2/2019 Akademieheute - Akademie der Wissenschaften zu Göttingen

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2/2019 Akademieheute - Akademie der Wissenschaften zu Göttingen
Der Mensch in seinem Wissensdrang
                                                                         Sinniert und forscht sein Leben lang,
                                                                           Um dann verzichtend einzusehn:
                                                                          Im Grunde kann er nichts verstehn.
        Akademie der Wissenschaften
                                                                                                  Karl Ritter von Frisch
               zu Göttingen

     2/2019                                   Akademie heute
    Geistes- und
     Naturwissenschaften
      Kompetenz durch
       Kooperation

Sehr geehrte Damen und Herren,                 Feierlicher Auftakt für das zukünftig
das Zentrum für digitale Lexiko-              zentrale deutsche Online-Wörterbuch
graphie der deutschen Sprache
(ZDL) ist ein Meilenstein in der          Mit „Wortgeschichte digital“ geht die Göttinger Akademie neue Wege
Geschichte der deutschen Wörter-
bücher. Es nutzt alle Möglichkeiten
der Digitalisierung und führt zu-
sammen, was Generationen von
Lexikographen erarbeitet haben.
An dem Vorhaben ist die Göttinger
Akademie maßgeblich beteiligt,
nicht allein, weil sie gerade in der
Lexikographie des Deutschen in
der Vergangenheit und Gegenwart
einiges geleistet hat und leistet.
Man denke an das Grimmsche
Wörterbuch, an das Frühneuhoch-
deutsche Wörterbuch, das Mittel-
hochdeutsche Wörterbuch oder
das Goethe-Wörterbuch.
Zusätzlich verfügt sie auch gerade
auf diesem Gebiet über zahlrei-
che Werke, die für die Arbeit der      Auftaktveranstaltung für das ZDL in der Berlin-Brandenburgischen Akademie
Lexikographen notwendig sind. In                                                                            Foto: Judith Affolter
den vergangenen Jahren wurden
sie erfasst, nun stehen die teils      GÖTTINGEN/BERLIN. „Es ist wahr-           geladene Gäste aus Politik, Kultur
einzigartigen Werke über den On-       haftig ein großer Unterschied, ob         und Wissenschaft gekommen waren.
line-Katalog der Staats- und Uni-      man ‚Gott‘ als ‚höchstes übernatür-       Das zukünftige zentrale Online-Wör-
versitätsbibliothek Göttingen der      liches Wesen‘ definiert, wie der Du-      terbuch der deutschen Sprache wird
Öffentlichkeit zur Verfügung. Dass     den es um das Jahr 2000 tut, oder ob      vorwiegend in Arbeitsstellen der Göt-
die Digitalisierung aber auch eine     man ihn, wie es zeitgleich im Wörter-     tinger Akademie und der Berlin-Bran-
ständige Herausforderung bleibt,       buch Deutsch als Fremdsprache ge-         denburgischen Akademie der Wis-
wird an der neuen Datenbank des        schieht, als ‚überirdisch und allmäch-    senschaften entstehen. „Kein Werk,
Vorhabens Katalogisierung Orien-       tig gedachtes Wesen‘ beschreibt“,         das der systematischen Erfassung
talischer Handschriften in Deutsch-    sagte Prof. Andreas Gardt, Präsident      von Sprache dient, erlaubt einen
land deutlich. In einem Interview      der Akademie der Wissenschaften zu        solch direkten Zugriff auf das Wis-
erläutert der Projektleiter, warum.    Göttingen, am 29. Januar 2019 auf         sen, Denken und Meinen der Men-
Eine angenehme Lektüre wünscht         der feierlichen Auftaktveranstaltung      schen wie ein Wörterbuch“, meint
                                       des neuen Zentrums für digitale Le-       Gardt, der als Professor für Germa-
Ihre AdW                               xikographie der deutschen Sprache         nistische Sprachwissenschaft an der
www.adw-goe.de                         (ZDL) in Berlin, zu der über hundert      Universität Kassel lehrt. Er leitet das
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Akademie heute                                                                  2

Teilprojekt „Wortgeschichte digital“
des ZDL in Göttingen, das am 1. Ja-
nuar seine Arbeit aufgenommen und
in der Geiststraße seinen Sitz hat.
Mit dem Göttinger Forschungspro-
jekt „Wortgeschichte digital“ soll
vornehmlich die Wortschatzentwick-
lung ab 1600 beschrieben und damit
eine Lücke in der Lexikographie des
Deutschen geschlossen werden. Die
Epoche von 1600 bis heute sei wis-
senschaftlich nur sehr unzureichend
bis gar nicht beschrieben, sagt PD
Dr. Volker Harm, der die Göttinger
Arbeitsstelle leitet: „Dieser Zustand
steht in deutlichem Kontrast zur Be-
deutung dieser Zeit.“ Seit 1600 gebe
es eine Fülle von Ideen, Erfindungen
und Entdeckungen auf allen Ge-
bieten, in diese Epoche fielen ein-
schneidende historische Ereignisse
und gesellschaftliche Umwälzungen.
„Diese Zeit hat daher wie keine an-
dere unseren heutigen Wortschatz
beeinflusst“, meint Harm.
„Wortgeschichte digital“ wird auch
methodisch neue Wege gehen. Die
Wissenschaftlerinnen und Wissen-
schaftler der Arbeitsstelle in Göttingen
haben die Aufgabe, Schlüsselwör-
ter von 1600 bis heute auszuwählen         Projekt- und Arbeitsstellenleiter „Wortgeschichte digital“: Andreas Gardt (o. re.) ne-
                                           ben Wissenschaftsstaatssekretär Steffen Krach; Volker Harm im Gespräch (unten)
und ihre Bedeutung, Entwicklung                                                                                Fotos: Judith Affolter
und Verwendung in Fließtexten zu
beschreiben. Traditionell bestehen         tern wie Haus befassen, sondern eher        der Wissenschaften beteiligt: neben
Wörterbucheinträge in der Regel aus        um die semantischen Entwicklungen           Göttingen und Berlin, von dem die
nummerierten Bedeutungsangaben             bei Haushalt kümmern, und ein Wort          Initiative ausging und das die Feder-
und einem Block aus Verwendungs-           wie Baum sei weniger wichtig für            führung hat, auch die Sächsische
beispielen. „Ein Vorteil des textuellen    „Wortgeschichte digital“ als Baum-          Akademie der Wissenschaften zu
Verfahrens ist schlicht, dass es für       sterben, ergänzt Harm. Auch graphi-         Leipzig und die Akademie der Wis-
eine bessere Verständlichkeit sorgt“,      sche Formen der Präsentation sollen         senschaften und der Literatur, Mainz.
erläutert Harm. Der Lexikograph müs-       eingesetzt werden. Sie basieren auf         Kooperationspartner ist das Leibniz-
se das, was er sagen wolle, nicht erst     Verfahren, die die Berlin-Brandenbur-       Institut für Deutsche Sprache (IDS) in
in eine streng formalisierte lexikogra-    gische Akademie der Wissenschaften          Mannheim.
phische Mikrostruktur verpacken und        – im ZDL für den Wortschatz der Ge-         Ziel des auf lange Sicht angelegten
hoffen, dass die Nutzer diese Infor-       genwartssprache zuständig – bereits         Unternehmens ist es, ein digitales
mation wieder genauso entpacken,           nutzt, wie etwa Verlaufskurven, die         Informationssystem zu entwickeln
wie es gemeint war.                        den Gebrauch eines Wortes über die          und zu betreiben, das den deut-
Bei der Auswahl der Schlüsselwörter        Jahrhunderte zeigen.                        schen Wortschatz, seine Geschichte
sollen Themenfelder aus Politik, Ge-       Das ZDL wird in seiner fünfjährigen         und seine fortwährenden Verände-
sellschaft, Wissenschaft und Technik       Aufbauphase mit zwei Millionen Euro         rungen umfassend und verlässlich
im Mittelpunkt stehen. „Wir werden         jährlich vom Bundesministerium für          beschreibt. Das ZDL (https://www.
kulturell geladene Wörter wie Heimat,      Bildung und Forschung gefördert. Ins-       zentrum-lexikographie.de) wird der
Glück und Zuwanderung beschrei-            gesamt sind vier deutsche Wissen-           Öffentlichkeit nutzungsfreundlich und
ben“, erklärt Gardt. Dabei würden sich     schaftsakademien unter dem Dach             unentgeltlich über eine Webplattform
die Lexikographen weniger mit Wör-         der Union der deutschen Akademien           zur Verfügung stehen.             alo
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Bibliothek der Akademie bald öffentlich zugänglich
30.000 Titel für den Online-Katalog der SUB / „Traumhafte Umgebung für Lexikographen“
GÖTTINGEN. Noch handelt es sich
um Insider-Wissen, doch das wird
sich ändern: Die Akademie der Wis-
senschaften zu Göttingen verfügt
über eine eigene, ständig wachsen-
de Bibliothek, deren Werke sukzes-
sive auch für die Öffentlichkeit zu-
gänglich sein sollen. Die Bibliothek
entstand 2016, als neun Arbeits-
stellen von Forschungsprojekten ins
„Haus des Geistes“ zogen. Sie be-
findet sich im ersten Stock des geis-
teswissenschaftlichen Forschungs-
zentrums in der Geiststraße 10 und
enthält Werke, die in den Vorhaben
entstanden sind und entstehen, aber
auch Publikationen, die von den Wis-
senschaftlerinnen und Wissenschaft-
                                           Wo Raritäten wie „Das Krankheitsnamen-Buch“ und „Das Wörterbuch der wichtig-
lern für die tägliche Arbeit benötigt      sten Geheim- und Berufssprachen“ stehen: Bibliothek in der Geiststraße
werden. Hinzu kommen umfang-
reiche Nachlässe von ehemaligen            eine „traumhafte Umgebung“, wie          Nachlass von Wilhelm Otto Crönert,
Akademiemitgliedern.        Bibliotheks-   Richter meint. Tatsächlich ist gera-     der zuletzt vom Seminar für Klassi-
mitarbeiterin Annette Justus hat die       de die Wörterbuchsammlung nicht          sche Philologie betreut wurde. Der
Bestände von Beginn an erfasst und         nur sehr umfangreich, sie enthält        Altphilologe und Papyrologe hatte
in den OPAC (Online Public Access          auch eine Reihe von Exoten wie           seine Privatbibliothek im Umfang von
Catalogue – öffentlich zugänglicher        „Das Krankheitsnamen-Buch“, „Das         gut 6000 Werken nach seinem Tod
Online-Katalog) der Staats- und Uni-       Wörterbuch der wichtigsten Geheim-       1942 der Göttinger Akademie ver-
versitätsbibliothek (SUB) eingestellt.     und Berufssprachen“, „Das Wörter-        macht. Fündig wurden sie im Katalog
Zunächst mit Sperrvermerken, also          buch der Kaufmannssprache“, „Das         der SUB, ein Vermerk, dass es sich
öffentlich unsichtbar. Diese sind nun      Wörterbuch der Siegerländer Berg-        um einen Bestand der Göttinger Aka-
aufgehoben.                                mannssprache“, „Soldatendeutsch“         demie handelt, fehlte, was die Suche
„Wir haben viele Bücher, die bisher        und „Das Rotwelsch des deutschen         erschwert hat. „Unser Ziel ist es her-
noch in keinen Bibliothekskatalog          Gauners“.                                auszufinden, was die Göttinger Aka-
aufgenommen wurden“, sagt Dr.              Es gibt aber auch Akademie-Bestän-       demie an interessanten Buchbestän-
Jonas Richter, wissenschaftlicher          de, von denen die Wissenschaftle-        den hat“, sagt Richter. „Wenn diese
Mitarbeiter im Mittelhochdeutschen         rinnen und Wissenschaftler lediglich     dann im OPAC erscheinen, kann
Wörterbuch. Richter hat acht Mit-          wissen, dass es sie gibt, aber nicht     man auch international sehen, was
arbeiterinnen und Mitarbeiter der          wo. Kürzlich suchten Richter und         hier steht, und man kann einzigartige
Forschungsprojekte im „Haus des            Justus beispielsweise nach dem           Werke finden.“                     alo
Geistes“ in einem Bibliothekskomi-
tee vereint, das mit viel persönli-
chem Engagement und Freude da-
ran arbeitet, möglichst alle Werke
der Göttinger Akademie ausfindig
zu machen und zu erfassen. Bisher
wurden rund 30.000 Werke von Jus-
tus katalogisiert. Alle Titel werden im
OPAC der SUB unter https://opac.
sub.uni-goettingen.de/DB=1.ADW/
zur Verfügung stehen.
„Wir rechnen nicht mit einem großen
Ansturm“, sagt Justus. Außerdem
bleibe die Bibliothek eine Präsenz-
bibliothek, deren Bücher nur nach
vorheriger Absprache eingesehen
werden können. Historische Lexi-
kographen des Deutschen fänden
                                           Manchmal stoßen sie auf einzigartige Werke: Jonas Richter und Annette Justus
in der Geiststraße künftig allerdings                                                                             Fotos: alo
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„Der Aufwand besteht darin, die Datenbanken nutzbar zu halten“
Interview mit Prof. Tilman Seidensticker über das neue Online-Angebot „KOHD Digital“
GÖTTINGEN. Tausende Handschrif-            Die Datenbank konnten wir aus einem
ten, die viel über die Geschichte          DFG-geförderten Projekt der Univer-
und Gegenwart des Orients verraten         sität Leipzig übernehmen. Insofern
könnten, lagern in Bibliotheken, Mu-       konnten wir uns hier fast ins gemachte
seen, Akademien und Archiven, ohne         Nest setzen. Allerdings musste diese
dass irgendjemand davon weiß. Das          Datenbank, die für islamische Hand-
Forschungsprojekt „Katalogisierung         schriften programmiert worden war,
der Orientalischen Handschriften in        für nichtislamische Handschriften an-
Deutschland“ der Göttinger Akademie        gepasst werden. Das war natürlich
hat die Aufgabe, solche Handschrif-        mit Arbeit verbunden, aber auch sehr
ten aufzuspüren und zu erfassen.           interessant, weil dadurch sichtbar
Bis heute sind 170 Katalogbände von        wurde, wie verschieden vormoderne
Handschriften in 33 Sprachgruppen          Handschriftenkulturen aus Asien und
erstellt worden. Seit dem 25. Januar       Afrika sein können. Mir selbst wurde
2019 gibt es neben diesen gedruckten       erst im Laufe der vergangenen Jahre
Werken auch die Datenbank „KOHD            klar, was vielleicht auch vielen ande-
Digital“ (https://orient-mss.kohd.adw-     ren nicht bekannt ist: Der eigentliche   Tilman Seidensticker
goe.de/). Adrienne Lochte hat mit dem      Aufwand besteht darin, die Daten-                            Foto: B. Seidensticker
Leiter des Forschungsprojekts, Prof.       banken ständig benutzbar zu halten.
Tilman Seidensticker, über das neue        Dies liegt am permanenten Wandel         Leipzig zu einem bibliotheksübergrei-
Online-Angebot gesprochen.                 von Betriebssystemen und sonstiger       fenden Orientalia-Portal ausbauen
                                           Software, nicht zuletzt den Browsern,    will, können unsere Daten später dort
Was bietet die Datenbank „KOHD             mit denen unsere Datenbanken be-         importiert werden. Wenn dies gelingt,
digital“?                                  nutzt werden. Das ist ähnlich wie bei    sind unsere Forschungsergebnisse in
Genau genommen handelt es sich             Smartphones, die kleine technische       guten Händen.
um zwei Datenbanken, neben „KOHD           Wunderwerke sind, aber nach er-
Digital“ auch „KOHD Coptica“. In der       staunlich kurzer Zeit gegen neuere       Wer profitiert am meisten von der
letzteren sind, wie der Name verrät,       Modelle ausgetauscht werden wollen.      Datenbank?
koptische Handschriften katalogisiert,     Ohne die hervorragende Kooperation       Das sind Forschende der Asien-Afrika-
die wegen ihres fragmentarischen           mit dem Rechenzentrum der Univer-        Wissenschaften weltweit, insbesonde-
Charakters und der Überlieferungslage      sität Leipzig würde unsere Datenbank     re natürlich die, die bisher keinen leich-
der koptischen Literatur besser in einer   nicht laufen.                            ten Zugang zu den nicht ganz billigen
speziellen Datenbank erfasst werden.                                                gedruckten Katalogen haben.
„KOHD Digital“ ist für die übrigen im      Hat die digitale Datenbank gegen-
Projekt „Katalogisierung der Orientali-    über den gedruckten Bänden viel-         Um was für Texte handelt es sich
schen Handschriften in Deutschland“        leicht auch Nachteile?                   bei den Handschriften? Welche
behandelten Sprachen zuständig:            Für ausführliche Beschreibungen von      Themen werden berührt?
Sanskrit, Alttürkisch, Tamil, Khmer,       Handschriften, wie sie früher ein Mar-   Die vom Projekt katalogisierten Be-
Tibetisch, Persisch und Arabisch.          kenzeichen des Projekts waren, mag       stände in den einzelnen Sprachgrup-
                                           eine Datenbank nicht das optimale Me-    pen sind inhaltlich so immens viel-
Werden alle orientalischen Hand-           dium sein. Aber das Projekt muss, um     fältig, dass sich das gar nicht leicht
schriften, die in den gedruckten           in der verbleibenden Laufzeit die be-    sagen lässt. Allein die inhaltliche
Katalogen verzeichnet sind, in die         arbeiteten Sprachgruppen wenigstens      Systematik arabischer Handschrif-
Datenbank gestellt?                        elementar zu erschließen, ohnehin        ten würde einige Seiten lang sein.
Nein, zunächst nicht. Die Datenban-        auf einen knapperen Beschreibungs-       Leichter lässt sich das Material zeit-
ken lösen eher das Medium unserer          modus umstellen. Ein grundsätzlicher     lich beschreiben: Die ältesten von uns
gedruckten Kataloge im „Verzeichnis        Nachteil ist schon angesprochen wor-     beschriebenen Handschriften sind
der Orientalischen Handschriften in        den: die Nachhaltigkeit. Die Frage,      mehr als 1500 Jahre alt; die jüngsten
Deutschland“ (VOHD) ab. Es ist aber        wie nach dem Auslaufen des Projekts      stammen aus dem frühen 20. Jahr-
geplant, die im VOHD seit 1961 be-         im Jahr 2022 eine ständige Pflege        hundert. Geographisch ist ein riesiger
schriebenen Handschriften zumindest        der Software sichergestellt werden       Raum abgedeckt, der von China bis
in knapper Form aufzunehmen. Die           kann, hat uns sehr beschäftigt. Aber     Westafrika reicht – das sind 12.000
Datenbanken werden dann für diese          da die Staatsbibliothek zu Berlin eine   Kilometer. Es handelt sich auch in
Bestände auch eine Art Gesamtindex         Schwesteranwendung von „KOHD Di-         der Schlussphase um eine immense
sein.                                      gital“ zum Nachweis ihrer handschrift-   Aufgabe. Weil das Projekt KOHD 14
                                           lichen Orientalia-Bestände benutzt       höchst motivierte Mitarbeiterinnen
Wie aufwendig war es, die Daten-           und diese in Zukunft in Zusammenar-      und Mitarbeiter hat, geht die Katalo-
bank zu erstellen?                         beit mit dem Rechenzentrum der Uni       gisierung aber erfreulich rasch voran.
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Runen, Kaperungspapiere, Datenbanken und Kirchengeschichte
An der Nacht des Wissens beteiligt sich die Göttinger Akademie mit vier Forschungsprojekten

GÖTTINGEN. Die Nacht des Wis-            ser Inschrift ein weiteres Zeichen vor,   an Bildschirmen die Datenbank, in der
sens hat am 26. Januar mehr als          dessen Lautwert nicht mit Sicherheit      die Schlüsselwerke der Aufklärung
25.000 Besucher angelockt. Und sie       bestimmt werden kann. Obschon eine        sukzessive erfasst werden. Wer sich
hatte noch nicht offiziell begonnen,     Interpretation in neun wissenschaftli-    der Geschichte der gelehrten Instituti-
da waren die Stühle im Seminarraum       chen Analysen vorgenommen worden          onen Europas annähern will, wer per-
des Kulturwissenschaftlichen Zent-       ist, „haben wir keine Ahnung, welche      sonenbezogene Forschung betreibt,
rums schon mit jenen besetzt, die es     Sprache das sein soll“, gibt Robins zu.   oder wen die Rezeptionsgeschichte
kaum abwarten konnten, in die Welt       Zurzeit arbeitet Waxenberger an einer     einzelner Werke im 18. Jahrhundert
der Runen eingeführt zu werden.          neuen Analyse auf der Basis jüngerer      interessiert, kommt an dem gelehrten
Prof. Gaby Waxenberger und Jenny         Erkenntnisse.                             Blätterwald der Aufklärung kaum vor-
Robins vom Forschungsprojekt „Ru-        Im Zentralen Hörsaalgebäude der           bei.
nische Schriftlichkeit in den germani-   Universität präsentierten sich drei       Fast wie bei „Wer wird Millionär?“ ging
schen Sprachen“ der Akademie der         weitere Forschungsprojekte der Göt-       es am Stand des Forschungsprojekts
Wissenschaften zu Göttingen hatten       tinger Akademie: Die „Prize Papers“       „Germania Sacra“ zu. Bärbel Kröger
aus München sogar eine Replik ei-        erschließen einen riesigen Fundus         und Dr. Christian Popp testeten spie-
ner Urne aus dem 5./6. Jahrhundert       von Dokumenten aller Art, die zwi-        lerisch das Wissen der Besucherin-
mitgebracht, auf der sich einige der     schen 1650 und 1815 auf den Welt-         nen und Besucher in einem Ratespiel,
alten germanischen Schriftzeichen        meeren gekapert wurden und nahezu         bei dem am Ende zwar kein Geld,
befinden. Die beiden Wissenschaft-       unberührt in den britischen National      aber die Auszeichnung „Profi der Kir-
lerinnen, die sich mit den geheimnis-    Archives erhalten sind. Prof. Dagmar      chengeschichte“ winkte. Mit ein wenig
umwitterten Zeichen auskennen wie        Freist, Annika Raapke und Christina       Flüsterhilfe der Fachleute erreichten
nur wenige Menschen, erzählten, wo       Beckers waren aus Oldenburg ange-         tatsächlich einige das Ziel. Schwieri-
man Runen finden kann und welche         reist und boten in einem historischen     ger war es herauszufinden, wo sich
Botschaften sie für uns haben.           Rätsel Einblicke in faszinierende Le-     die Bistümer im Deutschen Reich vor
Die Runeninschrift von Bergakker         bensgeschichten vergangener See-          1806 befanden und den Namen der
(Niederlande) auf dem Mundblech          fahrerzeiten.                             Diözese am richtigen Platz auf einer
einer Schwertscheide des 4./5. Jahr-     Einen Kompass für die Bücherwelt          großen Karte festzustecken. Aber die
hunderts zählte zu den Überraschun-      stellten Dr. Angela Kuhk, Reinhard        Fachleute waren auch hier zur Stelle
gen, weil die beiden Wissenschaftle-     Spiekermann, Jenny Standke und            mit jeder Menge Informationen über
rinnen entdeckt hatten, dass es sich     Katharina Prinz vom Akademieprojekt       die Einrichtungen und Würdenträger
bei der ersten Rune nicht – wie bisher   „Gelehrte Journale und Zeitungen als      aus zum Teil noch unveröffentlichten
angenommen – um das Zeichen für          Netzwerke des Wissens im Zeitalter        Quellen.
 handelt. Außerdem kommt in die-      der Aufklärung“ vor. Sie erläuterten                                          alo
2/2019 Akademieheute - Akademie der Wissenschaften zu Göttingen
Akademie heute                                                                   6

Kurzmitteilungen                               „Ist Beten sinnvoll? Die 5. Rede des
                                               Maximos von Tyros“ Scripta Anti-
                                                                                              sungen, Bd. 2: Vorlesungen über die
                                                                                              Theologische Enzyklopädie, hrsg.
                                               quitatis Posterioris ad Ethicam RE-            von Martin Rössler und Dirk Schmid,
EHRUNGEN                                       ligionemque pertinentia (SAPERE),              Berlin/Boston, 2019.
                                               Band XXXI, hrsg. von Rainer Hirsch-
Herbert Jäckle ist in Wien mit dem             Luipold und Michael Trapp, Tübingen            Residenzstädte im Alten Reich
Klaus-Sander-Preis ausgezeichnet               2019.                                          (1300-1800), ein Handbuch, Abt. I:
worden. Er erhält die mit 10.000 €                                                            Analytisches Verzeichnis der Resi-
dotierte Auszeichnung für sein Le-             Germania Sacra. Dritte Folge 16,1              denzstädte, Teil 1: Nordosten, hrsg.
benswerk in der entwicklungsbiolo-             und 16,2, Rainer Jürgen Wolf: Die              von Harm von Seggern, Residenzen-
gischen Forschung sowie für seinen             Bistümer der Kirchenprovinz Mainz              forschung, Ostfildern, 2018.
herausragenden Beitrag zur Ent-                - Das Erzbistum Mainz 1, Die Prä-
wicklungsbiologie in Deutschland               monstratenserstifte Ober- und Nie-             VERSTORBEN
und zum erfolgreichen Werdegang                der-Ilbenstadt, Berlin/Boston, 2018
der Gesellschaft für Entwicklungs-                                                            Wolfgang Frühwald, Professor der
biologie. Jäckle ist Emeritus-Direktor         Hebräisches und Aramäisches Wör-               Deutschen Philologie und Korrespon-
am MPI für biophysikalische Chemie             terbuch zu den Texten vom Toten                dierendes Mitglied der Geistes- und
und Ordentliches Mitglied der Ma-              Meer, Band 2, hrsg. von Reinhard G.            Gesellschaftswissenschaftlichen Klas-
thematisch-Naturwissenschaftlichen             Kratz, Annette Steudel, Ingo Kottsie-          se seit 1991, ist am 18. Januar 2019
Klasse seit 2000.                              per, Berlin/Boston, 2018.                      im Alter von 83 Jahren verstorben.

Gerold Wefer ist mit der Senatsme-
daille für Kunst und Wissenschaft
der Freien Hansestadt Bremen aus-
gezeichnet worden. Mit der Aus-
zeichnung wurden seine Verdienste
für die Meereswissenschaften und
den Wissenschaftsstandort Bremen
gewürdigt. Wefer ist Professor für
Allgemeine Geologie und Ordent-
liches Mitglied der Mathematisch-
Naturwissenschaftlichen Klasse seit
2008.

Dr. Jens Wilkens, Mitarbeiter des
Forschungsprojekts „Wörterbuch des
Altuigurischen“, erhält am 12.4.2019
den Friedrich-Weller-Preis der Säch-
sischen Akademie der Wissenschaf-
ten. Der Friedrich-Weller-Preis wird           Ornat – „es ziert“: Krokusse im Garten der Göttinger Akademie                     Foto: alo
in Anerkennung hervorragender Ar-
beiten vorwiegend zur Geschichte,
Kunst, Literatur, Sprache, Philoso-            Goethe-Wörterbuch, Hrsg.: Berlin-              Kaspar Elm, Professor für Geschich-
phie und Religion Indiens, Chinas              Brandenburgische Akademie der                  te des Mittelalters und Korrespon-
und des buddhistischen Zentralasien            Wissenschaften, Akademie der Wis-              dierendes Mitglied der Geistes- und
vergeben.                                      senschaften zu Göttingen, Heidelber-           Gesellschaftswissenschaftlichen
                                               ger Akademie der Wissenschaften,               Klasse seit 1982, ist am 5. Februar
PUBLIKATIONEN                                  Band 6, Lfg. 12, Porträtähnlichkeit –          2019 im Alter von 90 Jahren verstor-
                                               Promenade, Stuttgart, 2018                     ben.
Deutsches Wörterbuch von Jacob
Grimm und Wilhelm Grimm, Neu-                  Frühneuhochdeutsches Wörterbuch,               Manfred Eigen, Professor der Phy-
bearbeitung, hrsg. von der Berlin-             hrsg. von Ulrich Goebel, Anja Loben-           sikalischen Chemie, Ordentliches
Brandenburgischen Akademie der                 stein-Reichmann, Oskar Reichmann,              Mitglied der Mathematisch-Natur-
Wissenschaften und der Akademie                Band 5, Lieferung 7, erab- – erlusti-          wissenschaftlichen Klasse seit 1965
der Wissenschaften zu Göttingen, 5.            gen, Berlin/Boston, 2018.                      und Ehrenmitglied der Göttinger
Band, 6. Lieferung, Brief – Büffelkuh                                                         Akademie seit Juni 2017, ist am 6.
und 5. Band, 7. Lieferung, Büffelkuh           Friedrich Schleiermacher, Kritische            Februar 2019 im Alter von 91 Jahren
– Cyberspace, Stuttgart, 2018.                 Gesamtausgabe, 2. Abteilung: Vorle-            verstorben.                      alo

Impressum: Prof. Andreas Gardt, Präsident der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (verantwortlich)
Lektorat: Prof. Jens Peter Laut, Vizepräsident der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen
Redaktion: Adrienne Lochte (alo), alochte1@gwdg.de, Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Theaterstraße 7, 37073 Göttingen
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