3.1.2 Klimawandel und strahlungs
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
3. Aktuelle und potenzielle Gefahren für die Gesundheit 3.1.2 Klimawandel und strahlungs- bedingte (aktinische) Wirkungen Uwe Feister Climate change and actinic effects: Anthropogenic emissions of gases and aerosols have changed the com- position of the Earth’s atmosphere. Resultant radiative forcings have altered atmospheric radiative trans- fer, which affects the biosphere, air chemistry and materials, and have caused climate changes on global and regional scales. Changes in solar spectral irradiance reaching the Earth’s surface result in changes of actinic effects. One of the most noticeable results of solar actinic effects is human skin pigmentation. Re- production of the ancestral genus Homo living in African savannas with high annual solar UV exposure was favored by a dark constitutive skin pigmentation that protected folic acid in the blood from actinic de- gradation. Migration waves of darkly pigmented hominins from 1.8 Ma and 0.1 Ma onwards from tropi- cal Africa to higher latitudes considerably reduced their average annual UV exposure and subjected them large seasonal changes. Evolutionary adaptation to the changed climate by brighter constitutive pigmenta- tion and development of facultative pigmentation (tanning according to UV exposure) avoided adverse ef- fects on health and reproduction that result from a lack of vitamin D3 synthesis. In recent centuries, fast voluntary and forced migration to other climate zones, urbanization and increasing indoor work, changing diet and clothing, and new recreational habits have occurred at short time scales. Depending on personal skin type and outdoor behavior, inadequate adaptation of humans to solar actinic exposure can contri- bute to health problems. Changes in actinic effects can be expected to occur in the coming decades as a result of climate change the degree of which will also depend on reduction of CO2 and trace gas emissions. Konzept des Radiative Forcing nen totalen Bilanz der Bestrahlungsstärke verstanden, Jede aktinische, d.h. durch photochemische und pho- das ist die Summe aus kurzwelliger Solarstrahlung und tobiologische Prozesse ausgelöste Strahlungswirkung langwelliger atmosphärischer sowie terrestrischer Wär- wird durch ihr charakteristisches Wirkungsspektrum und mestrahlung; abwärts minus aufwärts gerichtet, in W/m² das Sonnenstrahlungsspektrum bestimmt, das nach dem an der Grenzfläche zwischen Troposphäre (in mittleren Durchgang der Solarstrahlung durch die Erdatmosphäre geographischen Breiten 0–12 km Höhe) und Stratosphä- deutlich modifiziert ist. Im globalen Mittel trifft auf die re (12–50 km Höhe). Diese Definition des RF schließt Obergrenze der Erdatmosphäre eine Strahlungsleistung ein, dass sich als Folge einer Störung die Temperaturen der Sonne von 340,2 W/m² (Kopp & Lean 2011). Durch in der Stratosphäre bis zum Wiedererreichen des Strah- Rückstreuung der kurzwelligen Solarstrahlung (Erd- lungsgleichgewichts nach einigen Monaten ändern dür- oberfläche 7% + Atmosphäre 22% = 29%) und durch fen, während die Temperaturen in der Troposphäre und langwellige Ausstrahlung (Erdoberfläche 12% + Atmo- an der Erdoberfläche konstant bleiben. Zusätzlich wird sphäre 59% = 71%) (Trenberth et al. 2009, Wild et in den letzten Jahren ein Effektives Radiative Forcing al. 2013) gibt das System Erde/Atmosphäre eine eben- (ERF) bestimmt, welches sich vom RF dadurch unter- so große Strahlungsleistung an den Weltraum ab und scheidet, dass es die Netto-Strahlungsleistung nicht an befindet sich somit langfristig im Strahlungsgleichge- der Tropopause, sondern an der Obergrenze der Atmo- wicht mit der Umgebung. Von der Erdoberfläche wird sphäre angibt und dass die Temperaturen der gesamten im globalen Mittel eine Solarstrahlungsleistung von Atmosphäre und der Landoberflächen sowie atmosphä- 161 W/m² absorbiert. Schon die von einem kleinen rischer Wasserdampfgehalt, Wolken und Erbodenalbedo Teil der Erdoberfläche von 117 × 117 km² absorbierte auf den Strahlungsantrieb reagieren dürfen (IPCC 2013). Solarenergie entspricht dem gegenwärtigen globalen Mit Ausnahme der Aerosolwirkungen durch Rußpartikel Elektroenergieverbrauch von 1,93 × 1016 W×h pro Jahr. sind die tatsächlichen Größenunterschiede zwischen Wenn das Strahlungsgleichgewicht durch einen exter- ERF und RF gering. Die Strahlungsantriebsleistung kann nen Einfluss, beispielsweise eine Änderung der Solar- positiv (Erwärmung) oder negativ (Abkühlung) sein. Für strahlung, oder durch eine Änderung eines Parameters die Berechnung des RF und ERF müssen die spektralen innerhalb des Klimasystems der Erde (Geosphäre, Oze- Charakteristiken von Absorption und Streuung durch die ane, Kryosphäre, Biosphäre, Atmosphäre) gestört wird, Atmosphärenbestandteile berücksichtigt werden. muss sich ein neuer Gleichgewichtszustand einstellen. Der Strahlungsantrieb führt zu Änderungen der Zir- Die Klimarelevanz einzelner anthropogener Ände- kulation in Atmosphäre und Ozeanen, beeinflusst den rungen lässt sich als zusätzliche Strahlungsantriebsleis- hydrologischen Zyklus, zieht Änderungen der tempe- tung oder Radiative Forcing (RF) beschreiben. Darunter raturabhängigen chemischen Umsetzungen atmosphä- wird die Änderung der auf die Flächeneinheit bezoge- rischer Spurengase nach sich und verursacht eine Än-
3.1.2 U. Feister derung des Energieaustauschs zwischen Erdoberfläche ständiger Verbrennung vor allem fossiler Brennstoffe und Atmosphäre durch langwellige Strahlungsprozesse (Kohle, Erdöl und Erdgas) (97%) und durch die Ze- sowie fühlbare und latente Wärmeflüsse. Interne Wech- mentproduktion in einer globalen Gesamtquellstärke selwirkungen und Rückkopplungen im Klimasystem von 9,7 ± 0,5 Gt C pro Jahr (im Jahr 2012) (1 Gt = 1012 können die Klimawirkung und die aktinischen Wir- kg) in die Atmosphäre abgegeben wird (Le Quéré et al. kungen der ursprünglichen Störung verstärken oder ab- 2013). Fossile Brennstoffe decken derzeit noch immer schwächen. Das Zusammenwirken der verschiedenen etwa 81% des globalen Energiebedarfs mit einer Leis- Prozesse und der resultierende Klimaeffekt lassen sich tung von rund 16 TW (= 16 ×1012 W), das entspricht ca. mit Hilfe gekoppelter Atmosphäre-Ozean-Modelle und 0,0092% der auf die Obergrenze der Atmosphäre tref- Erdsystem-Modelle beschreiben. fenden Solarstrahlung. Etwas mehr als die Hälfte des emittierten CO2 (30 bis 80% mit großer interannualer Kohlendioxid und Spurengase Variation) akkumuliert in der Atmosphäre. Der Rest Für anthropogene Strahlungsantriebe wird häufig als wird von den Ozeanen sowie von den Landflächen (Ve- Bezugszeitraum die Periode zwischen 1750 (vorindus- getation, Boden) aufgenommen. Die atmosphärische trielle Periode) und der Gegenwart gewählt. Die Kli- CO2-Konzentration hat zwischen 1750 und 2013 von mawirksamkeit einzelner Komponenten wird bestimmt 275–285 ppm (1 ppm = 10-6 Volumenanteile) auf 397 durch die Strahlungsabsorptionseigenschaften der Gase ppm zugenommen, das entspricht einer Steigerung um (Lage und Stärke der Absorptionsbanden), ihre Kon- ca. 42%. Die gegenwärtige atmosphärische CO2-Kon- zentration und Verweildauer in der Atmosphäre und im zentration resultiert aus der gesamten Emission von 240 Falle der Aerosole auch durch ihre Streueigenschaften Gt C, die seit 1750 durch Verbrennung fossiler Brenn- für Strahlung. Den dominierenden direkten Klima- stoffe und anthropogene Landnutzung in der Atmo- einfluss einer einzelnen anthropogenen Komponente sphäre akkumuliert wurden (IPCC 2013). Gleichzeitig hat das Kohlendioxid (CO2), das als Endprodukt voll- hat die CO2-Aufnahme durch die Ozeane zur Senkung Abb. 3.1.2-1: Strahlungsantrieb (Radiative Forcing) in W/m² (direkt und indirekt) durch anthropogene Treibhausgase, Aerosole und Landnutzung für das Jahr 2011 bezogen auf 1750. Zum Vergleich sind die direkte Wärmeabgabe und Änderung der Solarstrahlung angegeben (nach IPCC 2013).
3. Aktuelle und potenzielle Gefahren für die Gesundheit des pH-Wertes des Oberflächenwassers um 0,1 geführt. Kopenhagen 1992, Wien 1995, Montreal 1997, Beijing Das seit 1750 emittierte CO2 mit einem RF von 1,68 ± 1999). Trotz Begrenzung ihrer Emission erreichen die 0,35 W/m² trägt rund ¾ zum gesamten anthropogenen im Protokoll erfassten Spurengase heute schon einen ERF von 2,29 W/m² bei (Abb. 3.1.2-1). RF-Wert von (0.33 ± 0.03) W/m² (Abb. 3.1.2-1). Die atmosphärischen Konzentrationen chemisch re- aktiver Treibhausgase haben ebenfalls langzeitig zuge- Aerosole und Wolken nommen. So stiegen die Konzentrationen von Methan In der Luft schwebende flüssige und feste Partikel, die CH4 (aus Landwirtschaft und Tierhaltung, Erdgasförde- Aerosole, können sowohl direkt aus natürlichen Quel- rung, Kohlebergbau, Mülldeponien und Kläranlagen) len (Mineralstaub, Meersalz, Pollen, Pilze, Sporen, von 715 ppb auf 1803 ppb (1 ppb = 10-9 Volumenan- Algen, Bakterien, Viren) und anthropogenen Quellen teile), die Konzentrationen der Fluor-Chlorkohlenwas- (Verbrennung fossiler Brennstoffe und von Biomasse) serstoffe (Treibmittel, Kunststoffe, Feuerlöschmittel, emittiert werden, als auch durch Nukleation von Gasen Lösungs- und Reinigungsmittel) mit teilweise sehr lan- oder heterogene Kondensation von Gasen auf vorhan- gen atmosphärischen Verweilzeiten, und von Distick- denen Partikeln gebildet werden. Die Partikel, deren stoffmonoxid N2O (aus Viehhaltung, Anbau von Legu- Durchmesser sich über einen weiten Größenbereich minosen und der Verbrennung fossiler Brennstoffe) von von ca. 0,001–100 µm erstrecken, besitzen die Eigen- 270 auf 319 ppb. Diese Spurengase absorbieren nicht schaft, Strahlung nicht nur zu absorbieren, sondern in nur selbst Strahlung, sondern sie tragen zur Bildung und meist weit größerem Maße in verschiedene Richtungen auch zum Abbau anderer Treibhausgase und zur Aero- zu streuen. Je nach optischen Eigenschaften, vor allem solbildung bei. Beispiel hierfür ist die Bildung von Ozon dem Anteil der Absorption an der Extinktion (= Streu- (O3) in der Troposphäre durch Abbau von CH4 und an- ung + Absorption) der Strahlung, tragen Aerosole ent- deren flüchtigen organischen Verbindungen in Gebieten weder zur Erwärmung oder zur Abkühlung bei (direkter mit ausreichenden Stickoxidkonzentrationen (NOX). Das Effekt). Während Rußpartikel wegen des hohen Strah- Ozon trägt trotz kurzer Verweildauer von nur ca. 22 ± lungsabsorptionsvermögens wärmend wirken, und 2 Tagen (Young et al. 2013) wesentlich zur Erwärmung nach ihrer Deposition durch Verringerung des Reflexi- der Troposphäre mit einem RF von (0,35 ± 0,20) W/m² onsvermögens (Albedo) schneebedeckter Flächen zur bei und beeinträchtigt die Luftqualität in Erdbodennähe stärkeren Erwärmung der Erdoberfläche führen, wir- (mehr dazu in Kap. 3.1.3 - Mücke). Modellrechnungen ken die vorrangig streuenden Sulfatpartikel (SO42-) und zeigen, dass die troposphärische Ozonkonzentration von Nitratpartikel (NO3-), die aus schwefelhaltigen Gasen 1850 bis 2000 im globalen Mittel um 29% zugenommen (SO2, H2S, CS2, COS u.a.) und Stickstoffverbindungen hat (Young et al. 2013). (NH3, NOX) gebildet werden, Mineralstaubpartikel Die FCKW und Distickstoffoxid (N2O) sind nicht sowie organische Kohlenstoffpartikel kühlend auf die nur selbst Treibhausgase mit atmosphärischer Verweil- untere Atmosphäre. Wasserlösliche Komponenten ent- dauer von Jahrzehnten bis Jahrhunderten, sondern sie haltende Aerosole wie Nitrat, Sulfat, Karboxylsäuren werden durch solare UV-Strahlung (200–400 nm) in und Meersalzpartikel sind als winzige Kondensations- Radikale umgewandelt, die wesentlich zum Abbau des kerne (≈ 0,1 µm) in der Wolkenbildung besonders effi- stratosphärischen Ozons beitragen. Als Folge der ver- zient und können zudem durch Wasseraufnahme ihre ringerten stratosphärischen Ozonkonzentrationen wird optischen Eigenschaften ändern. Ihre von der Masse weniger Solarstrahlung im Spektralbereich des UV-C (Partikeldurchmesser) abhängige Verweildauer in der (200–280 nm) und UV-B (280–315 nm) absorbiert, so Troposphäre reicht von Minuten bis zu Wochen. dass sich die Stratosphäre abkühlt. Auch Quellgase mit Zu den indirekten, über die Wechselwirkung zwi- kurzer Verweildauer in der Atmosphäre und sehr gerin- schen Aerosol und Wolken ausgelösten Effekten ge- ger Strahlungsabsorption wie Kohlenmonoxid CO und hören a) der »Wolken-Albedo-Effekt« (1.indirekter Stickoxide NOX tragen indirekt zum Treibhauseffekt Effekt oder Twomey-Effekt, Twomey 1977) mit einer bei, indem sie zur photochemischen Bildung von Treib- Erhöhung der Wolken-Albedo durch Zunahme der klei- hausgasen (RF positiv) beitragen, aber auch zur Nitrat- nen Wolkenkondensationskerne in Wasserwolken oder bildung (NO3-) und heterogenen Reaktionen an der der Eiskerne in Misch- und Eiswolken bei konstantem Oberfläche von Aerosolpartikeln und einem dadurch Flüssigwassergehalt, b) der »Wolken-Existenzdauer- bedingten negativen RF führen. Einen frühzeitigen Effekt« (2. indirekter Effekt oder Albrecht-Effekt, Beitrag zur Begrenzung des Treibhauseffekts durch Albrecht 1989) durch Verlängerung der Existenzdauer FCKW hat das 1987 vereinbarte »Montreal-Protokoll« der Wolken und Abnahme der Niederschlagseffizienz zum Schutz der Ozonschicht mit seinen späteren Prä- und c) der »halb-direkte Effekt« (Hansen et al. 1997, zisierungen und Ergänzungen geleistet (London 1990, Johnson et al. 2004) absorbierender Aerosole in Wol-
O3 3.1.2 U. Feister ken als Folge der zusätzlichen Strahlungsabsorption, der zurückgegangen. Langzeitmessungen zeigen, dass die gefolgt ist von Erwärmung, Verdunstung und der in den vergangenen einhundert Jahren trotz kühlender Tendenz zur Wolkenauflösung. Der ERF-Wert aus der Wirkung der Aerosole und Wolken die Temperaturen Wechselwirkung Aerosol/Wolken liegt zwischen -0,1 an der Erdoberfläche im globalen Mittel um 0,85 ± W/m² und -1,9 W/m². Die aus Aerosol- und Wasser- 0,20 °C angestiegen sind (IPCC 2013). In Deutschland dampfemissionen von Flugzeugtriebwerken in der obe- erhöhte sich die Jahresmitteltemperatur zwischen 1881 ren Troposphäre gebildeten Kondensstreifen und aus und 2012 um 1,2 °C, und die Niederschlagsmenge nahm ihnen entstandene hohe Cirrus-Wolken tragen in nur um rund 10% zu (DWD 2013). Die Temperaturände- geringem Maße zur Erwärmung bei (RF = 0,05 W/m²). rungen betreffen nicht nur die Mittelwerte, sondern ma- Die aktinischen Wirkungen von Aerosolen und Wol- chen sich auch in einer abnehmenden Häufigkeit kalter ken hängen wesentlich von der Menge der Partikel, ih- Tage und Nächte, einer zunehmenden Zahl heißer Tage ren optischen Eigenschaften und ihrer atmosphärischen sowie im häufigerem Auftreten extremer Wetterereig- Verweildauer ab. Die von der Wellenlänge abhängige nisse und Witterungsperioden wie Hitzewellen, Dürre- Mehrfachstreuung der Strahlung durch Aerosol- und perioden und Starkniederschläge bemerkbar. Wolkenpartikel bewirkt nicht nur eine Zunahme des In Übereinstimmung mit den RF und den Ergeb- Anteils diffuser Strahlung bei Verringerung des Anteils nissen von Klimamodellrechnungen zeigen die Tem- direkter Strahlung, sondern durch die Verlängerung des peraturmessungen in der freien Troposphäre global Strahlwegs können troposphärische Spurengase wie O3 langzeitige Zunahmen und in der Stratosphäre abneh- und Schwefeldioxid (SO2) mehr Strahlung absorbieren. mende Werte. Mit zunehmender Temperatur in der Tro- Aerosole mit großen optischen Dicken bis zu d =1 im posphäre steigt der Sättigungsdampfdruck des Wassers, sichtbaren Bereich – das entspricht einer Verringerung d.h. die Aufnahmekapazität der Luft für Wasser, nicht- der direkten Sonnenstrahlung auf 37% – können die so- linear an (Sonntag 1994). Die Klimawirksamkeit des lare globale (direkte + diffuse) Bestrahlungsstärke an Wasserdampfes ist mit rund 50% etwa doppelt so groß der Erdoberfläche auf bis zu etwa 60% reduzieren, wäh- wie die der Wolken (25%) und des CO2 (20%) (Schmidt rend vertikal bis in die obere Troposphäre aufgetürmte et al. 2010). Ein höherer Wasserdampfgehalt kann die Wolken mit sehr großen optischen Dicken von d >> 1 Wolkenbildung beeinflussen, die den dominierenden die Globalstrahlung bis auf ca. 5% der für wolkenlose Klimaeffekt des Wasserdampfs bei Zunahme hoher Bedingungen typischen Werte vermindern können. Bewölkung verstärken oder für niedrige Bewölkung abschwächen kann. Globaler Wasserdampf- und Ge- Klimawandel heute samtwassergehalt der Troposphäre nahmen seit 1970 Regionale Zunahmen des Aerosolgehalts und der op- bis um die Jahrhundertwende zu, so dass die von der tischen Dicke der Wolken über den Landflächen der Atmosphäre emittierte langwellige Strahlung an der Erde werden als Ursache der zwischen etwa 1960 und Erdoberfläche ebenfalls zunahm (Wild & Ohmura 1990 in Europa, Nordamerika und Asien beobachteten 2000). Die Datenauswertung des NASA Water Vapor Abnahme der an der Erdoberfläche eintreffenden So- Projects (NVAP) zeigt eine jahreszeitliche Variation larstrahlung um etwa 4 bis 7% verantwortlich gemacht, und interessante Zusammenhänge zwischen Gesamt- die als »Global Dimming« bezeichnet wurde (Ohmura wasserdampfgehalt und atmosphärischen Phänomenen & Lang 1989). Zu der seit den 1990er Jahren einset- wie El Niño, jedoch im Zeitraum 1988 bis 2010 ab- zenden Trendumkehr (Wild et al. 2005), einem »Global weichend von den Annahmen der Rückkopplung in Brightening«, haben auch regulierende Maßnahmen Klimamodellrechnungen keine eindeutige Zunahme zum Schutz der Umwelt beigetragen wie die Verringe- in der unteren Atmosphäre (vonder Haar et al. 2012). rung der Emission von Spurengasen und Aerosolen in In der unteren Stratosphäre hat der Wasserdampfgehalt Nordamerika und Europa seit den 1970er und 1980er von 2000 bis 2009 global um ca. 10% abgenommen Jahren, aber auch der sprunghafte Rückgang der Indus- (Solomon et al. 2010). trieproduktion in Osteuropa Anfang der 1990er Jahre. Wasserdampf als wichtigstes Treibhausgas ist Natürliche Einflüsse wie große Vulkaneruptionen kön- über seine Strahlungswirkung hinausgehend auch am nen die anthropogenen Änderungen der optischen Di- chemischen Spurengashaushalt der Troposphäre und cken modifizieren. Nach der Eruption des Mt. Pinatubo Stratosphäre beteiligt. Durch Reaktion mit angeregten auf den Philippinen im Jahr 1991, durch die ca. 17 Mt Sauerstoffatomen O(1D), die durch Photodissoziation SO2 bis in die untere Stratosphäre transportiert wurden, des Ozons durch solare UV-B-Strahlung entstehen, ist war die optische Dicke der Aerosole global von vorher H2O an der Bildung von Hydroxyl-Radikalen (OH-) be- etwa 0,14 auf etwa 0,3 angestiegen, entsprechend einem teiligt, die Spurengase, so auch FCKW, aufspalten und RF von -3 W/m², und in den nachfolgenden Jahren wie- ihren chemischen Abbau einleiten:
+ hn → O( D) + O2 2 3. Aktuelle und potenzielle Gefahren für die Gesundheit photoallergische Reaktionen sowie b) chronische irre- O3 + hυ → O(1D) + O2 l < 310 nm versible Schäden an der Haut wie Porenerweiterung, Mitesser (Komedonen), Gefäßerweiterung (Teleangi- O(1D) + H2O → 2OH- ektasie) und Bindegewebsschädigung (Atrophie, solare Elastose), Schäden an der DNS (DesoxyriboNuklein- Die für luftchemische Prozesse, die Biosphäre und Säure), Mutationen und Abtötung von Zellen, Immun- Materialien relevanten aktinischen Wirkungen sind suppressionsreaktionen bis hin zur Photokarzinogenese wegen der mit abnehmender Wellenlänge pro Photon (insbesondere nicht-maligne Melanome wie Basal- und zunehmenden Strahlungsenergie vor allem im ultravio- Plattenepithelkarzinome), und Augenreizungen- und letten Spektralbereich (UV, 200–400 nm) und im kurz- Erkrankungen (Photokonjunktivits, Photokeratitis, Ka- welligen sichtbaren Bereich von Bedeutung. tarakte) (Lucas et al. 2006, Brenner & Hearing 2008). UV-Strahlung wirkt auch auf Pflanzen und Tiere, beein- Spektrale aktinische Wirkungen flusst aquatische Ökosysteme und beeinträchtigt die Ei- Aktinische Wirkungen sind sowohl durch ihre spektra- genschaften von Kunststoffen (vgl. Kap. 2.9 - Häder). len Charakteristiken als auch durch das Spektrum der Zu den günstigen Wirkungen der UV-Strahlung ge- Sonnenstrahlung bestimmt. Wirkungsspektren wurden hören biologische Schutz- und Reparaturmechanismen für einige der zahlreichen bekannten Wirkungen auf sowie die für den Mineralstoffwechsel des Menschen Biosphäre, Luftchemie und Materialien abgeleitet (z.B. bedeutsame Synthese des in der Epidermis (Oberhaut) Mckenzie et al. 2011). Auf den menschlichen Organis- befindlichen 7-Dehydrocholesterol in Provitamin D3, mus wirken sie vor allem über die Haut und die Augen. das durch thermische Isomerisierung in Vitamin D3 Eine über Photorezeptoren im Auge durch Strahlung (Cholecalciferol) umgewandelt wird. Von den Haut- kurzer Wellenlängen (370–620 nm, Maximum im blau- zellmembranen wird es über ein Vitamin-D-bindendes en Teil bei 450 nm) des sichtbaren Bereichs (370–780 Protein mit dem Blutplasma zur Leber transportiert und nm, Maximum im grünen Teil bei 555 nm) ausgelöste dort zu Calcidiol (25-Hydroxy-Vitamin D = 25(OH)D) aktinische Wirkung ist die Unterdrückung der Produk- mit einer Halbwertszeit im Blut von 1 bis 2 Monaten tion des Hormons Melatonin, das in der Zirbeldrüse hydroxiliert. Vitamin D3 spielt eine wesentliche Rol- aus Serotonin gebildet wird. Es fördert die Schläfrig- le für die Regulierung des Kalziumspiegels im Blut keit und trägt zur circadianen Rhythmik (Schlaf-Wach- und für den Knochenaufbau (Web & Holick 1988, Zyklus) bei (Brainard et al. 2001). Die in den Win- Holick 1992, WHO 1994, UNEP 1998). Ein Mangel termonaten sehr niedrigen Solarstrahlungswerte an der an Vitamin D3 kann zu Knochen-Erkrankungen wie Erdoberfläche in mittleren und hohen geographischen Rachitis bei Kindern und Osteoporose, Osteomalazie Breiten werden als eine der möglichen Ursachen für und Muskelschmerzen und –zucken bei Erwachsenen die saisonal-affektive Störung (Winterdepression) an- führen und ist nach neueren Erkenntnissen auch ein gesehen. Im Tagesverlauf ist der relative Anteil der die Risikofaktor für Autoimmunerkrankungen wie Multi- Hemmung der Melatonin-Produktion verursachenden ple Sklerose und Morbus Crohn, Hautkrankheiten wie Strahlung an der sichtbaren Solarstrahlung bei nied- Psoriasis, Infektionskrankheiten wie Tuberkulose, und rigem Sonnenstand, d.h. in den beiden Randstunden je- Bluthochdruck. weils nach Sonnenaufgang und vor Sonnenuntergang, Ein geringer Vitamin-D3-Gehalt im Blut von we- um bis zu 60% größer als für höhere Sonnenstände. niger als 20–40 ng/ml (50–100 nmol/l) 25(OH)D kann Der Blauanteil ist bei wolkigem Himmel im Mittel um auch Folge einer nicht ausreichenden UV-B-Strahlungs- rund 20% bis 40% größer als bei wolkenlosem Himmel Exposition sein. In den Monaten November bis Februar (Feister & Franke 2011). Langzeitige Änderungen des trifft auf die Horizontalfläche im deutschen Flachland Strahlungsklimas können nicht nur die Absolutwerte ganztägig eine solare erythemwirksame Bestrahlung der Melatoninsuppression erhöhen oder vermindern, von ca. 1 bis 9 SED (Standard-Erythem-Dosis), (1 sondern auch die ‚Blauanteile’ der Solarstrahlung und SED = 100 (J/m²)ER), entsprechend 0,25–2,25 MED somit den relativen Anteil der Melatoninsuppression (Minimale Erythem-Dosis oder minimale Hautrötung zum Lichtanteil verändern. für Hauttyp 2) (Feister et al. 2011). Aufgrund der Ab- Durch Strahlung bedingte Wirkungen können als schattung des Himmels durch Gebäude und Bäume, nachteilig empfunden oder auch als günstig angesehen nicht-horizontaler geneigter oder senkrechter Körper- werden. Beispiele für nachteilige Wirkungen der UV- flächen, des je nach Tätigkeit und Freizeitverhalten Strahlung beim Menschen sind a) akute Wirkungen eingeschränkten Freiluftaufenthalts sowie des geringen wie Erythembildung (Hautrötung, Sonnenbrand mit Anteils unbekleideter Hautoberfläche (Hände 2%, Kopf Ödembildung), Pigmentierung, phototoxische und 9% der Körperfläche) liegt die tatsächliche tägliche
3.1.2 U. Feister Strahlungsexposition im Winter weit unter 1 SED. Da Walrossen und Robben ausgeglichen wurde. Menschen das normierte Wirkungsspektrum der Vitamin-D3-Syn- mit geringerer konstitutiver Pigmentierung und der these im UV-B-Bereich etwas größere Werte annimmt Fähigkeit, durch Anpassung an jahreszeitliche Ände- als das Erythemwirkungsspektrum, sind die Verhält- rungen der Solarstrahlung (fakultative Pigmentierung nisse zwischen Vitamin-D3- wirksamer und erythem- (Bräunung) in Abhängigkeit vom Hauttyp) konnten mit wirksamer Strahlung (VD3/ERY) von der Sonnenhöhe dem geringeren Angebot an Vitamin-D3- wirksamer über dem Horizont und von den atmosphärischen Be- Strahlung einen besseren Gesundheitszustand erhalten, dingungen – insbesondere vom atmosphärischen Ge- der zusammen mit anderen Einflussfaktoren günstigere samtozongehalt – abhängig. Sie betragen zwischen ca. Fortpflanzungschancen ermöglichte. Kleidung, die als 0,3 für große Ozonwerte und niedrigen Sonnenstand Kälteschutz erforderlich war (ab etwa 0,083 bis 0,17 (»langer Strahlweg«) und 2 für geringen Ozongehalt Ma) (Toups et al. 2011, reduzierte den Anteil der auf und hohen Sonnenstand (»kurzer Strahlweg«). Optisch die Haut gelangenden Strahlung. Darüber hinaus beein- sehr dicke Wolken wie Cumulonimbus können durch flussten Körperbehaarung, die Art der Tätigkeit (Jagd, starke Ozonabsorption auf dem verlängerten Strahlweg ab ca. 0,01 Ma Landwirtschaft) und die Dauer des Auf- in der unteren Atmosphäre die Verhältnisse VD3/ERY enthalts im Freien die auf die Haut treffende Sonnen- auf die Hälfte ihrer Werte verringern, die sie ohne Wol- strahlung. ke erreicht hätten (Feister et al. 2011). Erzwungene oder freiwillige Migration als Fol- Neuere Ergebnisse der Forschung in der Anthropo- ge von Gewalt, Klimaänderung und Nahrungsmangel logie, der Genforschung und der Paläoklimatologie des beschleunigten sich in den in den letzten 500 Jahren. Quartärs (2,6 Ma) haben unser Wissen darüber wesent- Allein durch den Sklavenhandel zwischen dem 16. und lich erweitert, wie Menschen aus Afrika in andere Teile 19. Jahrhundert wurden rund 11 Millionen Afrikaner in der Welt migrierten und sich den neuen Umgebungen die neue Welt verschleppt. Bezogen auf die Gesamtzahl anpassten. Es gibt zunehmend Hinweise darauf, dass die der rund 500 Millionen um das Jahr 1500 auf der Erde durch solare UV-Strahlung bedingte Vitamin-D3-Syn- lebenden Menschen entspricht das einem Anteil von bis these in der Evolution indirekt die Hautpigmentierung zu 2% der damaligen Weltbevölkerung. Die Entdeckung des Menschen maßgeblich beeinflusst hat (Chaplin & anderer Kontinente (Amerikas, Australien) durch Euro- Jablonski 2009, Jablonski 2004, 2012, Jablonski & päer im 15. und 16. Jahrhundert und ihre nachfolgende Chaplin 2000, 2012, Juzeniene et al. 2009). Die jähr- Inbesitznahme hatte auch dazu geführt, dass immer liche erythemwirksame Bestrahlung im tropischen mehr Hellhäutige sich in tropischen Regionen ansie- Gürtel des afrikanischen Kontinents zwischen 30° N delten. Inwieweit 20 bis 25 Generationen ausreichend und 30° S beträgt rund das Dreifache der weiter nörd- sind, eine Anpassung an des Strahlungsklima der neu- lich und südlich in 45° geographischer Breite an der en Umgebung zu erreichen, ist nicht geklärt. Als Folge Oberfläche eintreffenden Bestrahlung. Der Verlust der von Industrialisierung und zunehmender Urbanisierung Körperbehaarung der in offenen Buschlandschaften ab dem 19. Jahrhundert lebt und arbeitet ein immer und Savannen lebenden Homininen vor 1 bis 2 Ma größer werdender Teil der modernen Gesellschaft im verbesserte ihre Thermoregulation durch Schwitzen. Innern von Gebäuden und in Städten, in denen durch Dadurch wurde ein anderer effektiver Schutz vor der Bebauung und Luftverunreinigung die personenbezo- intensiven UV-Strahlung erforderlich, den die immer gene Strahlungsexposition zusätzlich reduziert ist. Die stärkere Hautpigmentierung durch das Eumelanin der nachteiligen Folgen des Strahlungsmangels in hohen Haut bot (Brenner & Hearing 2008). Die Absorption Breiten können durch ungeeignete Ernährung und den der UV-Strahlung durch das Melanin verhindert den durch die Mode bestimmten Kleidungsstil verschärft Photozerfall von Folsäure (Branda & Eaton 1978, Off werden. Die Erkenntnis der Nichtangepasstheit eröff- et al. 2005, Juzeniene et al. 2013), welche die Zelltei- net andererseits Möglichkeiten zur bewussten Ände- lung begünstigt, und verringert das Risiko für Fehlbil- rung des Verhaltens. dungen der Nachkommen. Vor rund 1,8 Ma begann die Migration des Homo erectus und ab etwa 0,1 Ma die Änderungen aktinischer Wirkungen des Homo sapiens aus Ostafrika nach Norden. In hö- Die Größe der solaren UV-Strahlung an der Erdoberflä- heren geographischen Breiten mit geringerer jährlicher che ist abhängig von der Sonnenhöhe über dem betref- UV-Bestrahlung war die starke Hautpigmentierung hin- fenden Ort, d.h. der Jahres- und Tageszeit, der Höhe des derlich, um eine ausreichende Vitamin-D3-Bildung zu Ortes über dem Meeresspiegel, der Menge und der op- ermöglichen, wenn sie nicht wie bei den in der Arktis tischen Dicke der Wolken, der Konzentration und den lebenden Inuit und Yupik durch traditionelle Vitamin- optischen Eigenschaften der Aerosole, der Erdboden- D-reiche Ernährung wie aus dem rohen Fett von Walen, albedo (insbesondere Schnee- und Eisbedeckung) und
3. Aktuelle und potenzielle Gefahren für die Gesundheit für den kurzwelligen Teil des UV-Bereichs auch dem Strahlung zu wieder abnehmenden Werten um die Mitte Ozongesamtgehalt in der darüber liegenden Luftsäule des ersten Jahrzehnts dieses Jahrhunderts als Folge der sowie in geringerem Maß auch den Konzentrationen wieder zunehmenden Ozonwerte ist durch die Abnah- anderer, im UV-Bereich absorbierender Spurengase. me der Aerosolkonzentration in diesem Zeitraum etwas Durch die Emission der FCKW nahmen die Werte des verzögert worden (Zerefos et al. 2011). stratosphärischen Ozons seit den 1970er Jahren ab. Als Zukünftig erwartete weltweite Änderungen der Folge der Ozonabnahme nahmen die Werte der UV-B- erythemwirksamen Strahlung wurden mit einem Strah- Strahlung an der Erdoberfläche zu. An europäischen lungstransportmodell berechnet, das mit Ozon- und Stationen betrug die Zunahme der erythemwirksamen Bewölkungswerten für den Zeitraum 1960 bis 2100 aus UV-Strahlung von 1980 bis 2006 im Mittel 0,3 bis Simulationen mit 14 Chemie-Klimamodellen versorgt 0,6% pro Jahr (den Outer et al. 2010). Etwa 2/3 dieses wurde. Die Ergebnisse zeigen langzeitige Abnahmen der Betrages werden der Abnahme der Bewölkung und erythemwirksamen Bestrahlung in mittleren und hohen 1/3 der Ozonabnahme zugeschrieben. Die beobachtete Breiten beider Hemisphären zwischen -3 und -16% im Umkehr von zunehmenden Jahressummen der UV-B- Vergleich zu den Werten 1975–1984 (Bais et al. 2011). Abb. 3.1.2-2: Prozentuale Änderungen der jährlichen erythemwirksamen Bestrahlung im Zeitraum 1960–2100 bezo- gen auf den Zeitraum 1975–1985 für verschiedene geographische Breitengürtel nach Strahlungstransportmodellrech- nungen für Klimamodellvorhersagen (Bais et al. 2011 - Mit freundlicher Genehmigung des Autors).
3.1.2 U. Feister Nur in den Tropen, in denen die erythemwirksame Be- direkte Wärmeabgabe durch Energieumwandlung und strahlung ohnehin am höchsten ist und die sich zudem den menschlichen Stoffwechsel (ca. 70–100 W/Per- als Folge des Klimawandels zu höheren Breiten hin son) ist zwar im globalen Mittel mit 0,027 W/m² gering ausweiten, nimmt die erythemwirksame Bestrahlung und beträgt nur ca. 1% des gesamten RF. In urbanen durch Intensivierung der atmosphärischen Zirkulation Siedlungsgebieten erreicht sie jedoch 20–70 W/m² und und abnehmende Bewölkung langzeitig im globalen nimmt in Großstädten noch höhere Werte an (Shanghai Mittel um ca. 1%, im Frühjahr und Sommer regional 173 W/m²) (Crutzen 2004). Ihr Beitrag übersteigt in sol- bis zu +10% zu (Abb. 3.1.2-2). In der Prognose nicht chen Gebieten die übrigen anthropogenen Einflüsse um berücksichtigt wurden hierbei chemische Prozesse der eine Größenordnung (vgl. Abb. 3.1.2-1). Der in einem unteren Atmosphäre (Troposphäre), nicht vorhersag- wärmeren Klima erhöhte Bedarf an Klimatisierung kann bare Vulkaneruption und nicht vorhersagbare Ände- die direkte Wärmeabgabe weiter ansteigen lassen. Die rungen der extraterrestrischen Solarstrahlung. Fortführung und Verbesserung von Messungen und Variationen der von der Sonne ausgehenden Strah- globalen und regionalen Klimamodellvorhersagen der lung können im kurzwelligen UV-Bereich viel größer solaren spektralen Strahlung in einem sich wandeln- und sogar entgegengesetzt gerichtet zu Änderungen den Klima werden dazu beitragen, günstige aktinische im Bereich größerer Wellenlängen sein (Haigh et al. Wirkungen für die Erhaltung und Verbesserung der Ge- 2010). Rekonstruktionen der solaren spektralen Strah- sundheit besser nutzen und Risiken ihrer nachteiligen lung aus der solaren Aktivitätsvariation ergeben für Folgen effektiver verringern zu können. die vergangenen 400 Jahre eine nur geringe Zunahme von 1,25 W/m² (0,02%) der totalen Strahlung im ge- Literatur samten Spektralbereich, jedoch größere Zunahmen im Albrecht, B. (1989): Aerosols, cloud microphys- UV-Bereich von rund 1% für den Wellenlängenbereich ics and fractional cloudiness. Science 245, 1227 250–350 nm und bis zu 50% bei sehr kurzen Wellen- – 1230. längen um 121,6 nm (Krivova et al. 2010). In diesem Bais, A. F., K. Tourpali, A. Kazantzidis, H. Zeitraum nahmen als Folge erhöhter solarer Aktivität Akiyoshi, S. Bekki, P. Braesicke, M. P. die UV-C-Strahlung in der oberen und mittleren Atmo- Chipperfield, M. Dameris, V. Eyring, H. Garny, D. Iachetti, P. Jöckel, A. Kubin, sphäre zu, der stratosphärische Ozongehalt ebenfalls zu U. Langematz., E. Mancini, M. Michou, O. und die UV-B-Strahlung an der Erdoberfläche global Morgenstern, T. Nakamura, P. A. New- um ca. 9–13% ab (Rozema et al. 2002). man, G. Pitari, D. A. Plummer, E. Roza- nov, T. G. Shepherd, K. Shibata, W. Tian & Regionale Aspekte Y. Yamashita (2011): Projections of UV radiation Der weitere Verlauf des Klimawandels wird davon changes in the 21st century: impact of ozone recov- ery and cloud effects. Atmos. Chem. Phys. 11, 7533– abhängen, wie sich die anthropogenen Emissionen 7545. www.atmos-chem-phys.net/11/7533/2011/. entwickeln werden. Die Weltbevölkerung von ca. 7,2 doi:10.5194/acp-11-7533-2011. Milliarden Menschen im Jahre 2013 wird bis zum Jahre Brainard, G. C., J. P. Hanifin,J. M. Greeson, 2050 nach UN-Schätzungen auf ca. 9 Milliarden anstei- B. Byrne, G. Glickman, E. Gerner & M. D. gen. Bereits heute leben mehr als 50% der Menschen in Rollag (2001): Action Spectrum for Melatonin Städten, von denen im Jahre 2013 bereits 28 Megastäd- Regulation in Humans: Evidence for a Novel Circa- te mit mehr als 10 Millionen Einwohnern waren. Bis dian Photoreceptor. The Journal of Neuroscience, 21 2050 wird der Anteil der in Städten lebenden Menschen (16), 6405-6412. Branda, R. F. & J. W. Eaton (1978): Skin color nach UN-Schätzungen rund 2/3 betragen. Die Beson- and nutrient photolysis: an evolutionary hypothesis. derheiten des Klimas der Städte als »Wärmeinseln« mit Science 18 August 1978, 201, no. 4356, 625-626. im Vergleich zum Umland reduziertem Luftaustausch, doi:10.1126/science.675247. durch Flächenversiegelung und Bebauung modifi- Brenner, M. & V. J. Hearing (2008): The pro- zierten Strömen fühlbarer und latenter Wärme, erhöh- tective role of melanin against UV damage in hu- ten Konzentrationen von Luftverunreinigungen und man skin. Photochm. Photobiol. 84 (3), 539-549. bei dichter Bebauung einer verringerten Solarstrahlung doi:10.1111/j.1751-1097.2007.00226.x. bei gleichzeitig erhöhter Wärmestrahlung können die Chaplin, G. & N. G. Jablonski (2009): Vitamin D and the evolution of human depigmentation. Am. für Regionen prognostizierten Klimaänderungen in J. Phys. Anthropol. 139, 451-461. doi: 10.1002/ urbanisierten Gebieten deutlich modifizieren. Akti- ajpa.21079. nische Wirkungen in industrialisierten Regionen und Crutzen, P. J. (2004): New Directions: The growing Stadtgebieten können sich deshalb erheblich von re- urban heat and pollution “island” effect - impact on gionalen und globalen Wirkungen unterscheiden. Die chemistry and climate. Atmos. Environm. 38, 3539-
3. Aktuelle und potenzielle Gefahren für die Gesundheit 3540. sorbing aerosols on marine stratocumulus. Q. J. R. Den Outer, P. N., H. Slaper, J. Kaurola, Meteorol. Soc. 130, 1407-1422. A. Lindfors, A. Kazantzidis, A. F. Bais, Juzeniene, A., R. Setlow, A. Porojnicu, A. U. Feister, J. Junk, M. Janouch & W. Jo- H. Steindal & J. Moan (2009): Development sefsson (2010): Reconstructing of erythemal of different human skin colors: A review highlight- ultraviolet radiation levels in Europe for the past 4 ing photobiological and photobiophysical aspects. decades. J. Geophys. Res. 115, D10102. doi:10.1029/ J. Photochemistry and Photobiology B: Biology 96, 2009JD012827. 93-100. doi: 10.1016/j.jphotobiol.2009.04.009. DWD (2013): Zahlen und Fakten zum Klimawandel in Juzeniene, A., T.T.T. Tam, V. Iani & J. Moan Deutschland. Klima-Pressekonferenz des Deutschen (2013): The actions spectrum for folic acid photo- Wetterdienstes am 7. Mai 2013 in Berlin. http://www. degradation in aqeous solutions. J. Photochemis- dwd.de/klimawandel. try and Photobiology B: Biology. doi:http://dx.doi. Feister, U. & S. Franke (2011): Aerosols and org/10.1016/j.jphotobiol.2013.05.011. cloud effects on solar spectral irradiance. Proceed- Kopp, G. & J. L. Lean (2011): A new, lower value ings of NEWRAD 2011 (11th International Con- of total solar irradiance: Evidence and climate sig- ference on New Developments and Applications in nificance. Geophys. Res. Lett. 36, L01706, 1 – 7. Optical Radiometry, 19 – 23 September 2011, Maui, doi:10.1029/2010GL045777. HI), Ed. by Seongchong Park, KRISS and Erkki Krivova, N. A., L. E. A. Vieira & S. K. Solanki Ikonen, MIKES, 79-80. http://newrad2011.aalto.fi/ (2010): Reconstruction of solar spectral irradiance Feister, U., G. Laschewski & R.-D. Grewe since the Maunder minimum. J. Geophys. Res. 115, (2011): UV index forecasts and measurements A12112. doi:10.1029/2010JA015431. of health-effective radiation. J. Photochemistry Le Quéré, C., G. P. Peters, R. J. Andres, R. M. and Photobiology B: Biology 102 (2011) 55-68. Andrew, T. Boden, P. Ciais, P. Friedling- doi:10.1016/j.jphotobiol.2010.09.005. stein, R. A. Houghton, G. Marland, R. Haigh, J. D., A. R. Winning, R. Toumi & J. W. Moriarty, S. Sitch, P. Tans, A. Arneth, Harder (2010): An influence of solar spectral A. Arvanitis, D. C. E. Bakker, L. Bopp, J. variations on radiative forcing of climate. Nature G. Canadell, L. P. Chini, S. C. Doney, A. 467, 696-699. doi:10.1038/nature09426. Harper, I. Harris, J. I. House, A. K. Jain, S. Hansen,J., M.Sato & R. Ruedy (1997): Radiative D. Jones, E. Kato, R. F. Keeling, K. Klein forcing and climate response. J. Geophys. Res. 102 Goldewijk, A. Körtzinger, C. Koven, N. (D6), 6831-6864. Lefèvre, A. Omar, T. Ono, G.-H. Park, B. Holick, M. F. (1992): Vitamin D3 and sunlight. An Pfeil, B. Poulter, M. R. Raupach, P. Reg- intimate beneficial relationship. In: Biological ef- nier, C. Rödenbeck, S. Saito, J. Schwing- fects of light. Walter de Gruyter & Co., Berlin, New er, J. Segschneider, B. D. Stocker, B. York, 11-33. Tilbrook, S. van Heuven, N. Viovy, R. IPCC (2013): Climate Change 2013: The Physical Sci- Wanninkhof, A. Wiltshire, S. Zaehle & ence Basis. Contribution of Working Group I to the C. Yue (2013): Global carbon budget 2013. Earth Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Syst. Sci. Data Discuss. 6, 689-760. www.earth-syst- Panel on Climate Change. Eds.: Stocker, T. F., D. sci-data-discuss.net/6/689/2013/. doi:10.5194/essdd- Qin, G.-K. Plattner, M. Tignor, S. K. Allen, J. Bosc- 6-689-2013. hung, A. Nauels, Y. Xia, V. Bex and P. M. Midgley. Lucas, R., T. McMichael, W. Smith & B. Cambridge University Press, Cambridge, United Armstrong (2006): Solar Ultraviolet Radiation. Kingdom and New York, NY, USA, in press. Global burden of disease from solar ultraviolet radia- Jablonski, N. G., (2004): The evolution of human tion. Environmental Burden of Disease Series, No. skin and skin color.Annu. Rev.Anthropol. 33, 585-623. 13, Ed. by Annette Prüss-Üstün, Hajo Zeeb, Colin doi: 10.1146/annurev.anthro.33.070203.143955. Mathers, Michael Repacholi, World Health Organi- Jablonski, N. G. (2012): Living Color. The biologi- zation. Public Health and the Environment. Geneva cal and social meaning of skin color. University of 2006. pp. 250. California press. Berkeley, Los Angeles, London, pp. McKenzie, R. L., P. J. Aucamp, A.F. Bais, L. O. 260. ISBN 978-0-520-25153-3. Björn, M. Ilyas & S. Madronich (2011): Jablonski, N. G. & G. Chaplin (2000): The evo- Ozone depletion and climate change: impacts on UV lution of human skin coloration. Journal of Human radiation. Photochemical & Photobiological Scienc- Evolution 39, 57-106. doi:10.1006/jhev.2000.0403. es 10, 182 -198. doi:10.1039/c0pp90034f. Jablonski, N. & G. Chaplin (2012): Human skin Off, M. K., A. E. Steindal, A. C. Porojnicu, A. pigmentation, migration and disease susceptibility. Juzeniene, A. Vorobey, A. Johnsson & J. Phil. Trans. R. Soc. B 367, 785-792. doi:10.1098/ Moan (2005): Ultraviolet photodegradation of folic rstb.2011.0308. acid. J. Photochemistry and Photobiology B: Biology Johnson, B.T., K. P. Shine & P. M. Forster 80 (1), 47 – 55. http://dx.doi.org/10.1016/j.jphotobio (2004): The semi-direct aerosol effect. Impact of ab- l.2005.03.001.
3.1.2 U. Feister Ohmura, A. & H. Lang (1989): Secular variation ing at the surface as simulated in transient climate of global radiation in Europe. In IRS ‘88: Current change experiments. In: IRS 2000, Current Problems Problems in Atmospheric Radiation, Eds.: Lenoble, in Atmospheric Radiation, 745-748. (Eds.: Smith J. and Geleyn, J.-F., A. Deepak Publ., Hampton, VA, & Timofeyev, ISBN 0-937194-43-3. Publ., (635) pp. 298-301. ISBN 978-0937194164. Wild, M., H. Gilgen, A. Roesch, A. Ohmura, Rozema, J., B. van Geel, L. O. Björn, J. Lean C. N. Long, E. G. Dutton, B. Forgan, A. & S. Madronich (2002): Toward Solving the Kallis, V. Russak & A. Tsvetkov (2005): UV Puzzle. Science 296, 1621; DOI: 10.1126/sci- From dimming to brightening: Decadal changes in ence.1070024. solar radiation at Earth’s surface. Science 308, 847- Schmidt, G. A., R. A. Ruedy, R. L. Miller & A. 850. A. Lacis (2010): Attribution of the present-day to- Wild, M., D. Folini, C. Schar, N. Loeb, E.G. tal greenhouse effect. J. Geophys. Res. 115, D20106. Dutton & G. König-Langlo (2013): The doi:10.1029/2010JD014287. global energy balance from a surface perspective. Solomon, S., K. H. Rosenlof, R. W. Port- Clim. Dyn. 40, 3107-3134. doi:10.1007/s00382- mann, J. S. Daniel, S. M. Davis, T. J. San- 012-1569-8. ford & G.-K. Plattner (2010): Contributions WHO (1994): Ultraviolet Radiation. Environmental of Stratospheric Water Vapor to Decadal Changes in Health Criteria 160. World Health Organization. Ge- the Rate of Global Warming. SCIENCE , VOL 327, neva. 1994, pp. 352. 5 March 2010, 1219-1223. Young, P. J., A. T. Archibald, K. W. Bow- Sonntag, D. (1994): Advancements in the field of man, J.-F. Lamarque, V. Naik, D. S. Ste- hygrometry, Meteorol. Z., N. F. 3, 51-66. venson, S. Tilmes, A. Voulgarakis, O. Toups, M. A., A. Kitchen, J. E. Light & D. L. Wild, D. Bergmann, P. Cameron-Smith, Reed (2011): Origin of clothing lice indicates early I. Cionni, W. J. Collins, S. B. Dalsøren, R. clothing use by anatomically modern humans in Af- M. Doherty, V. Eyring, G. Faluvegi, L.W. rica. Mol. Biol. Evol. 28 (1), 29 – 32, first published Horowitz, B. Josse, Y. H. Lee, I. A. MacK- online September 7, 2010. doi:10.1093/molbev/ enzie, T. Nagashima, D. A. Plummer, M. msq234. Righi, S. T. Rumbold, R. B. Skeie, D. T. Shin- Trenberth, K. E., J. T. Fasullo & J. Kiehl dell, S. A. Strode, K. Sudo, S. Szopa & G. (2009): Earth’s global energy budget. Bull. Amer. Zeng (2013): Pre-industrial to end 21st century pro- Meteor. Soc. 90, 311-323. http://dx.doi.org/10.1175/ jections of tropospheric ozone from the Atmospheric 2008BAMS2634.1. Chemistry and Climate Model Intercomparison Twomey, S. A. (1977): The influence of pollution on Project (ACCMIP). Atmos. Chem. Phys. 13, 2063- the shortwave albedo of clouds. J. Atmos. Sci. 34, 2090. www.atmos-chem-phys.net/13/2063/2013/ 1149–1152. doi:10.5194/acp-13-2063-2013 UNEP (1998): Environmental Effects Panel Report. Zerefos, C.S., K. Tourpali, K. Elefthera- Pursuant to Article 6 of the Montreal Protocol on tos, S. Kazadzis, C. Meleti, U. Feister, T. Substances that deplete the Ozone layer under the Koskela & A. Heikkilä (2011): Evidence of a Auspices of the United Nations Environment Pro- possible turning point of UVB increase over Canada, gramme (UNEP). 1-205. Europe and Japan. Atmos. Chem. Phys. Discuss. Vonder Haar, T. H., J. L. Bytheway & J. M. 11, 28545-28561. www.atmos-chem-phys-discuss. Forsythe (2012): Weather and climate analyses net/11/28545/2011/doi:10.5194/acpd-11-28545- using improved global water vapor observations. 2011. Geophys. Res. Lett. 39, L15802. doi:10.1029/ 2012GL052094. Kontakt: Webb, A. R. & M.F. Holick (1988): The role of Dr. Uwe Feister sunlight in the cutaneous production of vitamin D3. Deutscher Wetterdienst (DWD) Annual Review of Nutrition 8, 375-399. Meteorologisches Observatorium, Lindenberg Wild, M. & A. Ohmura (2000): Long-wave forc- uwe.feister@dwd.de Feister, U. (2014): Klimawandel und strahlungsbedingte (aktinische) Wirkungen. In: Lozán, J. L., Grassl, H., Karbe, L. & G. Jendritzky (Hrsg.). Warnsignal Klima: Gefahren für Pflanzen, Tiere und Menschen. 2. Auflage. Elektron. Veröffent. (Kap. 3.1.2) - www.klima-warnsignale.uni-hamburg.de. 10
Sie können auch lesen