37 Sie war die Richtige - 25jähriges Dienstjubiläum von Martina Nell - Zeitschrift der Landesvereinigung Selbsthilfe Berlin e.V. Heft 1/2017, 20 ...

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37 Sie war die Richtige - 25jähriges Dienstjubiläum von Martina Nell - Zeitschrift der Landesvereinigung Selbsthilfe Berlin e.V. Heft 1/2017, 20 ...
Zeitschrift der
www.lv-selbsthilfe-berlin.de
                               Landesvereinigung Selbsthilfe Berlin e.V.
                               Heft 1/2017, 20. Jahrgang

                               Sie war die Richtige – 25jähriges Dienstjubiläum
                               von Martina Nell

                                                                                  37
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Editorial
Liebe Leserinnen und Leser,

                    Selbstvertretung und aktiv werden ist auch 2017 auf der Re-
                    gional-, Landes und Bundesebene wichtiger denn je: „Wir
                    wollen Betroffene zu Beteiligten machen“, sagte der Regie-
                    rende Bürgermeister Michel Müller in seiner Regierungser-
                    klärung. Das ist – auch für uns Menschen mit chronischen
                    Krankheiten und Behinderungen oder Angehörige – eine An-
                    sage mit Potenzial. „Die inklusive Gesellschaft ist die Leit-
                    idee der Politik der Koalition“ ist im Koalitionsvertrag zu le-
Frau Bendzuck      sen. Untermauert durch viele „schöne Stellen“, die Vorhaben
                   für bessere Lebens- und Teilhabebedingungen beschreiben.
Barrierefreies Gesundheitswesen, umfassendes Mobilitätskonzept, Inklusions-
taxi, barrierefreier Wohnraum, inklusive Schule, Qualifizierungsmaßnahmen
sind nur einige Schlagworte. Es soll ein ressortübergreifendes Konzept zur
Umsetzung der behinderungspolitischen Leitlinien erarbeitet werden und das
Landesgleichberechtigungsgesetz (LGBG) weiterentwickelt werden. Auch soll
den Arbeitsgruppen der Menschen mit Behinderung eine wichtigere Rolle zu-
kommen. Wir werden Herrn Müller beim Wort nehmen und jetzt eine noch ak-
tivere Beteiligung in unseren Belangen einfordern – sowie die angemessenen
Ressourcen dazu.

Ein erster Maßstab für Berücksichtigung unserer Interessen und Beteiligungs-
kultur wird sein, wie die Senatsverwaltungen und Senator_innen mit dem The-
ma Wall-Toiletten umgehen. Hier besteht die akute Gefahr, dass ein derzeit
gut funktionierendes System abgewickelt wird. Unsere Bedürfnisse nach einer
flächendeckenden Versorgung mit barrierefreien öffentlichen Toiletten und der
Sicherstellung eines reibungslosen Betriebs werden vor dem Hintergrund von
wirtschaftlichen Interessen in Frage gestellt (siehe Artikel von Sonja Arens auf
S. 9).

Spannend wird dieses Frühjahr, welche/n neue/n Behindertenbeauftragten das
Land Berlin bekommt. Dem Vernehmen nach sind unter den Bewerber_innen
mehrere Menschen mit Behinderung. In den nächsten Wochen findet der Aus-
wahlprozess statt. Die Einmischung des Landesbeirat hat einen Teil-Erfolg ge-
bracht – entgegen der ursprünglichen Absichten der Verwaltung wird das im
LGBG vorgesehene, herzustellende „Einvernehmen“ mit dem Landesbeirat nun
durch die Entsendung von zwei stimmberechtigten Vertreter_innen und die Zu-
stimmung des Landesbeirats-Plenums hergestellt. Gleichzeitig wurde erreicht,

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dass die Amtszeit von Dr. Jürgen Schneider, dem derzeitigen Stelleninhaber, per
Senatsvorlage von Ende Februar auf Ende August verlängert wird. Die Landes-
vereinigung begrüßt dies sehr, denn so ist auf diesem wichtigen Posten vermut-
lich eine Kontinuität für die Vertretung unserer Interessen gegeben.

Auf bezirklicher Ebene freuen wir uns über die Berufung von Eileen Moritz, die
nach zweijähriger Vakanz die neue Behindertenbeauftragte von Steglitz-Zehlen-
dorf geworden ist. Als Rollstuhlnutzerin kennt sie viele Herausforderungen aus
eigener Erfahrung, ist aber vor allem beruflich bestens qualifiziert für die Inter-
essenvertretung von Betroffenen. Frau Moritz sieht im Bezirk große Handlungs-
bedarfe, und wünscht sich Unterstützung: „Wenn Sie sich für Barrierefreiheit
und Gleichberechtigung stark machen möchten, wenden Sie sich gern an mich,
denn der Beirat sucht gerade neue aktive Mitstreiter.“ Auch in anderen Bezirken
werden Mitglieder für die Behindertenbeiräte gesucht – werden Sie aktiv!

In stufenweiser Umsetzung ist seit Jahresbeginn das Bundes-Teilhabegesetz
(BTHG) in Kraft. Wie mit Protest von Betroffenen und Betroffenenvertreter_in-
nen auf vielen Ebenen, Kernforderungen und Verbändebündnis der Werdegang
dieses Gesetztes etwas zum Positiven beeinflusst werden konnte, und welche
vielen Kritikpunkte nach wie vor bestehen, beschreibt Dr. Rudolf Turber in sei-
nem Artikel. Die Herausforderung, gemeinsam für Verbesserungen im Sinn der
UN-BRK für eine volle Verwirklichung von Inklusion und Teilhabe zu kämpfen,
besteht für uns alle weiter.

Gerne gelesen habe ich die neue Broschüre der ISL „Ableismus erkennen und
begegnen - Strategien zur Stärkung von Selbsthilfepotenzialen“. Das bislang vor
allem wissenschaftlich diskutierte Konzept des Ableismus wird hier einer breite-
ren Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Praxisnahe Beispiele aus Gesundheits-
wesen, Politik und Gesellschaft zeigen Alltagssituationen von „ableistischer“
Dominanz und Ausgrenzung gegenüber Menschen mit Behinderungen, und ihre
Auswirkungen. An vielen Stellen dachte ich: kenne ich selbst, oder Menschen,
die das betrifft. Es werden Anregungen zu Bewältigungs- und Abwehr-Strategien
gegeben.

Dass unser Vorstandsmitglied Marianne Schumacher vom Senat mit der Berli-
ner Ehrennadel für ihr rund 40-jähriges ehrenamtliches Engagement (dabei vor
allem 10 Jahre Vorstandstätigkeit für die Angehörigen psychisch Kranker - APK
geehrt wurde, freut uns sehr. Ehrenamtliche Interessenvertretung kann oft mit
guter hauptamtlicher Unterstützung noch wirksamer gelingen.

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Daher ist der Vorstand dankbar, dass am 01.02.2017 unsere hoch geschätzte
Geschäftsstellenleiterin Martina Nell auf ein 25jähriges Dienstjubiläum für die
Landesvereinigung zurückblicken konnte. Wir haben großes Glück mit unserer
Frau Nell, die mit Herz, Engagement und Kompetenz das Büro der LV Selbst-
hilfe am Laufen hält und für unsere Mitgliedsvereine da ist. In dieser Tradition
verkörpert Frau Nell auch das kollektive Gedächtnis und die Wurzeln unserer
Selbsthilfearbeit, was wir in unserer kleinen Feierstunde mit Freund_innen und
Wegbegleiter_innen gewürdigt haben.

Schließen möchte ich mit einem Gedanken von Dr. Willibert Strunz anlässlich
unserer Veranstaltung „Selbsthilfe im 21. Jahrhundert“ im November 2016:
„Selbsthilfe als Gegenseitigkeitshilfe und Ausdruck von Vielfalt ist eine Haltung
und ein Gesellschaftskonzept, mit dem vorgelebt wird, wie Vielfalt die Berück-
sichtigung des Fähigkeiten-Ansatzes und Solidarität eine Gesellschaft reicher
machen können.“ In diesem Sinn: engagieren wir uns!

                                                                Herzliche Grüße
                                                              Gerlinde Bendzuck

P.S. Schon mal vormerken: Wir feiern am 1.7.2017 wieder den Berliner
SELBSTHILFE-TAG am Rolandufer – und Sie sind herzlich eingeladen, sich
zu beteiligen!

Marianne Schumacher, Vor-
standsmitglied bei der LV
Selbsthilfe und Vorstands-
mitglied bei Angehörige
psychisch Kranker, Landes-
verband Berlin e.V., erhielt
am 12.12.2016 die Berliner
Ehrennadel für besonde-
res soziales Engagement,
überreicht durch Alexander
Fischer, Staatssekretär für
Arbeit und Soziales

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Inhalt

Die Deutsche Fibromyalgie Vereinigung (DFV) e.V. 	                             6

Weihnachtsfeier 2016 der AdP-Regionalgruppe 	                                  7

Heilwege: „Der Weg ist das Ziel“ 	                                             8

Berlin geht’s beschissen 	                                                     9

Ableismus erkennen und begegnen 	                                             10

Imagekampagne zur Jungen Selbsthilfe 	                                        13

Berliner Abendschau besucht die SoVD Landesgeschäftsstelle 	                  14

„Bist du behindert oder was?“ 	                                               16

Das integrative Theaterensemble des Spastikerhilfe Berlin e.V.  	             17

Eileen Moritz stellt sich vor 	                                               19

„Nicht über uns – Gesundheitsselbsthilfe im 21. Jahrhundert“ 	                21

Selbsthilfe digital II: Sicherheit und Nutzen 	                               26

Selbsthilfe digital I: Digitale Hilfsmittel für Betroffene und Angehörige 	   31

Eine „unendliche“ Geschichte – nicht von Michael Ende 	                       34

Sie war die Richtige – zum 25jährigen Dienstjubiläum von Martina Nell 	       37

Termine 	                                                                     41

Impressum 	                                                                   43

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Die Deutsche Fibromyalgie Vereinigung (DFV) e.V.
   Die Deutsche Fibromyalgie Vereini-        ein Ziel der DFV, ihren Mitglieder umfas-
gung (DFV) e.V. ist ein bundesweit täti-     send über den aktuellen Stand der For-
ger Verband, der sich seit 20 Jahren für     schung zu berichten. Für Fibromyalgie-
Betroffene einsetzt. Leider ist der Be-      Patienten ist der Leidensdruck oftmals
kanntheitsgrad in Berlin nicht sehr groß.    sehr groß und derzeit besteht keine
Daher möchte ich hier die Gelegenheit        Aussicht auf Heilung oder grundlegende
nutzen, dieses zu ändern.                    Linderung der Symptome. Diese Situ-
                                             ation macht Betroffene anfällig für viel-
    Bei uns steht der Selbsthilfegedan-      fältige Heilversprechen. Deshalb ist ein
ke an erster Stelle. Um diesen leben zu      zweites Ziel der DFV, das Gespräch und
können, wollen wir viele Selbsthilfegrup-    den Erfahrungsaustausch unter Patien-
pen gründen. Dazu benötigen wir zu al-       ten zu fördern.
ler erst Menschen, die bereit sind, eine
Gruppe zu leiten.                               Wenn also ein Fibromyalgie Betrof-
                                             fener dies liest oder, wenn Sie jeman-
   Selbsthilfe bei der DFV ist Unterstüt-    den kennen, der Fibromyalgie (Faser-
zung für ein optimistisches Leben trotz      Muskel-Schmerz) hat, der Hilfe benötigt
Fibromyalgie. Oft vergehen Jahre, be-        oder eine Gruppe leiten möchte, lassen
vor eine korrekte Diagnose gestellt wird.    Sie es mich wissen.
Für viele Patienten endet damit eine
Ärzte-Odyssee mit zermürbender Su-              Mit optimistischen Grüßen
che nach der Ursache für die quälenden          Bärbel Wolf (stellv. Vorsitzende)
Symptome. Dabei erleben die Betroffe-
nen vielfältige Kränkungen; sie werden                                       Kontakt:
als Hypochonder abgestempelt, nur                                 Deutsche Fibromy-
weil Fibromyalgie keine sichtbaren und                              algie Vereinigung
messbaren Veränderungen verursacht.                                        (DFV) e.V.;
                                                                      Bundesverband
    Patientenselbsthilfe ist ein wirkungs-                             Postfach 1140
voller Schutz vor verletzender Skepsis                                74741 Seckach
und sozialer Zurückweisung. Oft wird                                        Beratung:
in der Patientenselbsthilfe weniger über                               06292/928760
die Erkrankung gesprochen als unter                                       Bärbel Wolf
Nichtbetroffenen - aber sehr viel über                                0171/52 88 364
die Möglichkeit, das Leben mit Optimis-               http://www.fibromyalgie-fms.de
mus zu gestalten.                                           info@fibromyalgie-fms.de

   Nur gut informierte Patienten können
zwischen seriösen und anderen Hilfsan-
geboten unterscheiden. Deshalb ist es

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Weihnachtsfeier 2016 der AdP-Regionalgruppe

    Der Jahresabschluss der AdP-           te, dass sich eine der Angesprochenen
Regionalgruppe       Berlin-Brandenburg    sogar erzürnte „Ich bin aber nicht die
wurde am 5.12.2016 in der „Residenz        Pellkartoffel!“ Wir hatten soviel herzhaft
Ambiente“ begangen. Zu unserer Über-       zu lachen, dass wir der Botschaft vom
raschung begrüßte uns der ko-                   „Streit der Organe“ nur mit Mühe
mische Kellner „Maitre Matt“                        folgen konnten. Einen Moment
(Matthias Krahnert) bereits                            lang konnten wir Nöte und
am Eingang der Seni-                                     Sorgen vergessen.
orenresidenz. Die 50
Betroffenen und deren                                         Der Übergang zum
Angehörige        wurden                                   Abendimbiss, der aus ei-
formvollendet zum Ort                                      nem zünftigen Kartoffel-
der Weihnachtsfeier ge-                                   salat mit Buletten und Bre-
leitet. Dort begrüßte uns                                zeln bestand, war folglich
die Regionalgruppenleite-                             fließend. Wie so oft ist die Zeit
rin Barbara Hübenthal herzlich                    viel zu schnell verstrichen. Zum
mit einem Weihnachtspräsent und auch       Abschluss bedankte sich Frau Hüben-
Prof. Gellert, Herr Kleeberg und die       thal bei allen Helfern und freute sich auf
Ernährungsberaterin Frederike Bürger       die regelmäßigen Treffen und auf ge-
fanden sich ein. Ein erster Kaffee wurde   meinsame Ausflüge der Regionalgrup-
uns vom komischen Kellner in weißen        pe Berlin-Brandenburg.
Handschuhen überreicht und auch viele
selbst gebackene Plätzchen sowie die           Auch im nächsten Jahr gibt es wie-
beliebte und leicht bekömmliche Scho-      der die ein oder andere hilfreiche Hand
koladentorte waren wieder da.              einzusetzen, wenn z.B. der AdP-Stand
                                           zum „Tag der Berliner Krebsselbsthilfe“
   Aufmerksam begleitete uns „Maitre       am 4. März 2017 von 10:00 bis 16:30
Matt“ mit „Haben Sie einen Wunsch?“        Uhr im Audimax der Charitè Campus
durch den Nachmittag.                      Virchow-Klinikum zu besetzen ist.

    Die Anwesenden nutzten die Gele-          Besonderen Dank gilt den Kranken-
genheit, um sich ausführlich über die      kassen Siemens BKK und Barmer GEK,
Neuigkeiten und Tipps im Umgang mit        die durch ihre finanzielle Unterstützung
der Erkrankung auszutauschen. Die Zeit     diese gelungene Weihnachtsfeier 2016
rauschte nur so dahin, sodass nach ei-     möglich machten.
ner guten Weile unser Kellner mit seiner
Rezitation auf sächsisch vom „Hasen im                                 Antje Krüsken
Rausch“ und Ringelnatz „An die Pellkar-
toffel“ die Teilnehmer derart überrasch-

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Heilwege: „Der Weg ist das Ziel“

    Der Förderverein Inka e. V. bietet     bestimmten Therapierichtung oder Be-
in Kooperation mit der St. Leonhards-      handlungsmethode verpflichtet. Das
Akademie individuelle Beratung durch       Beratungsangebot bezieht sich über-
eine approbierte Psychologische Psy-       wiegend auf Angebote aus dem kom-
chotherapeutin an. Heilwege richtet        plementären Spektrum. Wir verfügen
sich an Menschen, die schon länger         über ein Netzwerk vertrauenswürdiger
mit einer belastenden körperlichen oder    Angebote. Im Erstgespräch eruieren
seelischen Erkrankung leben. In jedem      wir Ihre bisherigen Behandlungserfah-
Leben gibt es freudige oder schmerzli-     rungen, legen gemeinsam mit Ihnen Ihr
che Ereignisse. Manchmal gehört auch       Therapieziel fest und entfalten einen
das Leiden an einer schweren Erkran-       Therapieplan, der entsprechend Ihren
kung dazu. Oft ist es schwierig, einen     Erfahrungen verändert bzw. angepasst
persönlichen Weg aus der Krankheit         werden kann.
zu finden. Dann beginnt ein mühsames
Suchen nach geeigneten Behandlun-           ●● Bei Bedarf begleiten wir Sie
gen und Heilweisen.                            über den gesamten Zeitraum
                                            ●● Erstgespräch
    Wir unterstützen Sie dabei, Ihre in-    ●● Fähigkeiten erkennen, Hei-
dividuellen Heilungswege zu entdecken          lungsziele festlegen
und Ihr Selbstheilungspotential erken-      ●● Beratung über komplementä-
nen und beleben zu lernen. Wir bestär-         re Behandlungsmethoden und
ken Sie, Ihre Intuition in Behandlungs-        Selbstheilungsstrategien
entscheidungen einzubeziehen. Wir           ●● Wissens- und Informationsquellen
ermutigen Sie darin, Ihr Leben selbst       ●● Individuelles Behandlungs-
in die Hand zu nehmen, damit Sie sich          konzept erarbeiten
nicht mehr hilflos Ihrer Krankheit aus-     ●● Hilfsangebote finden
geliefert fühlen. Eine Kombination aus      ●● Psychotherapeutische Gesprä-
„schulmedizinischer“ Behandlung mit            che bei Fragen und Problemen
komplementären Methoden, medika-            ●● Psychotherapeutische Begleitung
mentöser Behandlung oder körperthe-            beim Ausprobieren Ihrer Heilwege
rapeutischen Verfahren, Spiritualität
und der persönliche Einsatz fließen in        Information finden Sie unter
eine gelingende Krankheitsbewältigung         www.heilungsgeschichten.org,
ein.                                          Sie erreichen uns am Patienten-
                                              telefon: 030-88921858
    Wir geben Ihnen Orientierung in
dem unüberschaubaren Angebot von               Förderverein Inka Informationsnetz
Heil- und Therapiemethoden. Wir ar-                            Evelyne Hohmann
beiten unabhängig und sind keiner

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Berlin geht’s beschissen
Öffentlichen Toiletten sind in Berlin schon seit Jahren kostenpflichtig. Die Stadt hat
diese Daseinsvorsorge für ihre Bürger aufgegeben. Und nun gibt es Ärger in der
Senatsverwaltung wegen des Bewirtschaftungsvertrages der City Toiletten. Der
Landesverband Berlin/Brandenburg der Deutschen Morbus Crohn/Colitis ulcerosa
Vereinigung DCCV e.V. wünscht sich mehr saubere, gepflegte öffentliche Toiletten
für Berlin.

    Öffentliche Toiletten sind in Berlin    drang kommt, dann muss es schnell ge-
Fehlanzeige. Alle Toiletten werden be-      hen. Jeder kennt das Gefühl. Es ist wie
wirtschaftet und sind kostenpflichtig.      bei einer akuten Durchfallerkrankung.
Manchmal denke ich, in dieser Stadt
sind die Toiletten älter und weniger sau-       Nicht genug, dass Bürger und Be-
ber als im Rest der Republik, sagt Sonja    sucher Berlins keine kostenfreie Toilette
Arens, Landesbeauftragte der DCCV           finden.Viele Restaurants besetzen ihre
e.V. Der Landesverband der DCCV e.V.        Toiletten mit Personal, das auch wieder
will sich damit nicht zufrieden geben.      die Hand aufhält. Meist ohne dass man
                                            die Mitarbeiter_innen bei irgendwelchen
    Die Diskussion über Toiletten am        Reinigungsarbeiten sehen würde.
Ostkreuz hat uns gezeigt, wie wenig
Interesse der Senat an den Grundbe-             Das ist verboten. Laut Gaststätten-
dürfnissen seiner Bürger hat. Dort gibt     gesetz ist die Toilette zur Verfügung zu
es immer noch keine öffentliche Toilette.   stellen.
Es ist den Verantwortlichen völlig egal,
dass wild im Stadtbild uriniert wird und        Wie wollen wir Menschen mit diesem
selbst die Erleichterung des großen         Grundbedürfnis zukünftig umgehen?
Geschäfts in Ermangelung öffentlicher       Wir brauchen ein Bündnis für saubere
Toiletten immer häufiger im Freien ver-     Toiletten in unserem Land. Berlin könnte
richtet wird. Mag sein, dass wir es hier    Vorreiter werden. Nur leider fehlen der
mit einer Verrohung der Sitten zu tun       politische und der gesellschaftliche Wil-
haben. Die Tatsache, dass es entweder       le dazu.
gar keine Toilette in der Nähe gibt oder                                Sonja Arens
eben bezahlt werden muss, befeuert                 Landesbeauftragte der DCCV e.V.
das öffentliche Erleichtern jedoch.

    Unsere Mitglieder sind Menschen mit
chronischen Darmerkrankungen. Zur
Teilhabe am öffentlichen Leben sind sie
im besonderen Maße auf eine ausrei-
chende Anzahl öffentlich zugänglicher
Toiletten angewiesen. Wenn der Stuhl-

                    FLAGGSCHIFF                                                    9
37 Sie war die Richtige - 25jähriges Dienstjubiläum von Martina Nell - Zeitschrift der Landesvereinigung Selbsthilfe Berlin e.V. Heft 1/2017, 20 ...
Ableismus erkennen und begegnen
                Strategien zur Stärkung von Selbsthilfepotenzialen

    Frau A. fährt nach der Arbeit mit dem    dem obigen Beispiel deutlich wird. Da-
Bus nach Hause. Der Busfahrer ist an-        mit erleben behinderte Menschen durch
gesichts der Rollstuhlfahrerin, die in der   den Ableismus das, was Menschen mit
Rushhour mitgenommen werden möch-            Migrationshintergrund durch den Ras-
te, deutlich genervt und fragt: „Muss das    sismus widerfährt oder Frauen durch
denn sein, dass Sie um diese Zeit fah-       Sexismus erleben. In jedem Fall wer-
ren?“ Frau A. antwortet, es handele sich     den die Betroffenen nicht als gleichbe-
keineswegs um eine Kaffeefahrt, son-         rechtigte Gegenüber wahrgenommen,
dern der Bus solle sie von ihrer Arbeit      sondern etikettiert und auf- oder abge-
nach Hause bringen. Daraufhin schlägt        wertet.
die Ablehnung des Busfahrers in über-
triebene Bewunderung um: „Oh, das ist           Wie das Beispiel oben zeigt, sah
gut, dass Sie Arbeit haben und arbeiten      der Busfahrer Frau A. im Rollstuhl und
können!“                                     verband damit sogleich die Vorstellung,
                                             dass sie sicherlich immer Zeit hätte und
   Wozu diese Broschüre?                     nicht unbedingt im Berufsverkehr den
                                             Bus benutzen müsse. Als Frau A. die-
    Die oben skizzierte Situation ist ei-    sem Vorurteil widersprach, fand er es
nes von vielen Beispielen für Able-is-       ganz großartig, dass sie arbeitet. Bei ei-
mus*. Ableismus ist ein recht neues, für     nem nicht behinderten Fahrgast mittle-
viele noch ungewohntes Konzept, das          ren Alters kämen beide Reaktionen wohl
aber wichtig ist, um so manche unange-
nehme oder tief verletzende Erfahrung
besser einordnen zu können. Der Begriff
„Ableismus“ setzt sich zusammen aus
dem englischen Wort „able“ (to be able
= fähig sein) und „ismus“. Solche En-
dungen deuten auf ein in sich geschlos-
senes Gedankensystem.

    Ableismus (gleichbedeutend wird
auch im englischsprachigen Raum von
Ableism gesprochen) ist die alltägliche
Reduktion eines Menschen auf seine
Beeinträchtigung. Damit einher geht
eine Abwertung (wegen seiner Beein-
trächtigung) oder aber eine Aufwertung
(trotz seiner Beeinträchtigung), wie in

10                                           FLAGGSCHIFF
Grund für unangenehme
                                                      Erfahrungen bei sich selbst.
                                                      Entsprechend wissen sie
                                                      häufig nicht, wie sie ange-
                                                      messen reagieren sollen.
                                                      Das ist besonders schwie-
                                                      rig, wenn wohlmeinende
                                                      Menschen sich gegenüber
                                                      behinderten Menschen un-
                                                      bewusst grenzverletzend
                                                      verhalten und Dank erwar-
                                                      ten. Die Verunsicherung
                                                      kann zu Identitätsproble-
                                                      men und zum sozialen
nicht vor: Der Busfahrer würde auf den                Rückzug führen.
Passagier nicht genervt reagieren und
wenn er von der Erwerbstätigkeit des         In dieser Situation kann es helfen,
Fahrgastes erführe, würde er vermutlich   das Konzept und die Mechanismen des
gelangweilt die Schultern zucken.         Ableismus zu kennen und zu verstehen.
                                          Dadurch werden die Betroffenen in die
    Vielen Menschen mit Behinderungen     Lage versetzt, die Reaktionen der Mit-
ist das Konzept des Ableismus noch        menschen besser einordnen zu können.
nicht vertraut. Sie verstehen die Reak-   Entsprechend werden sie weniger ver-
tionen der Mitmenschen häufig nicht       unsichert und können besser auf das
und sind verunsichert oder suchen den     reagieren, was sie erleben.

                                              Als Frauen sich emanzipierten, hat
                                          es ihnen geholfen, die diskriminieren-
                                          den gesellschaftlichen Strukturen zu
                                          verstehen und durch die Erfahrungs-
                                          berichte anderer Frauen zu erkennen,
                                          dass sie nicht alleine und an ihrer Dis-
                                          kriminierung nicht selber schuld sind.
                                          Deshalb hat die Interessenvertretung
                                          Selbstbestimmt Leben in Deutschland
                                          e. V. – ISL diese elektronische barriere-
                                          freie Broschüre entwickelt. Das Projekt
                                          wurde vom AOK Bundesverband geför-
                                          dert. In dieser Broschüre wird das Kon-
                                          zept des Ableismus erklärt. Erfahrungs-
                                          berichte von Betroffenen verdeutlichen
                                          die Mechanismen und zeigen Reaktions-

                   FLAGGSCHIFF                                                11
möglichkeiten auf. Dadurch werden ver-       ohne Bindestrich, also Ableismus ge-
schiedene Strategien bekannt gemacht,        schrieben. Der Bindestrich soll lediglich
mit denen man Ableismus begegnen             das Lesen und Verstehen vereinfachen,
kann. Jede*r kann davon profitieren und      wenn dieser Begriff noch ungewohnt ist.
eigene Strategien entwickeln. Wer durch
die in dieser Broschüre enthaltenen Infor-                            Dr. Sigrid Arnade
mationen, Interviews und Argumente Ab-                                          ISL e.V.
leismus erkennt, kann dagegen vorgehen                      Illustrationen: Phil Hubbe
und sich so aktiv gegen diese Form der
Benachteiligung wehren.                           Der Text ist ein Auszug aus der Bro-
                                             schüre. Die 20seitige Broschüre wartet
   Ableismus kommt in allen gesell-          noch mit einem besonderen Highlight
schaftlichen Bereichen vor, wie die Bei-     auf: Die einzelnen Abschnitte sind mit
spiele in dieser Broschüre zeigen. Ableis-   passenden Cartoons von Phil Hubbe
mus trifft Menschen mit unterschiedlichen    illustriert. Die Broschüre steht zum kos-
Beeinträchtigungen – auch das wird           tenlosen Download bereit unter:
durch die Erfahrungsberichte deutlich.       www.isl-ev.de.
   *Able-ismus wird korrekterweise

12                                           FLAGGSCHIFF
Imagekampagne zur Jungen Selbsthilfe

   Adé, verstaubte Klischees und fal-      andere Fachkräfte für das Thema
sche Informationen über Selbsthilfe-       Selbsthilfe sensibilisiert werden.
gruppen! Mit der Kampagne „Mehr als
ein Stuhlkreis“ möchte das Projekt Jun-        Zur Kampagne gehören fünf Post-
ge Selbsthilfe Berlin-Mitte / StadtRand    karten- und Plakatmotive, die kostenfrei
gGmbH junge Menschen für diese Form        bei StadtRand gGmbH bestellt werden
der gegenseitigen Unterstützung be-        können. Außerdem informiert die Web-
geistern.                                  seite www.mehr-als-stuhlkreis.de über
                                           Selbsthilfegruppen und verweist auf
    Fünf junge Menschen aus fünf un-       Selbsthilfekontaktstellen in Berlin sowie
terschiedlichen Selbsthilfegruppen er-     bundesweit.
zählen von ihren eigenen Erfahrungen
in der Selbsthilfe und ermutigen andere,      Gefördert wird die Kampagne von
es einfach auch mal auszuprobieren.        der AOK und BKK.

   Die Kampagne richtet sich an jun-              Fragen und Rückmeldungen an:
ge Menschen, die mit ihren Anliegen         Projekt Junge Selbsthilfe Berlin-Mitte /
nicht alleine bleiben möchten, ihre                           StadtRand gGmbH
Freund*innen und Angehörigen. Au-                          Franziska Anna Leers
ßerdem sollen Sozialarbeiter*innen,               kontakt@mehr-als-stuhlkreis.de
Psycholog*innen, Pädagog*innen und

                   FLAGGSCHIFF                                                 13
Berliner Abendschau besucht die SoVD
                   Landesgeschäftsstelle

    „Wer sich ehrenamtlich engagiert,         Ein wichtiges Projekt vom SoVD ist
packt meistens selbst mit an“, waren die   aktuell das Inklusionstaxi. Ein Taxi, das
einleitenden Worte vom RBB Moderator       geräumig und bequem ist, damit Men-
Sascha Hingst in der Berliner Abend-       schen im Rollstuhl barrierefrei spontan
schau. Am Abend des 6.1.2017 war           von A nach B kommen können. Ein In-

Praxistest - Michael Wiedeburg schiebt Dominik Peter in das Inklusionstaxi

dann von Michael Wiedeburg, Landes-        klusionstaxi muss nicht wie ein Fahr-
vorsitzender des SoVD Berlin-Branden-      dienst wochenlang vorher bestellt wer-
burg e.V., der seit Jahren ehrenamtlich    den, sondern wird wie ein richtiges Taxi
und leidenschaftlich im Sozialverband      kurzfristig bestellt. Ein Prototyp eines
für die schwachen und bedürftigen Men-     Inklusionstaxis stand dann auch zur An-
schen kämpft, die Rede. „Ein Mann, der     sicht für den RBB bereit. Dominik Peter,
zieht ehrenamtlich Strippen für das Eh-    Vorsitzender des Berliner Behinderten-
renamt. Michael Wiedeburg hat Ideen,       verbandes, sagte der Moderatorin dazu:
die die Stadt besser machen können.        „Das Inklusionstaxi ist wahnsinnig fle-
Er sorgt dafür, dass die richtigen Leute   xibel. Man kann Freunde mitnehmen,
zusammen kommen“, berichtete Hingst        man kann es adhoc bestellen, das gibt
weiter.                                    Lebensqualität“. Wiedeburg sammelte
                                           für das Projekt viele Fördergelder und

14                                         FLAGGSCHIFF
Michael Wiedeburg im Interview des RBB

brachte Interessenverbände, das Taxi-       Gesellschaft inklusiv gestalten. Es wäre
gewerbe und die Berliner Politik zusam-     mein schönster Tag, wenn wir mit allen
men. “Ich bin stolz auf dieses Projekt“,    Menschen, egal mit welcher Beeinträch-
sagt Wiedeburg. Für Projekte wie das        tigung, überall hingehen können, das
Inklusionstaxi und für viele Jahre sozia-   wäre mein Traum“, sagt Michael Wiede-
les Engagement in diversen Positionen       burg. Der SoVD bedankt sich für die gut
und für viele Menschen erhielt Wiede-       recherchierte Berichterstattung bei der
burg das Deutsche Bundesverdienst-          RBB Redakteurin Sabrina N’Diaye.
kreuz verliehen. Schon als 15jähriger
erhielt der heute 65jährige seinen ers-
ten Behindertenausweis und musste für                                SoVD Presse
seine Rechte kämpfen. Das hat ihn ein                       SoVD Landesverband
ganzes Leben lang geprägt und beein-                       Berlin-Brandenburg e.V.
flusst. „Wir müssen jeden Tag daran ar-
beiten, dass wir jeden Bereich in unserer

                    FLAGGSCHIFF                                                15
„Bist du behindert oder was?“

                      Diesen Satz hört     mes ist, und um damit die Akzeptanz
                   man auf Berlins         gegenüber Gehandicapten zu steigern.
                   Straßen in letzter
                   Zeit häufiger, ver-        Um zu sehen, wie Menschen mit und
                   mutlich aus Unwis-      ohne Handicaps miteinander umgehen,
                   senheit. Diese Un-      können alle Menschen ein Interview
                   wissenheit bringt,      ausfüllen. Diese werden dann veröf-
wie bei so vielen Themen, leider viele     fentlicht und können von jedem gelesen
Probleme mit sich. Behindert zu sein ist   werden. Es sind schon sehr schöne Ge-
keine Beleidigung und hierzu muss auf-     schichten dabei herausgekommen.
geklärt werden.
                                               Ein Klick auf das Handicap Lexikon
    Wir, Jasper und Linus, haben aus       unter www.handicap-lexikon.de lohnt
diesem Grund das Handicap Lexikon          sich für ein Interview und mehr Informa-
ins Leben gerufen. In diesem Online-       tionen. Wir würden uns auch über weite-
Lexikon beschreiben wir alle möglichen     re Texte für unser Lexikon freuen.
Handicaps. Der Unterschied zu den
anderen Informationsseiten ist, dass          Frei nach dem Motto: „Bist du behin-
wir die Texte kinderleicht schreiben, so   dert oder was?“ „Ja, na und!“
dass sich auch Kinder oder Menschen
mit Leseschwäche informieren können.                         Jasper Dombrowski
Das fanden wir wichtig, um allen zu zei-              jasper@handicap-lexikon.de
gen, dass behindert sein nichts Schlim-

Jasper und Linus, die Macher der Webseite www.handicap-lexikon.de

16                                         FLAGGSCHIFF
Das integrative Theaterensemble des
                  Spastikerhilfe Berlin e.V.
Das integrative Theaterensemble des Spastikerhilfe Berlin e.V. – piloti storti trat
am 29. und 30.10.2016 gemeinsam mit Gästen aus Syrien und dem Irak mit seiner
diesjährigen Produktion in der Weißen Rose in Berlin-Schöneberg auf.

   Die Schöne und das Biest – Al             konkreten Beitrag zur Teilhabe von
Dschamila wa Al Wahsch – Eine ver-           Menschen mit Beeinträchtigungen und
wickelte Casting Show                        Fluchterfahrung zu leisten. Damit re-
                                             agierte die Spastikerhilfe Berlin e.V. auf
   Wer ist das biestigste Biest? Wer ist     das gesellschaftspolitische Thema der
die schönste Schöne? Was finden wir          letzten Jahre. Häufig bleibt gerade die-
eigentlich schön? Und warum?                 ser Personenkreis in der Diskussion um

    Rund um dieses Thema fei-
erten die piloti storti, Theater-
ensemble Spastikerhilfe Berlin
e.V., und Gäste aus Syrien und
dem Irak, am 29.10.16 die Pre-
miere ihrer diesjährigen Pro-
duktion: Die Schöne und das
Biest – Eine verwickelte Cas-
ting Show.

     Vor ausverkauften Rängen
des Kulturzentrums DIE WEIS-
SE ROSE präsentierten die pi-
loti storti performativ-theatrale Aktionen   Integration und Inklusion außerhalb der
mit arabischer Live-Musik über Bühnen-       öffentlichen und politischen Wahrneh-
träume und Starallüren, über Aufregun-       mung. Dies zu ändern wurde zum Ziel
gen und Enttäuschungen und über die          aller Beteiligten.
erlösungsbedürftige Sehnsucht nach
Liebe. Dabei fungierten die Akteure mit          Schnell wurden die neuen Mitglieder
und ohne Behinderungen, mit und ohne         mit Flucht- und Migrationserfahrung im
Flucht- und Migrationserfahrung als Ide-     Ensemble willkommen geheißen. Kultu-
engeber des künstlerischen Schaffens.        relle oder religiöse Ressentiments wa-
                                             ren nicht einmal ansatzweise Thema,
    Am Beginn des diesjährigen Thea-         und es entwickelten sich nach kurzer
terprojekts stand der Gedanke, einen         Zeit persönliche Bindungen.

                     FLAGGSCHIFF                                                 17
tion: Die Schöne und das Biest - Eine
                                         verwickelte Casting Show. Ein Thema,
                                         so alt wie die Menschheit selbst. Genau
                                         wie die Weisheit, dass es mehr gibt, was
                                         uns vereint, als was uns trennt.

                                            In diesem Sinne verabschieden sich
                                         die piloti storti für dieses Jahr von der
                                         Theaterbühne, bereichert von neuen
                                         Eindrücken, Erfahrungen und Men-
                                         schen, die uns wahrlich willkommen
                                         sind.

                                            Wir bedanken uns herzlich bei
                                         der Aktion Mensch e.V., der atotech
                                         Deutschland GmbH sowie der Alexand-
                                         ra-Steffens-Stiftung, die die diesjährige
   Dieses Klima von Offenheit, Respekt   Produktion gefördert haben.
und Vertrauen begünstigte insbeson-
dere die künstlerische Auseinanderset-                            Marko Georgi
zung mit dem Thema Schönheit und                                     Projektleiter
Hässlichkeit der diesjährigen Produk-                   Spastikerhilfe Berlin e.V.

18                                       FLAGGSCHIFF
Eileen Moritz stellt sich vor
Neue Bezirksbeauftragte für Menschen mit Behinderungen in Steglitz-Zehlendorf

    Am 02.01.2017 habe ich meine neue       gesetzt zu den Themen Inklusion als
Tätigkeit als Beauftragte für Menschen      Menschenrecht, Barrierefreiheit, Em-
mit Behinderung im Bezirk Steglitz-Zeh-     powerment und Diversity. Zu all diesen
lendorf aufgenommen.                        Themen habe ich auch Trainings und
                                            Weiterbildungen gestaltet. Als Supervi-
   So wie das Jahr 2017 ganz neu ist,       sorin begleitete ich Veränderungs- und
handelt es sich auch bei der Übernah-       Inklusionsprozesse in unterschiedlichen
me dieser Aufgabe um einen wirklichen       Institutionen.
Neubeginn, da es fast zwei Jahre keine
Beauftragte in Steglitz-Zehlendorf gab.          Als Bezirksbeauftragte für Men-
                                            schen mit Behinderung bin ich An-
    Ich bin Dipl. Sozialpädagogin und       sprechpartnerin und Vermittlerin für die
ausgebildete Supervisorin. Weil ich         Belange der Mitbürgerinnen und Mitbür-
selbst mit Behinderung lebe und im          ger mit Behinderungen. Dabei bin ich
Elektrorollstuhl unterwegs bin, teile ich   Gesprächspartnerin für Vereine, Selbst-
Erfahrungen mit Ausgrenzung, Vorur-         hilfegruppen, Initiativen und Organisati-
teilen und Diskriminierung, die viele       onen, die sich mit der Lebenssituation
Menschen mit Behinderungen machen.          von Menschen mit Behinderungen be-
Zu Beginn meiner beruflichen Laufbahn       fassen. In Zusammenarbeit mit dem be-
war es mir sehr wichtig, viele Bereiche     zirklichen Beirat für Menschen mit Be-
der Sozialarbeit kennenzulernen, denn       hinderungen berate und unterstütze ich
ich wollte nicht auf den Bereich Behin-     das Bezirksamt und dessen Gremien
derung festgelegt werden. So habe ich       auf der Grundlage des Landesgleichbe-
zum Beispiel acht Jahre lang in einem       rechtigungsgesetzes in behindertenpo-
Wohnprojekt für HIV-infizierte und an       litischen Fragen. Meine Aufgabe ist es,
AIDS erkrankte Menschen gearbeitet.         dafür Sorge zu tragen, dass die Belange
Erst im Jahre 2011 kehrte ich zu “mei-      der Menschen mit Behinderungen bei
nen Wurzeln” zurück und bin seither         geplanten Projekten des Bezirksamtes
auch beruflich in der politischen Behin-    Berücksichtigung finden.
derten- bzw. der Selbstbestimmt-Le-
ben-Bewegung engagiert. Durch meine             Es ist meine feste Überzeugung,
intensive Auseinandersetzung mit der        dass unsere gesamtgesellschaftliche
UN-Behindertenrechtskonvention entwi-       Auseinandersetzung mit Inklusion uns
ckelten sich meine Arbeitsschwerpunkte      alle voranbringt und zu einer Gesell-
immer mehr hin zum Bildungsbereich.         schaft mit Wertschätzung und Respekt
Ich habe Angebote entwickelt und um-        für Vielfalt führen kann.

                    FLAGGSCHIFF                                                 19
In beratender Funktion bin ich dar-                                  Kontakt
über hinaus das Bindeglied zwischen                                 Eileen Moritz
dem Bezirksamt und dem Beirat für           Bezirksbeauftragte für Menschen mit
Menschen mit Behinderungen. In die-                                 Behinderung
sem Beirat sind Bürgerinnen und Bürger
mit Behinderungen, die örtliche Behin-                              Sprechzeiten:
dertenselbsthilfe und Behindertenver-             donnerstags von 10 bis 12 Uhr
bände aktiv. Wenn Sie sich für Barrie-                für weitere Termine wird um
refreiheit und Gleichberechtigung stark      telefonische Vereinbarung gebeten.
machen möchten, wenden Sie sich gern                                Kirchstraße 1/3
an mich, denn der Beirat sucht gerade                                  14163 Berlin
neue aktive Mitstreiter_innen.                                       Raum A 27/28
                                           (barrierefreier Zugang über Bauteil E)
   Ich freue mich sehr auf meine neuen    behindertenbeauftragte@ba-sz.berlin.de
Aufgaben und auf viele Begegnungen                         Tel.: (030) 90299-6309
im Bezirk.

Eileen Moritz, die Beauftragte für Menschen mit Behinderung im Bezirk Steglitz-
Zehlendorf
                                                        Foto: Jacqueline Lorenz

20                                        FLAGGSCHIFF
„Nicht über uns ohne uns – Gesundheits-
             selbsthilfe im 21. Jahrhundert“

    Unter diesem Titel veranstaltete die
Landesvereinigung Selbsthilfe Berlin
am 10. November 2016 eine interes-
sante Diskussionsrunde in den Räumen
des ABSV. Nach der Begrüßung der
Teilnehmer _innen durch die Vorsitzen-
de Gerlinde Bendzuck moderierte Fran-
ziska Müller von der „Antidiskriminie-
rungsberatung Alter oder Behinderung“
die Veranstaltung mit viel Engagement
und Sachkenntnis.
                                             Dr. Willibert Strunz (re.), Vorstand
                                             ACHSE e.V., zur Entwicklung der
                                             Selbsthilfe, im Hintergrund die Ge-
                                             bärdendolmetscher

                                             elemente- und Entwicklungsmomente
                                             der Selbsthilfe: Vielfalt, Gegenseitig-
                                             keitshilfe und Solidarität. Sie würden
                                             nicht nur die Welt der Selbsthilfe bewe-
                                             gen. Leider erlaube die begrenzte Zeit
                                             keine tiefergehende Reflexion. Deshalb
                                             sei die Problematik nur kurz als An-
                                             regung zur Diskussion zu betrachten.
                                             Hierbei seien Fragen wie „Warum ist
                                             die Selbsthilfe entstanden?“, „Was be-
                                             wegt die Selbsthilfe und was hält sie
Gerlinde Bendzuck, Vorsitzende der           zusammen?“, „Was macht sie für Men-
LV Selbsthilfe begrüßt die Teilneh-          schen mit Behinderung und chronischer
mer_innen                                    Krankheit so attraktiv?“ bedeutsam.
                                             Zum Thema Vielfalt und Selbsthilfe fin-
                                             de man im Internet eine Vielzahl von
    Das einleitende Referat hielt Dr. Wil-   Ergebnissen, aber nur wenig Substan-
libert Strunz vom Vorstand des Vereins       tielles. Dr. Strunz polemisierte gegen
ACHSE.                                       oberflächliche Aussagen zur Selbsthilfe-
                                             bewegung. Er unterstrich die Bedeutung
   Er sprach über die historischen und       der Vielfalt für die Selbsthilfe für ihre
soziologischen Aspekte der drei Kern-        Struktur, Inhalte, gesellschaftspolitische

                    FLAGGSCHIFF                                                  21
Ebenen seien Vertreter der Selbsthilfe
                                           in politische Meinungsbildungsprozesse
                                           eingebunden und würden wegen ihrer
                                           persönlichen, sozialen und der Sach-
                                           kompetenz hohes Ansehen genießen.
                                           Zur Identität: In den Selbsthilfe-Grup-
                                           pen, Verbänden und Dachverbänden
                                           werde zuweilen heftig gestritten. Das
                                           könne auch als lebendiges Miteinander
                                           gedeutet werden. Es sei normal, dass
                                           bei der Vielzahl der Gruppen und Ver-
Martin Schultz, Deutsche Depressions       bände konkurrierende Meinungen auf-
Liga, in der Publikums-Diskussion          treten. Auf Grund ihres starken Solidari-
                                           täts- und Identitätsgefühls zeige sich die
                                           Selbsthilfe aber immer wieder konsens-
Akzeptanz, Geschichte und Identität. Er    fähig. Zur Vielfalt, Gegenseitigkeitshilfe,
spreche hier von der Selbsthilfe behin-    Solidarität, Selbst- und Mitbestimmung:
derter und chronisch kranker Menschen.     Die heutige organisierte Selbsthilfe sei
Strukturell ergebe sich das Bild einer     geschichtlich gewachsen und nicht erst
Mehr-Ebenen-Organisation: auf der          in 1970-er und 1980-er Jahre entstan-
kommunalen Ebene als Selbsthilfegrup-      den. Ihre historischen Wurzeln reichen
pe, Selbsthilfeverein und als Arbeitsge-   ins 19. Jahrhundert zurück. Der Gedan-
meinschaft, auf der Landesebene gebe       ke der demokratischen Beteiligung und
es Landesverbände, in der Regel als        der damit zusammenhängenden Legiti-
LAG. Auf der Bundesebene seien die         mation der Sprecher und Vertreter finde
meisten Bundesorganisationen in der        sich auf allen Ebenen der organisierten
BAG Selbsthilfe organisiert. Damit sei     Selbsthilfe. Er sei ein Markenzeichen
der Grad der Selbstorganisation behin-     der Organisation, garantiere die Basi-
derter und chronisch kranker Menschen      sorientierung und sorge für Glaubwür-
vergleichsweise hoch. Zu den Inhalten:     digkeit bei der Interessenvertretung
Selbsthilfe-Gruppen und -verbände bie-     behinderter und chronisch kranker Men-
ten sowohl eine Plattform für den per-     schen. Ebenso wie die Kernelemen-
sönlichen Austausch Betroffener und        te der Solidarität und der Selbst- und
deren Angehöriger als auch eine Platt-     Mitbestimmung spielt auch die Vielfalt
form für sozial- und gesundheitspoliti-    eine starke Rolle. Von Anfang an war
sche Meinungsbildung zum Transport         das Genossenschaftswesen geprägt
und zur Durchsetzung der Interessen        durch eine Vielfalt seiner Mitgliedschaft,
behinderter und chronisch kranker Men-     durch Menschen unterschiedlicher ge-
schen. Zur gesellschaftlichen und poli-    sellschaftlicher Schichten beiderlei
tischen Akzeptanz: Suche man danach,       Geschlechts, die das Gleichbehand-
seien Beteiligung und Teilhabe gute        lungsprinzip als Verhaltensmaxime
Gradmesser. Auf fast allen politischen     wertschätzten. Selbsthilfe als Trendset-

22                                         FLAGGSCHIFF
ter: Die Feminisierung als gesellschaft-     wie Vielfalt, die Berücksichtigung des
licher Trend bedeutet, dass die Gesell-      Fähigkeiten-Ansatzes und Solidarität
schaft weiblicher wird. In der Selbsthilfe   eine Gesellschaft reicher machen kön-
engagieren sich schon heute insgesamt        nen.
mehr Frauen als Männer, allerdings
spiegeln die Führungspositionen des              Es schlossen sich zwei Kurzrefe-
Verbandsbereichs zurzeit noch den ge-        rate an: Dr. Siiri Doka, Juristin bei der
samtgesellschaftlichen Ist-Zustand wi-       BAG Selbsthilfe: „Sicherung und Un-
der. Hier sei die Selbsthilfe schon weiter   abhängigkeit der Selbsthilfe“, Marianne
als große Teile der Gesellschaft. „Kultu-    Schumacher, Vorstandstandsmitglied
relle Vielfalt“ sei schon heute in vielen    der ApK (Angehörige psychisch Kran-
Bereichen der Gesellschaft Realität.         ker e.V.): „Generationswechsel in der
Die demografische Entwicklung und die        Selbsthilfe    (Nachwuchsgewinnung)“.
verschiedenen Migrationsströme führen        Das Schlusswort hielt Dr. Manfred
zu pluralen Lebensformen zwischen            Schmidt, Ehrenvorsitzender der LV
Moderne und Tradition, Wertesysteme          Selbsthilfe Berlin e.V. mit „Gedanken zur
verschiedener Herkunftsländer konkur-        Zukunft der Selbsthilfe“.
rieren miteinander auf engstem Raum,
das Entstehen von hybriden Kulturen
sei die Folge. Notwendig ist, dass die
unterschiedlichen Wertevorstellungen
sich an der Menschenrechtscharta der
Vereinten Nationen orientieren und dass
die verschiedenen Formen der Kulturen
sich öffnen. Was folge aus seinen Über-
legungen? Es ist zu überlegen, ob in der
Selbsthilfe behinderter und chronisch
kranker Menschen zukünftig stärker
betont werden sollte, dass die gesell-
schaftspolitischen Ziele der Selbsthilfe-
bewegung erstrebenswerte Ziele aller
Menschen sind und nicht nur Privilegi-       Dr. Siiri Doka, BAG Selbsthilfe e.V.,
en kleiner gesellschaftlicher Gruppen.       referiert zur Unabhängigkeit der
Alle Menschen sollten die gleiche Wert-      Selbsthilfe
schätzung erfahren – unabhängig von
Geschlecht, Nationalität, ethnischer            In der Diskussion gab es zahlreiche
Herkunft, Religion oder Weltanschau-         Fragen und Anregungen, auch Kritiken,
ung, Behinderung, Alter, sexueller Ori-      z.B. dass sich oft scheinbare Kleinigkei-
entierung und Identität. Selbsthilfe als     ten im Alltag als große Hindernisse er-
Gegenseitigkeitshilfe und Ausdruck von       weisen können. Auch gebe es zu wenig
Vielfalt sei eine Haltung und ein Gesell-    behindertengerechte Wohnungen und
schaftskonzept, mit dem vorgelebt wird,      Unterkünfte. Es herrsche Empörung da-

                    FLAGGSCHIFF                                                  23
rüber, dass private Bauherren nicht zu     bestätigt. Das vorhandene Potential ent-
einem barrierefreien Bauen verpflichtet    spreche nicht mehr unserem Anspruch
worden sind. Dr. Doka forderte die An-     an Selbsthilfe.
wesenden auf, beim Thema Barrierefrei-
heit weiter dran zu bleiben. Sie sprach         Dietmar Polok, ProRetina e.V.: Der
über die „Leitsätze der Zusammenarbeit     Anspruch zur Beratung sei oft sehr hoch.
mit Wirtschaftsunternehmen“, Finan-        Er nutze trotz seiner Erblindung den PC
zierungsgrundlagen der Selbsthilfe und     und andere Möglichkeiten. Man kön-
Spenden. Diese könnten manchmal            ne sich spezialisieren: zu Krankheits-
auch „Papiertiger“ sein. Es komme auf      bildern und zu sozialer Beratung, aber
die richtige Interpretation an. Zwischen   bei Überforderung müsse professiona-
der BAG Selbsthilfe und dem PARITÄTI-      lisiert werden. So habe sein Vorstand
SCHEN wurde ein Monitoringverfahren        schon vor Jahren die Gründung einer
entwickelt, und es kommen Prüfbitten       gemeinnützigen GmbH und die Teilung
der Verbände an den Monitoringaus-         der Aufgabenbereiche beschlossen.
schuss. Für die Verbände gelte es, die     Rosemarie Mittermair, Eierstock- und
Neutralität und Transparenz zu wahren,     Gebärmutterkrebs: als ehrenamtliche
insbesondere im Zusammenhang mit           Selbsthilfegruppe sei man nicht befugt
der Pharmaindustrie.                       und nicht berechtigt, fachliche, sachli-
                                           che, medizinische oder sonstige Bera-
    Frau Schumacher sprach über den        tung anzubieten.
Generationswechsel. Es sei notwen-
dig, engagierte jüngere Menschen zu
gewinnen, ihr Verein habe ein Schu-
lungsprogramm für die ehrenamtliche
Arbeit entwickelt. Ihre Vorschläge zu
Themen wie Internet, Facebook, Cha-
trooms, fehlende zeitliche Flexibilität
und Belastung der Angehörigen habe
sie bewusst als Fragen formuliert. Auch
Miriam Walther von NAKOS, der Nati-
onalen Kontakt- und Informationsstelle
zur Anregung und Unterstützung von
Selbsthilfegruppen, unterstrich, dass
heutzutage Ansprüche einer Professio-      Dr. Manfred Schmidt, Ehrenvorsitzen-
nalität an die Selbsthilfegruppen-Arbeit   der der LV Selbsthilfe, mit Gedanken
gestellt werden, die kaum zu leisten       zur Zukunft der Selbsthilfe
sind. Es sei nicht verwunderlich, dass
Jüngere mit kleinen Kindern davor zu-
rückschrecken, ein Amt zu übernehmen.         Dr. Manfred Schmidt, langjähriger
Ihre Feststellungen wurden von Martin      Vorsitzender des Landesbehinderten-
Schultz, Deutsche DepressionsLiga,         beirates und Ehrenvorsitzender der LV

24                                         FLAGGSCHIFF
Selbsthilfe Berlin e.V. hielt das Schluss-   ganisation zu Organisation wesentlich:
wort mit „Gedanken zur Zukunft der           Mitgliedsbeiträge, Landesmittel, Förde-
Selbsthilfe“. Hier einige seiner zentralen   rung durch Krankenkassen, Spenden,
Aussagen:                                    Erbschaften, Stiftungsmittel usw. Die
    1. Die originäre Selbsthilfe wird ihre   Grundfinanzierung durch Mitgliedsbei-
Bedeutung behalten und weiter bei der        träge reicht oft nicht aus, um notwen-
Gruppenarbeit eine wichtige Rolle spie-      dige Ausgaben abzudecken. Es ist not-
len, auch bei Kontakten über Telefon,        wendig, wenn auch nicht einfach, den
Internet und Skype, ebenso das Ehren-        Staat mehr in die Verantwortung zu neh-
amt.                                         men. Das Land und die Krankenkassen
    2. Informationen an die Mitglieder       müssten die notwendigen hauptamtli-
kommen über das Netz und E-Mails             chen Stellen und Sachmittel wie Mieten
schneller an die Nutzer. Die Vereine ha-     mit finanzieren.
ben eigene Internetseiten zur Selbstdar-                          Zusammenstellung:
stellung.                                                           Dr. Rudolf Turber
    3. Es ist notwendig, den Stand bei
der gut entwickelten Patientenvertre-            Im Herbst 2017 plant die LV Selbst-
tung in Berlin zu halten.                    hilfe eine weitere Veranstaltung zum
    4. Der Kampf um Barrierefreiheit in      Thema Selbsthilfe im 21. Jahrhundert.
der Öffentlichkeit, in Gebäuden und bei
Gegenständen des täglichen Bedarfs               Vollständige Referate können unter
bleibt eine wichtige Aufgabe                 lv-selbsthilfe-berlin.de/veranstaltungen/
    5. Die Interessenvertretung für mehr     10-nov-2016-nicht-ueber-uns-ohne-
Barrierefreiheit gegenüber Politik und       uns-gesundheitsselbsthilfe-im-21-
Verwaltung ist zu verstärken, d.h. einen     jahrhundert/
engeren Kontakt zu den Entscheidern,         heruntergeladen werden.
vor allem den Bezirksämtern und Be-
zirksverordnetenversammlungen sowie
Mitarbeit in deren Ausschüssen.
    6. Parallel zur Politik muss die
Selbsthilfe ihre Interessen auch ge-
genüber der Wirtschaft vertreten, dass
generell barrierefrei gestaltet wird und
auch Hilfsmittel hergestellt werden. Der
Trend zu immer größeren Barrieren
muss umgekehrt werden.
    7. Es ist notwendig, weitere Mitstrei-
ter zu gewinnen und sie für ihre Aufga-
ben zu qualifizieren, wobei nicht alles
ehrenamtlich gemacht werden kann.            Alexander Spies, Piraten, und Voll-
    8. Die Finanzierung der Vereine ist      zeitaktivistin Uschi Lehmann, die an
vielfältig und unterscheidet sich von Or-    dem Tag ihren 73. Geburtstag feierte

                    FLAGGSCHIFF                                                 25
Selbsthilfe digital II: Sicherheit und Nutzen
Was ist patientenorientierte Qualität in Bezug auf Sicherheit und Nutzen digitaler
Gesundheitsanwendungen? Bei der zweiten Veranstaltung der Reihe Selbsthilfe
Digital am 25.01.2017 folgten rund 100 Besucher_innen der Einladung der LV
Selbsthilfe in den Sozialverband Deutschland, moderiert von Gerlinde Bendzuck

    Praxisbeispiele
    Bei den neuen digitalen Therapien,
z.B. mit den vielen Gesundheitsapps
und den wenigen bisher zertifizierten
Medizinapps (erkennbar am CE-Kenn-
zeichen) besteht oft noch Unklarheit
über die Nutzen-Ziele und ihre Nach-
weise sowie über Sicherheitsanforde-
rungen. Dieses Orientierungs-Defizit
betrifft Patient_innen, aber auch Ent-
wickler und Forscher, Prüfinstanzen,
Leistungsträger wie z.B. Krankenkas-
sen, und Behandler. Dr. Markus Dahlem      Kevin Röhl stellt das Diabetes-Blut-
beschrieb als Firmengründer anhand         zuckermess-System lumind vor
der Medizinapp m-sense (Migränethe-
                                                                 Foto: Peter Strauß
rapie), wie sich Entwickler mit diesen
Fragen auseinandersetzen. Wann ist         aus beschrieb er Nutzenbeispiele: Bei
eine Medizinapp wirksam – wieviel we-      der Diagnose, erleichtern vorprogram-
niger Schmerz-Attacken, oder Schmerz-      mierte Fragen die Arztdiagnose bei 18
verringerung, oder bessere Selbstwirk-     von 44 Migräne-Formen. Als weiteres
samkeit setzen den Maßstab? Was ist        Beispiel erhalten Nutzer aufgrund der
die Referenzgröße? Wie weit kann eine      Eingaben nach ca. 6 Wochen Emp-
Firma mit Informationen oder Thera-        fehlungen und können dann z.B. mit
pievorschlägen gehen, um sichere und       Verhaltensänderungen (anders essen,
wirksame Effekte zu erreichen (Beispiel    Schlaf, Bewegung etc.) Schmerzatta-
Medikamentenempfehlungen), und wo          cken vermeiden oder verringern. Dies
beginnen z.B. Haftungsrisiken durch un-    wird zurzeit in einer Studie mit der Cha-
sachgemäßen Gebrauch, oder unzurei-        rité untersucht.
chende Aufklärung (Beispiel Hirntumor
als Migräneauslöser)? Er ist sich der          Drei weitere Praxisbeispiele zeigten,
Grenzen der App als Therapieinstru-        wie Apps das Krankheitsmanagement
ment bewusst: „Man muss sich immer         für die Anwender_innen einfacher ma-
wieder klar machen, wie weit die App       chen (das ist der Nutzen), aber auch
Ratschläge geben kann und wo der Arzt      mehr krankheitsspezifische Sicherheit
zwingend erforderlich ist“. Darüber hin-   geben. Simone Pareigis stellt eine di-

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tierte einen Prototypen einer App für
                                            Arzneimitteltherapiesicherheit (Sicher-
                                            med). Diese App soll zukünftig laienver-
                                            ständlich helfen, Wechselwirkungen zu
                                            vermeiden und so Komplikationen und
                                            Langzeitschäden zu vermeiden.

                                                Fachvortrag: Qualitätsanforderun-
                                            gen und die (neue) Rolle des Patien-
                                            ten
                                                Der Hamburger Medizinrechtsan-
                                            walt Sebastian Vorberg sagte in seinem
Simone Pareigis (Selbsthilfegruppe          Vortrag eine aktivere Rolle des Patien-
für Leukämie- und Lymphompatien-            ten als Steuerer der Nachfrage bei den
ten Halle) stellt meine.WEGA vor            digitalen Anwendungen voraus. Er hält
                 Foto: Simone Pareigis      die Verbraucher für fähig, anhand der
                                            bisherigen Übung im Umgang mit Be-
gitale Patientenakte vor, meine.WEGA.       wertungen wie z.B. beim Playstore auch
Als selbst Betroffene hat sie gemeinsam     bei den Gesundheits-Apps vorhandene
mit einer IT-Firma diese webbasierte        Bewertungen einschätzen zu können.
Akte entwickelt, um zunächst für sich       Anschließend beschrieb er Beispiele
und ihre Selbsthilfegruppe die Krank-       der Abgrenzung von Gesundheitsapps
heitsverläufe und Befunde elektronisch      und Medizinprodukten, z.B. am Merkmal
zu dokumentieren und stets für verschie-    der Zweckbestimmung. Die Medizinpro-
dene Behandler einen Zugang ermög-          dukte werden zudem in verschiedene
lichen zu können. Röntgen- und MRT-         Risikoklassen eingestuft. Herr Vorberg
Bilder, Laborbefunde, Befundberichte        erläuterte, dass bei den niedrigeren Ri-
und Arztbriefe, Diagnosen und Therapi-      sikoklassen der Medizinprodukte keine
en können z.B. abgelegt, verwaltet und      klinische Risiko- oder gar Nutzenprü-
über gesicherte Zugänge vom Patienten       fung für die Zulassung erforderlich ist,
an die Behandler freigegeben werden.        sondern eher Anforderungen an Daten-
Diese Akte wird bereits im Raum Halle       schutz, Datensicherheit, Bedienungsan-
von Hunderten Betroffenen genutzt, ist      leitung erfüllt sein müssen. Herr Vorberg
kostenlos und krankheitsunabhängig.         sieht in niedrigschwelligen Siegel zur
Kevin Röhl stellte als selbst betroffener   Qualitätssicherung, die von vielen Unter-
Diabetiker ein von ihm entwickeltes digi-   nehmen akzeptiert und genutzt werden,
tales Blutzuckermessystem (lumind) vor,     einen geeigneten Weg, Transparenz
dass in Form einer kleinen Leuchte Aus-     herzustellen und das für ihn zentrale
kunft über den Blutzuckerstatus gibt, an    Vertrauen der Verbraucher zu gewin-
Messzeitpunkte erinnert und auch von        nen. Dabei ist es wichtig, den Verbrau-
Angehörigen an anderen Orten genutzt        cher ausreichend aufzuklären (Beispiel
werden kann. Hans von Trotha präsen-        „Facebookgruppe Syphilis“).

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nikationsinstrument zwischen Arzt und
                                           Patient heraus. Dies sei wesentlich, weil
                                           eine bessere Arzt-Patienten-Kommu-
                                           nikation den Dreh- und Angelpunkt für
                                           eine bessere Behandlungsqualität dar-
                                           stellt. Momentan im unübersichtlichen
                                           App-Markt nach dem Anfangs-Hype
                                           sei es jedoch für Ärzte und Patienten
                                           sehr schwierig, hochwertige Apps von
                                           unseriösen mit z.B. falschen Gesund-
                                           heitsinformationen zu unterscheiden.
                                           Daher hält sie es ebenfalls für wichtig,
In der Pause: Gespräche mit dem            dass viele Apps als Medizinprodukte mit
Entwicklern (Dr. Markus Dahlem)            CE-Kennung zertifiziert werden, damit
                     Foto: Peter Strauß    sie leichter und ohne Haftungsrisiko von
                                           den Ärzten verordnet werden können.

     Impulsvortrag: die Perspektive            Frau Mauersberg sieht es als sehr
der Verbraucher_innen                      vorteilhaft an, dass Gesundheitsdaten
     Susanne Mauersberg von der Ver-       mit einer App auf zwei Weisen darstell-
braucherzentrale Bundesverband (vzbv)      bar sind, übersichtlich und gut verständ-
begrüßt im Sinn eines aufgeklärten Ver-    lich für den Patienten, und medizinisch-
brauchers die stärkere Verbreitung von     detailliert für den Arzt. Die Umfrage
Qualitätsstandards bei Apps. Sie hinter-   bestätigt auch den sich abzeichnenden
fragt jedoch die Position von Herrn Vor-   Rollenwandel im Arzt-Patienten-Ver-
berg, dass die „Schwarmintelligenz“ der    hältnis: Viele Menschen wollen mehr
Verbraucher ausreiche, den Markt im        Verantwortung übernehmen und wün-
Sinn der Patienten zu regulieren. Frau     schen sich als die Patienten eine akti-
Mauersberg hob die Bedeutung der Be-       vere Rolle im Behandlungsgeschehen,
teiligung von Nutzern und Ärzten bei der   was sie am Beispiel der Befragungser-
Entwicklung der App als wesentliches       gebnisse elektronischen Patientenakte
Qualitätsmerkmal hervor. Dies betrifft     erläuterte. Die Befragungsergebnisse
u.a. Art, Umfang, Darstellung der erho-    sind hier einzusehen:
benen Informationen oder die Datensi-      http://www.vzbv.de/pressemitteilung/
cherheit. Sie plädierte aufgrund der von   fuer-eine-gute-digitale-
der vzbv durchgeführten Verbraucher-       gesundheitsversorgung
Umfrage mit Fokusgruppen für eine
Steigerung der Behandlungsqualität via         Wie jedes Messer oder andere Ge-
App.                                       brauchsgegenstände könne man die Di-
                                           gitalisierung zum Guten oder Schlechten
   Frau Mauersberg stellte die Bedeu-      verwenden. Man müsse dieses Spekt-
tung der App als innovatives Kommu-        rum ausleuchten: auf der einen Seite to-

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