Bis zum Schluss - Viva Luzern
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viva! Das Magazin für Lebensfreude im Alter. | Mai 2021. Eine Annäherung Bis zum an den Tod. Schluss. Zeitzeugin. Leben. Standpunkt. Frauenstimmrecht Drei Bewohnerinnen Wir denken im Rückblick. ganz persönlich. vom Ende her.
Editorial. Über das Tabu sprechen. Der Tod gehört zum Leben. Liebe Leserinnen, liebe Leser Der Tod ist wohl eines der letzten Tabuthemen in unserer Gesellschaft, das mit der Pandemie ganz überraschend in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt ist. Weil das Sterben für uns zum Leben und auch zum beruflichen Alltag gehört, haben wir im Dossier verschiedene Aspekte zu diesem Thema beleuchtet. Wie er im Bericht ausführt, braucht es für den Philosophen Ludwig Hasler einen Sinn im Leben, um in Frieden gehen zu können. Oder in anderen Worten: Eine Bedeutung, die über uns selbst hinausgeht. Es ist wohltuend, zu sehen, wie viel Lebensfreude, Leidenschaft und Sinnhaftigkeit in den Bewohnerinnen steckt, die wir für diese Ausgabe besucht haben. Sinn vermittelt aber auch die Stiftung Be- suchsdienst Innerschweiz, indem sie Arbeitsplätze für psychisch erkrankte Menschen schafft. Martha Lüscher-Felder spricht ausserdem zum 50-Jahr-Jubiläum über die Bedeutung des Frauenstimmrechts und zeigt eindrücklich, wie sie damals ihrer Zeit voraus war. Eine geballte Ladung Frauenpower erwartet Sie in diesem Magazin. Wie Sie trotz den Einschränkungen den Frühling geniessen, darf dabei natürlich genauso wenig fehlen wie ein wenig Gehirnjogging und die hilfreichen Tipps von unserem IT-Experten. Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre. Herzlich, Beat Däppeler Andrea Wanner Verwaltungsratspräsident Viva Luzern Geschäftsführerin Viva Luzern 3
Inhalt. 16 viva! Eine Annäherung an den Tod. Der Philosoph Ludwig Hasler und der Geron- tologe Markus Leser plädieren dafür, dass der Tod wieder mehr zum Leben gehört. Dafür brauche es ein Umdenken in der Gesellschaft. Neue Werte, Sinn im Alter und sichtbare Hoch betagte könnten zu einem Wandel beitragen. 4
8 Abschied. 6 Kontakte. Galerie. 26 Zwei Wegbegleiter von Eine Win-win-Situation Eine Mieterin zeigt uns ihre Viva Luzern ziehen weiter. für alle Beteiligten. Lieblingsplätze und -dinge. 31 Gesichter. Frag viva! 36 40 Standpunkt. Eine Zweitlehre aus Über Wie regle ich meinen Freiheit versus Schutz. zeugung und Leidenschaft. digitalen Nachlass? Ein ethischer Balanceakt. Impressum. Herausgeberin Viva Luzern AG | Schützenstrasse 4 | 6003 Luzern | Redaktion Corina Beccarelli | Redaktionelle Mitarbeit Sonia Baumann | Sylvie Eigenmann | Rahel Lüönd | Daniel Schriber | Reto von W artburg | Andrea Wanner | Artdirektion und Grafik vonwartburg.ch | Fotos Aura | Sylvie Eigenmann | Rahel Lüönd | Reto von Wartburg | Sandra Fischer | iStockPhoto | Korrektorat korrigiert.ch | Druck Brunner Medien AG | Auflage 6000 Exemplare | Erscheinung Zweimal jährlich | viva! abonnieren Telefon 041 612 70 00 | kommunikation@vivaluzern.ch | www.vivaluzern.ch 5
Abschied. «Viva Luzern ist ein Leuchtturmprojekt.» Beat Däppeler und Elsbeth Wandeler geben nach sieben Jahren ihr Amt im Verwaltungsrat von Viva Luzern ab. Ein idealer Zeitpunkt, wie sie finden. Sie geben Ihr Mandat als Verwaltungsrats Frau Wandeler, wieso bewarben Sie sich um präsident respektive als Verwaltungsrätin ab. das Mandat als Verwaltungsrätin? Was bewog Sie zu diesem Schritt? Der Reiz lag für mich in der Umwandlung von einer Dienstabteilung der Stadt Luzern in ein Beat Däppeler: Nach sieben Jahren im Amt sehe gemeinnütziges Unternehmen, die Viva Luzern ich Viva Luzern als ein konsolidiertes Unterneh- AG. Diesen Prozess mit meinem Fachwissen zu men, das weitergegeben werden kann. Der Zeit- begleiten, war eine enorm spannende Aufgabe. punkt scheint mir ideal. Zudem möchte ich kein Verwaltungsrat sein, der einfach hocken bleibt. Und können Sie sich noch an die erste Sitzung Ich möchte Neuen Platz machen. Aber in der Tat, im Verwaltungsrat erinnern? die Zahl Sieben war nicht ganz irrelevant. Ich mag Primzahlen sehr (lacht). Beat Däppeler: Ja, sie war sehr angenehm. Ich spürte viel Wertschätzung und ein grosses Elsbeth Wandeler: Das kann ich nur unter- Engagement für das Projekt Umwandlung. schreiben. Diese sieben Jahre bezeichne ich als Gründerjahre. Ich durfte viele gute Erfahrungen Elsbeth Wandeler: Ich war erkältet und hatte machen und tolle Menschen kennenlernen. Nun ist keine Stimme mehr. So beschränkte sich die Zeit reif für einen Wechsel. meine persönliche Vorstellung auf drei Sätze. Aber ich dachte: «Die lernen mich schon noch kennen.» (lacht) “ Ich komme in eine Freiheit, die ich geniesse. Das ist neu für mich. Früher musste Worauf sind Sie besonders stolz? ” Elsbeth Wandeler: Es war mir ein grosses Anlie- ich immer wissen, was kommt. gen, dass die Pflege als Kernaufgabe des Unter- nehmens in den obersten Gremien eingebunden Beat Däppeler, ist. Mit der Schaffung der Geschäftsleitungsstelle Verwaltungsratspräsident Viva Luzern (bis Juni 2021). Pflege und Gesundheit im Jahr 2017 wurde dem Rechnung getragen. Beat Däppeler: Die Professionalität. Viva Luzern Herr Däppeler, der Verwaltungsrat besteht aus ist ein sehr professionelles Unternehmen mit hoch sechs Personen, drei Frauen und drei Männern. motiviertem Personal und hoher Wertschätzung Das ist untypisch, oder? untereinander. Dem gilt es Sorge zu tragen, damit Ja, das ist in der Tat nicht oft anzutreffen. Aber der Pflegeberuf attraktiv bleibt. Insbesondere in genau das war uns ein Anliegen. Wir hatten den der Langzeitpflege. Anspruch, bei Entscheidungen durch Diskus- sionen zu einem gemeinsamen Entschluss zu Elsbeth Wandeler: Genau. Es braucht die rich- gelangen. Deshalb müssen wir nicht abstimmen tigen Leute, die für die Langzeitpflege ausge- und brauchen auch keine ungerade Anzahl an bildet sind. Oft höre ich, dass in der Ausbildung Verwaltungsräten. Zudem ist die Pflegebranche Gelerntes nicht angewendet werden kann. Das frauendominiert. Das sollte sich zwingend auch im ist frustrierend und darf nicht sein. Deshalb ist Verwaltungsrat abbilden. Intercare – an dem Viva Luzern beteiligt ist – ein 6
Im Gespräch: Beat Däppeler … … und Elsbeth Wandeler. so grossartiges Projekt. Mit der Ausbildung von Was schätzen Sie an Ihrem Mandat als Verwal geriatrischen Pflegeexpertinnen optimieren wir tungsrätin und Verwaltungsrat besonders? den interprofessionellen Austausch und ermögli- chen eine optimale Weiterbildung für die Praxis. Beat Däppeler: Der Verwaltungsrat war sehr betriebsnah. Wir führten unsere Sitzungen in den Betagtenzentren durch und trafen beim “ Mittagessen die Geschäftsleitung und die jeweilige Betriebsleitung. Viva Luzern ist ein Leuchtturmprojekt. Ein Leuchtturm leuchtet von innen nach aussen. Elsbeth Wandeler: … und wurden zu den Weih- Wir müssen in die Lebensqualität unserer nachtsfeiern und zur Fasnacht eingeladen. Ich bin als Zürcherin keine Fasnächtlerin, aber die Fas- Bewohnerinnen und Bewohner wie auch unserer nachtsfeiern sind für mich besonders schöne Erfah- Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter investieren, rungen gewesen. Es wurde getanzt, musiziert, infil ” triert und der Zunftmeister war zu Besuch. Ein toller damit wir leuchten. Anlass für unsere Bewohnerinnen und Bewohner. Elsbeth Wandeler, Und zum Schluss: Wie geht es bei Ihnen weiter? Verwaltungsrätin Viva Luzern (bis Juni 2021). Beat Däppeler: Ich möchte mein Netzwerk und meine Erfahrung weiterhin nutzen. Als Präsident des SAH Zentralschweiz und Gründungspräsident des Sehen Sie darin die Zukunft? Arbeitsintegrationsprojektes Restaurant Libelle bin ich für den Moment gut bedient. So bleibt noch Zeit Elsbeth Wandeler: Ja. Wir müssen aber auch zum Lesen, für Spaziergänge mit meiner Hündin herausfinden, welche Erwartungen die zukünf Chica und das Bekochen meiner Freunde. tigen Bewohnenden haben, und uns verstärkt auf diese Bedürfnisse ausrichten. Elsbeth Wandeler: Mir geht es ähnlich. Nach der Pensionierung nahm ich viele interessante Auf- Beat Däppeler: Genau. Wir müssen aber auch das gaben an. Nun gebe ich sukzessive ab. So habe ich Wohnen vermehrt ins Zentrum rücken, gemäss unter anderem mehr Zeit, mich um mein Mandat unserem Claim «Im Alter zuhause.». Hinzu kommt, als Verwaltungsrätin der Mauritiusheim AG in Schötz dass die Pflegeleistungen zunehmen, da wir immer zu widmen. Dort setzen wir eine integrierte Ver älter werden. Bezahlbar wird das aber nicht. Des- sorgung um. Das ist in meinen Augen die Zukunft halb ist Kreativität gefragt: Soll die Freiwilligenar- und ich bin begeistert, Teil des Projekts zu sein. beit in irgendeiner Form mehr eingebunden wer- den? Das sind Diskussionen, die man führen muss. Corina Beccarelli. 7
Kontakte. Ein ganz besonderes Besuchsangebot. Die Stiftung Besuchsdienst Innerschweiz schafft Arbeitsplätze für Menschen, die aus psychischen Gründen eine ganze IV-Rente beziehen. Von den Besuchseinsätzen profitieren auch die Bewohnerinnen und Bewohner von Viva Luzern. Judith Jermann hat in ihrem Leben schon vieles mich meine Kundinnen und Kunden mit strah- durchgemacht. Die 54-jährige Dagmersellerin lendem Gesicht empfangen, ist das der schönste leidet seit rund zehn Jahren an einer bipolaren Lohn für mich.» Störung. Bei dieser psychischen Erkrankung lei- den die Betroffenen phasenweise an manischen Judith Jermann versucht, ihre Besuche wenn und depressiven Stimmungsschwankungen. Be- immer möglich mit einem Ausflug an die frische vor sie vor rund 10 Jahren krank wurde, arbeitete Luft zu verbinden. Die Besucherin ist froh, dass Jermann fast 25 Jahre im Verkauf. Daneben zog sie dank ihrer Arbeit eine geregelte Struktur hat sie als alleinerziehende Mutter eine Tochter gross. und gleichzeitig anderen Menschen eine Freude «Heute könnte ich nicht mehr im freien Arbeits- bereiten kann. «Obwohl es sich um einen ge- markt tätig sein», sagt Judith Jermann. Umso schützten Arbeitsplatz handelt, tragen wir eine dankbarer ist sie, dass sie beim Besuchsdienst grosse Verantwortung.» Gerade der Umgang Innerschweiz (BDI) eine Aufgabe fand, die nicht mit Menschen mit einer Demenzerkrankung sei nur interessant, sondern auch sinnstiftend ist. anspruchsvoll. Zwischen den Besucherinnen und Lächelnde Gesichter als schönster Lohn. “ Mit seinem Besuchsangebot bietet der BDI betagten, behinderten, einsamen und kranken Wir müssen kein bestimmtes Ziel Menschen aus der Innerschweiz ein Stück Lebens- erreichen. Wir dürfen unseren Kundinnen ” qualität. Die Besucher unterstützen ihre Kunden zum Beispiel beim Einkaufen, im Haushalt oder und Kunden einfach Freude bringen. als Begleitung bei einem Arztbesuch. Die Besu- cher leisten aber auch einfach Gesellschaft (z. B. Judith Jermann, Mitarbeiterin Besuchsdienst. bei gemeinsamen Spielen) und bringen dadurch Abwechslung in den Alltag ihrer Kunden. dem BDI besteht daher auch ein regelmässiger Zugleich schafft die Institution wertvolle Arbeits- Austausch. «An der monatlichen Arbeitsbespre- plätze für Menschen mit psychischen oder psy- chung berichte ich über meine Einsätze. Zudem chosomatischen Erkrankungen. Judith Jermann kann ich mich bei Fragen oder allfälligen Proble- ist seit 2017 als Besucherin unterwegs. Sie schätzt men jederzeit beim BDI melden.» die Arbeit beim BDI aus verschiedenen Gründen: Besonders angenehm sei, dass sich die Besuchen- Das Highlight der Woche. den viel Zeit nehmen können für ihre Kunden. Auch verschiedene Betagtenzentren von Viva Der Inhalt des Besuches wird vorab vom BDI- Luzern zählen auf die Dienste des Besuchsdiens- Team und dem Kunden definiert. «So weiss ich, tes Innerschweiz. Im Viva Luzern Wesemlin nutzen was gewünscht wird, und kann dies mit dem aktuell acht Bewohnerinnen und Bewohner das Kunden gemeinsam und aus der Situation heraus Angebot. «Unsere Bewohnenden und auch wir als frei gestalten.» Schön sei auch die Dankbarkeit, Institution schätzen dieses Angebot sehr», betont die sie regelmässig zu spüren bekommt. «Wenn Renate Bühler, Leiterin Pflege und Betreuung im 8
Viva Luzern Wesemlin und Tribschen. Die Besu- BDI eine Chance zu bieten», betont Renate Bühler. cherinnen und Besucher können sich während ei- So sei Viva Luzern zum Beispiel immer offen, ner oder auch zwei Stunden voll und ganz um ihre angehenden Besuchspersonen einen Praktikums- Kundinnen und Kunden kümmern – das werde platz anzubieten. von allen Beteiligten sehr geschätzt. «Wertvoll ist auch der Ortswechsel, der häufig mit den Be- Aufgrund der Coronapandemie konnten in den suchen verbunden wird.» Ausflüge in die nähere vergangenen Monaten keine oder nur wenige Umgebung des Betagtenzentrums gehören zu BDI-Besuche durchgeführt werden. «In dieser den regelmässigen Bestandteilen der Treffen. sonst schon schwierigen Zeit vermissen die Be- Renate Bühler weiss: «Für viele Bewohnende ist wohnenden diese Abwechslung umso mehr», der Besuch des BDI das Highlight der Woche.» weiss Renate Bühler. Die Leiterin Pflege und Be- treuung hofft deshalb sehr, dass die Besuche bald Die Chemie muss stimmen. wieder wie früher durchgeführt werden können. Damit das Besuchsangebot von Erfolg gekrönt Bühler bezeichnet die Zusammenarbeit mit dem ist, braucht es eine seriöse Vorbereitung; zudem BDI als «unkompliziert und gewinnbringend». müssen verschiedene weitere Kriterien erfüllt sein. «Die Besuche ergänzen die Arbeit unserer Pfle- «Es ist wichtig, dass die Chemie zwischen der gemitarbeitenden. Gleichzeitig steigt dadurch die Besuchsperson und der Kundin stimmt», betont Zufriedenheit der Bewohnerinnen und Bewohner.» Renate Bühler. Um dieses Ziel zu erreichen, findet Diese Freude über die BDI-Besuche sei häufig bereits vor dem ersten Besuch ein Austausch zwi- lange vor und nach den eigentlichen Treffen noch schen dem BDI und Viva Luzern statt. «Der BDI spürbar. Auch Judith Jermann kann es kaum er- kennt seine Besuchspersonen – und wir wissen, warten, bis sie endlich wieder regelmässige Besu- welche Bedürfnisse unsere Bewohnerinnen und che bei Viva Luzern absolvieren kann. Auch wenn Bewohner haben.» Viva Luzern und der Besuchs- sie nach ihren Einsätzen jeweils geschafft und dienst Innerschweiz pflegen seit vielen Jahren müde ist, betont sie: «Der BDI ist das Beste, was eine freundschaftliche und konstruktive Zusam- mir passieren konnte.» menarbeit. «Uns ist es wichtig, den Menschen des Daniel Schriber. «Ich hätte nie gedacht, dass ich mit meinen Besuchen so viel Freude bereiten kann.»
Kontakte. «Eine Win-win-Situation für alle Beteiligten.» Der Besuchsdienst Innerschweiz feierte vergangenes Jahr sein 20-jähriges Bestehen. Geschäftsleiterin Christine Giger erklärt, was das Angebot besonders macht. Christine Giger, warum lohnt es sich, auf Besucher sind häufig über viele Jahre beim BDI das Angebot des Besuchsdienstes Innerschweiz engagiert und verfügen über einen grossen Erfah- zurückzugreifen? rungsschatz. Dank der Unterstützung des BDI können Ange hörige und Pflegepersonen regelmässig für einige Der BDI feierte vergangenes Jahr sein 20-jähri Stunden die Betreuungsaufgabe abgeben. Gleich- ges Bestehen. Wie haben sich die Herausforde zeitig wird den Besuchspersonen eine sinnvolle rungen für den BDI im Laufe der Zeit verändert? Aufgabe, Tagesstruktur und eine Integration in Die Besuchs- und Betreuungssituationen sind die Gesellschaft ermöglicht. Dadurch generieren komplexer geworden, was unter anderem an der wir für alle Beteiligten eine Win-win-Situation. demografischen Entwicklung der Bevölkerung liegt. Wir werden immer älter und leben zudem Welche Rolle spielt für den BDI die länger zu Hause. Hinzu kommt, dass es immer Zusammenarbeit mit Viva Luzern? mehr Menschen gibt, die an einer Demenz erkran- Die Mehrheit unserer Kundinnen und Kunden lebt ken und demzufolge eine spezifische Betreuung in Betagtenzentren. Wir schätzen es zudem aus- brauchen. Dies und viele weitere Themen werden serordentlich, dass die Heime regelmässig Prak- im Weiterbildungskurs laufend angepasst. tikumsplätze für unsere angehenden Besucherin- nen und Besucher zur Verfügung stellen und ihnen Auf dem Platz Luzern gibt es verschiedene somit den praktischen Einstieg ermöglichen. Betreuungsangebote. Wie gelingt es dem BDI, sich abzuheben? Was zeichnet die Partnerschaft mit Seit der Gründung des BDI sind in der Zentral- Viva Luzern sonst noch aus? schweiz weitere Betreuungsangebote hinzuge- Die Beziehung ist geprägt von Akzeptanz, ge kommen. Keines deckt mit dem Angebot an die genseitiger Wertschätzung und Vertrauen. Kunden jedoch gleichzeitig auch einen Arbeits- Das ist unbedingt nötig, denn wir verlangen platz für Menschen mit einer psychischen oder bei unserer Erstabklärung umfassende Informa psychosomatischen Beeinträchtigung ab. Eine tionen über die Kundinnen und Kunden. Gleich unserer Kernaufgaben besteht darin, der Bevöl- zeitig wissen die Betagtenzentren auch, dass kerung aufzuzeigen, dass der BDI anders ist und wir die Dienstleistung der Betreuungs- und dieses Anderssein für alle Beteiligten sinnvoll ist. Besuchsaufgabe professionell anbieten. Nicht selten werden wir zu ausserordentlichen Situatio- nen aufgeboten. Unsere angehenden Besuchsper- sonen werden zum Beispiel gezielt auf den Um- gang mit schwerstdementen Personen geschult. Die Besuchspersonen des BDI tragen eine grosse Verantwortung. Wie stellen Sie sicher, dass sie diese wahrnehmen können? In einem dreimonatigen Weiterbildungskurs in- klusive Praktika werden die Besucherinnen auf ihre Tätigkeit vorbereitet. Der Kurs findet einmal Christine Giger. im Jahr statt und spricht Bewerbende mit einer Geschäftsleiterin Stiftung ganzen IV-Rente aus der Innerschweiz an. Unsere Besuchsdienst Innerschweiz. 10
Entdecken. Handdesinfektion. Zwitscherbox. Entspannungsduft. Desinfektionsmittel aus 100 % Dieses fröhliche Vogelgezwitscher Beruhigend, entspannend und natürlichen Inhaltsstoffen. lässt uns kurzfristig in eine Welt schlaffördernd. Einfach über Aloe Vera schützt und pflegt die ohne Stress und Zeitdruck ab Bett und Kissen sprühen, und Haut. Parfümiert mit ätherischen tauchen. Durchatmen und zur Ruhe sofort entfaltet sich die aroma- Ölen. Produziert in der Schweiz. kommen. Mit Bewegungsmelder. therapeutische Wirkung. Heiter bis glücklich. Unsere Entdeckungen für Sie. Auf- gestöbert im Internet und erhältlich in ausgewählten Geschäften* in Luzern. Lunchbox. Sonnenglas. Obstschale Oh là là. Praktische und ökologische Lunch- Das dekorative Glas speichert Wie geht denn das? Drei Eichenbretter box aus pflanzenbasiertem Material. über den Tag Energie und werden eine Schale? Und das mit nur Geruchs- und geschmacksneutral gibt sie im Dunkeln in Form wenigen Handgriffen? Es geht! sowie geeignet für die Spül von weichem, hellem und nicht Produziert in Handarbeit in Werkstätten maschine oder die Mikrowelle. blendendem Licht wieder ab. für Menschen mit Behinderungen. * z. B. bei Changemaker, Einzigart, Soeder und weiteren. 11
Leben. Von Kraft, Sinn und Perspektiven. Irgendwann kommt das Leben in einen ruhigeren Takt. Platz für das Schöne und Freudige bleibt darin bestehen. Was gibt Kraft und Sinn? Wir haben drei Bewohnerinnen von Viva Luzern befragt. Schauen Sie aus dem Fenster. Sehen Sie die Zufrieden bin ich eigentlich immer. Kraft gibt mir Tanne, deren Spitze aussieht, als sei da eine mein Glaube. Ich bete täglich, auch für Bekannte, Art Figur? Das ist die Beschützerin vom Viva die im Sterben liegen. Ich habe ja viel Zeit dafür. Luzern Eichhof, sagt man. Der Gedanke gefällt Ich habe das Gefühl, mein Leben habe sich erfüllt mir. Und die Aussicht sowieso. – mehr, als ich erwartet habe. Ich hatte Familie und einen guten Beruf, leitete eine Filiale für Porzellan und Glaswaren. Ich habe keine speziel- “ len Wünsche an die Zukunft, sondern Freude an Aber die Jungen, die brauchen dem, was kommt. Aber die Jungen, die brauchen Wünsche. Sonst würde alles im gleichen Wünsche. Sonst würde alles im gleichen Trott weitergehen. Es braucht Wünsche, damit sich Trott weitergehen. Es braucht Wünsche, ” Dinge verändern. damit sich D inge verändern. Ruth Cotting, Bewohnerin Viva Luzern Eichhof. Die Umgebung ist schön, wundervoll gepflegt und voller Blumen. Viele davon wuchsen schon früher bei meiner Mutter. Ich fühle mich zu Hause. Besonders liebe ich die Margeriten: Die sind so einfach und «gmögig». Ich bin jetzt 93 Jahre alt. In meiner Familie wurden viele Leute sehr alt. Seit zwei oder drei Jahren lebe ich hier im Viva Luzern Eichhof. Gute Nach- barn und gute Beziehungen zu anderen zu haben, macht mir Freude. Die Besuche meiner Familie sind mir sehr wichtig. Ich habe vier Kinder, sieben Enkel und drei Urgrosskinder. Die sehe ich seit der Coronapandemie aber viel weniger. Bis vor Kurzem ging ich jeden Morgen und Mittag je eine Stunde lang spazieren. Abends schaue ich zum Beispiel Bauernhofkrimis. Manchmal auch die Nachrichten, aber nicht immer. Die Corona-Themen gehen mir auf die Nerven. Ich liebe es ausserdem, zu singen. Früher nahm ich Gesangsstunden. Ich kenne ein dreistimmiges «Gegrüsst seist du, Maria», das habe ich zwei anderen beigebracht. Manchmal singe ich es auch mit dem Sigrist zusammen in der Haus kapelle, oder einfach für mich allein. Besonders wichtig ist Ruth Cotting dieses Foto mit ihrem 12 verstorbenen Ehemann: «Da waren wir noch jünger.»
Eva Jenni hört am liebsten klassische Musik. Ihr Radio ist ihr treuer Begleiter. Ich besitze nur fünf Möbelstücke. Mehr will Natur. Vögel liebe ich besonders. Meine Nichte ich nicht; es muss nur gemütlich sein. Denn es schenkte mir für mein Zimmer hier ein Bild von zählt nicht, was man hat. Durch die Erfahrungen einem Rotkehlchen, das ich rahmen liess. von Krieg, Flucht und Armut habe ich so viel in meinem Leben verloren, dass ich keine grosse Ich bin ein gläubiger Mensch, das gibt mir Kraft. Wertschätzung mehr für Dinge habe. Es zählt 1944 auf der Flucht lernte ich, dass der Herrgott nur der Mensch. uns immer begleitet, auch durch Bomben und Granaten hindurch. Ich bin jetzt 91. Mit 22 Jahren kam ich aus Deutschland in die Schweiz und durch meinen “ Ehemann nach Luzern, wo ich ja sogar Verwandte hatte. Ich würde sagen, ich kenne die Schweiz Und sobald das Coronavirus so besser als so mancher, der hier aufgewachsen ist. harmlos geworden ist wie ein Grippevirus, ” Ich kann sogar den Wortlaut des Rütlischwurs auswendig. mache ich meine Cognacflasche auf. Ich lebe seit vier Monaten im Viva Luzern Eichhof. Eva Jenni, Bewohnerin Viva Luzern Eichhof. Ich habe immer noch viele gute Freunde drüben im Hochhaus (Aquamarin) von Viva Luzern, wo ich zuvor viereinhalb Jahre gelebt habe, in einer Ich glaube, für junge Menschen ist es schwer in süssen eigenen Wohnung. Ohne Coronapandemie dieser Zeit der Pandemie. Ich wünsche ihnen, würden wir uns am Stammtisch im Bistro treffen. dass sie Vertrauen in die Zukunft haben und in Wir haben sehr nahe Beziehungen. Manchmal sich die Kraft finden können, das zu bewältigen. telefonieren wir auch. Gute Gespräche sind mir wichtig. Für die Zukunft wünsche ich mir nur Gesundheit und dass ich mit meinen Mitmenschen gut aus- Mir macht alles Freude, ich bin an allem interes- komme. Und sobald das Coronavirus so harmlos siert. Ich liebe klassische Musik, bin ständig im geworden ist wie ein Grippevirus, mache ich KKL oder höre Radio. Ich bin auch gern in der meine Cognacflasche auf. 13
Leben. Marianne von Allmen: «Es ist wichtig, eine Leidenschaft zu haben.» Seit zweieinhalb Jahren lebe ich in dieser k ochen und gute Gespräche zu führen. Ich pflege Wohnung mit Dienstleistungen von Viva viel Korrespondenz mit meinen Freunden, schrei- Luzern. Hier im Haus bin ich mit 75 Jahren be ihnen Rundbriefe mit persönlichen Antworten eine der Jüngsten: Viele sind bereits um auf der Rückseite. Miteinander zu kommunizieren die 90 und gestalten ihren Alltag immer und Freud und Leid zu teilen, ist sehr wichtig. noch selbstständig. Das ist toll. “ Ich liebe Kunst und Kultur. Ich arbeitete zwanzig Jahre lang als Leiterin des Kleintheaters Luzern, Die Freuden im Leben muss ich nicht nachdem ich ursprünglich Sekundarlehrerin war. Ich lese gern Lyrik oder meine abonnierten suchen. Sie sind einfach da. Und in dieser Zeit Kulturzeitschriften, gehe ins Theater, höre Kultur- nehme ich sie noch bewusster wahr als sonst. sendungen im Radio und schaue im Fernsehen Schokolade macht Freude – da, nehmen ” Reisereportagen. Und ich erkunde die Schweiz gern mit meinem GA. Sie noch eine! –, Blumen machen Freude. Ausserdem engagiere ich mich beim Verein Hel- Marianne von Allmen, Mieterin Wohnen mit Dienstleistungen. loWelcome. Dort unterstütze ich Geflüchtete, die Deutsch lernen: Seit der Coronapandemie treffe ich mich mit vier jungen Leuten aus verschiedenen Ländern jeweils im Tandem. Das ist eine wahre Wenn ich einen Rat an die junge Generation Lebensbereicherung für mich und etwas sehr hätte, wäre es, sich für etwas einzusetzen, das Sinnvolles. Die Freuden im Leben muss ich nicht für einen Sinn macht – egal ob das im Beruf suchen. Sie sind einfach da. Und in dieser Zeit neh- oder in der Freizeit ist. Es ist wichtig, eine Leiden- me ich sie noch bewusster wahr als sonst. Scho- schaft zu h aben und zu pflegen. kolade macht Freude – da, nehmen Sie noch eine! –, Blumen machen Freude. Oder für andere zu Sylvie Eigenmann. 14
Gesundheit. Jeden Tag ein paar Schritte zu Fuss fördern das körperliche Wohlbefinden und stärken die psychische Gesundheit. Gemütlicher Spaziergang vom Generationenpark Neue Wege zur Allmend. gehen … Von der Busendstation Hirtenhof (Bus Nr. 8) hin. Am Wohnhaus und Grillplatz vorbei, links in folgen Sie der Hirtenhofstrasse nach rechts. Vor den Waldweg einbiegen und bei der nächsten dem Haus Nr. 24 biegen Sie links auf das leicht Kreuzung nach rechts bis zur Einmündung in die ansteigende Strässchen zum Wald hin ab. Beim Asphaltstrasse. Beim Pony-Auslauf gehen Sie Fahrverbot gehen Sie nach rechts, entlang des nach links an den Schrebergärten vorbei in das Waldrands, nicht auf den Waldweg. Beim Wan- Naherholungsgebiet Allmend. Von hier Richtung derweg «Allmend» und der nächsten Hinweistafel Horwerstrasse und zu den Bus- und S-Bahn-Halte- gehen Sie nach rechts bis zur Grillstelle. Über stellen Allmend. den Fussweg hinunter zur Wohnsiedlung, dann Die Details: 60 Minuten, 3,8 Kilometer auf dem kleinen Plattenweg nach links zum Wald Auf-/Abstieg: 99 Meter / 120 Meter dliw eg Allmen H irte nh o fst r. Generationenpark Hirtenhof Allmend Horwe Naherholungsgebiet Allmend Bireggwald rstr.
Dossier. Eine Annäherung an den Tod. Frieden schliessen mit der Endlichkeit. Der Philosoph Ludwig Hasler und der Gerontologe Markus Leser plädieren dafür, dass der Tod wieder mehr zum Leben gehört. Dafür brauche es ein Umdenken in der Gesellschaft. Neue Werte, Sinn im Alter und sichtbare Hochbetagte könnten zu einem Wandel beitragen. Als ich in weissem Krankenzimmer der Charité hat, ist Ludwig Haslers Lieblingsgedicht im Zu- aufwachte gegen Morgen zu sammenhang mit dem Sterben. Es trifft in weni- und die Amsel hörte, wusste ich gen Worten einen Kern, den er für essenziell hält: es besser. Schon seit geraumer Zeit Dass wir uns damit anfreunden können, ja uns so- hatte ich keine Todesfurcht mehr. Da ja nichts gar daran freuen, dass es ein Leben nach uns gibt. mir je fehlen kann, vorausgesetzt Damit uns dies gelingt, müssen wir zu Lebzeiten ich selber fehle. Jetzt an dem Leben nach unserem Tod mitgewirkt gelang es mir, mich zu freuen haben, findet der Zürcher Philosoph. In seinem alles Amselgesanges nach mir auch. neuen Buch «Für ein Alter, das noch was vorhat» geht er der Frage nach, wie ein erfüllter Lebens- Dieses Stück Poesie, das Bertolt Brecht praktisch abschluss aussieht. Er regt an, sich für andere zu am Vorabend seines eigenen Todes geschrieben engagieren, solange es noch geht. Denn Sinn, das 16
sei nichts weiter als eine Bedeutung, die über uns irgendeiner Form an ein Danach. Das führt dazu, selbst hinausgehe. «Wenn wir sinnstiftenden Auf- dass der Tod kein Schlusspunkt, sondern lediglich gaben nachgehen, die unsere Körper überdauern, ein Übergang ist. Bei uns hingegen sei das Alter dann können wir später einfacher loslassen. Im in diesem Fall die Endstation, sozusagen das Bewusstsein, dass wir unsere Lebensfrist genutzt Vorzimmer zum Tod. «Der Tod wird zu unserem haben, können wir auch in die eigene Vergäng- Todfeind.» lichkeit einwilligen.» “ Experiment der Perspektivlosigkeit. Ludwig Hasler ist überzeugt, dass ähnlich wie in einem grossen Welttheater alle ihren Teil beitra- Nur weil wir das Bewusstsein haben, gen sollten. Jeder auf seine Art und Weise und im dass es uns nicht endlos gibt, wollen wir den Rahmen seiner Möglichkeiten. Wenn wir aber nur Augenblick leben und in dieser kurzen Zeit, ” mit uns selbst beschäftigt seien, werde es schwie- rig. Schliesslich ist dann nichts mehr, kein weiterer die uns bleibt, etwas verwirklichen. Sinn, wenn wir sterben. «Das gibt einen Druck auf die letzten Jahre – man muss aus dem Leben Ludwig Hasler, Philosoph. noch holen, was möglich ist. Diese Menschen wer- den quasi zu den Endverbrauchern ihrer eigenen Lebenschance.» Besonders bei jenen, die an keine Der unerbittliche und doch aussichtslose Kampf Pforte zu einem weiteren Leben glauben, wird der gegen den Tod ist auch ein Thema, das Markus Tod zu einem erbarmungslosen Ende. «Wir sind Leser beschäftigt. Der Leiter des Fachbereichs ein kleiner Teil der Menschheit, die zum ersten Mal Menschen im Alter bei Curaviva, dem Branchen- ein Experiment macht: Das Leben in der Perspek- verband der Institutionen für Menschen mit Un- tivlosigkeit», sagt der 77-Jährige und lächelt. terstützungsbedarf, sprach in seinem viel beach- Tausende Jahre vor uns – und auch heute noch teten Neujahrsbrief von der «Skandalisierung des in vielen Teilen der Welt – glaubten die Leute in Sterbens». Darin thematisierte er die überhitzte 17
Dossier. Ludwig Hasler: «Die Sterne geben uns eine leise Ahnung, dass wir nur ein winzig kleiner Teil des Universums sind.» mediale Diskussion im Zusammenhang mit den nicht vergessen: Sterbende leben noch!» Er Todesfallzahlen während der Coronapandemie. plädiert für eine gute Lebensqualität im hohen Eine Debatte, die gerade gegenüber von Alters- Alter anstelle von möglichst viel reiner Lebens- und Pflegeheimen nicht ohne Schuldzuweisungen zeit. Das ist die Aufgabe, der sich die Alters- auskommt. und Pflegeheime verschrieben haben. Nach all den Fortschritten, welche die Medizin Hochbetagte widersprechen unseren Zielen. zur Verlängerung des Lebens erzielt hat, gleicht Das widerspricht in gewissem Sinne unseren Zie- der Tod letztlich einem menschlichen Versagen. len, die uns ein Leben lang begleiten: Immer mehr, «Hochbetagte Menschen dürfen sterben», sagt immer schneller, immer besser. Menschen im vier- Leser. Eine Aussage, die nicht selbstverständlich ten Lebensalter halten keiner Wachstumsstrategie ist. «Viel wichtiger als der genaue Zeitpunkt des stand, die immer höher hinauswill. Sie erleben das Todes ist nämlich der Weg dorthin. Wir dürfen Gegenteil: Ihr Rahmen wird enger und die Gren- 18
zen rücken näher. Das Leben an sich entwickelt glaube schon, dass Corona in uns Menschen etwas sich langsamer, bis am Schluss unter schwinden- angeschoben hat.» Teils würden wir staunen, teils dem Bewusstsein nur noch der «Film des eigenen seien wir verärgert. In jedem Fall aber würden wir Lebens» bleibt, wie es Hasler bezeichnet. Und merken: Das Schicksal ist immer noch mächtig. der Tod, ja der Tod wird der Prämisse nach «mehr» «In dieser Verfassung müssen wir eigentlich zum schlicht nicht gerecht. Er ist ein Ende. Schluss kommen, dass wir mit der eigenen End- lichkeit wieder Freundschaft schliessen.» “ Eigene Endlichkeit als Voraussetzung. Der Tod, sagt Ludwig Hasler derweil schön, ist Hochbetagte Menschen dürfen ” gewissermassen der einzige Grund, weshalb sterben. unser Leben lebenswert ist. «Ohne Tod ist das Leben tödlich», sagt er im Umkehrschluss. Er be- Markus Leser, Gerontologe. schreibt den Roman von Simone de Beauvoir, in dem der Protagonist ein Lebenselixier getrunken hatte und ewig leben durfte. Dieser wurde zum unglücklichsten Menschen in seinem Umfeld – Wenn wir diesen Prozess des Alterns näher weil die eigene Endlichkeit fehlte. Er konnte kein erlebten, würden wir den Tod vielleicht besser Risiko mehr eingehen, die Gegenwart verlor ihren verstehen und akzeptieren. Ludwig Hasler wie Reiz. «Nur weil wir das Bewusstsein haben, dass auch Markus Leser sind sich einig, dass hoch- es uns nicht endlos gibt, wollen wir den Augen- betagte Menschen ein fast unsichtbares Leben blick leben und in dieser kurzen Zeit, die uns abseits führen. Unsere Wahrnehmung hört bei bleibt, etwas verwirklichen», sagt Hasler. den fitten Rentnern auf, die das öffentliche Bild prägen. Markus Leser sagt: «Menschen, die in Als Physiker beschäftigt sich Hasler je länger je der Langzeitpflege arbeiten, werden zu wenig mehr mit der Astrophysik. Die Sterne geben ihm wertgeschätzt, weil eben auch die hochbetagten eine leise Ahnung von unserer eigenen Bedeu- Menschen zu wenig Wertschätzung erfahren.» Sie tung und zeigen vor allem eins: Dass wir nur ein passen nicht zum pulsierenden Leben – man kann winzig kleiner Teil im Universum sind. Wenn wir ihnen auch nichts mehr verkaufen wie den aktiven unsere Aufgabe in diesem Leben erfüllt haben, Pensionierten. Doch Leser vertraut darauf, dass können wir uns irgendwann lösen. Die Amseln auch das Sterben wieder eine breitere Akzeptanz werden auch morgen singen. finden wird. Unsere Gesellschaft habe 20, 30 Jah- re gebraucht, bis wir die demografische Entwick- Rahel Lüönd. lung richtig erkannt hätten. Jetzt dauere es halt eine Weile, um zu verstehen, dass die Menschen auch irgendwann sterben. Nicht alles liegt in unserer Hand. Für den 62-jährigen Markus Leser liegt ein Teil der Herausforderung in der Frage, wie wir wie- Wir danken unseren Interviewpartnern der zu Werten zurückfinden, die mit dem Tod im für die fachkompetente Auskunft. Einklang stehen. Gerade seine Generation kenne seit Jahrzehnten ungebremstes Wachstum und sei der Illusion verfallen, es gebe keine Grenzen. «Habt ihrs im Griff?», sei eine Frage, die ihm häufig gestellt werde. Nach einem Jahr Corona pandemie sei wohl vielen klar geworden, dass Markus Leser. wir Menschen nicht die Kontrolle über die Welt Leiter Fachbereich Menschen im Alter haben. Ist es denn so erstrebenswert, alles im Curaviva Schweiz. Griff zu haben? Oder können wir uns nicht wieder mehr mit dem Gedanken anfreunden, dass nicht alles in unserer Hand liegt? Auch Hasler wünscht sich etwas mehr Demut zu- rück. «Vor der Coronapandemie dachten wir, das Ludwig Hasler. Schicksal sei abgeschafft, der Wohlstand sei im Schweizer Philosoph und Trockenen und die Gesundheit garantiert. Die Pan- Publizist aus Zollikon. demie zeigte uns auf, dass das nicht stimmt. Ich 19
Dossier. «Alte Menschen sprechen nicht ungern übers Sterben.» Wie kann man das eigene Sterben vorbereiten? Heidi Tomasini, Leiterin Pflege im Betagtenzentrum Viva Luzern Rosenberg, erklärt die Funktion und Ziele von Advance Care Planning und fügt an: «Die meisten Menschen können sich gut mit dem nahenden Ende anfreunden.» Wie funktioniert Advance Care Planning – Angehörigen miteinbezogen, wenn die betroffene kurz ACP – und zu welchem Zeitpunkt machen Person dem zustimmt. Sie das? ACP bedeutet vorausschauende Behandlungs- Sie sagten, dass Sie über die Erfahrungen planung. Es geht darum, selber zu entscheiden weiterkommen. Welche Erkenntnisse können und festzulegen, wie man betreut werden will, Sie daraus ableiten? wenn man sich dazu nicht mehr äussern kann. Das Praktisch alle Menschen, die bei uns wohnen, wa- ACP-Gespräch soll Raum schaffen für Ängste und ren in ihrer Biografie in irgendeiner Form schon Befürchtungen im Hinblick aufs Sterben. Beim mit dem Tod konfrontiert. Anhand dieser Erfahrun- ersten Gespräch, das bald nach dem Eintritt in gen können sie manchmal besser beschreiben, was das Betagtenzentrum stattfindet, füllen wir eine sie positiv wahrgenommen haben und was ihnen Notfallvereinbarung aus, die den Wunsch nach Mühe bereitet hat, als wenn ich sie ganz konkret Lebensverlängerung oder Linderung, zum Beispiel nach ihren Vorstellungen frage. Vergangene Aus- von Schmerzen, thematisiert. Es ist mir sehr wich- einandersetzungen mit dem Sterben geben auf tig, zu sagen, dass unsere Arbeit ein Prozess ist. einer anderen Ebene gute Anhaltspunkte darüber, Wir haben auch über das erste Gespräch hinaus wie wir unserem eigenen Ende begegnen möchten ein offenes Ohr und möchten mit den Menschen in oder eben nicht. Das «nicht» ist übrigens wichtig: Beziehung bleiben. Viele wissen am besten, was sie nicht wollen. Sind die eintretenden Menschen denn bereit, Welche Fragen sind für die Menschen im über ihren Tod zu sprechen? Zusammenhang mit dem Tod am schwierigsten Falls es für jemanden nicht stimmt, schon so früh zu beantworten? über seine Wünsche im Zusammenhang mit dem So vielfältig wir Menschen sind, so unterschiedlich Sterben zu sprechen, respektieren wir das. Gene- sind die Fragen. Der eine dringt nicht zu seinen rell stelle ich aber fest: Alte Menschen sprechen Ängsten vor, weil sie zu bedrohlich sind. Einer an- nicht ungern übers Sterben. Wie bei so vielem deren fällt es schwer, zu bezeichnen, wen sie bei im Leben ist der Zugang sehr individuell. Es gibt sich haben möchte. Menschen, die sofort sprudeln. Bei anderen müs- sen wir uns an ihr Selbst- und Weltverständnis he- Welche Rolle nehmen Sie dabei ein? rantasten. Über ihre Erfahrungen im Zusammen- Es ist unglaublich zentral, dass wir unsere eigene hang mit dem Tod kommen wir da meist weiter. Haltung immer wieder reflektieren. Ich finde es Dann gibt es natürlich auch kognitiv beeinträch- gut, wenn Pflegende, die ACP-Gespräche führen, tigte Personen, bei welchen die vertretungsbe- sich auch mit der Endlichkeit des eigenen Le- rechtigten Angehörigen die Notfallvereinbarung bens auseinandergesetzt haben und schon eine unterschreiben und unter Einbezug aller zugängli- gewisse Lebenserfahrung mitbringen. Das hilft, chen Informationen gemeinsam einen mutmassli- sich in die Menschen hineinfühlen zu können und chen Willen definieren. Grundsätzlich werden alle sich seiner Rolle bewusst zu sein. Grundsätzlich 20
Die Bedürfnisse und Wünsche zum Lebensende sind sehr individuell. sind wir aktive Zuhörerinnen. Wir versuchen ein dass viele Sterbende wegdämmern und sich nicht möglichst ganzheitliches Bild dieses Menschen zu mehr mit Worten äussern können. Unser Ansatz erfassen, ohne zu werten oder zu kommentieren. ist, dass wir Körper, Seele und Geist miteinbezie- hen, um dem Menschen und seinen Bedürfnissen Was wünschen sich die meisten Menschen im gerecht zu werden. Zusammenhang mit ihrem Tod? Schmerzlinderung und die Behandlung von Das Coronavirus hat das Sterben in Alters- Ängsten ist etwas, das sich viele wünschen. Da- und Pflegeheimen in den Fokus gerückt. für haben wir auch alternative Möglichkeiten wie Wie erleben Sie das? Düfte, Farben oder Musik. Elementar ist zudem die Ich frage mich, ob der Umgang mit dem Virus Beziehungsebene: Die Beziehung nicht abbrechen nicht auch der Ausdruck unserer Gesellschaft ist, wie wir mit dem Sterben umgehen. Sterben und “ Tod werden in der medialen Berichterstattung Die Beziehung nicht abbrechen lassen, enorm ins Zentrum gerückt. Ich kann diese Betrof- fenheit nicht so gut verstehen, weil der Tod für uns beim Menschen bleiben – das möchten in der Pflege von hochbetagten Menschen immer die meisten Menschen angesichts ihres gegenwärtig ist und dazugehört. Todes. Und das konnten wir trotz Coronavirus ” Was wünschen Sie sich in diesem gewährleisten. Zusammenhang? Ich wünsche mir eine Gesellschaft, die nicht Heidi Tomasini, Leiterin Pflege Viva Luzern Rosenberg. nur in einer Pandemie über die Endlichkeit des Lebens nachdenkt. Und diese als Tatsache ins Leben integriert. lassen, beim Menschen bleiben – das möchten die meisten Menschen angesichts ihres Todes. Und das konnten wir trotz Coronavirus gewährleisten. Nur ein Bruchteil unserer Bewohnenden entscheidet sich für lebensverlängernde Massnahmen. Der natürliche Tod lässt sich nicht planen. Wie stark verändern sich die Wünsche, wenn es wirklich so weit ist? Wenn ein Mensch in der Sterbephase ist, ist es wichtig, herauszufinden: Was will er jetzt? Es kommt vor, dass die Menschen das Sterben anders Heidi Tomasini. erleben als erwartet. Gerade im Alter ist es so, Leiterin Pflege Viva Luzern Rosenberg. 21
Dossier. «Wie ein Schmetterling, der losfliegt.» Andrea Schumacher (54) aus Ebikon macht seit fünf Jahren ehrenamtliche Sterbebegleitungen. Diese wichtige Aufgabe erfüllt sie mit einer tiefen Ehrfurcht und Dankbarkeit. Sterben ist keine einfache Aufgabe. Das Abschied- wenn ich mich unter dem Sternenhimmel darauf nehmen ist mit Schmerz verbunden. Die meisten einstimmen kann. Wir werden meistens nachts Menschen haben deshalb Angst vor dem Sterben, von 22 bis 6 Uhr aufgeboten. Es gibt aber auch nicht aber vor dem Tod an sich. Dafür versuche Tageseinsätze. Manchmal geht der zu begleitende ich da zu sein. Meine Haltung ist: Sie schaffen das. Mensch in dieser Zeit, manchmal aber auch nicht. Ich gehe meist zu Fuss oder mit dem Velo an eine Sterbebegleitung. Ich finde es besonders schön, Einmal im Zimmer angekommen, stelle ich mich vor und konzentriere mich auf die Stimmung im Raum. So spüre ich, ob ich mich direkt ans Bett setze oder ob etwas Distanz gewünscht ist. Durch Freiwilligendienst Fragen kann sich ein Gespräch entwickeln. Ich nehme meine eigene Person dann zurück und als Entlastung. gebe den ganzen Raum diesem Menschen am Ende seines Lebens. Ich glaube, wir alle müssen mit dem irdischen Leben abschliessen, damit wir Die Luzerner Vereinigung zur Begleitung den Tod annehmen können. Deshalb kann es sein, Schwerkranker ist ein Netzwerk aus über 30 dass noch zwischenmenschliche Geschichten oder Freiwilligen, welche Menschen in der letzten Geheimnisse aufkommen, welche die Sterbenden Lebensphase mit Empathie und Wohlwollen gewissermassen bei mir ablegen. Dafür ist es nie begleiten. Sie wurde 1997 auf Initiative der zu spät. Es kann zwar Jahre dauern, um Belas- reformierten und katholischen Kirche sowie tungen aufzuarbeiten, aber auch gerafft in den der Spitalschwestern der Stadt Luzern ge letzten Stunden können wir uns noch mit vielem gründet. Schwester Ruth Birrer war die erste versöhnen. Präsidentin und prägte das Gelingen mass geblich. Voraussetzung für eine Mitarbeit ist der Grundkurs für Schwerkranken- und “ Sterbebegleitung der Caritas Luzern oder bei einer ähnlichen Institution. Ich glaube, wir alle müssen mit dem irdischen Leben abschliessen, damit ” Die Freiwilligen entlasten mit ihrem Dienst die Pflegenden oder Angehörigen. Die Einsätze wir den Tod annehmen können. erfolgen zu Hause, im Pflegeheim oder Spital. Sie sind unentgeltlich. Die Freiwilligen leisten Andrea Schumacher, Sterbebegleiterin. keine Pflege – sie unterstützen durch ihre Anwesenheit und versuchen, die Ängste und Sorgen der Sterbenden mitzutragen. Manchmal berühre ich die Hand oder gebe etwas zu trinken. Wenn sich die Person nicht mehr Weitere Informationen finden Sie unter: äussern kann, spreche ich ein Gebet und bin mit www.da-beim-sterben.ch meiner ganzen Aufmerksamkeit bei ihr. Es ist unglaublich, wie viel da ist, auch ohne Worte. Ich 22
«Ich habe mich schon seit meiner Jugend mit den tiefen Fragen des Lebens auseinandergesetzt.» lausche auf die Atmung und beobachte die Mimik. Luft, als wollten sie etwas pflücken. Andere erle- Wenn sich die Seele vom Körper zu lösen beginnt, ben Imaginationen. Wie bei einer Geburt gibt es kann die Atmung unregelmässig werden. Ich beim Sterben verschiedene Phasen. Ich würde es atme mit und werde dann immer ruhiger in als eine Art Schleier bezeichnen, der auf- und zu- meiner eigenen Atmung. Das hat eine beruhi- geht. Wenn der letzte Atemzug getan ist, breitet gende Wirkung und löst meist ein Seufzen oder Stöhnen aus. Dann ist dieser Mensch ein Stück “ weitergekommen im Prozess des Sterbens. Ich habe mich schon seit meiner Jugend mit den Mit einer gewissen inneren Gelassenheit tiefen Fragen des Lebens auseinandergesetzt. und einem erweiterten Verständnis kann ” Zwei Schlüsselerlebnisse führten schliesslich dazu, ich heute Menschen in den Tod begleiten. dass ich mich in Palliative Care und Sterbebeglei- tung weiterbildete und vor rund fünf Jahren bei Andrea Schumacher, Sterbebegleiterin. der Luzerner Vereinigung zur Begleitung Schwer- kranker als Freiwillige meldete. Als eine Freundin von mir 2012 von einem Bus erfasst wurde und an der Unfallstelle im Sterben lag, spürte ich erstmals sich Frieden im Raum aus. Es wird hell und still im diese Ruhe in mir. Eine besondere Stille umhüllte Raum. Ich merke mir die Uhrzeit, verweile am sie: Auf der einen Seite war dieses Gewaltsame, Bett und spreche ein Gebet. In diesem Moment der Verlust eines lieben Menschen. Auf der ande- empfinde ich eine tiefe Ehrfurcht und Dankbarkeit ren Seite sah ich aber auch das Licht. Anfang 2016 für diese kurze, aber grundehrliche Beziehung. erfuhr ich schliesslich selbst ein Nahtoderlebnis Erst dann melde ich mich bei der Pflege und lasse aufgrund eines Narkosefehlers. Diese beiden Er- den nächsten Aktionen ihren Lauf. eignisse änderten mein Verhältnis zum Tod nach- haltig. Mit einer gewissen inneren Gelassenheit Für mich hat Sterben immer zwei Seiten: Einer- und einem erweiterten Verständnis kann ich heute seits ist da die körperliche und andererseits die Menschen in den Tod begleiten. geistig-seelische Komponente. Das Loslassen der leiblichen Hülle bewirkt im Prinzip die Befreiung Wenn der Loslösungsprozess bei einem sterben- der Seele. Wie bei einem Schmetterling, der sich den Menschen fortgeschritten ist, beginnt ein aus seiner Puppe löst und losfliegt. spezielles Atemgeräusch. Manche setzen sich noch einmal auf oder greifen mit den Armen in die Rahel Lüönd. 23
Dossier. «Das Ende der letzten Lebensphase ist der Tod.» Monika Tröger, Leiterin ärztlicher Dienst, blickt auf ein anspruchsvolles Jahr mit dem Coronavirus zurück. Doch seit Impfbeginn ist eine spürbare Entspannung festzustellen. Was aber bleiben wird, sind die Hygiene- und Schutzkonzepte. Die haben sich nämlich bewährt. Sie haben in der letzten Ausgabe des viva!- tration bei Viva Luzern. Der Wissensstand zum Magazins gesagt, dass das Virus nicht so schnell Coronavirus ist dementsprechend unterschiedlich. verschwinden wird. Leider hatten Sie recht. Ich stelle fest, dass Mitarbeitende mit geringerem Wie hat sich der Umgang mit der Pandemie Wissensstand mehr Angst vor dem Virus haben. verändert und wo stehen Sie heute? Diese permanente Angst, sich dem Risiko einer Ich habe den Eindruck, dass sich die Bewohnen- Ansteckung auszusetzen, kann in einem Gefühl den wie auch die Pflegenden an die Pandemie der Überforderung enden. Um dem entgegen gewöhnt haben. Es ist eine gewisse Selbstver- zuwirken, haben wir eine intensive Kommunikati- ständlichkeit und Akzeptanz eingetreten. Gleich- on betrieben und die verfügbaren Informationen laufend aktualisiert. “ Wenn man sich als Mensch entscheidet, in einer Institution als Teil einer Gemeinschaft zu leben, bringt das aber auch gewisse Während am Anfang der Pandemie das Medizi nische im Vordergrund stand, sind die sozialen Aspekte heute stärker ein Thema. Wie geht’s den Bewohnerinnen und Bewohnern? Das betrachte ich sehr differenziert. Wir haben Kompromisse mit sich. Ich als Ärztin von verschiedene Standorte und eine heterogene Viva Luzern habe ein grosses Interesse daran, Klientel mit unterschiedlichen Bedürfnissen be- züglich der Häufigkeit und Nähe von sozialen unsere Bewohnenden vor einer Covidinfektion ” Aktivitäten. Wer sehr hochbetagt ist, hat auch in zu schützen. anderen Zeiten nur beschränkt die Möglichkeit, an sozialen Aktivitäten teilzunehmen. Aber ja, wir ha- Monika Tröger, Leiterin ärztlicher Dienst Viva Luzern. ben Bewohnerinnen und Bewohner, die sich mehr Kontakt und Austausch wünschen. Die Mitarbei- tenden sind deshalb sehr bemüht, diese Wünsche zeitig stelle ich fest, dass gerade die Mitarbeiten- auszugleichen und den Alltag vielseitig und anre- den auch erschöpft sind. Seit Impfbeginn aber gend zu gestalten. Somit geht es den Bewohnen- ist eine spürbare Entspannung festzustellen – den so unterschiedlich, wie es allen Menschen in man kann jetzt aktiv etwas gegen das Virus tun. unserer Gesellschaft geht – einige können sich gut Der Druck ist etwas abgefallen und auch die mit der Situation arrangieren, andere haben Mühe. Anzahl erkrankter Personen geht zurück. Das sind positive Signale. Schutz versus Freiheit: Wie schwierig ist es, das gegeneinander abzuwägen? Was ist Ihre Wie hat sich die Anspannung in den letzten Haltung dazu? Monaten, bevor geimpft werden konnte, Diese Frage wurde im letzten Jahr oft diskutiert. geäussert? Sie ist ethisch heikel und braucht viel Zeit, um Es arbeiten rund 1200 Mitarbeitende in den Be- ihr wirklich gerecht zu werden. Ich denke, man reichen Pflege, Hotellerie, Technik und Adminis- muss die Autonomie und Würde jedes Einzelnen 24
Das Foto entstand vor der Coronapandemie. «Der persönliche Austausch ist enorm wichtig.» schützen. Wenn man sich als Mensch entscheidet, Menschen in den Medien – so scheint mir – omni in einer Institution als Teil einer Gemeinschaft zu präsent. Diese Präsenz beeinflusst die subjektive leben, bringt das aber auch gewisse Kompromisse Wahrnehmung jedes Einzelnen. mit sich. Ich als Ärztin von Viva Luzern habe ein Hat sich das Sterben also nicht verändert? “ Menschen in palliativen Situationen pflegen und betreuen gehört zu den täglichen Aufgaben Auch zu Zeiten von Corona muss ein unserer Pflegemitarbeitenden, schon vor dem würdiger Abschied von einer sterbenden Auftreten des Coronavirus. Deshalb wird jede Person möglich bleiben. Dies konnten wir durch Pflegemitarbeiterin und jeder Pflegemitarbeiter bei Stellenantritt entsprechend geschult. Zudem Ausnahmebewilligungen und unter Einhaltung ist in palliativen Situationen der Besuch durch der entsprechenden Schutzmassnahmen Angehörige in jedem Fall möglich. Auch zu Zeiten von Corona muss ein würdiger Abschied von einer gewährleisten. Bei uns musste niemand alleine ” sterbenden Person möglich bleiben. Dies konn- sterben, ausser die Person wünschte es. ten wir durch Ausnahmebewilligungen und unter Einhaltung der entsprechenden Schutzmass Monika Tröger, Leiterin ärztlicher Dienst Viva Luzern. nahmen gewährleisten. Bei uns musste niemand alleine sterben, ausser die Person wünschte es. grosses Interesse daran, unsere Bewohnenden vor einer Covidinfektion zu schützen. Da habe ich eine klare Haltung. In den Heimen wird gestorben und der Tod in Institutionen ist verstärkt in die öffentliche Wahrnehmung gerückt. Was beschäftigt Sie in diesem Zusammenhang? Es ist richtig, dass alte Menschen in Pflegehei- men sterben – so wie es vor dem Aufkommen des Coronavirus auch der Fall war. Das Ende der letzten Lebensphase ist der Tod. Mit dem Corona Monika Tröger. virus wurde die Thematik Sterben von älteren Leiterin ärztlicher Dienst Viva Luzern. 25
Galerie. “Was mir guttut …” Annalies Spirig zeigt uns ihre Lieblingsplätze und -dinge in ihrem Zuhause im Viva Luzern Guggi. 26
Wann immer möglich gehe ich in meinem Quartier spazieren – das ist Balsam für Seele und Geist.
Galerie. “Was mir guttut …” Ich liebe es, in meinen Fotoalben zu stöbern und mich an schöne Ereignisse zu erinnern. Ich bin sehr «gwundrig» und kenne keine Berührungsängste. Ich dekoriere für mein Leben gern. Das neue «Guggi» ist einfach wunderschön geworden – man spürt die Liebe zum Detail.
Die vielen kleinen Geschenke meiner Enkel sind ein Aufsteller. Ein Schwatz auf dem Gang macht immer Freude. Die Umgebung des Guggi steckt voller Geheimnisse. Ich mag mein Quartier! Hier bin ich auch aufgewachsen und es läuft immer etwas Spannendes.
Rezept. Erfrischend-leichter Erdbeer- Couscous-Salat. Frisch, fruchtig, leicht und schnell zubereitet. Der Sommer kann kommen. «En Guete» wünscht Urs Zangger, Küchenchef im Viva Luzern Staffelnhof. Zutaten für 4 Personen. 200 g Couscous mit kochendem Salzwasser übergiessen und quellen lassen ½ TL Salz 2 EL Olivenöl 100 g Gurken, gewürfelt 300 g Cherrytomaten 200 g Erdbeeren, geputzt und halbiert oder geviertelt 100 g Fetakäse oder Mozzarella, gewürfelt 1 EL Minze, fein gehackt 1 EL Basilikum, fein gehackt, oder mit frischem Koriander austauschen 50 g geröstete Pinienkerne, Cashew- oder Baumnüsse zum Ausgarnieren Für die Sauce. ½ Bio-Zitrone, Saft und Schale gerieben 5 EL Olivenöl «grasig frisch» 2 TL Crema di Balsamico Zubereitung. Kochendes Salzwasser über den Couscous geben, zudecken und 5 Minuten quellen lassen, Olivenöl dazugeben und vermengen. Anschliessend Gurken, Tomaten, Feta, Erdbeeren sowie Kräuter dazugeben. Sauce beigeben und sorgfältig daruntermischen. Fantasievoll mit Kräutern und Nüssen ausgarnieren. 30
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