3.1.2 Klimawandel und strahlungs

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3.1.2 Klimawandel und strahlungs
3. Aktuelle und potenzielle Gefahren für die Gesundheit

3.1.2 Klimawandel und strahlungs-
      bedingte (aktinische) Wirkungen
             Uwe Feister
 Climate change and actinic effects: Anthropogenic emissions of gases and aerosols have changed the com-
 position of the Earth’s atmosphere. Resultant radiative forcings have altered atmospheric radiative trans-
 fer, which affects the biosphere, air chemistry and materials, and have caused climate changes on global
 and regional scales. Changes in solar spectral irradiance reaching the Earth’s surface result in changes of
 actinic effects. One of the most noticeable results of solar actinic effects is human skin pigmentation. Re-
 production of the ancestral genus Homo living in African savannas with high annual solar UV exposure
 was favored by a dark constitutive skin pigmentation that protected folic acid in the blood from actinic de-
 gradation. Migration waves of darkly pigmented hominins from 1.8 Ma and 0.1 Ma onwards from tropi-
 cal Africa to higher latitudes considerably reduced their average annual UV exposure and subjected them
 large seasonal changes. Evolutionary adaptation to the changed climate by brighter constitutive pigmenta-
 tion and development of facultative pigmentation (tanning according to UV exposure) avoided adverse ef-
 fects on health and reproduction that result from a lack of vitamin D3 synthesis. In recent centuries, fast
 voluntary and forced migration to other climate zones, urbanization and increasing indoor work, changing
 diet and clothing, and new recreational habits have occurred at short time scales. Depending on personal
 skin type and outdoor behavior, inadequate adaptation of humans to solar actinic exposure can contri-
 bute to health problems. Changes in actinic effects can be expected to occur in the coming decades as a
 result of climate change the degree of which will also depend on reduction of CO2 and trace gas emissions.

Konzept des Radiative Forcing                                 nen totalen Bilanz der Bestrahlungsstärke verstanden,
Jede aktinische, d.h. durch photochemische und pho-           das ist die Summe aus kurzwelliger Solarstrahlung und
tobiologische Prozesse ausgelöste Strahlungswirkung           langwelliger atmosphärischer sowie terrestrischer Wär-
wird durch ihr charakteristisches Wirkungsspektrum und        mestrahlung; abwärts minus aufwärts gerichtet, in W/m²
das Sonnenstrahlungsspektrum bestimmt, das nach dem           an der Grenzfläche zwischen Troposphäre (in mittleren
Durchgang der Solarstrahlung durch die Erdatmosphäre          geographischen Breiten 0–12 km Höhe) und Stratosphä-
deutlich modifiziert ist. Im globalen Mittel trifft auf die   re (12–50 km Höhe). Diese Definition des RF schließt
Obergrenze der Erdatmosphäre eine Strahlungsleistung          ein, dass sich als Folge einer Störung die Temperaturen
der Sonne von 340,2 W/m² (Kopp & Lean 2011). Durch            in der Stratosphäre bis zum Wiedererreichen des Strah-
Rückstreuung der kurzwelligen Solarstrahlung (Erd-            lungsgleichgewichts nach einigen Monaten ändern dür-
oberfläche 7% + Atmosphäre 22% = 29%) und durch               fen, während die Temperaturen in der Troposphäre und
langwellige Ausstrahlung (Erdoberfläche 12% + Atmo-           an der Erdoberfläche konstant bleiben. Zusätzlich wird
sphäre 59% = 71%) (Trenberth et al. 2009, Wild et             in den letzten Jahren ein Effektives Radiative Forcing
al. 2013) gibt das System Erde/Atmosphäre eine eben-          (ERF) bestimmt, welches sich vom RF dadurch unter-
so große Strahlungsleistung an den Weltraum ab und            scheidet, dass es die Netto-Strahlungsleistung nicht an
befindet sich somit langfristig im Strahlungsgleichge-        der Tropopause, sondern an der Obergrenze der Atmo-
wicht mit der Umgebung. Von der Erdoberfläche wird            sphäre angibt und dass die Temperaturen der gesamten
im globalen Mittel eine Solarstrahlungsleistung von           Atmosphäre und der Landoberflächen sowie atmosphä-
161 W/m² absorbiert. Schon die von einem kleinen              rischer Wasserdampfgehalt, Wolken und Erbodenalbedo
Teil der Erdoberfläche von 117 × 117 km² absorbierte          auf den Strahlungsantrieb reagieren dürfen (IPCC 2013).
Solarenergie entspricht dem gegenwärtigen globalen            Mit Ausnahme der Aerosolwirkungen durch Rußpartikel
Elektroenergieverbrauch von 1,93 × 1016 W×h pro Jahr.         sind die tatsächlichen Größenunterschiede zwischen
Wenn das Strahlungsgleichgewicht durch einen exter-           ERF und RF gering. Die Strahlungsantriebsleistung kann
nen Einfluss, beispielsweise eine Änderung der Solar-         positiv (Erwärmung) oder negativ (Abkühlung) sein. Für
strahlung, oder durch eine Änderung eines Parameters          die Berechnung des RF und ERF müssen die spektralen
innerhalb des Klimasystems der Erde (Geosphäre, Oze-          Charakteristiken von Absorption und Streuung durch die
ane, Kryosphäre, Biosphäre, Atmosphäre) gestört wird,         Atmosphärenbestandteile berücksichtigt werden.
muss sich ein neuer Gleichgewichtszustand einstellen.             Der Strahlungsantrieb führt zu Änderungen der Zir-
     Die Klimarelevanz einzelner anthropogener Ände-          kulation in Atmosphäre und Ozeanen, beeinflusst den
rungen lässt sich als zusätzliche Strahlungsantriebsleis-     hydrologischen Zyklus, zieht Änderungen der tempe-
tung oder Radiative Forcing (RF) beschreiben. Darunter        raturabhängigen chemischen Umsetzungen atmosphä-
wird die Änderung der auf die Flächeneinheit bezoge-          rischer Spurengase nach sich und verursacht eine Än-

                                                                                                                   
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3.1.2     U. Feister

derung des Energieaustauschs zwischen Erdoberfläche       ständiger Verbrennung vor allem fossiler Brennstoffe
und Atmosphäre durch langwellige Strahlungsprozesse       (Kohle, Erdöl und Erdgas) (97%) und durch die Ze-
sowie fühlbare und latente Wärmeflüsse. Interne Wech-     mentproduktion in einer globalen Gesamtquellstärke
selwirkungen und Rückkopplungen im Klimasystem            von 9,7 ± 0,5 Gt C pro Jahr (im Jahr 2012) (1 Gt = 1012
können die Klimawirkung und die aktinischen Wir-          kg) in die Atmosphäre abgegeben wird (Le Quéré et al.
kungen der ursprünglichen Störung verstärken oder ab-     2013). Fossile Brennstoffe decken derzeit noch immer
schwächen. Das Zusammenwirken der verschiedenen           etwa 81% des globalen Energiebedarfs mit einer Leis-
Prozesse und der resultierende Klimaeffekt lassen sich    tung von rund 16 TW (= 16 ×1012 W), das entspricht ca.
mit Hilfe gekoppelter Atmosphäre-Ozean-Modelle und        0,0092% der auf die Obergrenze der Atmosphäre tref-
Erdsystem-Modelle beschreiben.                            fenden Solarstrahlung. Etwas mehr als die Hälfte des
                                                          emittierten CO2 (30 bis 80% mit großer interannualer
Kohlendioxid und Spurengase                               Variation) akkumuliert in der Atmosphäre. Der Rest
Für anthropogene Strahlungsantriebe wird häufig als       wird von den Ozeanen sowie von den Landflächen (Ve-
Bezugszeitraum die Periode zwischen 1750 (vorindus-       getation, Boden) aufgenommen. Die atmosphärische
trielle Periode) und der Gegenwart gewählt. Die Kli-      CO2-Konzentration hat zwischen 1750 und 2013 von
mawirksamkeit einzelner Komponenten wird bestimmt         275–285 ppm (1 ppm = 10-6 Volumenanteile) auf 397
durch die Strahlungsabsorptionseigenschaften der Gase     ppm zugenommen, das entspricht einer Steigerung um
(Lage und Stärke der Absorptionsbanden), ihre Kon-        ca. 42%. Die gegenwärtige atmosphärische CO2-Kon-
zentration und Verweildauer in der Atmosphäre und im      zentration resultiert aus der gesamten Emission von 240
Falle der Aerosole auch durch ihre Streueigenschaften     Gt C, die seit 1750 durch Verbrennung fossiler Brenn-
für Strahlung. Den dominierenden direkten Klima-          stoffe und anthropogene Landnutzung in der Atmo-
einfluss einer einzelnen anthropogenen Komponente         sphäre akkumuliert wurden (IPCC 2013). Gleichzeitig
hat das Kohlendioxid (CO2), das als Endprodukt voll-      hat die CO2-Aufnahme durch die Ozeane zur Senkung

Abb. 3.1.2-1: Strahlungsantrieb (Radiative Forcing) in W/m² (direkt und indirekt) durch anthropogene Treibhausgase,
Aerosole und Landnutzung für das Jahr 2011 bezogen auf 1750. Zum Vergleich sind die direkte Wärmeabgabe und
Änderung der Solarstrahlung angegeben (nach IPCC 2013).


3. Aktuelle und potenzielle Gefahren für die Gesundheit

des pH-Wertes des Oberflächenwassers um 0,1 geführt.        Kopenhagen 1992, Wien 1995, Montreal 1997, Beijing
Das seit 1750 emittierte CO2 mit einem RF von 1,68 ±        1999). Trotz Begrenzung ihrer Emission erreichen die
0,35 W/m² trägt rund ¾ zum gesamten anthropogenen           im Protokoll erfassten Spurengase heute schon einen
ERF von 2,29 W/m² bei (Abb. 3.1.2-1).                       RF-Wert von (0.33 ± 0.03) W/m² (Abb. 3.1.2-1).
     Die atmosphärischen Konzentrationen chemisch re-
aktiver Treibhausgase haben ebenfalls langzeitig zuge-      Aerosole und Wolken
nommen. So stiegen die Konzentrationen von Methan           In der Luft schwebende flüssige und feste Partikel, die
CH4 (aus Landwirtschaft und Tierhaltung, Erdgasförde-       Aerosole, können sowohl direkt aus natürlichen Quel-
rung, Kohlebergbau, Mülldeponien und Kläranlagen)           len (Mineralstaub, Meersalz, Pollen, Pilze, Sporen,
von 715 ppb auf 1803 ppb (1 ppb = 10-9 Volumenan-           Algen, Bakterien, Viren) und anthropogenen Quellen
teile), die Konzentrationen der Fluor-Chlorkohlenwas-       (Verbrennung fossiler Brennstoffe und von Biomasse)
serstoffe (Treibmittel, Kunststoffe, Feuerlöschmittel,      emittiert werden, als auch durch Nukleation von Gasen
Lösungs- und Reinigungsmittel) mit teilweise sehr lan-      oder heterogene Kondensation von Gasen auf vorhan-
gen atmosphärischen Verweilzeiten, und von Distick-         denen Partikeln gebildet werden. Die Partikel, deren
stoffmonoxid N2O (aus Viehhaltung, Anbau von Legu-          Durchmesser sich über einen weiten Größenbereich
minosen und der Verbrennung fossiler Brennstoffe) von       von ca. 0,001–100 µm erstrecken, besitzen die Eigen-
270 auf 319 ppb. Diese Spurengase absorbieren nicht         schaft, Strahlung nicht nur zu absorbieren, sondern in
nur selbst Strahlung, sondern sie tragen zur Bildung und    meist weit größerem Maße in verschiedene Richtungen
auch zum Abbau anderer Treibhausgase und zur Aero-          zu streuen. Je nach optischen Eigenschaften, vor allem
solbildung bei. Beispiel hierfür ist die Bildung von Ozon   dem Anteil der Absorption an der Extinktion (= Streu-
(O3) in der Troposphäre durch Abbau von CH4 und an-         ung + Absorption) der Strahlung, tragen Aerosole ent-
deren flüchtigen organischen Verbindungen in Gebieten       weder zur Erwärmung oder zur Abkühlung bei (direkter
mit ausreichenden Stickoxidkonzentrationen (NOX). Das       Effekt). Während Rußpartikel wegen des hohen Strah-
Ozon trägt trotz kurzer Verweildauer von nur ca. 22 ±       lungsabsorptionsvermögens wärmend wirken, und
2 Tagen (Young et al. 2013) wesentlich zur Erwärmung        nach ihrer Deposition durch Verringerung des Reflexi-
der Troposphäre mit einem RF von (0,35 ± 0,20) W/m²         onsvermögens (Albedo) schneebedeckter Flächen zur
bei und beeinträchtigt die Luftqualität in Erdbodennähe     stärkeren Erwärmung der Erdoberfläche führen, wir-
(mehr dazu in Kap. 3.1.3 - Mücke). Modellrechnungen         ken die vorrangig streuenden Sulfatpartikel (SO42-) und
zeigen, dass die troposphärische Ozonkonzen­tration von     Nitrat­partikel (NO3-), die aus schwefelhaltigen Gasen
1850 bis 2000 im globalen Mittel um 29% zugenommen          (SO2, H2S, CS2, COS u.a.) und Stickstoffverbindungen
hat (Young et al. 2013).                                    (NH3, NOX) gebildet werden, Mineralstaubpartikel
     Die FCKW und Distickstoffoxid (N2O) sind nicht         sowie organische Kohlenstoffpartikel kühlend auf die
nur selbst Treibhausgase mit atmosphärischer Verweil-       untere Atmosphäre. Wasserlösliche Komponenten ent-
dauer von Jahrzehnten bis Jahrhunderten, sondern sie        haltende Aerosole wie Nitrat, Sulfat, Karboxylsäuren
werden durch solare UV-Strahlung (200–400 nm) in            und Meersalzpartikel sind als winzige Kondensations-
Radikale umgewandelt, die wesentlich zum Abbau des          kerne (≈ 0,1 µm) in der Wolkenbildung besonders effi-
stratosphärischen Ozons beitragen. Als Folge der ver-       zient und können zudem durch Wasseraufnahme ihre
ringerten stratosphärischen Ozonkonzentrationen wird        optischen Eigenschaften ändern. Ihre von der Masse
weniger Solarstrahlung im Spektralbereich des UV-C          (Partikeldurchmesser) abhängige Verweildauer in der
(200–280 nm) und UV-B (280–315 nm) absorbiert, so           Troposphäre reicht von Minuten bis zu Wochen.
dass sich die Stratosphäre abkühlt. Auch Quellgase mit          Zu den indirekten, über die Wechselwirkung zwi-
kurzer Verweildauer in der Atmosphäre und sehr gerin-       schen Aerosol und Wolken ausgelösten Effekten ge-
ger Strahlungsabsorption wie Kohlenmonoxid CO und           hören a) der »Wolken-Albedo-Effekt« (1.indirekter
Stickoxide NOX tragen indirekt zum Treibhauseffekt          Effekt oder Twomey-Effekt, Twomey 1977) mit einer
bei, indem sie zur photochemischen Bildung von Treib-       Erhöhung der Wolken-Albedo durch Zunahme der klei-
hausgasen (RF positiv) beitragen, aber auch zur Nitrat-     nen Wolkenkondensationskerne in Wasserwolken oder
bildung (NO3-) und heterogenen Reaktionen an der            der Eiskerne in Misch- und Eiswolken bei konstantem
Oberfläche von Aerosolpartikeln und einem dadurch           Flüssigwassergehalt, b) der »Wolken-Existenz­dauer-
bedingten negativen RF führen. Einen frühzeitigen           Effekt« (2. indirekter Effekt oder Albrecht-Effekt,
Beitrag zur Begrenzung des Treibhauseffekts durch           Albrecht 1989) durch Verlängerung der Existenzdauer
FCKW hat das 1987 vereinbarte »Montreal-Protokoll«          der Wolken und Abnahme der Niederschlagseffizienz
zum Schutz der Ozonschicht mit seinen späteren Prä-         und c) der »halb-direkte Effekt« (Hansen et al. 1997,
zisierungen und Ergänzungen geleistet (London 1990,         Johnson et al. 2004) absorbierender Aerosole in Wol-

                                                                                                                 
O3

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ken als Folge der zusätzlichen Strahlungsabsorption,       der zurückgegangen. Langzeitmessungen zeigen, dass
die gefolgt ist von Erwärmung, Verdunstung und der         in den vergangenen einhundert Jahren trotz kühlender
Tendenz zur Wolkenauflösung. Der ERF-Wert aus der          Wirkung der Aerosole und Wolken die Temperaturen
Wechselwirkung Aerosol/Wolken liegt zwischen -0,1          an der Erdoberfläche im globalen Mittel um 0,85 ±
W/m² und -1,9 W/m². Die aus Aerosol- und Wasser-           0,20 °C angestiegen sind (IPCC 2013). In Deutschland
dampfemissionen von Flugzeugtriebwerken in der obe-        erhöhte sich die Jahresmitteltemperatur zwischen 1881
ren Troposphäre gebildeten Kondensstreifen und aus         und 2012 um 1,2 °C, und die Niederschlagsmenge nahm
ihnen entstandene hohe Cirrus-Wolken tragen in nur         um rund 10% zu (DWD 2013). Die Temperaturände-
geringem Maße zur Erwärmung bei (RF = 0,05 W/m²).          rungen betreffen nicht nur die Mittelwerte, sondern ma-
    Die aktinischen Wirkungen von Aerosolen und Wol-       chen sich auch in einer abnehmenden Häufigkeit kalter
ken hängen wesentlich von der Menge der Partikel, ih-      Tage und Nächte, einer zunehmenden Zahl heißer Tage
ren optischen Eigenschaften und ihrer atmosphärischen      sowie im häufigerem Auftreten extremer Wetterereig-
Verweildauer ab. Die von der Wellenlänge abhängige         nisse und Witterungsperioden wie Hitzewellen, Dürre-
Mehrfachstreuung der Strahlung durch Aerosol- und          perioden und Starkniederschläge bemerkbar.
Wolkenpartikel bewirkt nicht nur eine Zunahme des               In Übereinstimmung mit den RF und den Ergeb-
Anteils diffuser Strahlung bei Verringerung des Anteils    nissen von Klimamodellrechnungen zeigen die Tem-
direkter Strahlung, sondern durch die Verlängerung des     peraturmessungen in der freien Troposphäre global
Strahlwegs können troposphärische Spurengase wie O3        langzeitige Zunahmen und in der Stratosphäre abneh-
und Schwefeldioxid (SO2) mehr Strahlung absorbieren.       mende Werte. Mit zunehmender Temperatur in der Tro-
Aerosole mit großen optischen Dicken bis zu d =1 im        posphäre steigt der Sättigungsdampfdruck des Wassers,
sichtbaren Bereich – das entspricht einer Verringerung     d.h. die Aufnahmekapazität der Luft für Wasser, nicht-
der direkten Sonnenstrahlung auf 37% – können die so-      linear an (Sonntag 1994). Die Klimawirksamkeit des
lare globale (direkte + diffuse) Bestrahlungsstärke an     Wasserdampfes ist mit rund 50% etwa doppelt so groß
der Erdoberfläche auf bis zu etwa 60% reduzieren, wäh-     wie die der Wolken (25%) und des CO2 (20%) (Schmidt
rend vertikal bis in die obere Troposphäre aufgetürmte     et al. 2010). Ein höherer Wasserdampfgehalt kann die
Wolken mit sehr großen optischen Dicken von d >> 1         Wolkenbildung beeinflussen, die den dominierenden
die Globalstrahlung bis auf ca. 5% der für wolkenlose      Klimaeffekt des Wasserdampfs bei Zunahme hoher
Bedingungen typischen Werte vermindern können.             Bewölkung verstärken oder für niedrige Bewölkung
                                                           abschwächen kann. Globaler Wasserdampf- und Ge-
Klimawandel heute                                          samtwassergehalt der Troposphäre nahmen seit 1970
Regionale Zunahmen des Aerosolgehalts und der op-          bis um die Jahrhundertwende zu, so dass die von der
tischen Dicke der Wolken über den Landflächen der          Atmosphäre emittierte langwellige Strahlung an der
Erde werden als Ursache der zwischen etwa 1960 und         Erdoberfläche ebenfalls zunahm (Wild & Ohmura
1990 in Europa, Nordamerika und Asien beobachteten         2000). Die Datenauswertung des NASA Water Vapor
Abnahme der an der Erdoberfläche eintreffenden So-         Projects (NVAP) zeigt eine jahreszeitliche Variation
larstrahlung um etwa 4 bis 7% verantwortlich gemacht,      und interessante Zusammenhänge zwischen Gesamt-
die als »Global Dimming« bezeichnet wurde (Ohmura          wasserdampfgehalt und atmosphärischen Phänomenen
& Lang 1989). Zu der seit den 1990er Jahren einset-        wie El Niño, jedoch im Zeitraum 1988 bis 2010 ab-
zenden Trendumkehr (Wild et al. 2005), einem »Global       weichend von den Annahmen der Rückkopplung in
Brightening«, haben auch regulierende Maßnahmen            Klimamodellrechnungen keine eindeutige Zunahme
zum Schutz der Umwelt beigetragen wie die Verringe-        in der unteren Atmosphäre (vonder Haar et al. 2012).
rung der Emission von Spurengasen und Aerosolen in         In der unteren Stratosphäre hat der Wasserdampfgehalt
Nordamerika und Europa seit den 1970er und 1980er          von 2000 bis 2009 global um ca. 10% abgenommen
Jahren, aber auch der sprunghafte Rückgang der Indus-      (Solomon et al. 2010).
trieproduktion in Osteuropa Anfang der 1990er Jahre.            Wasserdampf als wichtigstes Treibhausgas ist
Natürliche Einflüsse wie große Vulkaneruptionen kön-       über seine Strahlungswirkung hinausgehend auch am
nen die anthropogenen Änderungen der optischen Di-         chemischen Spurengashaushalt der Troposphäre und
cken modifizieren. Nach der Eruption des Mt. Pinatubo      Stratosphäre beteiligt. Durch Reaktion mit angeregten
auf den Philippinen im Jahr 1991, durch die ca. 17 Mt      Sauerstoffatomen O(1D), die durch Photodissoziation
SO2 bis in die untere Stratosphäre transportiert wurden,   des Ozons durch solare UV-B-Strahlung entstehen, ist
war die optische Dicke der Aerosole global von vorher      H2O an der Bildung von Hydroxyl-Radikalen (OH-) be-
etwa 0,14 auf etwa 0,3 angestiegen, entsprechend einem     teiligt, die Spurengase, so auch FCKW, aufspalten und
RF von -3 W/m², und in den nachfolgenden Jahren wie-       ihren chemischen Abbau einleiten:


+ hn → O( D) + O2                               2

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     				                                                       photoallergische Reaktionen sowie b) chronische irre-
      O3 + hυ → O(1D) + O2                   l < 310 nm         versible Schäden an der Haut wie Porenerweiterung,
                                                                Mitesser (Komedonen), Gefäßerweiterung (Teleangi-
               O(1D) + H2O → 2OH-                               ektasie) und Bindegewebsschädigung (Atrophie, solare
                                                                Elastose), Schäden an der DNS (DesoxyriboNuklein-
          Die für luftchemische Prozesse, die Biosphäre und     Säure), Mutationen und Abtötung von Zellen, Immun-
     Materialien relevanten aktinischen Wirkungen sind          suppressionsreaktionen bis hin zur Photokarzinogenese
     wegen der mit abnehmender Wellenlänge pro Photon           (insbesondere nicht-maligne Melanome wie Basal- und
     zunehmenden Strahlungsenergie vor allem im ultravio-       Plattenepithelkarzinome), und Augenreizungen- und
     letten Spektralbereich (UV, 200–400 nm) und im kurz-       Erkrankungen (Photokonjunktivits, Photokeratitis, Ka-
     welligen sichtbaren Bereich von Bedeutung.                 tarakte) (Lucas et al. 2006, Brenner & Hearing 2008).
                                                                UV-Strahlung wirkt auch auf Pflanzen und Tiere, beein-
     Spektrale aktinische Wirkungen                             flusst aquatische Ökosysteme und beeinträchtigt die Ei-
     Aktinische Wirkungen sind sowohl durch ihre spektra-       genschaften von Kunststoffen (vgl. Kap. 2.9 - Häder).
     len Charakteristiken als auch durch das Spektrum der            Zu den günstigen Wirkungen der UV-Strahlung ge-
     Sonnenstrahlung bestimmt. Wirkungsspektren wurden          hören biologische Schutz- und Reparaturmechanismen
     für einige der zahlreichen bekannten Wirkungen auf         sowie die für den Mineralstoffwechsel des Menschen
     Biosphäre, Luftchemie und Materialien abgeleitet (z.B.     bedeutsame Synthese des in der Epidermis (Oberhaut)
     Mckenzie et al. 2011). Auf den menschlichen Organis-       befindlichen 7-Dehydrocholesterol in Provitamin D3,
     mus wirken sie vor allem über die Haut und die Augen.      das durch thermische Isomerisierung in Vitamin D3
     Eine über Photorezeptoren im Auge durch Strahlung          (Cholecalciferol) umgewandelt wird. Von den Haut-
     kurzer Wellenlängen (370–620 nm, Maximum im blau-          zellmembranen wird es über ein Vitamin-D-bindendes
     en Teil bei 450 nm) des sichtbaren Bereichs (370–780       Protein mit dem Blutplasma zur Leber transportiert und
     nm, Maximum im grünen Teil bei 555 nm) ausgelöste          dort zu Calcidiol (25-Hydroxy-Vitamin D = 25(OH)D)
     aktinische Wirkung ist die Unterdrückung der Produk-       mit einer Halbwertszeit im Blut von 1 bis 2 Monaten
     tion des Hormons Melatonin, das in der Zirbeldrüse         hydroxiliert. Vitamin D3 spielt eine wesentliche Rol-
     aus Serotonin gebildet wird. Es fördert die Schläfrig-     le für die Regulierung des Kalziumspiegels im Blut
     keit und trägt zur circadianen Rhythmik (Schlaf-Wach-      und für den Knochenaufbau (Web & Holick 1988,
     Zyklus) bei (Brainard et al. 2001). Die in den Win-        Holick 1992, WHO 1994, UNEP 1998). Ein Mangel
     termonaten sehr niedrigen Solarstrahlungswerte an der      an Vitamin D3 kann zu Knochen-Erkrankungen wie
     Erdoberfläche in mittleren und hohen geographischen        Rachitis bei Kindern und Osteoporose, Osteomalazie
     Breiten werden als eine der möglichen Ursachen für         und Muskelschmerzen und –zucken bei Erwachsenen
     die saisonal-affektive Störung (Winterdepression) an-      führen und ist nach neueren Erkenntnissen auch ein
     gesehen. Im Tagesverlauf ist der relative Anteil der die   Risikofaktor für Autoimmunerkrankungen wie Multi-
     Hemmung der Melatonin-Produktion verursachenden            ple Sklerose und Morbus Crohn, Hautkrankheiten wie
     Strahlung an der sichtbaren Solarstrahlung bei nied-       Psoriasis, Infektionskrankheiten wie Tuberkulose, und
     rigem Sonnenstand, d.h. in den beiden Randstunden je-      Bluthochdruck.
     weils nach Sonnenaufgang und vor Sonnenuntergang,               Ein geringer Vitamin-D3-Gehalt im Blut von we-
     um bis zu 60% größer als für höhere Sonnenstände.          niger als 20–40 ng/ml (50–100 nmol/l) 25(OH)D kann
     Der Blauanteil ist bei wolkigem Himmel im Mittel um        auch Folge einer nicht ausreichenden UV-B-Strahlungs-
     rund 20% bis 40% größer als bei wolkenlosem Himmel         Exposition sein. In den Monaten November bis Februar
     (Feister & Franke 2011). Langzeitige Änderungen des        trifft auf die Horizontalfläche im deutschen Flachland
     Strahlungsklimas können nicht nur die Absolutwerte         ganztägig eine solare erythemwirksame Bestrahlung
     der Melatoninsuppression erhöhen oder vermindern,          von ca. 1 bis 9 SED (Standard-Erythem-Dosis), (1
     sondern auch die ‚Blauanteile’ der Solarstrahlung und      SED = 100 (J/m²)ER), entsprechend 0,25–2,25 MED
     somit den relativen Anteil der Melatoninsuppression        (Minimale Erythem-Dosis oder minimale Hautrötung
     zum Lichtanteil verändern.                                 für Hauttyp 2) (Feister et al. 2011). Aufgrund der Ab-
         Durch Strahlung bedingte Wirkungen können als          schattung des Himmels durch Gebäude und Bäume,
     nachteilig empfunden oder auch als günstig angesehen       nicht-horizontaler geneigter oder senkrechter Körper-
     werden. Beispiele für nachteilige Wirkungen der UV-        flächen, des je nach Tätigkeit und Freizeitverhalten
     Strahlung beim Menschen sind a) akute Wirkungen            eingeschränkten Freiluftaufenthalts sowie des geringen
     wie Erythembildung (Hautrötung, Sonnenbrand mit            Anteils unbekleideter Hautoberfläche (Hände 2%, Kopf
     Ödembildung), Pigmentierung, phototoxische und             9% der Körperfläche) liegt die tatsächliche tägliche

                                                                                                                     
3.1.2     U. Feister

Strahlungsexposition im Winter weit unter 1 SED. Da        Walrossen und Robben ausgeglichen wurde. Menschen
das normierte Wirkungsspektrum der Vitamin-D3-Syn-         mit geringerer konstitutiver Pigmentierung und der
these im UV-B-Bereich etwas größere Werte annimmt          Fähigkeit, durch Anpassung an jahreszeitliche Ände-
als das Erythemwirkungsspektrum, sind die Verhält-         rungen der Solarstrahlung (fakultative Pigmentierung
nisse zwischen Vitamin-D3- wirksamer und erythem-          (Bräunung) in Abhängigkeit vom Hauttyp) konnten mit
wirksamer Strahlung (VD3/ERY) von der Sonnenhöhe           dem geringeren Angebot an Vitamin-D3- wirksamer
über dem Horizont und von den atmosphärischen Be-          Strahlung einen besseren Gesundheitszustand erhalten,
dingungen – insbesondere vom atmosphärischen Ge-           der zusammen mit anderen Einflussfaktoren günstigere
samtozongehalt – abhängig. Sie betragen zwischen ca.       Fortpflanzungschancen ermöglichte. Kleidung, die als
0,3 für große Ozonwerte und niedrigen Sonnenstand          Kälteschutz erforderlich war (ab etwa 0,083 bis 0,17
(»langer Strahlweg«) und 2 für geringen Ozongehalt         Ma) (Toups et al. 2011, reduzierte den Anteil der auf
und hohen Sonnenstand (»kurzer Strahlweg«). Optisch        die Haut gelangenden Strahlung. Darüber hinaus beein-
sehr dicke Wolken wie Cumulonimbus können durch            flussten Körperbehaarung, die Art der Tätigkeit (Jagd,
starke Ozonabsorption auf dem verlängerten Strahlweg       ab ca. 0,01 Ma Landwirtschaft) und die Dauer des Auf-
in der unteren Atmosphäre die Verhältnisse VD3/ERY         enthalts im Freien die auf die Haut treffende Sonnen-
auf die Hälfte ihrer Werte verringern, die sie ohne Wol-   strahlung.
ke erreicht hätten (Feister et al. 2011).                      Erzwungene oder freiwillige Migration als Fol-
    Neuere Ergebnisse der Forschung in der Anthropo-       ge von Gewalt, Klimaänderung und Nahrungsmangel
logie, der Genforschung und der Paläoklimatologie des      beschleunigten sich in den in den letzten 500 Jahren.
Quartärs (2,6 Ma) haben unser Wissen darüber wesent-       Allein durch den Sklavenhandel zwischen dem 16. und
lich erweitert, wie Menschen aus Afrika in andere Teile    19. Jahrhundert wurden rund 11 Millionen Afrikaner in
der Welt migrierten und sich den neuen Umgebungen          die neue Welt verschleppt. Bezogen auf die Gesamtzahl
anpassten. Es gibt zunehmend Hinweise darauf, dass die     der rund 500 Millionen um das Jahr 1500 auf der Erde
durch solare UV-Strahlung bedingte Vitamin-D3-Syn-         lebenden Menschen entspricht das einem Anteil von bis
these in der Evolution indirekt die Hautpigmentierung      zu 2% der damaligen Weltbevölkerung. Die Entdeckung
des Menschen maßgeblich beeinflusst hat (Chaplin &         anderer Kontinente (Amerikas, Australien) durch Euro-
Jablonski 2009,   Jablonski 2004, 2012, Jablonski &        päer im 15. und 16. Jahrhundert und ihre nachfolgende
Chaplin 2000, 2012, Juzeniene et al. 2009). Die jähr-      Inbesitznahme hatte auch dazu geführt, dass immer
liche erythemwirksame Bestrahlung im tropischen            mehr Hellhäutige sich in tropischen Regionen ansie-
Gürtel des afrikanischen Kontinents zwischen 30° N         delten. Inwieweit 20 bis 25 Generationen ausreichend
und 30° S beträgt rund das Dreifache der weiter nörd-      sind, eine Anpassung an des Strahlungsklima der neu-
lich und südlich in 45° geographischer Breite an der       en Umgebung zu erreichen, ist nicht geklärt. Als Folge
Oberfläche eintreffenden Bestrahlung. Der Verlust der      von Industrialisierung und zunehmender Urbanisierung
Körperbehaarung der in offenen Buschlandschaften           ab dem 19. Jahrhundert lebt und arbeitet ein immer
und Savannen lebenden Homininen vor 1 bis 2 Ma             größer werdender Teil der modernen Gesellschaft im
verbesserte ihre Thermoregulation durch Schwitzen.         Innern von Gebäuden und in Städten, in denen durch
Dadurch wurde ein anderer effektiver Schutz vor der        Bebauung und Luftverunreinigung die personenbezo-
intensiven UV-Strahlung erforderlich, den die immer        gene Strahlungsexposition zusätzlich reduziert ist. Die
stärkere Hautpigmentierung durch das Eumelanin der         nachteiligen Folgen des Strahlungsmangels in hohen
Haut bot (Brenner & Hearing 2008). Die Absorption          Breiten können durch ungeeignete Ernährung und den
der UV-Strahlung durch das Melanin verhindert den          durch die Mode bestimmten Kleidungsstil verschärft
Photozerfall von Folsäure (Branda & Eaton 1978, Off        werden. Die Erkenntnis der Nichtangepasstheit eröff-
et al. 2005, Juzeniene et al. 2013), welche die Zelltei-   net andererseits Möglichkeiten zur bewussten Ände-
lung begünstigt, und verringert das Risiko für Fehlbil-    rung des Verhaltens.
dungen der Nachkommen. Vor rund 1,8 Ma begann die
Migration des Homo erectus und ab etwa 0,1 Ma die          Änderungen aktinischer Wirkungen
des Homo sapiens aus Ostafrika nach Norden. In hö-         Die Größe der solaren UV-Strahlung an der Erdoberflä-
heren geographischen Breiten mit geringerer jährlicher     che ist abhängig von der Sonnenhöhe über dem betref-
UV-Bestrahlung war die starke Hautpigmentierung hin-       fenden Ort, d.h. der Jahres- und Tageszeit, der Höhe des
derlich, um eine ausreichende Vitamin-D3-Bildung zu        Ortes über dem Meeresspiegel, der Menge und der op-
ermöglichen, wenn sie nicht wie bei den in der Arktis      tischen Dicke der Wolken, der Konzentration und den
lebenden Inuit und Yupik durch traditionelle Vitamin-      optischen Eigenschaften der Aerosole, der Erdboden-
D-reiche Ernährung wie aus dem rohen Fett von Walen,       albedo (insbesondere Schnee- und Eisbedeckung) und


3. Aktuelle und potenzielle Gefahren für die Gesundheit

für den kurzwelligen Teil des UV-Bereichs auch dem       Strahlung zu wieder abnehmenden Werten um die Mitte
Ozongesamtgehalt in der darüber liegenden Luftsäule      des ersten Jahrzehnts dieses Jahrhunderts als Folge der
sowie in geringerem Maß auch den Konzentrationen         wieder zunehmenden Ozonwerte ist durch die Abnah-
anderer, im UV-Bereich absorbierender Spurengase.        me der Aerosolkonzentration in diesem Zeitraum etwas
Durch die Emission der FCKW nahmen die Werte des         verzögert worden (Zerefos et al. 2011).
stratosphärischen Ozons seit den 1970er Jahren ab. Als       Zukünftig erwartete weltweite Änderungen der
Folge der Ozonabnahme nahmen die Werte der UV-B-         erythemwirksamen Strahlung wurden mit einem Strah-
Strahlung an der Erdoberfläche zu. An europäischen       lungstransportmodell berechnet, das mit Ozon- und
Stationen betrug die Zunahme der erythemwirksamen        Bewölkungswerten für den Zeitraum 1960 bis 2100 aus
UV-Strahlung von 1980 bis 2006 im Mittel 0,3 bis         Simulationen mit 14 Chemie-Klimamodellen versorgt
0,6% pro Jahr (den Outer et al. 2010). Etwa 2/3 dieses   wurde. Die Ergebnisse zeigen langzeitige Abnahmen der
Betrages werden der Abnahme der Bewölkung und            erythemwirksamen Bestrahlung in mittleren und hohen
1/3 der Ozonabnahme zugeschrieben. Die beobachtete       Breiten beider Hemisphären zwischen -3 und ­­-16% im
Umkehr von zunehmenden Jahressummen der UV-B-            Vergleich zu den Werten 1975–1984 (Bais et al. 2011).

Abb. 3.1.2-2: Prozentuale Änderungen der jährlichen erythemwirksamen Bestrahlung im Zeitraum 1960–2100 bezo-
gen auf den Zeitraum 1975–1985 für verschiedene geographische Breitengürtel nach Strahlungstransportmodellrech-
nungen für Klimamodellvorhersagen (Bais et al. 2011 - Mit freundlicher Genehmigung des Autors).

                                                                                                              
3.1.2    U. Feister

Nur in den Tropen, in denen die erythemwirksame Be-       direkte Wärmeabgabe durch Energieumwandlung und
strahlung ohnehin am höchsten ist und die sich zudem      den menschlichen Stoffwechsel (ca. 70–100 W/Per-
als Folge des Klimawandels zu höheren Breiten hin         son) ist zwar im globalen Mittel mit 0,027 W/m² gering
ausweiten, nimmt die erythemwirksame Bestrahlung          und beträgt nur ca. 1% des gesamten RF. In urbanen
durch Intensivierung der atmosphärischen Zirkulation      Siedlungsgebieten erreicht sie jedoch 20–70 W/m² und
und abnehmende Bewölkung langzeitig im globalen           nimmt in Großstädten noch höhere Werte an (Shanghai
Mittel um ca. 1%, im Frühjahr und Sommer regional         173 W/m²) (Crutzen 2004). Ihr Beitrag übersteigt in sol-
bis zu +10% zu (Abb. 3.1.2-2). In der Prognose nicht      chen Gebieten die übrigen anthropogenen Einflüsse um
berücksichtigt wurden hierbei chemische Prozesse der      eine Größenordnung (vgl. Abb. 3.1.2-1). Der in einem
unteren Atmosphäre (Troposphäre), nicht vorhersag-        wärmeren Klima erhöhte Bedarf an Klimatisierung kann
bare Vulkaneruption und nicht vorhersagbare Ände-         die direkte Wärmeabgabe weiter ansteigen lassen. Die
rungen der extraterrestrischen Solarstrahlung.            Fortführung und Verbesserung von Messungen und
    Variationen der von der Sonne ausgehenden Strah-      globalen und regionalen Klimamodellvorhersagen der
lung können im kurzwelligen UV-Bereich viel größer        solaren spektralen Strahlung in einem sich wandeln-
und sogar entgegengesetzt gerichtet zu Änderungen         den Klima werden dazu beitragen, günstige aktinische
im Bereich größerer Wellenlängen sein (Haigh et al.       Wirkungen für die Erhaltung und Verbesserung der Ge-
2010). Rekonstruktionen der solaren spektralen Strah-     sundheit besser nutzen und Risiken ihrer nachteiligen
lung aus der solaren Aktivitätsvariation ergeben für      Folgen effektiver verringern zu können.
die vergangenen 400 Jahre eine nur geringe Zunahme
von 1,25 W/m² (0,02%) der totalen Strahlung im ge-        Literatur
samten Spektralbereich, jedoch größere Zunahmen im        Albrecht, B. (1989): Aerosols, cloud microphys-
UV-Bereich von rund 1% für den Wellenlängenbereich          ics and fractional cloudiness. Science 245, 1227
250–350 nm und bis zu 50% bei sehr kurzen Wellen-           – 1230.
längen um 121,6 nm (Krivova et al. 2010). In diesem       Bais, A. F., K. Tourpali, A. Kazantzidis, H.
Zeitraum nahmen als Folge erhöhter solarer Aktivität        Akiyoshi, S. Bekki, P. Braesicke, M. P.
die UV-C-Strahlung in der oberen und mittleren Atmo-        Chipperfield, M. Dameris, V. Eyring, H.
                                                            Garny, D. Iachetti, P. Jöckel, A. Kubin,
sphäre zu, der stratosphärische Ozongehalt ebenfalls zu
                                                            U. Langematz., E. Mancini, M. Michou, O.
und die UV-B-Strahlung an der Erdoberfläche global          Morgenstern, T. Nakamura, P. A. New-
um ca. 9–13% ab (Rozema et al. 2002).                       man, G. Pitari, D. A. Plummer, E. Roza-
                                                            nov, T. G. Shepherd, K. Shibata, W. Tian &
Regionale Aspekte                                           Y. Yamashita (2011): Projections of UV radiation
Der weitere Verlauf des Klimawandels wird davon             changes in the 21st century: impact of ozone recov-
                                                            ery and cloud effects. Atmos. Chem. Phys. 11, 7533–
abhängen, wie sich die anthropogenen Emissionen             7545. www.atmos-chem-phys.net/11/7533/2011/.
entwickeln werden. Die Weltbevölkerung von ca. 7,2          doi:10.5194/acp-11-7533-2011.
Milliarden Menschen im Jahre 2013 wird bis zum Jahre      Brainard, G. C., J. P. Hanifin,J. M. Greeson,
2050 nach UN-Schätzungen auf ca. 9 Milliarden anstei-       B. Byrne, G. Glickman, E. Gerner & M. D.
gen. Bereits heute leben mehr als 50% der Menschen in       Rollag (2001): Action Spectrum for Melatonin
Städten, von denen im Jahre 2013 bereits 28 Megastäd-       Regulation in Humans: Evidence for a Novel Circa-
te mit mehr als 10 Millionen Einwohnern waren. Bis          dian Photoreceptor. The Journal of Neuroscience, 21
2050 wird der Anteil der in Städten lebenden Menschen       (16), 6405-6412.
                                                          Branda, R. F. & J. W. Eaton (1978): Skin color
nach UN-Schätzungen rund 2/3 betragen. Die Beson-
                                                            and nutrient photolysis: an evolutionary hypothesis.
derheiten des Klimas der Städte als »Wärmeinseln« mit       Science 18 August 1978, 201, no. 4356, 625-626.
im Vergleich zum Umland reduziertem Luftaustausch,          doi:10.1126/science.675247.
durch Flächenversiegelung und Bebauung modifi-            Brenner, M. & V. J. Hearing (2008): The pro-
zierten Strömen fühlbarer und latenter Wärme, erhöh-        tective role of melanin against UV damage in hu-
ten Konzentrationen von Luftverunreinigungen und            man skin. Photochm. Photobiol. 84 (3), 539-549.
bei dichter Bebauung einer verringerten Solarstrahlung      doi:10.1111/j.1751-1097.2007.00226.x.
bei gleichzeitig erhöhter Wärmestrahlung können die       Chaplin, G. & N. G. Jablonski (2009): Vitamin
                                                            D and the evolution of human depigmentation. Am.
für Regionen prognostizierten Klimaänderungen in
                                                            J. Phys. Anthropol. 139, 451-461. doi: 10.1002/
urbanisierten Gebieten deutlich modifizieren. Akti-         ajpa.21079.
nische Wirkungen in industrialisierten Regionen und       Crutzen, P. J. (2004): New Directions: The growing
Stadtgebieten können sich deshalb erheblich von re-         urban heat and pollution “island” effect - impact on
gionalen und globalen Wirkungen unterscheiden. Die          chemistry and climate. Atmos. Environm. 38, 3539-


3. Aktuelle und potenzielle Gefahren für die Gesundheit

  3540.                                                     sorbing aerosols on marine stratocumulus. Q. J. R.
Den Outer, P. N., H. Slaper, J. Kaurola,                    Meteorol. Soc. 130, 1407-1422.
  A. Lindfors, A. Kazantzidis, A. F. Bais,                Juzeniene, A., R. Setlow, A. Porojnicu, A.
  U. Feister, J. Junk, M. Janouch & W. Jo-                  H. Steindal & J. Moan (2009): Development
  sefsson (2010): Reconstructing of erythemal               of different human skin colors: A review highlight-
  ultraviolet radiation levels in Europe for the past 4     ing photobiological and photobiophysical aspects.
  decades. J. Geophys. Res. 115, D10102. doi:10.1029/       J. Photochemistry and Photobiology B: Biology 96,
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