A1 3D-CFD Simulation mit dem kommerziellen Code AVL FIRE
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A1 3D-CFD Simulation mit dem kommerziellen Code AVL FIRE® Reinhard Tatschl A1.1 Einführung Wirkungsgrad und Schadstoffemissionen von Verbrennungsmotoren werden in hohem Maße durch die dreidimensionale turbulente Zylinderinnenströmung, die Kraftstoffein- spritzung sowie durch den eigentlichen Verbrennungsprozess bestimmt. Aufgrund der starken räumlichen und zeitlichen Variabilität der Temperatur und Ladungszusammen- setzung im Brennraum während eines Motorzyklus liefern die klassische Zylinderdruck- analyse und Abgasmessungen nur in begrenztem Umfang Informationen über den Einfluss von Brennraumgeometrie, von Parametern des Einspritzsystems und des Brennverfahrens auf die Motorcharakteristik und das Emissionsverhalten. Vor dem Hintergrund zunehmend strenger werdender gesetzlicher Auflagen und Umweltvorgaben ist ein vertieftes Verständnis der Interaktion von Strömung, Kraft- stoffeinspritzung und Verbrennung von wachsender Bedeutung. Angesichts innovativer Brennverfahren und der zunehmenden Vielfalt alternativer Kraftstoffe, gewinnt die com- putergestützte dreidimensionale Strömungssimulation (Three-dimensional Computatio- nal Fluid Dynamics, 3D-CFD) der innermotorischen Ladungsbewegung, Gemischbildung, Verbrennung und Schadstoffentstehung bei der Entwicklung von Verbrennungsmotoren weiter an Bedeutung. Schon seit mittlerweile einigen Jahren ergänzt die 3D-CFD Simulation innermotori- scher Prozesse erfolgreich die bewährten Messtechnik-basierten Werkzeuge der Motoren- entwicklung, wie beispielsweise die Zylinderdruckanalyse und die optische Gemischbil- dungs- und Verbrennungsdiagnostik (siehe Abschn. 9.2 bzw. 9.4). Die erzielbare Genauig- keit der Berechnungsergebnisse und damit der mögliche Beitrag, den die 3D-CFD Simu- lation für die Entwicklung von Brennverfahren liefern kann, hängt in hohem Maße von der Verlässlichkeit der Modelle ab, die für die Abbildung der im Brennraum stattfinden- den physikalischen und chemischen Prozesse, wie beispielsweise Düseninnenströmung, Einspritzstrahlausbreitung, Zündung und Verbrennung sowie die Schadstoffentstehung, herangezogen werden. Als Ergebnis intensiver weltweiter Forschungs- und Entwicklungs- Dr.-techn. Reinhard Tatschl B AVL LIST GmbH, Graz, Österreich e-mail: Reinhard.tatschl@avl.com G. P. Merker und R. Teichmann (Hrsg.), Grundlagen Verbrennungsmotoren, 1085 ATZ/MTZ-Fachbuch, DOI 10.1007/978-3-658-03195-4, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2014
1086 A1 3D-CFD Simulation mit dem kommerziellen Code AVL FIRE® arbeit in den vergangenen Jahrzehnten steht heute zu diesem Zweck eine Vielzahl von Ansätzen zur Verfügung, die sich durch unterschiedliche Modellierungstiefe und Vorher- sagegenauigkeit auszeichnen. Einen Überblick über den theoretischen Hintergrund der verschiedenen Modelle und Modellierungsansätze für die 3D-CFD Simulation von Ver- brennungsmotoren findet der Leser in den Kap. 14, 15 und 16. Das vorliegende Kapitel gibt einen Überblick über die heute in der ingenieurwissen- schaftlichen Praxis gebräuchliche 3D-CFD Methodik zur Simulation der Vorgänge in Ver- brennungsmotoren. Die Beschreibung der einzelnen Arbeitsschritte bei der 3D-CFD Mo- dellierung von Motoren, sowie die Angaben zum Strömungslöser und den einzelnen zur Anwendung gelangenden Teilmodellen, und die in diesem Kapitel gezeigten Berechnungs- ergebnisse basieren auf dem kommerziellen 3D-CFD Code AVL FIRE®. Zunächst wird in grundlegenden Zügen die allgemeine 3D-CFD Berechnungsmetho- dik dargelegt, die aus den entsprechenden Pre- und Post-Processing Werkzeugen und dem Strömungslöser besteht. Anschließend werden die Modelle beschrieben, die zur Simulation der Düseninnenströmung, der Kraftstoffeinspritzung, der Zündung und Verbrennung so- wie der Schadstoffbildung verwendet werden. Zur Veranschaulichung der Anwendbarkeit der Modelle auf unterschiedliche Fragestellungen der Brennverfahrensentwicklung und den damit verbundenen Teilaufgaben werden ausgewählte, repräsentative Berechnungs- ergebnisse aus den Bereichen Gemischbildung, Verbrennung und Schadstoffentstehung gezeigt. Beispielhaft werden Berechnungsergebnisse fallweise auch experimentell gewon- nenen Daten gegenübergestellt, um den Genauigkeitsgrad darzustellen, der mit den heute verfügbaren Modellansätzen erzielt werden kann. A1.2 3D-CFD Simulationsmethodik Der Arbeitsablauf bei der 3D-CFD Simulation der in Verbrennungsmotoren ablaufenden Prozesse lässt sich in drei grundlegende Schritte unterteilen: die Generierung der Gitternet- ze, die zur Abbildung des Strömungsbereichs über das relevante Kurbelwinkelintervall be- nötigt werden; die Festlegung der Anfangs- und Randbedingungen sowie der Einstellungen des Strömungslösers und der physikalischen und chemischen Modelle, die bei der Simula- tion der maßgeblichen Prozesse im Motor verwendet werden; und schließlich die Nachbe- arbeitung und Interpretation der Simulationsergebnisse. Für die Abbildung der Geometrie der Ladungswechselorgane und des Brennraums inklusive der bewegten Ventile und Kol- ben in Form von flexibel adaptierbaren Gitternetzen stehen in AVL FIRE® Werkzeuge und Verfahren zur Verfügung, die für alle Arten von fremdgezündeten und kompressionsge- zündeten Motoren anwendbar sind. Die Technologie des verwendeten Gleichungslösers er- möglicht die effiziente Berechnung reaktiver, turbulenter Mehrphasenströmungen auf die- sen die Kolben- und Ventilbewegung abbildenden Gitternetzen. Geeignete Post-Processing Werkzeuge erlauben das Monitoring des Berechnungsvorgangs sowie die Auswertung und Analyse der Ergebnisse. Die Werkzeuge, die für die Bearbeitung der oben erwähnten Ar- beitsschritte verwendet werden, um eine 3D-CFD-Berechnung für Verbrennungsmotoren
A1 3D-CFD Simulation mit dem kommerziellen Code AVL FIRE® 1087 auszuführen, sind im vorliegenden Fall über eine vollständig interaktive grafische Benut- zeroberfläche zugänglich. A1.2.1 Pre- und Post-Processing Das Pre-Processing Modul von AVL FIRE® bietet verschiedene Werkzeuge zur Generie- rung von Berechnungsnetzen, um die komplexen Geometrien von Verbrennungsmotoren mit ihren beweglichen Teilen, wie Kolben sowie Ein- und Auslassventilen, darzustellen. Die flexible, automatisierte Arbeitsumgebung ermöglicht die zuverlässige und präzise Git- tergenerierung für die komplexen dreidimensionalen Berechnungsgebiete. Um den Satz an Berechnungsnetzen zu generieren, der für die Erfassung des gesamten Arbeitsspiels not- wendig ist, wird ein Ausgangsgitter, das in der Regel für die Kolben- und Ventilstellung am oberen Totpunkt generiert wird, automatisch entsprechend der Kolben- und Ventilbewe- gung adaptiert, so dass die geometrischen Verhältnisse für das betrachtete Kurbelwinkel- intervall abgebildet werden. Um die Erfordernisse hinsichtlich Genauigkeit und damit Verlässlichkeit der Berech- nungsergebnisse zu erfüllen, muss die Qualität der Gitternetze bestimmten Anforderun- gen genügen. Neben einer sinnvollen räumlichen Gesamtauflösung zur Darstellung des Zylinderinnenraums, einschließlich der ausreichend genauen Auflösung der wandnahen Schichten, bedarf es insbesondere einer präzisen Modellierung der Ventil- und Kolbenbe- wegung für die korrekte Abbildung der Motorkonfiguration in der 3D-CFD Simulation. Dabei können vom Benutzer verschiedene Herangehensweisen gewählt werden, die sich hinsichtlich ihres Automatisierungsgrades und der Beeinflussbarkeit der Charakteristik der Gitternetze durch den Nutzer voneinander unterscheiden. Die Möglichkeit, mit benutzerdefinierten geometrischen Teilbereichen arbeiten zu kön- nen, erlaubt die effiziente Gittervernetzung komplexer Geometrien bei gleichzeitiger Bei- behaltung einer hohen Gitterqualität, Abb. A.1. Topologie, Zellausrichtung und Gitterauf- Abb. A.1 Gitternetz einer Ottomotorkonfiguration, be- stehend aus Teilnetzen für Einlasskanal, Ventilsitzbereich und Brennraum
1088 A1 3D-CFD Simulation mit dem kommerziellen Code AVL FIRE® lösung in kritischen Bereichen, wie zum Beispiel kleinen Spalten, lassen sich durch den Anwender mühelos steuern. Mit Hilfe nicht-konformer und/oder konformer Schnittstel- len kann die jeweilige Geometrie leicht in verschiedene Bereiche, wie zum Beispiel Ein- lasskanal, Ventilsitzbereich und Brennraum, aufgeteilt werden, wodurch die wechselseiti- ge Interaktion verschiedener Teile in Bezug auf Gittertopologie und -verzerrung infolge der Bauteilbewegung vermieden wird. Dadurch wird die Komplexität der Netzgenerie- rung für das Gesamtberechnungsgebiet auf die Generierung einfacher Teilnetze reduziert, die sich problemlos kombinieren und austauschen lassen, um in einfacher Art und Weise Geometrievariationen oder Änderungen von Ventilhubcharakteristik und Ventilsteuerzei- ten vorzunehmen. Für die Gitternetzgenerierung der einzelnen Bauteile stehen wiederum hochspezialisierte Verfahren zur Verfügung. Für den Ventilspaltbereich kann beispielswei- se in einfacher Art und Weise ein polar-strukturiertes Gitter generiert werden, das durch optimale Gitterqualität und Gitterbewegungseigenschaften gekennzeichnet ist. Für minimale Durchlaufzeiten bei der Erstellung von Berechnungsnetzen bei maxima- ler Anwenderfreundlichkeit steht darüber hinaus ein Verfahren zur automatisierten Gene- rierung von einteiligen Gitternetzen für die Gesamtgeometrie zur Verfügung, Abb. A.2. Die automatisch generierten Gitternetze bestehen dabei überwiegend aus Hexaeder-Elementen mit einer kleinen Anzahl von Tetraedern, Prismen und Pyramiden in den Übergangsberei- chen von Gebieten mit unterschiedlicher räumlicher Auflösung. Die Wandbereiche beste- hen ausschließlich aus Hexaeder-Elementen und Prismen, wobei die Anzahl der wandna- hen Schichten bzw. deren Dicke durch den Benutzer vorgegeben werden kann. Intelligente Technologien zur lokalen Gitterverfeinerung und Algorithmen für eine automatische Auf- lösung geometrischer Details bieten ein Maximum an Flexibilität für alle relevanten Git- tergenerierungsaufgaben. Die dynamische Gitteranpassung zur Abbildung von Kolben- und Ventilbewegung ba- siert auf einer Interpolation zwischen Gittern identischer Topologie und Elementanzahl, die für zwei unterschiedliche Kolben- und Ventilpositionen erstellt werden. Damit können Gitter für praktisch jede Stellung der bewegten Bauteilkomponenten, die zwischen den Po- sitionen der beiden Ausgangsgitter liegen, dargestellt werden. Relevante Extrempositionen der bewegten Bauteile, wie beispielsweise obere und untere Totpunktstellung des Kolbens oder maximaler Ventilhub, werden automatisch detektiert und die jeweiligen Gitter ohne weiteres Zutun des Anwenders generiert. Da die Gitternetze für ein einziges repräsentati- ves Oberflächenmodell erstellt werden, sind auch vom Benutzer frei definierbare Ventil- und Kolbenstellungen als Ausgangspositionen für die Interpolation möglich. Kommt es während der Expansion oder Kontraktion des Gitters infolge der Kolben- und Ventilbe- wegung zu einer Überschreitung zulässiger Werte für die Gitterqualität, wie beispielsweise für das Seitenverhältnis der Zellen oder des minimal/maximal erlaubten Öffnungswinkels zweier Zellflächen, etc., so werden sogenannte Rezones, d. h. Wechsel der Netztopologie und -auflösung durchgeführt. Damit wird sichergestellt, dass eine optimale Verteilung und Qualität der Zellen über das gesamte betrachtete Kurbelwinkelintervall gewährleistet sind. Das Rezoning-Verfahren kann auf Geometrien beliebiger Komplexität und frei definierba- rer Anzahl bewegter Bauteile angewendet werden.
A1 3D-CFD Simulation mit dem kommerziellen Code AVL FIRE® 1089 Abb. A.2 Automatisch generiertes Berechnungsnetz für Brennraum und Ein-/Auslasskanäle eines Ottomotors Infolge der oft symmetrischen Anordnung von Einspritzdüse und Kolbenmulde, wie es in der Regel bei modernen Dieselmotoren der Fall ist, werden Analyse und Opti- mierung des Einspritz- und Verbrennungsprozesses üblicherweise mittels Simulation eines Brennraumteilbereichs ausgeführt. Der untersuchte Strömungsbereich ist dann auf den Brennraumabschnitt um einen einzelnen Kraftstoffstrahl herum beschränkt. Unter Verwendung geeigneter Anfangs- und Randbedingungen wird dabei das Kurbelwinkel- intervall vom Schließen des Einlassventils bis zum Öffnen des Auslassventils simuliert. In diesem Fall kann die Generierung des Gitternetzes auf parametrisierte, zweidimen- sionale Kurven gestützt werden, welche die Geometrie des Brennraums und optional der Einspritzdüse beschreiben. Anhand dieser Ausgangsdaten wird die Generierung der Gitter, die für den Simulationsintervall zwischen dem Schließen des Einlassventils und dem Öffnen des Auslassventils benötigt werden, automatisch ausgeführt, Abb. A.3. Das Gittergenerierungsverfahren erstellt dabei eine von der Kolbenstellung unabhängi- ge Gitternetztopologie für den Einspritzstrahlbereich mit einer festgelegten Anzahl und Orientierung der Berechnungszellen entsprechend der Lage der Einspritzstrahlachse. Dies stellt später in der Berechnung ein Höchstmaß an erzielbarer Genauigkeit bei der Berech- nung der Einspritzstrahlausbreitung und Strahlverbrennung sicher. Die Benutzerschnittstelle von AVL FIRE® ESE Diesel bietet darüber hinaus alle Funk- tionen zum Einrichten und Ausführen der gesamten Berechnung des Einspritz- und Verbrennungsprozesses von Dieselmotoren sowie zur Durchführung aller relevanten anwendungsspezifischen Aufgaben betreffend dem Post-Processing der Berechnungs ergebnisse.
1090 A1 3D-CFD Simulation mit dem kommerziellen Code AVL FIRE® Abb. A.3 AVL FIRE® Engine Simulation Environment (ESE) Diesel – Benutzerumgebung für Git- ternetzerstellung und Simulation von Dieselmotoren Abb. A.4 Visualisierung von Simulationsergebnissen für den Einspritzstrahl in einem DI-Ottomotor Die Online-Monitoring und Post-Processing Funktionalitäten von AVL FIRE® bieten zahlreiche Funktionen, die unter anderem eine detaillierte Überwachung des Berech- nungslaufes sowie der Ergebnisvisualisierung bereits zur Laufzeit gestatten. Während der Simulation ist damit eine Kontrolle des Konvergenzverhaltens und der Ergebnisent-
A1 3D-CFD Simulation mit dem kommerziellen Code AVL FIRE® 1091 wicklung möglich, indem der Verlauf von Indikatoren der numerischen Lösung sowie ausgewählte Berechnungsergebnisse in übersichtlicher Form zugänglich gemacht wer- den. Das Post-Processing Modul ermöglicht darüber hinaus die Generierung von zwei- und dreidimensionalen Schnitten zur Visualisierung von skalaren und Vektorgrößen als Iso-Linien, Iso-Werte und Iso-Flächen. Darüber hinaus ist die Anzeige von Tropfen, Par- tikelstromlinien und Partikelspuren möglich, Abb. A.4. Für die Analyse der Ergebnisse bietet das Post-Processing darüber hinaus die Möglich- keit der Weiterverarbeitung dreidimensionaler Ergebnisdaten, Makro- und Formelfähig- keiten sowie den Import ausgewählter Prüfstanddaten. Für die Präsentation der Ergebnisse verfügt das Post-Processing auch über Schattierungs-, Misch- und Texturierungsoptionen und ermöglicht das Variieren der Objektbeleuchtung, das Zuordnen von Farben, das Einfü- gen von Text und vorgefertigten Textvariablen, die Generierung farbiger Plots in verschie- denen Formaten sowie die Generierung von Animationen der Berechnungsergebnisse. A1.2.2 Strömungslöser und Lösungsalgorithmus Der Rechenkern des 3D-CFD Codes AVL FIRE® löst die allgemeinen Erhaltungsgleichun- gen von Masse, Impuls und Energie sowie weitere Transportgleichungen für Turbulenz- größen, für die Erhaltung chemischer Spezies und – je nach Art der verwendeten physika- lischen und chemischen Teilmodelle – zusätzliche skalare Größen, wie zum Beispiel den Reaktionsfortschritt, die Flammoberflächendichte, etc. Das Lösungsverfahren basiert auf einer vollständig konservativen Finite-Volumen- Methode. Alle abhängigen Variablen für Impuls, Druck, Dichte, turbulente kinetische Energie, Dissipationsrate und skalare Größen, wie zum Beispiel chemische Spezies, wer- den an den Mittelpunkten der Rechenzellen berechnet (Demirdzic et al. 1993). Aufgrund der Verwendung unstrukturierter Gitter kommt der numerischen Genauigkeit des verwen- deten Algorithmus besondere Aufmerksamkeit zu. Für die integrale Approximation wird die Mittelpunktregel zweiter Ordnung, für alle Werte an der Zellfläche eine lineare Ap- proximation zweiter Ordnung verwendet. Für die Diskretisierung des Konvektionsterms stehen zahlreiche Verfahren zweiter und höherer Ordnung zur Verfügung. Um im Hinblick auf Struktur und Topologie der verwendeten Gitternetze ein Maximum an Flexibilität zu gewährleisten, kann jede Rechenzelle aus einer beliebigen Anzahl von Zellflächen zusammengesetzt sein. Zur Behandlung dieser polyhedralen Berechnungsvo- lumina stehen entsprechende Konnektivitäts- und Interpolationsverfahren für Gradienten und Zellflächenwerte zur Verfügung. Die zeitliche Änderungsrate wird unter Verwendung eines impliziten Euler-Ansatzes höherer Ordnung diskretisiert. Das Lösungsverfahren selbst ist iterativ und basiert auf der Semi-Implicit Method for Pressure-Linked Equations (SIMPLE), das auf turbulente Strö- mungen bei beliebigen Geschwindigkeiten bis hin zu Überschallströmungen anwendbar ist, Abb. A.5. Zum Lösen der großen linearen Gleichungssysteme, die sich aus der Diskretisierung der zugrunde liegenden Gleichungen ergeben, kommen effiziente Konjugierte-Gradienten- Verfahren mit Präkonditionierung zur Anwendung. Das symmetrische Gradienten-
1092 A1 3D-CFD Simulation mit dem kommerziellen Code AVL FIRE® Abb. A.5 Strömungsgeschwindigkeiten und Turbulenzverteilung während des Ansaugtaktes in ei- nem DI-Dieselmotor Verfahren dient dem Lösen von Gleichungen mit symmetrischer Matrix, das bi-konjugierte Verfahren wird für Gleichungen mit asymmetrischer Matrix verwendet. Beide Verfahren werden entweder mit der Unvollständigen Cholesky-Zerlegung oder der Präkonditionie- rungstechnik nach Jacobi angewendet. Als ein überaus effizientes Verfahren zum Lösen großer dünnbesetzter linearer Systeme bietet AVL FIRE® auch das Algebraische Multigrid- Verfahren (AMG) an. Für die Durchführung der Berechnung stehen verschiedene Arten von Anfangs- und Randbedingungen zur Verfügung, die entsprechend der Zielsetzung des jeweiligen Strö- mungsproblems ausgewählt werden können. Der Gleichungslöser ist speziell abgestimmt auf verbrennungsmotorische Anwendungen und ist in der Lage, Rechenmodelle komple- xester Geometrie mit bewegten Grenzen zu bearbeiten. Entsprechend den Erfordernis- sen unterschiedlicher Anwendungen können transiente Simulationen auf Kurbelwinkel- oder Zeitschrittbasis durchgeführt werden. Für die Ausführung auf einer Mehrprozessor- Hardware wird die Methode der Parallelisierung durch Gebietszerlegung verwendet, wel- che eine zeiteffiziente Lösung von Problemstellungen, die eine große Anzahl von Rechen- zellen umfassen, ermöglicht. A1.3 Turbulente Strömung und Wärmeübergang Bei der überwiegenden Anzahl von Strömungsvorgängen im Bereich der Verbrennungs- motoren handelt es sich um turbulente Strömungen. Für eine genaue Berechnung der realen Strömungsverhältnisse ist es daher notwendig, das Phänomen der Turbulenz
A1 3D-CFD Simulation mit dem kommerziellen Code AVL FIRE® 1093 möglichst zutreffend modellieren zu können. Das ist deshalb wichtig, weil turbulente Verwirbelungen nicht nur die Details der Fluidströmung selbst bestimmen, sondern auch einen erheblichen Einfluss auf die während der Gemischbildung und der Verbrennung stattfindenden Mischungs- und Reaktionsprozesse ausüben. So ist zum Beispiel in Ver- brennungsmotoren die turbulente kinetische Energie ein entscheidender Einflussfaktor für die Ausbreitung und Verdampfung der Tröpfchen eines eingespritzten Flüssigkraftstoffs und die anschließende Verbrennung des Kraftstoff-Luft Gemisches. Neben den üblichen bekannten Turbulenzmodellen, wie zum Beispiel k-ε, Spalart-Allmaras, Reynolds Stress etc., bietet AVL FIRE® auch das k-ζ-f Turbulenzmodell an, das speziell für die Strömungs-, Wärmeübertragungs- und Verbrennungsprozesse in Verbrennungsmotoren entwickelt und validiert wurde (Basara 2006). Im Zusammenhang mit der Strömungsmechanik von Verbrennungsmotoren liefert das k-ζ-f-Modell genauere Ergebnisse als die einfacheren Modelle vom k-ε Typ und bietet zugleich einen hohen Grad an numerischer Stabilität bei komplexen Strömungen. In Kom- bination mit einer hybriden Wandbehandlung, wie sie von Popovac und Hanjalic (2005) vorgeschlagen wurde, wobei die Integration bis zur Wand mit gängigen Wandfunktionen kombiniert wird, ist das k-ζ-f Turbulenzmodell universell auf allgemeine Gitternetze und Strömungssituationen mit beliebigen, sinnvollen Werten von y+ in Wandnähe anwendbar. Heute ist der k-ζ-f Ansatz das Standardmodell für die Modellierung von turbulenter Strömung und des turbulenten Wandwärmeübergangs in verbrennungsmotorischen An- wendungen von AVL FIRE®. Von besonderem Vorteil ist dabei die Verlässlichkeit des Mo- dells bei der Berechnung von Problemstellungen mit bewegten Bauteilen und bei hochver- dichteten Strömungen, wie man sie in Verbrennungsmotoren findet. In Verbindung mit der hybriden Wandbehandlung garantiert das k-ζ-f Modell die optimale Lösung für alle Gitternetze im Hinblick auf Verlässlichkeit, Rechenzeit und Genauigkeit, Abb. A.6. Abb. A.6 Berechnete Stromli- nien und Turbulenzverteilung während der Einlassströ- mung in einem Ottomotor unter Verwendung des k-ζ- f-Turbulenzmodells (Tatschl et al. 2006)
1094 A1 3D-CFD Simulation mit dem kommerziellen Code AVL FIRE® A1.4 Mehrphasenströmung in der Einspritzdüse Die größte Herausforderung bei der Simulation von Düseninnenströmungen sind die auf- tretenden Mehrphasenprozesse, die in AVL FIRE® auf der Grundlage eines Multifluid- Ansatzes und anhand von Teilmodellen für die Berechnung verschiedener Phänomene, wie zum Beispiel Kavitation, Flash-Boiling, etc., modelliert werden. In diesen Simulatio- nen werden die Eigenschaften des Einspritzsystems durch Offline- oder Direkteinbindung der CFD-Methodik in eindimensionale Hydrauliksimulationen berücksichtigt (Chiavola und Palmieri 2006; Caika et al. 2009). Die Berechnung der Düseninnenströmung in AVL FIRE® stützt sich auf den allgemeins- ten Ansatz zur Simulation mehrphasiger Strömungen, das Eulersche Multifluid-Verfahren. Die einzelnen Fluide werden dabei als kontinuierliche Phasen angesehen, wobei auf je- des Fluid die entsprechenden Erhaltungsgesetze angewendet werden. Die mikroskopischen Grenzflächen werden mittels einer Ensemblemittelungstechnik approximiert. Dies führt zu makroskopischen Erhaltungsgleichungen, die ihren einphasigen Gegenstücken analog sind, sich aber dadurch unterscheiden, dass die neue Variable Volumenfraktion sowie wei- tere Austauschterme zwischen den Phasen eingeführt werden (Drew und Passmann 1998). In seiner gegenwärtigen Umsetzung ist der verwendete Mehrphasen-Ansatz in der Lage, je- de beliebige Anzahl von Phasen zu verarbeiten. Aufgrund der zahlreichen Anwendungsmöglichkeiten des Multifluid-Verfahrens wer- den die Phasenaustauschterme entsprechend den verschiedenen Arten von Simulations- problemen, wie zum Beispiel Kavitation, Flash-Boiling, etc., flexibel modelliert. Der Mas- senaustausch aufgrund von Kavitation wird mittels der Rayleigh-Gleichung approximiert, wobei ein gleichförmiges Druckfeld für alle Phasen und – je nach Art des gewählten Kavita- tions-Teilmodell – eine monodisperse oder polydisperse Größenverteilung der Kraftstoff- dampfblasen angenommen wird (Wang et al. 2005). Optional werden die bekannten, um Mehrphasenanteile erweiterten k-ε oder k-ζ-f Turbulenzmodelle verwendet, wobei für je- de Phase separate Erhaltungsgleichungen gelöst werden. Mit Hilfe des Multifluid-Ansatzes ist es möglich, Strömungen in Diesel- und Benzineinspritzdüsen numerisch zu simulieren, wobei Kavitationsphänomene sowohl im Düsenloch- als auch im Nadelsitzbereich berück- sichtigt werden können. Anhand der Simulationsergebnisse kann festgestellt werden, in welchen Bereichen Ka- vitation auftritt, bzw. kann die Form und Ausdehnung von kavitationsinduzierten kraft- stoffdampfhaltigen Regionen untersucht werden, Abb. A.7. Darüber hinaus können die Auswirkungen verschiedener Düsengeometrien und Düsenkonfigurationen, wie zum Bei- spiel des Düsentyps (VCO, SAC, etc.), oder Variationen des Düsenlochdurchmessers, des Durchmesser-Längen Verhältnisses sowie der Einspritzstrategien auf einfache Weise ana- lysiert werden (Chiatti et al. 2007). Die errechneten Ergebnisse geben auch detaillierte Informationen zur Geschwindig- keit, Turbulenzintensität und zur Volumenfraktion des dampfförmigen Kraftstoffs am Aus- tritt der Einspritzdüse. Diese Informationen können entweder für eine direkte Beurtei- lung der Primärzerfallseigenschaften des die Düse verlassenden Kraftstoffstrahls (Tatschl
A1 3D-CFD Simulation mit dem kommerziellen Code AVL FIRE® 1095 Abb. A.7 Berechnete Kavi- tationscharakteristik in einer Dieseleinspritzdüse et al. 2000a), oder als Eingangsbedingung für eine anschließende Simulation des Kraftstoff- strahls im Brennraum von Verbrennungsmotoren für Dieseleinspritzvorgänge (Chiavola und Palmieri 2006), und Benzineinspritzung (Greif et al. 2005), verwendet werden. Darüber hinaus kann die Vorhersage von Kavitationsphänomenen im Kontext der Ana- lyse und Optimierung von Einspritzdüsen und Komponenten von Einspritzanlagen in Be- zug auf das Auftreten von kavitationsinduzierter Erosion (Greif et al. 2005), und für die numerische Untersuchung der thermischen Bedingungen in Dieseleinspritzdüsen (Leuthel et al. 2008), verwendet werden. A1.5 Kraftstoff-Spray und Wandfilm In Verbrennungsmotoren mit direkter oder indirekter Kraftstoffeinspritzung hängt die Ge- nauigkeit der Berechnungsergebnisse in Bezug auf die zeitliche und räumliche Verteilung des Kraftstoff-Luft Gemisches und damit die Genauigkeit der anschließenden Verbren- nungssimulation in hohem Maße von der Vorhersagefähigkeit der eingesetzten Modelle ab, die für die Ausbreitung des Kraftstoffstrahls, sowie die Bildung und den Transport des Wandfilms verwendet werden (Bianchi et al. 2006; Bianchi et al. 2007; Musu et al. 2006). AVL FIRE® enthält ein umfassendes Modellpaket für die Berechnung der Flüssigkraftstoffe- inspritzung, der Kraftstoffzerstäubung, des sekundären Aufbrechens der Tröpfchen, der Verdampfung, der Tröpfchen-Wand Interaktion, etc. Der vorliegende Abschnitt gibt eine Übersicht zu den Modellen, die für die Simulation der bei Diesel- und Benzineinspritz- strahlausbreitung stattfindenden Prozesse zur Verfügung stehen.
1096 A1 3D-CFD Simulation mit dem kommerziellen Code AVL FIRE® Abb. A.8 Tröpfchenvertei- lung und Dampfkonzentration während der Kraftstoffein- spritzung im Brennraum eines DI-Dieselmotors A1.5.1 Diskrete Tröpfchen-Spray Methode Das Spraymodell, das derzeit vorzugsweise für die Simulation der Einspritzstrahlausbrei- tung und Gemischbildung in Verbrennungsmotoren genutzt wird, basiert auf der Lagrang- schen „Discrete Droplet Method“ (DDM) (Dukowicz 1980). Während die kontinuierliche Gasphase durch die Eulerschen Erhaltungsgleichungen beschrieben wird, wird der Trans- port der dispersen Phase durch Nachverfolgung der Trajektorien repräsentativer Tröpf- chenpakete berechnet. Ein solches Paket besteht dabei aus einer Anzahl von Tröpfchen, welche alle die gleichen physikalischen Eigenschaften besitzen und sich in der gleichen Weise verhalten, wenn sie sich bewegen, aufbrechen, auf eine Wand treffen oder verdamp- fen. Die Berechnung der Paketbewegung erfolgt mittels eines Teilzyklusverfahrens inner- halb der einzelnen Zeitschritte des Gasphasenlösers unter Berücksichtigung der Kräfte, die durch die Gasphase auf die Pakete ausgeübt werden, sowie des damit verbundenen Wärme- und Massenübergangs, Abb. A.8. Die Kopplung zwischen der Flüssig- und der Gasphase erfolgt mittels Quelltermaustausch für Masse, Impuls, Energie und Turbulenzinteraktions- vorgänge. Wenn Tröpfchenpakete in den Strömungsbereich eingebracht werden, so werden als Anfangsbedingung Informationen zur Startposition und -richtung, Größe, Geschwindig- keit und Temperatur benötigt. AVL FIRE® unterstützt die Einbringung von Tröpfchen, welche die Düse in Form eines Sprühstrahls (Spray) verlassen, unter vom Anwender fest- gelegten Bedingungen oder alternativ unter Bedingungen, die als Ergebnisdaten einer vor- ausgegangenen Düseninnenströmungssimulation bereitgestellt werden. Der zweite Ansatz ermöglicht es, die Auswirkungen der Düseninnenströmung auf das Primärzerstäubungs- verhalten des aus der Einspritzdüse austretenden flüssigen Kraftstoffs zu erfassen und da- mit auf die anschließende Sprayform und die Entwicklung der Tröpfchengrößenverteilung in vollem Umfang zu berücksichtigen (Tatschl et al. 2000b; Chiavola und Palmieri 2006).
A1 3D-CFD Simulation mit dem kommerziellen Code AVL FIRE® 1097 Für die Modellierung der Primärzerstäubung bietet AVL FIRE® zwei grundlegende Optionen innerhalb des DDM. Der erste Ansatz basiert auf der Einbringung einer Reihe großer Tröpfchen von der Größe des Düsenlochdurchmessers, die den kohärenten Flüssig- keitsstrahl repräsentieren, wobei ihr Durchmesser sich anschließend gemäß der aus dem Primärzerfallsmodell errechneten Massenablösungsrate verringert (Fink et al. 2009). Der zweite Ansatz basiert auf der Berechnung der Erosion der aus dem Spritzloch austretenden kohärenten flüssigen Kraftstoffsäule auf Basis eines separaten Teilmodells sowie der daran anschließenden Freisetzung von Tröpfchenpaketen stromabwärts der Düse, wobei dabei die freigesetzten Tröpfchen bereits deutlich kleiner als der Düsendurchmesser sind (v. Berg et al. 2005). Beide Modelle nutzen detaillierte Informationen aus vorangegangenen Simulationen der kavitierenden Düseninnenströmung zum Berechnen der Rate des Primärzerfalls und der daraus resultierenden Ligament- oder Tröpfchengröße. Diese Vorgangsweise erlaubt eine direkte Verknüpfung der Einspritzstrahlsimulation mit den Düseninnenströmungsbe- dingungen, was sich für eine präzise Sprayinitialisierung und die anschließende Simulation der Gemischbildung in Dieselmotoren als entscheidend erwiesen hat (Masuda et al. 2005; Nagaoka et al. 2008). Die Schnittstelle von Düseninnenströmungs- und Einspritzstrahlsi- mulation erfolgt dabei über den Austausch von geometrischen sowie detaillierten zeitlich aufgelösten Strömungsdaten im Querschnitt des Düsenaustritts. Der Sekundärzerfall der Kraftstofftröpfchen ist ein an den primären Strahlzerfall an- schließender Prozess innerhalb des Sprühkonus, der infolge Interaktion mit der Gasströ- mung auf die einzelnen Tröpfchen wirkt, bis eine stabile Tröpfchengröße erreicht ist. Die Zerfallsregime, die durch entsprechende Modelle erfasst werden, sind Deformationszer- fall, Blasenzerfall, Grenzschichtablösung, Kapillarwellenablösung und Totalzerfall durch Raleigh-Taylor-Instabilität (v. Künsberg Sarre und Tatschl 1998). Das turbulente Dispersionsmodell behandelt die Interaktion der einzelnen Tröpfchen mit den lokalen turbulenten Wirbeln des Strömungsfeldes. Jede Interaktion wirkt auf die Tröpfchen entsprechend der Momentangeschwindigkeit der Wirbel und der Trägheit des Teilchens. Kollisions- und Koaleszenzmodelle beschreiben die Wahrscheinlichkeit und die Auswirkungen des Aufeinanderprallens von Tröpfchen anhand einer Wahrscheinlichkeits- dichtefunktion, welche die Häufigkeit und die Art von Kollisionsereignissen bestimmt. Eine Entwicklung jüngeren Datums berücksichtigt auch Randkollisionen und Splashing- Effekte (Stralin 2006). Verzerrungs- und Luftwiderstandsmodelle berücksichtigen schließlich die Verformung der Tröpfchen aufgrund aerodynamischer Bedingungen und den daraus resultierenden Einfluss auf den Luftwiderstandskoeffizienten des Tröpfchens. Für die korrekte Berechnung von Verdampfungsprozessen existieren verschiedene An- sätze zum Modellieren der Tröpfchenerwärmung und des Stoffübergangs von der Flüs- sigkeit ins Gas, Abb. A.9. In der ursprünglichen Form der Modellansätze werden sphäri- sche Tröpfchen, quasi-stationäre Bedingungen an der Tröpfchenoberfläche, eine homogene Tröpfchentemperatur und Zirkulation im Inneren angenommen. Wärme- und Stoffüber- tragungskoeffizienten werden entsprechend den physikalischen Gesetzen für jedes Modell
1098 A1 3D-CFD Simulation mit dem kommerziellen Code AVL FIRE® Abb. A.9 Kraftstoffstrahlausbreitung und Verteilung des Kraftstoff-Luft Verhältnisses in Wandnähe während des Kaltstarts eines DI-Dieselmotors 20° Kurbelwinkel (links) und 30° Kurbelwinkel (rechts) nach dem oberen Totpunkt Abb. A.10 Kraftstofftröpfchenverteilung und Wandfilmbildung in einem DI-Ottomotor individuell angesetzt. Zusätzlich stehen Korrekturfunktionen zur Verfügung, um die oben genannten Simplifikationen für Wärmeübergang, Tröpfchenverformung oder Zirkulation im Inneren zu kompensieren. Darüber hinaus ist ein Mehrkomponenten-Verdampfungs- ansatz verfügbar, der die Berechnung des Verdampfungsprozess von Tröpfchen ermöglicht, die aus einer beliebigen Anzahl einzelner Komponenten bestehen (Brenn 2007). In der Pra- xis hat es sich als zielführend erwiesen, in Verbrennungsmotoren eingesetzte Kraftstoffe
A1 3D-CFD Simulation mit dem kommerziellen Code AVL FIRE® 1099 durch etwa vier bis sechs Spezies darzustellen, um ihr durch die Flüchtigkeit der einzelnen Komponenten bestimmtes Verdampfungsverhalten ausreichend genau zu approximieren. Wandinteraktionsmodelle beschreiben das Verhalten eines auf eine Wand auftreffen- den Kraftstofftröpfchens in Abhängigkeit von Parametern wie Tröpfchengeschwindigkeit, Durchmesser, physikalische Eigenschaften, Rauigkeit der Wandoberfläche und Tempera- tur. Bei sehr geringen Aufprallgeschwindigkeiten haften die Tröpfchen an der Wand oder gehen in den Wandfilm über, Abb. A.10. Mit zunehmender Aufprallgeschwindigkeit wird eine Dampf- oder Gasgrenzschicht unter den Tröpfchen gebildet und verursacht ein Ab- prallen der Flüssigkeit bei Annäherung an eine Wand. Während des Abprallens werden Teile der kinetischen Energie dissipiert, und die Geschwindigkeit des abprallenden Tröpf- chens ist gewöhnlich niedriger als seine Annäherungsgeschwindigkeit. Eine weitere Zu- nahme der Geschwindigkeit hat entweder das Ausbreitungs- oder das Splashing-Regime zur Folge. Tröpfchen-Splashingmodelle sind erst vor kurzem dahingehend erweitert wor- den, dass die Wandtemperatur zur Bestimmung des anzuwendenden Splashing-Regimes berücksichtigt wird (Birkhold et al. 2007). A1.5.2 Euler Spray Modell Das oben beschriebene Diskrete-Tröpfchen-Modell eignet sich besonders für verdünnte Sprays, hat aber Limitierungen in Bezug auf die Modellierung dichter Sprays nahe dem Düsenaustritt (wo Gas- und Tröpfchenphase eng miteinander gekoppelt sind) und die sta- tistische Konvergenz im Zusammenhang mit lokaler Gitterverfeinerung. Ein alternativer Ansatz zum DDM basiert auf der Verwendung eines Eulerschen Verfahrens, das verschie- dene Größenklassen der Spraytröpfchen als separate, einander durchdringende Phasen betrachtet. Das aktuell verfügbare Modell basiert auf dem Eulerschen Mehrphasen-Ansatz, der durch Ensemblemittelung der maßgebenden Erhaltungsgleichungen abgeleitet ist (Ala- jbegovic et al. 1999). Für jede Phase werden Impuls- und Energieerhaltungsgleichungen sowie entsprechende Gleichungen für die turbulente kinetische Energie und deren Dissi- pationsrate berechnet. Innerhalb jeder Rechenzelle sind die Tröpfchenphasen durch eine bestimmte Volumenfraktion und einen bestimmten Durchmesser sowie optional durch die Tröpfchenanzahl beschrieben (v. Berg et al. 2001). Alle Austauschprozesse im Zusammenhang mit der Tröpfchengröße oder der spe- zifischen Oberfläche der Tröpfchenphasen werden entsprechend modelliert, d. h. die physikalischen Eigenheiten der relevanten Prozesse werden durch grenzflächenbezoge- ne Austauschterme zwischen den Phasen berechnet. Dazu werden spezifische Modelle für die Berechnung von Zerfalls- und Verdampfungsprozessen angewendet. Bei den Zer- fallsprozessen wird wieder unterschieden zwischen primärem Strahlzerfall, bei dem das Aufbrechen des zunächst kohärenten Strahlkerns in großskalige Ligamente und weiter in individuelle Tröpfchen betrachtet wird, und dem Sekundärzerfall, bei dem das Auf- brechen großer, instabiler Tröpfchen infolge aerodynamischer Wechselwirkungskräfte in kleine, stabile Tröpfchen erfolgt. Des Weiteren beeinflussen Luftwiderstandskräfte und turbulente Dispersionskräfte die Impulswechselwirkung zwischen der gasförmigen und der flüssigen Tröpfchenphase, welche entsprechend modelliert werden. Schließlich be-
1100 A1 3D-CFD Simulation mit dem kommerziellen Code AVL FIRE® Abb. A.11 Chimera-Gitter (links) und Berechnungsergebnis der ACCI-gekoppelten Euler/Lagrang- schen Berechnung der Einspritzstrahlausbreitung (rechts) (Edelbauer et al. 2006) schreibt ein Verdampfungsmodell den Stoff- und Wärmeaustausch zwischen Flüssig- und Gasphase (v. Berg et al. 2003; Vujanovic et al. 2008). Der Spritzlochaustritt wird vollständig durch das Eulersche Spraygitter aufgelöst, wes- halb es zweckmäßig ist, die Einlassrandbedingungen aus einer separaten Düsenströmungs- berechnung abzuleiten, welche die Strömungsfelddaten an der Düsenöffnung bereitstellt. Der entsprechende Datensatz enthält Information zur Geometrie des Düsenauslasses und die Strömungsdaten in ausreichender zeitlicher Abfolge, die das Eulersche Spraymodell als Randbedingung für die Flüssig- sowie im Fall von Kavitation für die Dampfphase ver- wendet. Die Turbulenzinformation aus der Düseninnenströmungssimulation wird im Pri- märzerfallsmodell für die Berechnung der Zerfallsrate und des sich einstellenden stabilen Tröpfchendurchmessers herangezogen. Die Verbindung des Eulerschen Spraymodells mit der Berechnung des dispersen Kraftstoffstrahls und der Verbrennung im Brennraum wird über ein Chimera-Gitterverfahren realisiert, Abb. A.11, das mit dem AVL Code Coupling Interface (ACCI) arbeitet (Edelbauer et al. 2006; Suzzi et al. 2007). A1.5.3 Wandfilmtransport Das in AVL FIRE® verfügbare Wandfilmmodell ermöglicht die Simulation der Filmbildung, des Filmtransports und seiner Verdampfung, Abb. A.10. Es berücksichtigt die Wandfilm- Interaktion mit der Gasströmung und dem Flüssigkraftstoffstrahl sowie die Auswirkun- gen der Oberflächenrauigkeit auf den Filmtransport. Der verwendete Modellierungsan- satz basiert auf der Annahme, dass die Gas- und die Wandfilmströmung als separate ein- zelne Phasen betrachtet werden können. Die numerische Realisierung des Wandfilmmo- dells verwendet ein zweidimensionales Finite-Volume-Verfahren zur Diskretisierung der Wandfilmgleichungen an den Wänden der betrachteten Brennraum- und Kanalgeometri- en (Stanton und Rutland 1998).
A1 3D-CFD Simulation mit dem kommerziellen Code AVL FIRE® 1101 Die Kopplung der Gasphase und des flüssigen Wandfilms erfolgt über einen Massen- und Impulsaustausch zwischen dem Film und der Gasphase an der Filmoberfläche unter Verwendung semi-empirischer Beziehungen. Dabei wird angenommen, dass die Filmober- fläche parallel zur Wand verläuft und dass die Filmdicke im Verhältnis zu den Abmessun- gen der Gasströmungsregion klein ist. Unter der Annahme eines dünnen Films dominieren Wandreibung und Scherkräfte an der Grenzfläche zwischen Film und Gasströmung das Filmverhalten stärker als Trägheitskräfte und seitliche Scherung. Die relevanten physika- lischen Effekte, die Einfluss auf die Filmbildung und die Filmströmung haben, wie zum Beispiel das Mitreißen des Films (Reißen oder Abscheren an der Oberfläche aufgrund der hohen Scherkräfte), die Interaktion mit dem auftreffenden Kraftstoffstrahl, der Wärme- übertragung zwischen Film, Wand und Gasphase, die Filmverdampfung (einschließlich des Verdampfens von aus mehreren Komponenten bestehenden Kraftstofffilmen) sowie Scherkräfte zwischen den Phasen und Schwerkraft werden über entsprechende Teilmodel- le approximiert (Ishii und Mishima 1989; Birkhold et al. 2006, 2007). A1.6 Verbrennung Die Modellierung der Verbrennungschemie und der Interaktion von Turbulenz und Che- mie während der Oxidation von Kohlenwasserstoffen ist die entscheidende Herausforde- rung bei der Simulation von turbulenten, reaktiven Strömungsprozessen. Die reaktionski- netischen Vorgänge typischer Kohlenwasserstoff-Kraftstoffe beinhalten Hunderte von Zwi- schenspezies, und ihre Reaktionspfade umfassen gewöhnlich mehrere hundert bis mehrere tausend Reaktionsschritte. Weder sind die Reaktionsdetails und die zugehörigen Raten- koeffizienten relevanter Kohlenwasserstoff-Kraftstoffe ausreichend bekannt, noch wäre es aufgrund des zu bewältigenden Rechenaufwandes möglich, sämtliche Reaktionen in einer 3D-CFD Berechnung zu berücksichtigen. Die enge Koppelung zwischen der Reaktionschemie und den Strömungsfeldgrößen er- gibt sich aus der ausgeprägten Nichtlinearität der chemischen Reaktionsraten in Verbin- dung mit den lokalen stochastischen Fluktuationen der Temperatur- und Konzentrations- felder. In der Praxis wird üblicherweise ein Mittelungsverfahren verwendet, das die mo- mentanen Strömungsfeldgrößen durch seine mittleren und fluktuierenden Komponenten ersetzt. Mathematisch führt dies zum Auftreten von Termen in den Erhaltungsgleichun- gen, welche statistische Korrelationen von fluktuierenden Komponenten enthalten, die auf der Grundlage bekannter mittlerer Strömungsgrößen ausgedrückt werden müssen. In den vergangenen Jahrzehnten wurde eine große Vielfalt von Modellen unterschiedli- cher Komplexität entwickelt, um die Selbstzündungs- und Verbrennungschemie von Koh- lenwasserstoffen und darauf aufbauend die mittlere Reaktionsrate in den relevanten Er- haltungsgleichungen quantitativ zutreffend zu modellieren. Abhängig vom spezifischen Brennverfahren und damit den zugrunde liegenden Verbrennungsregimes werden spezifi- sche Modelle benötigt, um die bestimmenden physikalischen und chemischen Prozesse in ausreichender Genauigkeit zu erfassen.
1102 A1 3D-CFD Simulation mit dem kommerziellen Code AVL FIRE® Im Folgenden werden die Modelle, die in AVL FIRE® für die Berechnung von Zünd- und Verbrennungsprozessen in kompressions- und fremdgezündeten Motorkonfiguratio- nen zur Verfügung stehen, im Überblick kurz vorgestellt. A1.6.1 Dieselverbrennung Für die Berechnung des Verbrennungsprozesses in Dieselmotoren unterscheidet das heute gebräuchlichste Verbrennungsmodell zwischen den drei Hauptregimen, die während der kompressionsgezündeten Verbrennung eine Rolle spielen: Selbstzündung, Verbrennung mit vorgemischter Flamme und nicht-vorgemischte Diffusionsverbrennung, Abb. A.12. Die Vorreaktionen der Selbstzündung werden innerhalb der vorgemischten Zylinderla- dung, bestehend aus Kraftstoff, Luft und Restgas berechnet, wobei der Zündverzug durch die lokale Temperatur, den Druck, das Kraftstoff-Luft Verhältnis und die Menge an Restgas bestimmt wird. Auf die lokale Selbstzündung folgt die vorgemischte Verbrennung des Ge- misches aus Kraftstoff, Luft und Restgas, das im Zeitraum zwischen Einspritzbeginn und Einsetzen der Selbstzündung gebildet wird. Das dritte Regime ist das der Diffusionsver- brennung, bei der die chemischen Reaktionen in einer dünnen Zone, die Kraftstoff und Sauerstoff trennt, ablaufen. In dem aktuellen Modell wird angenommen, dass die chemi- schen Zeitskalen in der Reaktionszone kleiner sind als die Zeit, die für den Diffusions- prozess benötigt wird. Infolgedessen wird die Reaktionsrate während der Diffusionsver- brennung durch die turbulente Mischung von Kraftstoff und Verbrennungsluft bestimmt, Abb. A.13. Die Mischungsintensität wird dabei auf Basis einer charakteristischen Zeitskala berechnet (Colin und Benkenida 2004). Dank dieser klaren Trennung der verschiedenen Zünd- und Verbrennungsregime ist das vorliegende Modell besonders für die konventionelle aber auch für die alternative Diesel- verbrennung geeignet (Tatschl et al. 2007; Priesching et al. 2007). Im Fall konventioneller Dieselverbrennung kann davon ausgegangen werden, dass der größte Teil der Verbren- nung vom Diffusionstyp ist, Abb. A.14. Im Fall alternativer Verbrennung wird der Kraftstoff im vorgemischten Selbstzündungs- und Verbrennungsregime verbraucht, Abb. A.15. Auf- Abb. A.12 Kraftstoff- tröpfchen, Temperatur- Iso-Oberfläche und Temperaturverteilung in ei- ner Schnittebene entlang der Einspritzstrahlachse während der DI-Dieselverbrennung
A1 3D-CFD Simulation mit dem kommerziellen Code AVL FIRE® 1103 Abb. A.13 Kraftstoffdampfkonzentration (links) und Temperaturverteilung (rechts) in einem DI- Dieselmotor in einem Schnitt durch den Brennraum 10° Kurbelwinkel nach dem oberen Totpunkt 120 100 Pressure Measurement Pressure Calculation 100 Rate of Heat Release [J/deg] Rate of Heat Release Measurement 80 Rate of Heat Release Calculation 80 Pressure [bar] 60 60 40 40 20 20 0 0 640 680 720 760 800 Crank Angle [deg] Abb. A.14 Vergleich des errechneten und gemessenen Zylinderdruckverlaufs und Wärmefreiset- zungsrate für konventionelle Dieselverbrennung (Tatschl et al. 2007) grund seiner generischen Natur kann das Modell für alle Arten von Kraftstoffen verwendet werden, die für heutige und zukünftige Verbrennungskonzepte von Verbrennungsmotoren von Bedeutung sind. Für die Vorhersage der Selbstzündung werden vorberechnete Zündverzugsdaten ver- wendet, die in so genannten Look-Up Tabellen gespeichert sind und die in AVL FIRE® für die heute gebräuchlichen Kraftstoffe abgerufen werden können. Die Erstellung dieser Ta- bellen basiert auf der Grundlage reaktionskinetischer Berechnungen unter Verwendung komplexer Reaktionsmechanismen (Curran et al. 1998). Die tabellierten Werte werden als Funktionen der Parameter Druck, Temperatur, Kraftstoff-Luft Verhältnis und Restgas- gehalt gespeichert. Die Bandbreite dieser Parameter ist so gewählt, dass die relevanten Bedingungen für Druck, Temperatur und Zusammensetzung des Ladungsgemisches im
1104 A1 3D-CFD Simulation mit dem kommerziellen Code AVL FIRE® 100 600 Pressure Measurement Pressure Calculation Rate of Heat Release [J/deg] 80 Rate of Heat Release Measurement Rate of Heat Release Calculation 450 Pressure [Pa] 60 300 40 150 20 0 0 640 680 720 760 800 Crank Angle [deg] Abb. A.15 Vergleich des errechneten und gemessenen Zylinderdruckverlaufs und Wärmefreiset- zungsrate für die HCCI-Dieselverbrennung (Priesching et al. 2007) Zylinder vor der Verbrennung erfasst werden können. Für die eigentliche Bestimmung des Selbstzündverzuges in der CFD-Simulation wird eine Transportgleichung für eine Indika- torspezies gelöst, wobei deren Bildungsrate aus den tabellierten Werten abgeleitet wird. So- bald der lokale Wert der Indikatorspezies einen bestimmten Schwellwert erreicht, wird die Selbstzündung eingeleitet. Die Kraftstoffabbrandrate wird dann durch eine charakteristi- sche chemische Zeitskala gesteuert, die eine schnelle Verbrennung nach der Selbstzündung gewährleistet (Colin et al. 2005). Der Prozess der Kohlenwasserstoffoxidation während der Hochtemperaturverbrennung wird in der Berechnung in drei Hauptreaktionsschritte unterteilt. Kraftstoff wird zunächst teilweise zu CO und zu CO2 oxidiert, in der Folge reagiert CO in Verbindung mit weiteren Reaktionen unter der Teilnahme von O, H und OH Radikalen, erfasst über einen chemi- schen Gleichgewichtsansatz, und führt schließlich zur finalen Spezieszusammensetzung, vornehmlich dominiert von den stabilen Produkten der Verbrennung, CO2 und H2 O. Die oben beschriebenen Verbrennungsreaktionen erfassen den für innermotorische Verbren- nungsvorgänge relevanten Bereich der Gemischzusammensetzung von mager bis fett sowie die in der Praxis auftretenden Restgasgehalte. Neben der Wärmefreisetzung in der Flam- me und den stabilen Endprodukten der Verbrennung, stellt der verwendete Ansatz alle relevanten Informationen über CO und Radikalspezies bereit, die für die anschließende Berechnung der Schadstoffe wichtig sind. Neben der oben beschriebenen Verbrennungsmodellierung bietet AVL FIRE® eine breite Vielfalt weiterer Modelle für spezielle Anwendungen im Bereich der Analyse kom- pressionsgezündeter Verbrennungsabläufe, wie zum Beispiel ein Modell der turbulenten Verbrennung, das in Kombination mit einem geeigneten Selbstzündungsmodell auf die
A1 3D-CFD Simulation mit dem kommerziellen Code AVL FIRE® 1105 herkömmliche Dieselverbrennung (Tatschl et al. 1998; Dahlen und Larsson 2000; Cipolla et al. 2007) sowie auf HCCI-Verbrennungskonzepte (Priesching et al. 2003), anwendbar ist. Das Modell der charakteristischen Zeitskala kann im Kontext des ursprünglichen An- satzes nach Kong et al. (1995) oder in Kombination mit detaillierten Mechanismen der chemischen Kinetik, wie für die HCCI-Verbrennung in Priesching et al. (2003) gezeigt, verwendet werden. Zur direkten Berechnung detaillierter Reaktionskinetik gelangt ein Ordinary-Differen- tial-Equations (ODE) Löser zur Anwendung, der direkt in den Basisalgorithmus des Strö- mungslösers integriert ist, wodurch eine stabile und schnelle Lösung der gekoppelten Glei- chungssysteme gewährleistet wird. Zur Erfassung der lokalen reaktionskinetischen Pro- zesse werden die chemischen Reaktionen in jeder Rechenzelle berechnet, wobei turbulen- te Mischungsvorgänge über den Ansatz der charakteristischen Zeitskalen berücksichtigt werden. Die detaillierten Mechanismen der chemischen Kinetik können über das übliche CHEMKIN-Datenformat eingelesen werden. Der Anwender kann darüber hinaus über of- fene Software-Schnittstellen in vollem Umfang auf die Berechnung der Quellterme und des Turbulenzinteraktionsmodells zugreifen, um beispielsweise eigene Teilmodelle zu imple- mentieren (Wang et al. 2006). A1.6.2 Benzinverbrennung Die Charakteristik der vorgemischten Flammausbreitung während der Verbrennung in einem Ottomotor wird überwiegend durch die turbulente Strömung im Zylinder, die lo- kale Verteilung der Gemischzusammensetzung und die im Zylinder herrschenden Druck- und Temperaturbedingungen in der unverbrannten Ladung vor der Flamme geprägt. Die lokale Geschwindigkeit der turbulenten Flammenausbreitung wird bestimmt durch die kraftstoffspezifische laminare Flammengeschwindigkeit und durch die lokale Turbulen- zintensität des Strömungsfeldes. In Ottomotoren findet die turbulente Verbrennung in der Regel unter vorgemischten Bedingungen statt. Die turbulente ottomotorische Verbrennung wird heute üblicherweise mit einem Mo- dell erfasst, welches die turbulente Reaktionsfront als gefaltete laminare Flammenfront betrachtet. Das Modell basiert auf dem Lösen einer Transportgleichung für die Flammo- berflächendichte, wobei Quellterme die Zunahme der Flammenoberfläche aufgrund der Faltung der Flamme durch Turbulenzeffekte sowie die Abnahme der Flammoberfläche auf- grund der chemischen Reaktionen berücksichtigen, Abb. A.16. Die Version des Modells der kohärenten Flamme, das in AVL FIRE® realisiert ist, berücksichtigt in vollem Umfang Inhomogenitäten des Kraftstoff-Luft Verhältnisses und des Restgases auf die Flammaus- breitungseigenschaften, wodurch auch die Berechnung einer Schichtladungsverbrennung ermöglicht wird (Duclos et al. 2000; Georjon et al. 2003; Patel et al. 2003). Die Informationen zur laminaren Flammgeschwindigkeit, die im Modell der kohären- ten Flamme benötigt werden, erhält man entweder aus empirischen Korrelationen, wie zum Beispiel Metghalchi und Keck (1982), oder aus detaillierten reaktionskinetischen Be- rechnungen und Tabellierung der Daten der laminaren Flammgeschwindigkeit als Funk- tion von Temperatur, Druck, Luft/Kraftstoff Verhältnis und Restgasgehalt (Bogensperger
1106 A1 3D-CFD Simulation mit dem kommerziellen Code AVL FIRE® Abb. A.16 Form und Lage der Flammfront in einem 4-Ventil Ottomotor 15° Kurbelwinkel (links) und 25° Kurbelwinkel (rechts) nach dem oberen Totpunkt et al. 2008). Die detaillierten Berechnungen der Reaktionskinetik und die Tabellierung der Daten der laminaren Flammgeschwindigkeit werden getrennt vor der eigentlichen CFD- Berechnung ausgeführt. Sobald die tabellierten Daten einmal für eine spezielle Kraftstoffart generiert wurden, stehen sie für alle weiteren Berechnungen innerhalb von AVL FIRE® zur Verfügung. Ein schneller Interpolationsalgorithmus zum Abrufen der tabellierten Flamm- geschwindigkeitsdaten gewährleistet eine CPU-effiziente Verwendung der detaillierten In- formationen zur chemischen Kinetik innerhalb der Verbrennungsberechnung. Zur Beschreibung der Kraftstoffoxidation in der Flamme können beliebig komplexe Mechanismen der chemischen Kinetik im Verbrennungsmodell verwendet werden. In der Praxis ist aber die Anzahl der Spezies, die in einer mehrdimensionalen Simulation berück- sichtigt werden, durch die verfügbaren CPU-Ressourcen bestimmt. Demzufolge werden in der Praxis reduzierte Reaktionsmechanismen in Verbindung mit chemischen Gleich- gewichtsansätzen verwendet, um den Hochtemperaturoxidationsprozess im Flammenbe- reich und in der Nachoxidationszone zu erfassen, Abb. A.17. Zur Modellierung der Funkenzündung und des frühen Flammkernwachstums stehen sowohl semi-empirische als auch komplexe Modelle zur Verfügung, die in vollem Um- fang die Charakteristik des Zündsystems, die Wärmeverluste an die Zündkerze und den Einfluss von Ladungsinhomogenitäten und Strömungseinflüsse auf das frühe Flammkern- wachstum berücksichtigen (Duclos und Colin 2001). Das Arc and Flame Kernel Tracking (AKTIM) Zündmodell, Abb. A.18, besteht aus vier Teilmodellen. Eines beschreibt die sekundäre Seite des elektrisch-induktiven Systems, wor- aus die für die Zündung verfügbare elektrische Energie und die Dauer des Zündfunkens errechnet werden. Der Funke selbst wird durch einen Satz Partikel modelliert, die entlang der Funkenstrecke angeordnet werden. Der Flammenkern wird durch Lagrangsche Mar- kerpartikel beschrieben, die durch die turbulente Strömung transportiert werden und die Energie aus dem Stromkreis erhalten und Energie aufgrund von Wärmeleitung an die Elek-
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