Absehbar längere Intervalle - Zervixkarzinom-Screening - Medizinische Hochschule Hannover
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MEDIZINREPORT Foto: Prof. Dr. med. Peter Hilllemanns Thema Zervixkarzinom-Screening Absehbar längere Intervalle Erstmals erfährt der Pap-Abstrich als Screeningmaßnahme für jüngere Frauen eine Ergänzung. Gemäß der neuen S3-Leitlinie zur Prävention des Zervixkarzinoms kann durch die zusätzliche HPV-Testung die Sensitivität verbessert und damit das Screeningintervall verlängert werden. E in Meilenstein folgt auf einen Abstrich der Epithelzellen zu gelan- Dysplasien (CIN) sterben daran und zur Behandlung anderen. Die Testung auf hu- gen, die ideale Voraussetzung für lassen sich in der der Vorstufen werden rund 50 000 mane Papillomviren (HPV) eine Krebsfrüherkennung. Der grie- Kolposkopie nach Konisationen vorgenommen. 1971 Betupfen mit 5%iger fügt der Früherkennung des Zervix- chische Arzt Dr. George Papanico- wurde der Pap-Abstrich die erste Essigsäure als wei- karzinoms die entscheidende mole- laou entwickelte das Konzept in der ße Bezirke von der Krebsfrüherkennungsmaßnahme in kularbiologische Variante hinzu: ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. roten Portiooberflä- Deutschland. Sie steht seither allen Karzinogene HPV-Typen bilden die 1926 beschrieb er Tumorzellen im che deutlich abgren- Frauen ab dem Alter von 20 Jahren notwendige Voraussetzung für die Vaginalsekret von Frauen mit Zer- zen. zu. Man muss sich diese Zeitdimen- Entwicklung zervikaler intraepithe- vixkarzinomen. 1943 wurde die sion vergegenwärtigen, um zu er- lialer Neoplasien (CIN) und – bei entscheidende Arbeit dazu publi- messen, welch eine langjährige Pra- Progression – für ein Zervixkarzi- ziert und 1945 eröffnete die erste xis demnächst abgelöst wird. nom (1, 2). Der Virusnachweis ist Klinik zum Screening von Zervix- Es handelte sich stets um ein op- somit von entscheidendem prog- karzinomen in Massachusetts (3). portunistisches Screening. Das be- nostischem Wert. Weltweit treten rund 500 000 deutet: Es gibt keine übergeordnete Die langjährige Entwicklung der Zervixkarzinome im Jahr auf, 80 % Organisation und keine strukturier- Krebsvorstufen (CIN) bis zum Kar- aller Zervixkarzinome entfallen auf ten Einladungen. Die Frauen gehen zinom an der Gebärmutterhals- Entwicklungsländer. In Deutsch- zur Testung oder auch nicht. Weder schleimhaut bildete zusammen mit land erkranken jährlich 4 300 Frau- die Teilnahmerate wird erfasst noch der Möglichkeit, einfach an einen en an einem Zervixkarzinom, 1 700 findet eine flächendeckende Quali- A 84 Deutsches Ärzteblatt | Jg. 116 | Heft 3 | 18. Januar 2019
MEDIZINREPORT tätskontrolle statt (4). Auch die An- Abständen (9). So war es auch im Frauen gesenkt werden, die älter als bindung an die gynäkologischen ersten Entwurf des G-BA vorgese- 30 bzw. 35 Jahre sind (RR: 0,29; Krebszentren fehlt. Trotz all dieser hen. Nach Einspruch vieler Verbän- 95%-Konfidenzintervall 011–073). Mängel sind die Inzidenz und Mor- de hat sich der G-BA dann in einem „Manche Studien hatten Frauen talität des Zervixkarzinoms in den zweiten Entwurf auf die kombinierte ab einem Alter von 35 Jahren, ande- vergangenen 5 Jahrzehnten drama- Testung ab 35 Jahren im 3-Jahres- re ab einem von 30 Jahren ein- tisch zurückgegangen. Auch wenn Intervall festgelegt – dies wird ab geschlossen“, erklärt Hillemanns. der Pap-Test vielfach kritisiert wur- 2020 gelten. „Daraus resultiert eine Unschärfe, de und verbesserte Hygiene- und Für jüngere Frauen sieht die S3- die dazu führte, dass manche Ex- Lebensbedingungen ebenfalls eine Leitlinie ein 2-jährliches Pap-Scree- perten eine zusätzliche oder alleini- Rolle spielten, so hatte doch die zy- ning als ausreichend an, hält gleich- ge HPV-Testung bereits ab dem Al- tologiebasierte Früherkennung ent- wohl fest, dass die Co-Testung mit- ter von 30, andere erst später für scheidenden Anteil am Rückgang tels HPV-Test für Frauen ab 30 Jah- sinnvoll halten“. Weitere Reviews, der Erkrankungsraten um 60–70 % ren sicherer ist. Der G-BA legt für eine Metaanalyse sowie zahlreiche (5). Während die Erkrankungshäu- die gesetzlich Versicherten fest, dass Kohortenstudien kommen zu ver- figkeit ohne jedes Screening bei et- für die nächsten 6 Jahre bis zur Eva- gleichbaren Ergebnissen. Ebenso wa 3–5 % liegt, beträgt sie hierzu- luierung des neuen Screenings das stützt der IQWiG-Bericht die Inkor- lande laut Daten aus 2014 weniger jährliche Pap-Screening für diese poration der HPV-Testung in das als 1 % (6). Altersgruppe beibehalten wird (7). laufende Screening. Wichtig ist, Die Leitlinie bildet die jüngste dass ein HPV-Test bestimmte Krite- Die HPV-Testung mischt wissenschaftliche Evidenz ab und rien erfüllen muss, um im bevölke- die Karten neu formuliert Empfehlungen. Verbind- Jetzt befindet sich die Zervixkarzi- lich sind die gesetzlichen Richtlini- nomfrüherkennung in einer Um- en, die der G-BA festlegt. Bis 2020 bruchphase. Zum einen ermöglicht müssen sich mithin GKV-versicher- Schlechte HPV-Impfnoten der HPV-Test eine zum Teil bessere te Frauen gedulden, bis die Kosten für Deutschland Detektion von höhergradigen CIN für einen HPV-Test ab dem 35. Le- Seit gut 10 Jahren ist die HPV-Impfung Kassenleistung als der Pap-Test. Zum anderen lässt bensjahr übernommen werden. „Es in Deutschland – Anlass für eine traurige Bilanz. Die die Einführung der HPV-Impfung empfiehlt sich, in der Zwischenzeit Durchimpfungsraten liegen bei rund einem Drittel, ge- in der geimpften Klientel einen sig- die Patientinnen darüber aufzuklä- nauer: Von den 15-jährigen Mädchen sind 31 % durch- nifikanten Rückgang der HPV-be- ren, dass ein zusätzlicher HPV-Test geimpft, unter den 17-Jährigen sind es 43 %. Zum Ver- dingten Präkanzerosen und mittel- mehr Sicherheit verspricht“, erläu- gleich: In Australien und Großbritannien sind bis zu 80 % bar auch der Karzinome erwarten, tert Prof. Dr. med. Peter Hille- der weiblichen Teenager geimpft. wenngleich die Durchimpfungsra- manns, der Direktor der Klinik für Mehr als 50 % aller Frauen durchlaufen in ihrem Le- ten hierzulande noch schlecht sind Frauenheilkunde und Geburtshilfe ben einmal eine Infektion mit den onkogenen Hochrisiko- (siehe Kasten HPV-Impfnoten). an der Universitätsklinik Hannover varianten der rund 100 humanen Papillomviren. Die Dem trägt die neue S3-Leitlinie zur und federführender Herausgeber WHO stuft 12 HPV-Typen als karzinogen (16, 18, 31, 33, Prävention des Zervixkarzinoms der neuen Leitlinie. „Allerdings 35, 39, 45, 51, 52, 56, 58, 59) und 13 als vermutlich (68) Rechnung, die von der Arbeitsge- müssen gesetzlich Versicherte dies oder möglicherweise (26, 30, 34, 53, 66, 67, 69, 70, 73, meinschaft der Wissenschaftlichen bis Inkrafttreten der neuen Richtli- 82, 85, 97) karzinogen ein. Medizinischen Fachgesellschaften nie selbst bezahlen.“ Hauptauslöser sind die HPV-Typen 16 und 18, auf sie e. V. (AWMF), der Deutschen führt man rund 70 % der weltweiten Fälle von Gebärmut- Krebsgesellschaft e. V. (DKG) und Das Screening muss anders terhalskrebs zurück. Derzeit deckt der bivalente Impfstoff der Deutschen Krebshilfe (DKH) organisiert werden Cervarix diese beiden Viren ab, der tetravalente Impf- herausgegeben wurde (7): „Wenn Die Datengrundlage der S3-Leitli- stoff Gardasil beugt auch gegenüber HPV 6 und 11 vor, bei Frauen über 30 Jahren eine Ko- nie bildet unter anderen ein eigens Virustypen, die man für die Entstehung von Feigwarzen Testung aus Zytologie und HPV-Test hierfür erstellter Review von 6 gro- (Condylomata accuminata) verantwortlich macht. Ein oder eine alleinige HPV-Testung ßen randomisierten Studien, in die nonavalenter HPV-Impfstoff (9vHPV) ist seit 2016 in durchgeführt wird, sollte diese in ei- 462 096 Frauen eingeschlossen Deutschland erhältlich, er schützt vor 7 weiteren HPV- nem organisierten Screening mit ei- worden waren. Nicht alle Ergebnis- Typen (31/33/45/52/58). Bei allen 3 Impfstoffen handelt nem Intervall von mindestens 3 Jah- se daraus lassen sich auf deutsche es sich um Totimpfstoffe, die aus DNA-freien, nichtin- ren erfolgen.“ Die Verlängerung des Verhältnisse übertragen. In puncto fektiösen Virus-like-Partikeln (VLP) bestehen. Die Imp- Screening-Intervalls ist auch im Be- Zervixkarzinominzidenz belegen fung hat mittelbar vermutlich Auswirkungen auf die wei- schlussentwurf des Gemeinsamen 4 Studien eine signifikante Reduk- tere Prävention. Es gibt bereits erste Hochrechnungen, Bundesausschuss (G-BA) zum Ge- tion des relativen Risikos durch das wonach HPV-geimpfte Mädchen im Erwachsenenalter bärmutterhalskrebs-Screening vom HPV-basierte Screening (10). Die seltener an der einschlägigen Früherkennungsunter- April 2018 enthalten (8). Das Hauptaussage hierbei lautet: suchung teilnehmen müssen. IQWiG hatte dem G-BA primär ein Das Auftreten von Karzinomen alleiniges HPV-Screening ab 30 Jah- konnte um 71 % gegenüber der Quellen: 4, 25–27 ren empfohlen, dazu in 5-jährlichen konventionellen Zytologie bei Deutsches Ärzteblatt | Jg. 116 | Heft 3 | 18. Januar 2019 A 85
MEDIZINREPORT rungsbezogenen Screening anwend- da die Inzidenz des Zervixkarzi- Frauen als bisher das Screening bar zu sein (11, 12) (siehe Kasten noms hier noch sehr gering ist und nutzen. Die jährliche Teilnahmerate Kriterien für HPV-Tests). HPV-Infektionen meist transient beträgt etwa 50 %, in einem 3-Jah- Damit die neuen Empfehlungen sind. Außerdem fehlt der Nachweis res-Zeitraum rund 70 % (15). Ein überhaupt erfolgreich sein können, für den Nutzen eines Screenings in erheblicher Teil der Frauen bleibt pocht die Leitlinie auf Verände- dieser Altersgruppe. Zwar finden damit dem Screening fern. Vorwie- rung. Die hohe Sensitivität des sich häufig CIN, aber die Rate der gend jüngere und sozial besser ge- HPV-Tests bei mäßiger Spezifität Spontanheilungen ist deutlich hö- stellte Frauen nutzen die Krebsfrüh- erfordert ein strukturierteres Vorge- her als bei älteren Frauen (13). Da- erkennung. Das geplante Einla- hen als bislang. Außer einem Einla- durch birgt ein Screening die Ge- dungssystem sollte hier ansetzen dungsmodell benötigt ein organi- fahr von Überdiagnostik und unnö- und mehr von denen erreichen, die siertes Screening einen verbindli- tigen Konisationen und damit ein bislang nicht teilgenommen haben. chen Abklärungsalgorithmus und erhöhtes Risiko für Frühgeburtlich- Ein organisiertes Programm mit macht erforderlich, dass sich die keit. Aus diesen Gründen sollte ein Einladungsmodell bietet daher Frauen in zertifizierten Kolposko- organisiertes Screening erst ab dem prinzipiell die Chance für eine sozi- pie-Einheiten zur Absicherung des 25. Lebensjahr beginnen. al ausgewogenere Inanspruchnah- histologischen Befundes vorstellen. Was die Intervalle angeht, so be- me (16). In Deutschland existieren trugen sie in dem meisten randomi- keine Erfahrungen mit einem popu- Die Intervalle richten sich siert-kontrollierten Studien 3 oder 5 lationsbasierten Einladungsmodell. künftig nach dem Alter Jahre für den HPV- oder Zytologie- Vorgesehen ist, dass die Kranken- Eine Qualitätssicherung ist unab- basierten Test. Deshalb sind nur ei- kassen die anspruchsberechtigten dingbar, um kein Über- oder Unter- nige Studien (KAISER-Permanen- Frauen in regelmäßigen Abständen screening zu produzieren. „Ent- te, EU-finanzierte HPV-CCS Stu- zur Krebsvorsorge einladen. scheidend ist auch, das ‚graue‘ die, Wolfsburger Pilotprojekt) hilf- Screening einzudämmen“, mahnt reich, um einen Vergleich mit dem Die Chancen eines Hillemanns. Hier handelt sich um jährlichen Pap-Test in Deutschland Selbstabstriches nutzen Tests, die nicht erfasst werden und zu ermöglichen (14). Ein 3- bis Der vaginale Selbstabstrich zum somit bei der Evaluation unberück- 5-jähriges HPV-basiertes Screening Nachweis von HPV bietet die Mög- sichtigt bleiben. Außerdem sollte hatte in den meisten Szenarien ein lichkeit, das Screening auch jenen sichergestellt werden, dass jenen relativ günstiges Schaden-Nutzen- Frauen nahezubringen, die bisher Frauen das Screening zugute Verhältnis und wurde als kostenef- nicht teilgenommen haben. Mittels kommt, die erfahrungsgemäß selte- fektiv angesehen. Selbstabstrich lässt sich Studien zu- ner dran teilnehmen. Dazu zählen Soll das bisherige Intervall von folge die Teilnehmerrate unter den Frauen aus sozial niedrigeren einem Jahr verlängert werden, ist Frauen, die sonst nur unregelmäßig Schichten und Ältere. dies ausführlich zu begründen und oder nie zum Screening kamen, mehr Viele Länder verzichten auf ein zu vermitteln. Andernfalls besteht als verdoppeln (relative Teilnahmera- Screening vor dem 25. Lebensjahr, das Risiko, dass noch weniger te: 2,71, 95-%-KI = 1,45–5,08). Die absolute Differenz zwischen beiden Gruppen beträgt 14 % (17–19). Eine Metaanalyse von 36 Studi- Kriterien für die Anwendbarkeit von HPV-Tests en mit 154 556 Teilnehmerinnen zur Qualität des Selbstabstriches im im bevölkerungsbezogenen Screening Vergleich zum professionell ge- Konsensbasierte Empfehlung wonnenen Abstrich zeigte zwar für Es sollen nur HPV-Testverfahren angewendet werden, die alle folgenden den HPV-Selbstabstrich eine um Kriterien erfüllen: 11 % signifikant niedrigere Sensiti- 1. Detektion der Hochrisiko-HPV-Typen 16, 18, 31, 33, 35, 39, 45, 51, 52, 56, vität (20). Kriterium war die Detek- 58, 59 und 68. tion von CIN 3+. Außerdem war die 2. Mindestens 90 % der Sensitivität eines etablierten und validierten HPV-Tests Spezifität zum Ausschluss von CIN für CIN 2+. 2+ im Vergleich zum professionell 3. Mindestens 98 % Spezifität eines etablierten und validierten HPV-Tests für entnommenen HPV-Abstrich um CIN 2+. Der Anteil positiver Testergebnisse in zytologisch negativen Frauen 4 % geringer. Der HPV-Selbsttest einer Screeningpopulation soll nicht größer sein als der von validierten und eignet sich im Gegensatz zum zyto- etablierten HPV-Tests. logischen Selbstabstrich dennoch 4. Die Inter- und Intra-Labor-Reproduzierbarkeit (durchgeführt von verschiede- als Screeningtest. Andere Länder nen Personen und auf unterschiedlichen Geräten) sollte mindestens 90 % haben ihn daher bereits im Scree- betragen. ningprogramm (siehe Kasten Scree- Konsensusstärke im Rahmen der Leitlinienabstimmung: 87,5 % (DKFZ und Gesellschaft für Virologie ning in anderen Ländern). e. V. enthielten sich wegen Interessenkonflikten der Abstimmung.) Ist der HPV-Test positiv, ist ge- genwärtig die Abklärung mit Zyto- A 86 Deutsches Ärzteblatt | Jg. 116 | Heft 3 | 18. Januar 2019
MEDIZINREPORT logie weltweiter Standard. Das ist einer CIN 3+ von ≥ 10 % zu identi- so effizient wie sicher. Bei auffälli- fizieren, erfolgt die Diagnosestel- ger Zytologie können je nach lung durch Abklärungskolposkopie Schwergrad des Pap-Ergebnisses mit Entnahme von Biopsien aus al- mittels Kolposkopie und Biopsie len erkennbaren Läsionen. Die Ab- bis zu 40 % CIN 3+ entdeckt wer- klärungskolposkopie sollte von er- den. Das CIN-3+-Risiko bei zytolo- fahrenen Untersuchern durchge- gisch negativem, aber HPV-positi- führt (Expertenkolposkopie) wer- vem Befund für eine CIN 3+ liegt den, um squamöse und glanduläre Foto: Dr. B. Soudah, Institut für Pathologie, MHH bei 4–9 % und macht weitere Ab- Atypien/Neoplasien histologisch strichkontrollen notwendig. zu diagnostizieren und die opera- Dabei ist zu berücksichtigen, tive Strategie festzulegen. Die dass die Qualität der Zytologie in TOMBOLA-Studien konnten zei- der Routine möglicherweise deut- gen, dass bei Frauen mit leich- lich heterogener ist als unter Stu- ten zytologischen Auffälligkeiten dienbedingungen. Alternativ emp- durch Kolposkopie mit Biopsien fiehlt die S3-Leitlinie eine immun- genauso viele CIN 2+ erkannt wur- zytochemische Testung auf den len. Weiterhin erlaubt die S3-Leitli- Portio-Abstrich ei- den wie durch sofortige Konisati- Biomarker p16/Ki-67. Der soll ge- nie auch die Verwendung von HPV- ner 27 Jahre alten on, aber viele Übertherapien und nauer sein als der Pap-Test, aller- Tests mit Genotypisierung. Sollte Patientin: Hochgra- unnötige Kosten vermieden wer- dig dysplastische dings gibt es hierzu nicht so um- im Primär-Screening der Nachweis den konnten (24). Zellen mit atypi- fangreiche Daten. auf die Hochrisikogenotypen 16 schen Kernen und und 18 positiv sein, geht dies mit ei- unregelmäßiger Bei Präkanzerosen das Zur Abklärung ist die ner Wahrscheinlichkeit für CIN 3+ Chromatinstruktur Frühgeburtsrisiko beachten Kolposkopie der Goldstandard von rund 16 % einher. Hieraus re- (Papaniclaou-Fär- Präkanzerosen der Cervix uteri Ist in der kombinierten HPV-Zyto- sultiert eine direkte Empfehlung zur bung). können unter dem Kolposkop voll- logie-Testung beides auffällig, folgt Kolposkopie. ständig exzidiert oder destruiert/ab- die Kolposkopie. Ein eigener Ab- Sowohl die europäische als auch ladiert werden. Beide Vorgehens- klärungsalgorithmus regelt das Vor- die US-amerikanische Leitlinie zur weisen verhindern die Progression gehen bei positivem HPV-Test und Prävention des Zervixkarzinoms der CIN 3 und damit die Entstehung unauffälliger Zytologie sowie bei sieht die Abklärungskolposkopie von Zervixkarzinomen. Exzisions- negativem HPV-Test. Wurden Frau- als Goldstandard der Diagnostik verfahren werden bevorzugt, um et- en unter 35 zytologisch gescreent, des frühen Zervixkarzinoms und waige invasive Läsionen histolo- sollte bei hochgradigen Befunden seiner Vorstufen an (21–23). Wäh- gisch zu erkennen. Bei allen Ver- sofort kolposkopisch abgeklärt wer- rend Screening- und Abklärungs- fahren gilt das Prinzip, „so viel wie den, andernfalls wird der HPV-Test tests (Triage) dazu dienen, Frauen nötig und so wenig wie möglich“ zu als Abklärungsverfahren empfoh- mit einem Risiko für das Vorliegen entfernen. Ein Rezidiv soll vermie- den werden, aber bei bestehendem Kinderwunsch gilt es, dem erhöh- ten Risiko der Frühgeburtlichkeit Wie screenen andere Länder auf Zervixkarzinome? wegen verkürzter Cervix uteri best- möglich vorzubeugen. Aufgrund der neuen Datenlage wurde in vielen 5-mal im Leben einer Frau, wenn alle Befunde Das weitere Vorgehen bezieht nationalen Leitlinien auf ein HPV-basiertes negativ sind. stets den Grad der CIN, den Zeit- Screening umgestellt oder die Pap-Testung er- Das nationale Zervixkarzinom-Screening in faktor – persistiert eine Präkanzero- gänzt. Die jüngsten US-amerikanischen Emp- Australien hat 2017 ebenfalls auf ein primäres se oder nicht? – und das Alter der fehlungen sehen im Alter von 21–30 Jahren HPV-Screening umgestellt. Auch hier haben sich Patientin mit ein. Je nach Befund ebenfalls den Pap-Test als einzige Option, hier 5 Jahre als Screeningintervall bei unauffälligem wird weiter beobachtet oder sofort alle 3 Jahre. Zwischen dem 30. und 65. Lebens- HPV-Test durchgesetzt. Und: Beide Länder schi- therapiert. Nach Therapie einer CIN jahr wird erstmals ein allein HPV-basiertes cken im Rahmen des nationalen Screening-Pro- soll eine kombinierte Untersuchung Screening alle 5 Jahre empfohlen. Alternativ be- gramms den Frauen, die nicht an der Vorsorge mit HPV-Test und Zytologie in der steht die Option, mittels Zytologie 3-jährlich zu teilnehmen (Non-Responder), einen HPV-Test zur Nachbetreuung eingesetzt werden, testen oder eine Kombination aus beidem alle 5 Selbstabnahme nach Hause. Die Türkei hat da das Rezidivrisiko mit Progressi- Jahre. Ein organisiertes Screening mit Einla- schon 2015 die Zervixkarzinom-Früherkennung on zum Karzinom im Vergleich zur dungsmodell existiert auch in den USA nicht. mit dem HPV-Test eingeführt. In vielen weiteren Normalbevölkerung erhöht ist. Die Niederlande vertrauen schon ganz auf Ländern ist das HPV-Screening als Primärscree- Dr. med. Martina Lenzen-Schulte ein Screening mit dem alleinigen HPV-Test. Hier ning angelaufen oder wird in Pilotprojekten evalu- werden Frauen im Alter von 30, 35, 40, 50 und iert (Italien, Portugal, Schweden, Norwegen, Finn- 60 Jahren allein auf HPV getestet – also nur land, Argentinien, Kolumbien, Mexiko) (4, 27). Literatur im Internet: www.aerzteblatt.de/lit0318 oder über QR-Code. Deutsches Ärzteblatt | Jg. 116 | Heft 3 | 18. Januar 2019 A 87
MEDIZINREPORT Zusatzmaterial Heft 3/2019, zu: Zervixkarzinom-Screening Absehbar längere Intervalle Erstmals erfährt der Pap-Abstrich als Screeningmaßnahme für jüngere Frauen eine Ergänzung. Gemäß der neuen S3-Leitlinie zur Prävention des Zervixkarzinoms kann durch die zusätzliche HPV-Testung die Sensitivität verbessert und damit das Screeningintervall verlängert werden. Literatur 11. Meijer CJ, Berkhof J, Castle PE, et al.: Flemish cervical cancer screening program. 1. Walboomers JMM, Jacobs MV, Manos MM, Guidelines for human papillomavirus DNA Int J Cancer 2018; 143 (4): 861–8. et al.: Human papillomavirus is a necessary test requirements for primary cervical can- 20. Arbyn M, Verdoodt F, Snijders PJ, et al.: cause of invasive cervical cancer world- cer screening in women 30 years and older. Accuracy of human papillomavirus testing wide. J Pathol 1999; 189: 12–9. Int J Cancer 2009; 124: 516–20. on self-collected versus clinician-collected 12. 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