vor. Dies ist ein schnell wirksames Mittel, das
ohne zusätzliche Bürokratie die Kaufkraft stärkt und dem Einzelhandel zusätzliche
Nachfrage bringt.

Für die Finanzierung der jetzt unumgänglich wichtigen Maßnahmen zur
Wiederbelebung der Wirtschaft und Stärkung der Wachstumskräfte sind alle
staatlichen Akteure gefordert. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hat dazu für
die Bundesregierung ein Konjunktur- und Fitnessprogramm angekündigt. Wir sehen
bundesweit einen Bedarf in Höhe von mindestens 120 Milliarden Euro für ein
wirksames Konjunktur- und Modernisierungspaket.

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Die EU berät über einen Corona-Hilfsfonds der Europäischen Union mit einem
vorgesehenen Volumen von 500 Milliarden Euro, der – über ihre sonstigen
Strukturhilfen hinaus – allen Mitgliedsstaaten zu Gute kommen soll. Wir unterstützen
die Bundesregierung, die am 1. Juli die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen wird, bei
ihrem Bemühen, ein schnell wirksames Hilfsprogramm der EU auf den Weg zu bringen
und dadurch zu einem gemeinsamen, solidarischen Handeln in der EU zu kommen.

Den Bund fordern wir auf, für dieses Gesamtpaket schnell einen Vorschlag zu
unterbreiten. Die Bundesregierung muss jetzt vorlegen, auch um ein deutliches Signal
an die Bürgerinnen und Bürger und die Unternehmen in Deutschland, aber auch
unsere europäischen und internationalen Handelspartner auszusenden.

Als Landesregierung sind wir bereit nachzulegen und diese Bemühungen mit einem
eigenen Landesprogramm zu ergänzen. Dafür werden wir alle uns verfügbaren Mittel
nutzen und die Hilfen von EU und Bund verstärken und bündeln.
Die Gelegenheit zu einem Sprung nach vorne besteht jetzt. Als Landesregierung
setzen wir alles daran, die akut notwendigen konjunkturellen Impulse zu einem echten
Modernisierungsprogramm für Nordrhein-Westfalen zu machen.

Folgende 10 Impulse sind nötig, um einen erfolgreichen Neustart mit einer
langfristigen Perspektive zu ermöglichen:

1. Öffentliche Investitionen in digitale Netze, moderne
Verkehrswege, Infrastruktur und beste Bildung stabilisieren und
verstetigen

In der Rezession müssen Bund, Länder und Kommunen ihre öffentlichen Ausgaben
entsprechend der mittelfristigen Finanzplanung unter Inkaufnahme vorübergehend
erhöhter Defizite fortführen und als Stabilitätsanker für die Wirtschaft wirken. Die
Landesregierung unterstützt die Bundesregierung bei ihrem Vorhaben, die Kommunen
für ihre Corona-bedingten Einnahmeausfälle durch einen Schutzschirm zu entlasten
und zum Abbau ihrer Altschulden beizutragen. Eine der größten Belastungen für die
Kommunen stellen die Soziallasten, hier insbesondere die Kosten der Unterkunft dar.
Eine strukturelle Entlastung der Kommunen muss hier ansetzen. Die Kommunen
müssen ihren Beitrag zur Stärkung öffentlicher Investitionen und der regionalen
Wettbewerbsfähigkeit leisten und Prioritäten bei der Digitalisierung und
Modernisierung ihrer Verwaltungsprozesse setzen. Flankierend wird Nordrhein-
Westfalen trotz einbrechender Steuereinnahmen seinen Modernisierungskurs in den
zentralen Feldern der Landespolitik fortsetzen und die Kommunen in ihrer
Investitionsfähigkeit stärken.

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2. Härtefallprogramm für Unternehmen ohne kurzfristige
Erholungsperspektive auflegen

Der Bund wird aufgefordert, die von ihm in Aussicht gestellten zusätzlichen Hilfen für
Unternehmen, die als Folge der Pandemiebekämpfung weiterhin in erheblicher Weise
an der Ausübung ihrer Geschäftstätigkeit gehindert sind, schnell zu beschließen. Die
Landesregierung wird diese um eigene Mittel in einem Härtefallprogramm ergänzen
und in Anlehnung an die erfolgreiche NRW-Soforthilfe 2020 umsetzen. Er soll unter
anderem Reisebüros, Reiseveranstaltern, Schaustellern, Künstlern, Messebauern
sowie Konzert- und Eventagenturen eine Überbrückungshilfe bis zur Aufhebung der
Einschränkungen zur Verfügung stellen.

3. Unternehmen steuerlich entlasten,
Sofortabschreibungsmöglichkeiten für Digitalisierung und energie-
und ressourcensparende Technologien schaffen

Die Rezession hat die Ertragslage vieler Unternehmen erheblich geschwächt und
gefährdet private Investitionen. Die Landesregierung fordert daher den Bund auf, für
schnell wirksame steuerliche Entlastungen der Unternehmen zu sorgen. Hierzu
gehören u.a. die befristete Anhebung des Höchstbetrags für den Verlustrücktrag und
die Aussetzung der Mindestbesteuerung beim Verlustvortrag, eine befristete
Anhebung der steuerlichen F&E-Förderung auf bis zu 50 Prozent, die attraktivere
Ausgestaltung der Begünstigung einbehaltener Gewinne für Personenunternehmen
und die Einführung einer Option für Personengesellschaften, sich wie
Kapitalgesellschaften besteuern zu lassen. Ebenso sollte die für die Unternehmen
äußerst bürokratische und liquiditätsbelastende Vorfälligkeit der Sozialbeiträge
abgeschafft werden. Der Krise sollte darüber hinaus dadurch begegnet werden,
ohnehin notwendige Investitionen der Unternehmen in Digitalisierung und in energie-
und ressourcensparende, klimafreundliche Technologien vorzuziehen und den
Transformationsprozess der Wirtschaft zu beschleunigen. Dazu kann eine bis Ende
2021 zeitlich befristete Anhebung der Sofortabschreibung auf 50 Prozent der
Aufwendungen für bewegliche und unbewegliche Ausrüstungsgüter in den genannten
Bereichen dienen. Dies stärkt die Investitionskraft der energieintensiven Industrien,
erzeugt zusätzliche Nachfrage für die Investitionsgüterbranchen, beschleunigt den
Wandel zu einer klimaneutralen Wirtschaft und erhöht den Digitalisierungsgrad in
Unternehmen. Die Landesregierung fordert den Bund auf, diese Maßnahme zügig
umzusetzen.

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4. Staatliche Genehmigungsverfahren wiederaufnehmen und durch
Digitalisierung beschleunigen, hinderliche Bürokratie abbauen

Die für private Ausgaben und Investitionen vielfach erforderlichen staatlichen
Zulassungen und Genehmigungen sind teilweise noch durch Kontaktsperren und
Versammlungsverbote beeinträchtigt. Ab sofort werden diese in den Landes- und
Kommunalbehörden unter Einhaltung der gebotenen Abstands- und Hygieneregeln
aufgehoben. Wo immer es möglich ist, werden digitale Serviceangebote für öffentliche
Aufgaben und Dienstleistungen beschleunigt angeboten. Mit dem Ausbau des
Gewerbe-Service-Portal.NRW zum Wirtschafts-Service-Portal.NRW entsteht bis zum
Sommer das zentrale „digitale Zugangstor“ für die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen.
Mit dem Aufbau mehrerer sogenannter „Digitalisierungsstraßen“ sollen bis Ende des
Jahres mindestens 50 zusätzliche digitale Prozesse im Portal zur Verfügung stehen.
Die Landesregierung wird in den kommenden Wochen systematisch überflüssige
bürokratische Hemmnisse, die gerade in der Krise wirtschaftlichem Handeln im Wege
stehen, aufspüren und beseitigen und erwartet von der Bundesregierung in die gleiche
Richtung gehende Anstrengungen.

5. Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung, der Schulen und
Hochschulen umfassend und beschleunigt vorantreiben

Der Lockdown wurde von denjenigen Verwaltungen, Organisationen und
Bildungseinrichtungen am besten bewältigt, die digital gut vorbereitet waren.
Aufbauend auf diesen Erfahrungen soll die Digitalisierung der Landesverwaltung, der
Kommunen, der Schulen und Hochschulen durch Ausbau der Infrastruktur (Breitband
und 5G) und Ausstattung mit Software und Endgeräten deutlich beschleunigt werden.
Die Landesregierung hat sich in ihrer „Strategie für das digitale Nordrhein-Westfalen“
(Digitalstrategie) bereits vor der Corona-Krise vorgenommen, eine Vorreiterrolle in der
Digitalisierung einzunehmen. Die Digitalisierung der Landesverwaltung wird
beschleunigt, auf nahezu alle Landesbehörden ausgeweitet und bereits 2025
abgeschlossen sein. Sämtliche Geschäftsprozesse und Antragsverfahren werden
optimiert und digitalisiert. Daraus ergeben sich Bedarfe für Hardware-Beschaffungen
sowie zahlreiche Projekte zur Entwicklung neuer oder Anpassung vorhandener
Software. Dafür investiert die Landesregierung bis 2025 zusätzlich 600 Millionen Euro.
Das Land strebt an, gemeinsam mit den Kommunen die Schulen in die Lage zu
versetzen, alle Lehrerinnen und Lehrer und alle Schülerinnen und Schüler, deren
Familien die finanziellen Mittel hierfür fehlen, mit digitalen Endgeräten und geeigneter
Software auszustatten. Zusätzliche Mittel werden auch für einen professionellen IT-
Service in den Schulen bereitgestellt. Dadurch setzt das Land auch spürbare
zusätzliche Nachfrageimpulse in der Informationstechnik. Für den beschleunigten
Ausbau der flächendeckenden Breitbandversorgung einschließlich der Schulen und
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Gewerbegebiete stehen allein in den kommenden drei Jahren mehr als 1,8 Mrd. Euro
Bundes- und Landesmittel zur Verfügung.

6. Wirtschaftswachstum und Klimaschutz zusammen denken –
doppelten Nutzen schaffen

Klimaschutz und Energiewende sind prädestiniert, als Konjunktur- und
Wachstumsmotor zu wirken. Sie bieten die Chance zur Schaffung neuer Arbeitsplätze
und nachhaltiger Wertschöpfung. Die Energiepolitik muss gerade jetzt zurück auf
einen Zukunftskurs geführt werden. Bereits durch die zügige und vollständige
Umsetzung des Klimakompromisses von Bundesrat und Bundestag werden
zusätzliche Investitionen in Klimaschutz möglich und der Strompreis entlastet. Weitere
Maßnahmen sind notwendig, um die im internationalen Vergleich viel zu hohen
Stromsteuern und EEG-Umlagen zu senken, die Erneuerbaren Energien Akzeptanz
sichernd auszubauen und die Energieeffizienz weiter zu steigern. Um die
erforderlichen massiven Investitionen in nachhaltige Zukunftstechnologien und
klimaneutrale Prozesse in der Industrie und im Energiesystem jetzt bei den
Unternehmen auszulösen, ist finanzielle Unterstützung seitens der Europäischen
Union und der Bundesregierung dringend notwendig. Dazu zählen beispielsweise
Investitionen      in      PtX-Technologien,      Wasserstoffanwendungen         oder
Speichertechnologien. Nordrhein-Westfalen geht voran und wird das hierfür
bestehende Förderprogramm „progres.nrw" mit dem Förderbaustein "Innovation“ im
Sinne einer klimaneutralen Industrie und Energieversorgung aufstocken. Die
Landesregierung fordert den Bund auf, analog zu dieser Zielrichtung das
Dekarbonisierungsprogramm für die Industrie deutlich auszuweiten, damit das
Wachstums- und Innovationspotenzial von Klimaschutztechnologien auszuschöpfen
und dabei auch Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel zu berücksichtigen.
Weiterer Investitionsbedarf besteht beim energieeffizienten Ausbau des öffentlichen
Personenverkehrs.

Darüber hinaus bietet die Krise die Chance, klimaschonenden Fahrzeugantrieben und
energieeffizienten Gebäudetechnologien zum Durchbruch zu verhelfen und
gleichzeitig die wirtschaftliche Leistung von Schlüsselindustrien mit europaweiten
Lieferketten zu stimulieren. Anstelle undifferenzierter Abwrackprämien sollten
Bundesregierung und EU-Kommission die Gelegenheit nutzen, die Ladeinfrastruktur
für Elektro- und Wasserstoffantriebe auszubauen und die Hilfen für den Erwerb von
Fahrzeugen mit klimafreundlichen Antrieben anzuheben. Batteriespeicher in privaten
Haushalten sollten als wichtiger Baustein zur Kopplung der Sektoren Gebäude und
Verkehr im Hinblick auf Dekarbonisierung und Versorgungssicherheit im
Energiesystem gefördert werden. Allein in Nordrhein-Westfalen gibt es für die
aufgeführten Investitionen in Klimaschutz und Energieeffizienz einen öffentlichen

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Mittelbedarf von 1 Milliarde Euro pro Jahr, für den EU-und Bundesmittel eingesetzt
werden müssen, die mit Landesmitteln ergänzt werden.

7. Startbereite Projekte in den Kohleregionen vorziehen

Im Strukturprogramm für das Rheinische Braunkohlerevier und im 5-Standorte-
Programm für die Steinkohlekraftwerksstandorte im Ruhrgebiet stehen in den
nächsten Jahren erhebliche Strukturhilfen des Bundes bereit. Schon jetzt liegen
zahlreiche Anträge für Projekte vor, die nicht auf die bereits verzögerte
Beschlussfassung durch den Bund warten sollten, sondern schon jetzt im Wege des
vorzeitigen Maßnahmenbeginns starten können. Die Landesregierung fordert den
Bund auf, dafür gemeinsam und ergebnisorientiert Lösungen zu finden und das
Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen schnellstmöglich zu beschließen, mit klaren
und verlässlichen Finanzierungszusagen und -strukturen. Damit entsteht die Chance,
durch vorgezogene Strukturinvestitionen der Rezession begegnen zu können. Die
Landesregierung strebt einen möglichst geringen Eigenanteil der Kommunen bei
Projektförderungen an, um kommunale Investitionen im Rahmen dieser Programme
weiter zu stärken.

8. Wachstums- und Stabilisierungsfazilität für Nordrhein-Westfalen
einrichten und Start-ups in der Krise neue Chancen eröffnen

Bei vielen kleinen und mittleren Unternehmen droht ein Abschmelzen der
Eigenkapitaldecke und eine Verschlechterung der Bonität. Die Bundesregierung hat
dafür Sorge zu tragen, dass Unternehmen Zugang zu Finanzierungsmitteln bekommen
und keine Engpässe bei der Liquidität entstehen. Die Landesregierung geht mit der
NRW.BANK voran und wird in einem ersten Aufschlag zusätzliches Eigenkapital in
Höhe von 100 Millionen Euro für einen Nordrhein-Westfalen-Fonds zur Verfügung
stellen. Damit wird sie sich an etablierten Unternehmen beteiligen, deren
Eigenkapitalbasis durch die Corona-Krise geschwächt ist und die keine hinreichende
Unterstützung durch private Investoren finden, aber eine gute Überlebenschance nach
Überwindung der Krise haben. Das Land möchte dabei nicht selbst Unternehmer
werden, sondern Mittel zeitlich befristet zur Stärkung der Eigenbasis bereitstellen, so
dass die Unternehmen ihr Überleben und zukünftiges Wachstum aus eigener Kraft
sichern können. Bei Bedarf wird diese Fazilität, die sich an bewährte Instrumenten der
NRW.BANK anlehnt, weiter aufgestockt. Flankierend wird die NRW.BANK ihr
Förderinstrumentarium weiterentwickeln, das für KMU weiterhin auch die Versorgung
mit Fremdkapital sicherstellt.

Auch das Startup-Ökosystem in Nordrhein-Westfalen, das sich in den vergangenen
Jahren gut entwickelt hat, ist aktuell gefährdet: Zahlreichen Start-ups sind die Märkte
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weggebrochen, Kunden scheuen Neugeschäfte und Investoren stellen
Finanzierungszusagen in Frage. Daher hat die Bundesregierung ein Schutzpaket von
bis zu 2 Milliarden Euro verkündet, das Start-ups in den verschiedenen Lebensphasen
Zugang zu Finanzierung bietet und das jetzt zügig und unbürokratisch greifen muss.
Die Landesregierung wird sich dafür einsetzen, dass die Venture-Capital- und Start-
up Szene in Nordrhein-Westfalen daran in einem Umfang von bis zu 400 Millionen
Euro angemessen partizipiert. Hierzu wird sie insbesondere in der sogenannten „Säule
2“ des Programms alle Möglichkeiten ausschöpfen, die erhöhten Risikoübernahmen
des Bundes für die innovativen Gründerinnen und Gründer gewinnbringend
einzusetzen. Mit dem in der Corona-Krise aufgelegten neuen Programm „NRW.Start-
up akut“ stehen Startups in den ersten drei Jahren ihrer Existenz ohne private Co-
Investoren Wandeldarlehen von bis zu 200.000 Euro zur Verfügung. Damit werden bis
zum Jahresende bis zu 100 Start-ups eine gesicherte Finanzierung erhalten können.
Falls das Bundesprogramm wie geplant Ende 2020 auslaufen wird oder die Mittel
vorzeitig ausgeschöpft sind, wird die NRW.BANK für eine Kontinuität auch im nächsten
Jahr sorgen.

9. Impulse für einen Ausbau der Digitalisierung in Unternehmen und
Schub für eine neue Innovationskraft für Nordrhein-Westfalen
geben

Die Landesregierung strebt eine deutliche Intensivierung ihrer Anstrengungen an,
Exzellenz und Vernetzungskraft in Spitzencluster-Systemen unter Beteiligung von
Universitäten,       Fachhochschulen,       der       Grundlagenforschung     und
Forschungseinrichtungen, Kompetenzclustern, Unternehmen und Sozialpartnern zu
stärken. Von besonderer Bedeutung sind konkrete Innovationsräume wie Smart
Factories,     Demonstratoren,     Co-Working-Spaces       oder    Testfelder  für
Projektentwicklungen, Experimente und Qualifizierungen. Beispielhaft für die
Innovationskraft des Landes stehen schon heute die Kompetenzplattform KI.NRW, das
Spitzencluster it’s OWL, das Spitzencluster Industrielle Innovation oder das
Kompetenzzentrum 5G. Hierfür werden zusätzliche Mittel der EU und des Bundes
benötigt, die die Landesregierung mit eigenen Mitteln ergänzt.

Die Corona-Krise führt verstärkt vor Augen, dass in der Digitalisierung weit
vorangeschrittene und hochinnovative Unternehmen Vorteile haben. Daher unterstützt
die Landesregierung Unternehmen darin, Digitalisierungsprojekte zu identifizieren und
umzusetzen. Mit dem im Juni beginnenden Programm „Mittelstand Innovativ & Digital“
bietet die Landesregierung für kleine und mittlere Unternehmen eine neue
Programmarchitektur, mit der Technologietransfer, externe Entwicklungsarbeiten,
Analysen von Digitalisierungsbedarfen und Beratung gefördert werden. Um die
Liquidität zu schonen, wird der für eine Förderung notwendige Bedarf an Eigenmitteln
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gesenkt. Hierfür wird die Landesregierung prüfen, trotz der massiven eigenen
Steuerausfälle zusätzliche Mittel für neue Vorhaben bereitzustellen. Parallel wird die
NRW.BANK ihren Digitalisierungs- und Innovationskredit zur Finanzierung von
Investitionen in Digitalisierung noch attraktiver ausgestalten.

10. Europa und internationale Kooperation als Motor für Konjunktur
und Wachstum nutzen

Für einen dynamischen Neustart und die Sicherung von Arbeitsplätzen sind ein schnell
wieder reibungslos funktionierender Binnenmarkt in der Europäischen Union und ein
globaler Warenverkehr und Welthandel unverzichtbar. Die Bundesregierung und die
Europäische Kommission sind aufgefordert, rasch eine möglichst vollständige
Rückkehr zur Personen- und Dienstleistungsfreiheit im grenzenlosen Schengen-Raum
zu ermöglichen und Maßnahmen zur Normalisierung der Produktion im Binnenmarkt
zu harmonisieren. Die Bundesregierung sollte zudem die in der Finanzkrise 2008/09
erfolgreich agierenden Formate der G7 und der G20 zügig wiederbeleben, um
international koordinierte Programme zur konjunkturellen Stabilisierung abzustimmen,
die für die exportorientierte Wirtschaft von erheblicher Bedeutung sind.

Die deutsch-französische Initiative für einen von der EU-Kommission und vom
Europäischen Parlament unterstützten Europäischen Wiederaufbaufond ermöglicht
es, den Binnenmarkt wiederzubeleben. Nur mit einem starken Europa wird auch die
exportorientierte Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen an Stärke gewinnen. Ein baldiger
Beschluss des Europäischen Rates sollte schnell Rechts- und Planungssicherheit für
die Wirtschaft in allen EU-Mitgliedsstaaten herstellen.

An die Europäische Union richtet sich zudem die Erwartung, das Beihilferecht und
seine Verfahren weiter zu vereinfachen, um schnell den Weg zu qualitativem
Wachstum zu bereiten. Für die entsprechende Gestaltung der beihilferechtlichen
Anforderungen zur Förderung von Innovationen, Digitalisierung und Klimaschutz setzt
sich die Landesregierung gegenüber der Europäischen Kommission und der
Bundesregierung ein. Der Umbau der Wertschöpfungsketten muss aktiv gestaltet
werden. Strategisch wichtige Wertschöpfungsketten müssen in Deutschland und
Europa erhalten bzw. aufgebaut werden. Hierzu bedarf es eines Fast-Track-Verfahren
bei beihilferechtlicher Prüfung von Forschungsförderung und einer Anhebung der
Förderschwelle für Notifizierungspflicht. Das bestehende Instrument des EU
Innovation Fund/Important Projects of Common European Interest (IPCEI) muss
deutlich ausgebaut werden.

Nordrhein- Westfalen ist mit seinen wettbewerbsfähigen, exportstarken Unternehmen
und als größter deutscher Standort für ausländische Direktinvestitionen eng in

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internationale Handels- und Wirtschaftsbeziehungen eingebunden. Deshalb wird sich
die Landesregierung gemeinsam mit der Bundesregierung und der Europäischen
Kommission für ein umfassendes Netz von Freihandelsabkommen einsetzen und die
Bundesregierung auffordern, die deutsche Ratspräsidentschaft für dieses Anliegen zu
nutzen, um neue Dynamik in die Entwicklung eines multilateralen Handelssystems mit
gemeinsamen Regeln für fairen Wettbewerb und Rechtssicherheit für Investoren zu
entwickeln.

In einer neuen Außenwirtschaftsstrategie wird die Landesregierung die Maßnahmen
und Wege aufzeigen, mit denen Nordrhein-Westfalen seine herausragende
internationale       Wettbewerbsposition         durch       investitionsfreundliche
Rahmenbedingungen und auf Basis einer einzigartigen Forschungs- und
Wissenschaftslandschaft an neue Entwicklungen anpassen, neue Märkte erschließen
und durch internationale Innovationspartnerschaften das Potential für die Leistungs-
und Zukunftsfähigkeit der Wirtschaft steigern.

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