2021 ROSA GEGEN RECHTS - IDEELLES BEGLEITPROGRAMM DES STUDIENWERKS - Rosa-Luxemburg-Stiftung
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IDEELLES BEGLEITPROGRAMM DES STUDIENWERKS ROSA GEGEN RECHTS 2021
IMPRESSUM Ideelles Begleitprogramm des Studienwerks 2021: „Rosa gegen Rechts“ Herausgeberin: Rosa-Luxemburg-Stiftung – Gesellschaftsanalyse und politische Bildung e.V. Straße der Pariser Kommune 8a, 10243 Berlin, 030 44310 -223, Fax -589, www.rosalux.de Konzept und Redaktion: Jan-David Echterhoff & Alina Voinea Mitarbeit: Studienwerk Layout: Verena Schneider
INHALT 03 Rosa gegen Rechts – Kampf gegen Rechts und für 13 Salon Bildung eine Gesellschaft der Vielen 16 Klassismus und Wissenschaft. Eine Bestandsaufnahme 05 Gewerkschaft als Zusammenhalt der Vielen mit Riccardo Altieri und Bernd Hüttner 06 Querdenker*innen 18 Pathische Aneignung und völkischer Sog : Was wir 08 Responses to Anti-Feminism and Hostility towards Queers – über „Querdenker“, Verschwörungsmythen und das Learning from Feminist Counter-Strategies from Latin Framing durch organisierte Nazis wissen müssen und America and Turkey Titel was wir mit politischer Bildung dagegen tun können 09 Normalbürger vs. Chaoten – polizeiliches Feindbild (linke) 20 Kritische Haltung ist wichtiger als Methoden. Antirassisti- Demonstrierende sche Bildungsarbeit in der Migrationsgesellschaf 11 Rechte Männlichkeit(en) 22 Gegenkultur als Kettenbrecherin. Das CommUnity Theater und der Spaß an der Befreiung
ROSA GEGEN RECHTS - KAMPF GEGEN RECHTS UND FÜR EINE GESELLSCHAFT DER VIELEN Liebe Stipendiat*innen, Neu ist ein wachsendes Verständnis dafür, wie weit die liebe ehemalige Stipendiat*innen, Grundlagen für diese tödliche Gewalt in unsere Gesell- schaft und ihre Institutionen hineinreichen. Mit der AfD wir freuen uns, euch unser gesondertes Begleitheft zur fanden menschenfeindliche Positionen mit einer neuen Veranstaltungsreihe „Rosa gegen Rechts“ vorzustellen. Intensität Einzug in die Parlamente. Erkenntnisse zu Ver- Aus wichtigen Gründen haben wir uns in diesem Jahr fassungsschutz und Polizei unterstreichen zudem die für den thematischen Schwerpunkt des Kampfs gegen weite Verbreitung menschenverachtender Auffassun- rechts entschieden: gen in den Sicherheitsapparaten. Seit längerem beob- achten wir eine voranschreitende gesellschaftliche Po- Antisemitismus, Nationalismus, Rassismus, Frau- larisierung. Die Corona-Pandemie wirkt nun zusätzlich en*hass und LGTBIQ*-Feindlichkeit sind seit langem wie ein Brennglas auf die sich bereits zuvor abzeich- eine tödliche Bedrohung für unsere Gesellschaft. Die nenden Zuspitzungen. Es besteht die Gefahr, dass sich Anschläge von Halle und Hanau haben uns dies erneut die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse dadurch weiter mit Schrecken vor Augen geführt. Sie reihen sich ein zugunsten von autoritären und antidemokratischen Po- in eine lange Tradition rassistischer Gewalt und rechten sitionierungen verschieben. Terrors in diesem Land. Die Manifeste von Rechtsterro- risten aus unterschiedlichen Ländern verweisen jedoch Solange Menschen durch abelistische, antisemitische, gleichzeitig auf die transnationale Verflochtenheit und klassistische, rassistische, sexistische und LGTBIQ* die koloniale Tradition rechter Diskurse. feindliche Ausgrenzungen die Erfahrung machen, nicht dazu zu gehören, ist eine solidarische Gesellschaft nicht 3
möglich. In unseren für dieses Jahr geplanten Veranstaltungen blicken wir deshalb auf die Herausforderungen in unterschiedlichen gesell- schaftlichen Bereichen, wie den Betrieb, die Ge- werkschaft und die Polizei. Um ein besseres Verständnis der aktuellen Kons- tellationsverschiebungen während der Pandemie zu gewinnen, beleuchten wir zudem die neuen Querdenken-Mobilisierungen. Zum anderen wollen wir insbesondere die Gegenbewegun- gen zu Rassismus, Klassismus, Antifemi- nismus und Queerfeindlichkeit in den Blick nehmen, um Antworten auf die aktuellen Her- ausforderungen im Kampf für eine solidarische Gesellschaft der Vielen zu finden. Euer Studienwerksteam 45
GEWERKSCHAFT ALS ZUSAMMENHALT DER VIELEN Das Einstehen gegen Rassismus, Homophobie und Na- tionalismus verlangt gerade am Arbeitslatz ein hohes Maß an Mut ab. Denn rechtspopulistische Parteien und Gruppierungen wirken zunehmend organisiert an den Werkbänken oder Mensen. So versuchen sie vor allem den Einsatz von engagierter Arbeitnehmer*innenvertre- tungen für ein tolerantes, integrationsförderndes und gemeinsames betriebliches Miteinander zu behindern. Die Antwort kann nur Solidarität unter den Beschäftig- ten heißen aber auch Aufbau gesellschaftlicher Bünd- nisse. Denn Gewerkschaft bedeutet Zusammenschluss der Vielen. Termin: 2. März 2021, 19:00-20:30 Uhr In der kleinen Zoom-Konferenz haben interessierte digital Stipendiat*innen die Möglichkeit, mit dem Referenten Michael Janus in den Austausch über gewerkschaftli- Ansprechperson: Jane Angerjärv (jane.angerjaerv@rosalux.org) che Gegenstrategien zu gehen. Michael Janus war von 2007 bis 2012 Studienstipendiat der RLS und ist der- zeit Gewerkschaftssekretär bei ver.di (Bezirk Mittelba- den-Nordschwarzwald). 5 6
QUERDENKER*INNEN Nina im Gespräch mit Fritz Burschel, Suse Feustel und hänger*innen. Aber eben nicht nur: die Mehrheit der Johannes Richter Leute in diesem Pulk zeigt eine große Bandbreite von „Wutbürgern“, Querfrontler*innen, Verschwörungsi- Anfang 2020 dachte man noch, dass der völkisch-nati- deolog*innen mit antisemitischem Turn bis hin zu Eso- onalistische Rechtsruck mit dem Siegeszug der AfD bis teriker*innen und „verstrahlten“ Hippies. zur schauerlichen Ministerpräsidentenwahl in Thürin- gen am 5. Februar und dem rassistischen rechten Ter- Diese Bewegung kanalisiert auch ohne Parteistruk- roranschlag in Hanau, dem 9 Menschen mit familiärer tur ein hohes Maß an Unsicherheit und diffusem Ta- Migrationsgeschichte zum Opfer fielen, immer bedroh- tendrang. Unterdessen durchdringt eine omnipräsente lichere Formen annehmen würde. AfD im Verbund mit vielen weiteren rechten Akteu- er*innen auf allen politischen Ebenen die Alltagskultur Die Covid-19-Pandemie veränderte auf einen Schlag al- in diesem Land und verändert - aufgrund der Pandemie les. Neue rechte Player tauchten in Form zunächst der unterm Radar - eine leidlich humane Gesellschaft in be- „Hygiene“-, im Laufe des Jahres der „Querdenker“-De- drohlicher Weise zu ihrem Nachteil. mos auf. Eine diffuse Masse von hoher Mobilisierungs- bereitschaft ging zu Zehntausenden auf die Straße, um Die Situation ist dadurch fast noch alarmierender als im gegen „Ermächtigungsgesetz“, „Merkeldiktatur“ und vergangenen Jahr? „Impfterror“ zu protestieren. In ihren Reihen Reichs- flaggen schwenkende NS-Verharmloser*innen, organi- sierte Nazis jeden Zuschnitts und auch viele AfD-An- 6 7
Suse Feustel und Johannes Richter vom Kulturbüro Sachsen und Friedrich Burschel, der Nazismus-Refe- rent der RLS, unterhalten sich über diese Entwicklung und versuchen mit den Zuhörer*innen über linke Hand- lungsmöglichkeiten in dieser Situation ins Gespräch zu kommen. Moderation: Nina Borst Termin: 9. März 2021, 19:00 Uhr digital Ansprechperson: Nina Borst (nina.borst@rosalux.org) 78
RESPONSES TO ANTI-FEMINISM AND HOSTILITY TOWARDS QUEERS – LEARNING FROM FEMINIST COUNTER-STRATEGIES FROM LATIN AMERICA AND TURKEY In the FRG we see an unholy alliance of AfD, Christian laws to control civil society and massive repression, the fundamentalists and right-wing terrorists. Anti-femi- feminist movement in Turkey is proving its enormous nism serves as a kit for their different views. They are all steadfastness in its fight against femicide. united by their fight against issues like sex education in schools and the so-called „gender ideology“. We know With three activists from Argentina, Brazil and Turkey, of similar anti-feminist alliances in other countries, poin- we want to discuss the challenges of the feminist mo- ting to a transnational intertwining of anti-feminist po- vements of this time and focus on the promising strate- sitions. gies of their movements. At the same time, strong feminist movements are giving hope. Despite new types of right-wing anti-abortion al- liances in Argentina, probably the strongest women‘s* movement in the world achieved the legalization of abortion up to the 14th week of pregnancy in late 2020. Termin: 25. Mai 2021 digital In Brazil, although anti-feminist and homophobic state- ments dominated the presidential campaign, the elec- Ansprechperson: Jan-David Echterhoff tion of Black women to various regional parliaments (jan-david.echterhoff@rosalux.org) is hopeful and promises new forms of representation through „collective mandates.“ In spite of proposed 8 9
NORMALBÜRGER VS. CHAOTEN – POLIZEILICHES FEINDBILD (LINKE) DEMONSTRIERENDE Der Vortrag behandelt polizeiliche Sichtweisen auf De- ist dabei auch eine offensichtliche kulturelle Distanz monstrierende. Auf Basis von spannenden Gruppendis- vieler Polizist*innen zu Demonstrierenden. Dies wird kussionen mit Bereitschaftspolizist*innen, Interviews an der häufig verwendeten Figur des „Normalbürgers“ mit ihren Vorgesetzten und weiteren Quellen werden veranschaulicht, in der sich spezifische polizeiliche Nor- fünf Bereiche als Dimensionen einer Risikokonstellation malitätsvorstellungen verdichten und die als Folie für für die Entstehung eines „Feindbildes Demonstrieren- die Wahrnehmung davon abweichender Protestgrup- de“ analysiert. pen fungiert. Es wird dargestellt, dass die Bezeichnungen des „po- Abschließend wird neben den demokratietheoretischen lizeilichen Gegenübers“ häufig Distanz und Gegner- Implikationen der analysierten Klischees und Feindbil- schaft markieren und Demonstrationen entpolitisieren. der herausgearbeitet, dass das distanzierte bis feind- Es werden zudem formal-rechtliche und informelle Ka- schaftliche Verhältnis zwischen der Polizei und einigen tegorisierungen von Demonstrierenden untersucht und Demonstrierenden kein ‚pädagogisches‘ oder ‚polizei- analysiert, über welche Anhaltspunkte Polizist*innen für praktisches‘ Problem darstellt, sondern Ausdruck einer die Einordnung als „Gefährder“ verfügen. Konfliktstruktur ist, in der auf Seiten der Polizei recht- liche, organisationale und subjektive Faktoren sowie Prägend sind einfache, bipolare polizeiliche Klassifika- reale Konflikterfahrungen bei Demonstrationen zu einer tionsmuster für Demonstrierende, deren Grundlage so- Risikokonstellation für das Feindbild (linke) Demonstrie- wohl rechtliche als auch normative politische Zuschrei- rende konvergieren. bungen von Legitimität/Nichtlegitimität bilden. Wichtig 9 10
Vortrag von Dr. Dr. Peter Ullrich (Referent für Ehema- ligenarbeit im Studienwerk und Senior Researcher am Zentrum Technik und Gesellschaft der TU Berlin) mit Diskussion, inklusive Austausch in Gruppen zu eigenen Erfahrungen. Termin: 12. April 2021, 18:30 Uhr digital Ansprechperson: Peter Ullrich (peter.ullrich@rosalux.org) 11 10
RECHTE MÄNNLICHKEIT(EN) Die Propagierung spezifischer Männlichkeitsentwürfe Maskulinistische Männlichkeitsentwürfe und Antife- und ihre panische Verteidigung gegenüber vermeint- minismus gehören neben Rassismus und Heteronor- lichen oder realen Bedrohungen sind Kernanliegen mativität zu den ideologischen Elementen, die rechte rechter und rechtspopulistischer Bewegungen und Ak- Bewegungen und Akteuer*innen auch über sonstige teur*innen. Lange Zeit war dies nur ein vergleichsweise Differenzen hinweg verbinden. selten beachteter Strang der Analyse von Rechtsradika- lismus und Rechtspopulismus. Auch findet über sie eine Integration von Akteur*innen in rechte Lebens- und Gedankenwelten statt, die sich Durch zahlreiche antifeministische Debattenbeiträ- nicht ursprünglich dort politisch oder sich gar nicht ex- ge rechter oder rechtsoffener Kultur-Journalist*innen, plizit politisch verortet haben, so zum Beispiel über be- durch die Programmatiken rechtspoulistischer Parteien stimmte Internet-Subkulturen oder sogenannte „Pick- wie der AfD aber auch durch die Amokläufe in Toronto Up-Artists“. und Isla Vista 2018 durch sogenannte Incels („involun- tary celibates“/“unfreiwillig Zölibatäre“) oder von Incels In dieser Veranstaltung werden wir uns einige Aspek- gefeierte Täter hat findet die Verschränkung rechter te dieser Männlichkeitsentwürfe und ihre Bedeutung Positionen mit bestimmten Männlichkeitsentwürfen je- für rechte und rechtspopulistische Ideologien und Ak- doch auch in breiteren Kreisen zunehmend Beachtung. teur*innen anschauen und uns Fragen widmen, wer 11 12
z.B. Incels sind und wie sie politisch einzuschätzen sind und wo sich auf dem Feld dieser Männlichkeitsentwür- fe konservative Rechte mit Rechtspopulist*innen bis hin zu Kreisen, die dem Rechtsterrorismus nahestehen, treffen. Termin: 16. November 2021, 19:00-20:30 Uhr digital oder analog, je nach Lage Ansprechperson: Jan Severin (jan.severin@rosalux.org) 13 12
SALON BILDUNG 13 14
SALON BILDUNG 2021 - TRANSFORMATORISCHE BILDUNG IN ZEITEN EINER GESELLSCHAFTLICHEN POLARISIERUNG Der Salon Bildung ist ein Format, bei dem es um den liberal geprägte Bildungswesen, die Zusammenhänge Erfahrungsaustausch von Menschen geht, die an un- zwischen Wissen, Fakten und Widerstand stiften sollen. terschiedlichen Stellen ins Bildungssystem involviert In 2021 finden die Veranstaltungen unter dem Schwer- – oder einfach am Thema einer kritischen Bildung inte- punktthema „Transformatorische Bildung in Zeiten ei- ressiert sind . Lehrende und Lernende, Praktiker*innen ner gesellschaftlichen Polarisierung“ statt. und Theoretiker*innen, sollen über spannende Themen miteinander ins Gespräch gebracht werden. Der Salon Bildung knüpft dabei bewusst an die Tradition politi- scher Salons an: «Wir laden Personen ein, die etwas Interessantes zu sagen haben und diskutieren mit ihnen während einer Abendveranstaltung in einer angenehmen Atmosphäre.» Die Salons verstehen sich als Inseln der Reflexion, auf denen mit Eigensinn und auf entspannte Weise Such- bewegungen zur Orientierung und zur gegenseitigen Selbstverständigung freien Lauf gelassen werden. Ihre Ergebnisse sind geteilte Wissens- und Urteilsvorräte ge- gen den neoliberalen Kapitalismus und gegen das neo- 14 15
Termine Salon Bildung 18. März 2021, 18:30 Uhr 09. September, 18:30 Uhr digital RLS (Berlin) oder digital Klassismus und Wissenschaft: Eine Bestandsaufnahme mit Antirassistische Bildungsarbeit in der Migrationsgesellschaft Riccardo Altieri und Bernd Hüttner mit Žaklina Mamutovič 10. Juni 2021, 18:30 Uhr 09. Dezember, 18:30 Uhr RLS (Berlin) oder digital RLS (Berlin) oder digital Pathische Aneignung und völkischer Sog: Was wir über Bildendes Empowerment gegen Rassismus und Klassismus: Das „Querdenker“, Verschwörungsmythen und das Framing durch Community-Theater und die Gesellschaft der Vielen organisierte Nazis wissen müssen und was wir mit politischer u.a. mit Ahmed Shah Bildung dagegen tun können mit Friedrich Burschel Ansprechperson: Marcus Hawel (marcus.hawel@rosalux.org) 16 15
KLASSISMUS UND WISSENSCHAFT. EINE BESTANDSAUFNAHME MIT RICCARDO ALTIERI UND BERND HÜTTNER 2020 kann rückblickend durchaus als Klassismus-Jahr Die Buchvorstellung mit anschließender Debatte wid- betrachtet werden. So hat die Corona-Krise Klassenun- met sich demnach folgenden Fragen: terschiede nicht nur verschärft, sondern bisweilen erst für viele sichtbar gemacht. • Ist der Klassismus-Begriff wirklich in der Lage, Diskriminierungsformen innerhalb der komplexen Immer mehr Betroffene von klassistischen Ausgren- Klassengesellschaft zu definieren? zungsmechanismen melden sich seitdem zu Wort – • Welche Rolle spielen Sprache und Ideologie bei auch und insbesondere in der Wissenschaft. Dort sind der Sichtbarmachung und Bekämpfung von Klas- Zugangsmöglichkeiten und Aufstiegschancen in den sismus? letzten 40 Jahren einem Transformationsprozess unter- • Wie kann die Klassenschranke (auch an den Hoch- legen, der es Kindern aus nicht-akademischen Haushal- schulen) ein für alle Mal durchbrochen werden? ten immer schwerer macht, sich in der Wissenschafts- welt zu etablieren. Zugleich war 2020 aber auch das Jahr, in dem im Referenten deutschsprachigen Raum so viele Publikationen zum Riccardo Altieri ist kritischer Historiker und Arbeiter- Thema Klassismus erschienen sind wie nie zuvor. Das kind. Er promovierte an der Universität Potsdam bei löste insbesondere in marxistischen Kreisen auch Wi- Mario Keßler und arbeitet beim Johanna-Stahl-Zentrum derspruch aus. für jüdische Geschichte und Kultur in Unterfranken. 16 17
Bernd Hüttner, geboren 1966. Aufgewachsen auf ei- nem Bauernhof war er nach seinem Studium der Politik- wissenschaft lange erwerbsarbeitslos und Hausmann. Arbeitet als Referent für Zeitgeschichte der RLS. Termin: 18. März 2021, 18:30 Uhr digital Ansprechperson: Marcus Hawel (marcus.hawel@rosalux.org) 18 17
PATHISCHE ANEIGNUNG UND VÖLKISCHER SOG : WAS WIR ÜBER „QUERDENKER“, VERSCHWÖRUNGSMYTHEN UND DAS FRAMING DURCH ORGANISIERTE NAZIS WISSEN MÜSSEN UND WAS WIR MIT POLITISCHER BILDUNG DAGEGEN TUN KÖNNEN Eine amorphe, nur in Teilen organisierte Bewegung mit unterschiedliche und inkonsistente politische Vorstel- deutlich reaktionärer und rechts-nationalistischer Ten- lungen aber eben auch für völkisch-nationalistische Ar- denz versammelte sich immer wieder in den zurück- gumentationen. Dabei sind Anschlussmöglichkeiten für liegenden Jahren auf den Straßen Deutschlands. Ob eine Vielzahl von Personen und Gruppen gegeben, die Montagsdemos, Friedenswinter, Pegida oder zuletzt die – mutmaßlich mit nur wenig politischer Erfahrung oder sog. Hygienedemos – Forderungen aus diesen Kontex- Bildung – ohne Arg fragen, was daran falsch sein kann, ten sind eine Art Umsturz, Systemwechsel oder „Neu- für das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland anfang“ mit „verfassungsgebender Versammlung“ zur auf die Straße zu gehen. Beendigung eines vermeintlichen alliierten, wahlweise finanzoligarchischen, in jedem Fall „fremdbestimmten“ Unbemerkt oder bewusst unbeachtet bleibt dabei, dass Besatzungsregimes. Das Mobilisierungspotenzial von organisierte Nazis die Großdemonstrationen für ihre mehreren zehntausend Menschen ist beträchtlich. Zwecke – zum Beispiel jüngst die Bilder der Aktion auf der Reichstagstreppe – instrumentalisieren und so me- Bemerkenswert und kennzeichnend für die Einschät- dial auch kapern. zung dieser neuen rechten Bewegungen von „besorg- ten Bürgern“ und „Querdenkern“ ist eine Mélange an Transportiert werden diese rechten Narrative durch – ideologischen, politischen und assoziativen Versatzstü- häufig dezidiert antisemitische – Verschwörungsfantasi- cken, die hier scheinbar beliebig zusammengeschraubt en und hochgejazzte Falschmeldungen in den Sozialen werden. Rhetorisch wird eine fundamentale Kritik am Netzwerken und Messenger-Diensten. Die benutzten Ist-Zustand formuliert, die hoch anschlussfähig ist für Symbole und Figuren, von der Reichskriegsflagge über 18 19
„Judensterne“ mit der Aufschrift „ungeimpft“ bis hin zu den Ikonen Anne Frank, Sophie Scholl, Ernesto Che Guevara und Mahatma Ghandi erlauben es Vielen, sich guten Glaubens den Protesten anzuschließen, und er- schweren für viele „Ungeübte“ die Sache stichhaltig einzuschätzen. Besonders für einen linken Diskurs ist es enorm schwie- rig, die zum Teil richtige Kritik der Protestierenden an den herrschenden Verhältnissen vor dem Zugriff der Ideolog*innen in den Reihen der Querdenker*innen zu schützen und gegen die völkische Aufladung vorzuge- hen. Dies wollen wir an diesem Abend versuchen. Referent Friedrich Burschel ist Referent zum Schwerpunkt Neo- nazismus und Strukturen/Ideologien der Ungleichwer- tigkeit bei der Akademie für Politische Bildung der Ro- sa-Luxemburg-Stiftung in Berlin. Er war über 5 Jahre akkreditierter Korrespondent des nicht-kommerziellen Termin: 10. Juni 2021, 18:30 Uhr Lokalsenders Radio Lotte Weimar im NSU-Prozess und ist Mitarbeiter von NSU-Watch (www.nsu-watch.info). analog oder ggf. digital Seit Ende des NSU-Prozesses hat er zahlreiche weite- Ansprechperson: Marcus Hawel (marcus.hawel@rosalux.org) re Prozesse zu rechten Umtrieben in den bewaffneten Organen der BRD, zu neonazistischen Mordanschlägen und rechtem Terror beobachtet. 20 19
KRITISCHE HALTUNG IST WICHTIGER ALS METHODEN. ANTIRASSISTISCHE BILDUNGSARBEIT IN DER MIGRATIONSGESELLSCHAFT Rassismus ist nicht nur als bloße Einstellung und Ideo- Doch dieser Schritt ist notwendig, um konkrete alter- logie einzelner zu betrachten, sondern muss in einem native Betrachtungs- und Handlungsweisen zu entwi- umfassenden Blick rassistische Handlungs-, Erfah- ckeln: Wie gestalten wir Praxen so um, dass nicht-dis- rungs- und Denkformen thematisieren und behandeln. kriminierende/rassistische Verhalten unser Miteinander Was bedeutet das für eine macht- und rasssismuskriti- prägen? (anti-bias-netz) sche politische Bildungsarbeit? Erst durch eine gezielte Reflexion der eigenen Einge- Hierbei geht es nicht um die Sichtbarmachung oder bundenheit in diese Strukturen kann ein re-flektierter, das Aufzeigen des „Rassismus der Anderen“, sondern präventiver und nachhaltiger Umgang mit Rassismus umfasst in erster Linie die Schaffung eines Bewusst- in seinen unterschiedlichen Ausprägungs- und Erschei- seins und Verständnisses für institutionelle Verhältnisse nungsformen erfolgen – zumindest aus einer weißen und gesellschaftliche Bedingungen, denen rassistische Positionierung heraus. Strukturen systematisch eingeschrieben sind. Für Bildner:innen, die negativ von rassistischer Diskrimi- Die Erkenntnis des eigenen Mitspielens in diskriminie- nierung betroffen sind, müssen gezielt Empowerment renden Strukturen ist ein wichtiger Punkt. Mir einzuge- Räume geschaffen werden, in denen verinnerlichte stehen, dass ich Teil von Ungerechtigkeiten bin, die ich Unterdrückungsmechanismen, Erfahrungen, Strategi- doch ablehne und hinzusehen, wie ich sie stabilisiere, en, Schutz und Handlungsmöglichkeiten angegangen ist oft mit Scham- und Schuldgefühlen verbunden. werden können. 20 21
Anhand des Projektes „Bildungsbausteine gegen anti- muslimischen Rassismus“ soll es dazu einen Blick aus der Praxis geben. „Das Konzept Rassismuskritik beinhaltet macht- und selbstreflexive Betrachtungsperspektiven auf Handlun- gen, Institutionen, Diskurse und Strukturen. Wir gehen davon aus, dass es in Gesellschaften, die jahrhunder- telang von angewandten und in Erzählungen weiter- geführten Rassismen beeinflusst sind, nicht möglich ist, durch singuläre Praxen, gewissermaßen `auf einen Streich´, diese zu einer rassismusfreien Gesellschaft zu machen.“ (Mecheril/Melter) Referent*in Žaklina Mamutovič ist Referentin und Supervisorin in der politischen Bildung. Ihre thematischen Arbeits- schwerpunkte sind die Auseinandersetzung mit Dis- kriminierung, insbesondere Rassismus (Anti-Bias-, Diversity- und Empowerment-Trainerin) aus einer Termin: 9. September 2021, 18:30 Uhr machtkritischen Perspektive. Sie ist ferner Mitarbeiterin im Bildungsteam Berlin-Brandenburg e.V. in dem Pro- analog oder ggf. digital jekt „Bildungsbausteine gegen antimuslimischen Ras- Ansprechperson: Marcus Hawel (marcus.hawel@rosalux.org) sismus in der Grundschule“. 22 21
GEGENKULTUR ALS KETTENBRECHERIN. DAS COMMUNITY THEATER UND DER SPASS AN DER BEFREIUNG Können uns Theater, Kunst und Kultur die Instrumente nicht nur hören, wie man den gefesselten Prometheus geben womit das Kettenbrechen wieder gelernt werden befreit, sondern sich auch in der Lust schulen ihn zu kann? Wie können sie uns helfen die ideologischen (Lie- befreien. Alle Lüste und Späße der Erfinder und Entde- fer)ketten der herrschenden Ordnung zu brechen und cker, die Triumphgefühle der Befreier müssen von unse- sie zu ersetzen durch eine selbstbestimmte CommUnity rem Theater gelehrt werden.“ (Bertolt Brecht) der marginalisierten Communities? Referent*innen Theater X schafft dafür Räume, schöpft Inspiration aus Kathi Kolmans ist Mitglied des Leitungskollektivs des verschiedenen Quellen der emanzipatorischen Bewe- Theater X, sowie Teil der Dramaturgie und Öffentlich- gungen der Vergangenheit, und bringt sie auf Vorder- keitsarbeit des Theaters. In ihren verschiedenen Rollen mensch ins 21. Jahrhundert, um eine Gegenkultur zu ist sie beteiligt an der Konzeption und Umsetzung eines entwickeln, die bei uns den Spaß an der Befreiung wie- selbstorganisierten CommUnity Theaterbetriebs, der dererweckt. Damit unsere unsichtbaren Geschichte(n) einen eigenen Ansatz der emanzipatorischen Bildung wieder sichtbar werden. Und wie geht das? entwickelt – an der Schnittstelle von Kultur und linker politscher Bewegung. Darüber hinaus ist sie freiberuf- „Es ist nicht genug verlangt, wenn man vom Theater lich in der kulturellen und politischen Bildung tätig. nur Erkenntnisse, aufschlussreiche Abbilder der Wirk- lichkeit verlangt. Unser Theater muss die Lust am Er- Ahmed Shah ist Theatermacher und Theaterpädagoge, kennen erregen, den Spaß an der Veränderung der Regisseur und Autor. Er ist Mitbegründer verschiedener Wirklichkeit organisieren. Unsere Zuschauer müssen Zusammenschlüsse, die sich kulturell engagieren, so 22 23
unter anderem auch von dem Verein »Initiative Grenzen Los – Verein für emanzipative Bildung«. Er ist künstle- rischer Leiter im Leitungskollektiv des Theater X, wel- ches unter anderem das selbstorganisierte internationa- le CommUnity Kultur Festival »Festiwalla« (dieses Jahr von 16.-20. Juni in Berlin) organisiert und veranstaltet. Termin: 9. Dezember 2021, 18:30 Uhr analog oder ggf. digital Ansprechperson: Marcus Hawel (marcus.hawel@rosalux.org) 24 23
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