Bauchspeicheldrüse als Risikoorgan für die Induktion eines Diabetes mellitus bei Kindern nach Abdominalbestrahlung

 
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Literatur kommentiert

    Strahlenther Onkol 2013 · 189:510–511                 W. Dörr
    DOI 10.1007/s00066-013-0351-0                         Medizinische Universität/AKH Wien
    Online publiziert: 25. April 2013
    © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

                                                          Bauchspeicheldrüse als Risikoorgan
                                                          für die Induktion eines Diabetes
                                                          mellitus bei Kindern nach
                                                          Abdominalbestrahlung

                                                          Pankreas wurde für alle Strahlentherapie-          als ältere Patienten (p10 Gy betrug die ku-
        risk of diabetes mellitus in childhood cancer     die Beziehung zwischen Strahlendosis am            mulative Inzidenz des Diabetes 16% (95%
        survivors: a retrospective cohort study. Lancet   Pankreas und dem Risiko, nachfolgend an            CI 11–24).
        Oncol 13:1002–1010
                                                          Diabetes zu erkranken, analysiert.
                                                                                                             Schlussfolgerung der Autoren. Es gibt
    Hintergrund und Ziel. Kinder und Ju-                  Ergebnisse. Bei 65 Patienten lag ein ärzt-         eine Dosis-Effekt-Beziehung zwischen
    gendliche haben nach einer Ganzkör-                   lich bestätigter Diabetes vor; dies betraf         der Strahlenexposition des Pankreas und
    per- oder Abdominalbestrahlung ein er-                5/888 Patienten (1%) ohne und 60/1632              dem Diabetesrisiko. Das beobachtete Ri-
    höhtes Risiko bezüglich der Entwicklung               Patienten (4%) nach Bestrahlung. Die ku-           siko ist in Anbetracht der Häufigkeit von
    von Insulinresistenz und Diabetes melli-              mulative Inzidenz bei einem Alter von              Diabetes in der Gesamtbevölkerung von
    tus. Die Dosisabhängigkeit des Risikos für            45 Jahren war 2,3% (95% CI 0,8–6,4) und            Bedeutung. Die Bauchspeicheldrüse muss
    die Manifestation eines Diabetes mellitus             6,6% (95% CI 4,8–9,0) bei nichtbestrahl-           vor allem bei Kindern als Risikoorgan bei
    nach Strahlenexposition des Pankreas ist              ten bzw. bestrahlten Patienten (p=0,0003).         der Strahlentherapieplanung berücksich-
    jedoch unklar. In der vorliegenden Arbeit             Das Diabetesrisiko nahm mit der Dosis              tigt werden. Nach Abdominalbestrahlung
    wurde diese Frage an einer großen Kohor-              am Pankreasschwanz, in dem sich Lan-               muss die Nachsorge der Patienten eine
    te von Langzeitüberlebenden mit Tumor-                gerhans-Inseln bevorzugt befinden, bis             Diabetesdiagnostik einschließen.
    erkrankungen im Kindes- und Adoles-                   zu einer Dosis von 20–29 Gy steil zu; für
    zenzalter untersucht. In der kommentier-              höhere Dosen ergab sich ein Plateau. Das           Kommentar
    ten Arbeit [2] analysieren De Vathaire et             geschätzte Relative Risiko1 (RR) bei 1 Gy
    al. in einer Kohorte von 2520 Überleben-              war 1,61 (1,21–2,68). Die Dosis an anderen         Zur Induktion eines Diabetes mellitus
    den von Krebserkrankungen im Kindes-                  Pankreasteilen hatte keinen signifikanten          durch ionisierende Strahlung liegen kaum
    alter die Diabetesinzidenz und deren Ri-              Einfluss. Im Vergleich zu nichtbestrahlten         Daten vor. Auch ist zu beachten, dass sich
    sikofaktoren.                                         Patienten lag das RR für Patienten nach            diesbezüglich die Wirkung einer Ganz-
                                                          einer Dosis am Pankreasschwanz ≥10 Gy              körperexposition von derjenigen einer lo-
    Patienten und Methode. Ein Fragebo-                   bei 11,5 (3,9–34,0). Dies blieb auch bei Be-       kalen Bestrahlung deutlich unterscheiden
    gen wurde an insgesamt 3468 Überle-                   rücksichtigung des Body-Mass-Index un-             kann. So zeigte die „Childhood Cancer
    bende (≥5 Jahre) nach Behandlung (inkl.               verändert, obwohl dieser einen starken             Survivor Study“ ein Risiko von 7,2 nach
    Strahlentherapie, keine Brachytherapie)               unabhängigen Einfluss zeigte (p70% entspricht und eine
                                                          zwischen zwei Vergleichsgruppen. RR >1: Das
    einer diabetischen Erkrankung wurde von               Risiko der (exponierten) Untersuchungsgrup-        sichere Aussage in einer großen Kohor-
    ärztlicher Seite bestätigt. Die Strahlendo-           pe ist größer als das Risiko der Kontrollgruppe    te erlaubt. Insgesamt hatten 1632 Patien-
    sis am Schwanz, Kopf und Körper des                   (Exposition = Risikofaktor).                       ten (65%) eine Strahlentherapie erhalten.

510 |   Strahlentherapie und Onkologie 6 · 2013
In der Arbeit bleiben jedoch die Patien-      Die Ergebnisse einer derartigen Auswer-                    4. Dörr W, Durante M, Van den Heuvel F et al (2010)
                                                                                                            The ALLEGRO project: what is the relevance of se-
tenzahlen in den einzelnen Gruppen, wie       tung würden eine präzisere Festlegung                         cond tumours, and which information is required?
auch die Zeiträume der jeweiligen Rekru-      von Expositionsgrenzen für die Bestrah-                       Radiother Oncol 96(Suppl 1):183
tierung unklar.                               lungsplanung unterstützen.                                 5. Meacham IR, Sklar CA, Li S et al (2009) Diabetes
                                                                                                            mellitus in long-term survivors of childhood can-
    Schwächen der Untersuchung, die              Zusammenfassend ist festzustellen,                         cer. Increased risk associated with radiation thera-
auch in einem begleitenden Kommentar          dass die Autoren eine detaillierte Auswer-                    py: a report for the childhood cancer survivor stu-
betont werden [6], sind das Fehlen pros-      tung des umfangreichen Datenmaterials                         dy. Arch Intern Med 169:1381–1388
                                                                                                         6. Oeffinger KC, Sklar CA (2012) Abdominal radiation
pektiv durchgeführter Laboruntersuchun-       durchgeführt haben. Die Ergebnisse zei-                       and diabetes: one more piece in the puzzle. Lancet
gen zur Charakterisierung und Quanti-         gen eindeutig, dass die Bauchspeicheldrü-                     Oncol 13:961–962
fizierung der Funktion der β-Zellen im        se – hier besonders der Pankreasschwanz
Pankreas und der Insulinresistenz, wie        – als Risikoorgan für die Induktion eines
auch ein Mangel an Information bezüg-         Diabetes mellitus bei der Bestrahlungs-
lich der viszeralen oder subkutanen Fett-     planung berücksichtigt werden muss.
einlagerung. Diese Mängel ergeben sich        Die oben dargestellten Mängel in der Be-
zwangsläufig aus dem retrospektiven De-       schreibung der Methodik lassen jedoch
sign der Analyse.                             weitergehende, quantitative Schlussfol-
    Von 1538 der bestrahlten Patienten la-    gerungen bezüglich der Strahlentoleranz
gen ausreichende Angaben zur Bestrah-         dieses Risikoorgans nicht zu, obwohl da-
lung für eine individuelle Dosisrekons-       von auszugehen ist, dass die Daten der-
truktion vor; bei den restlichen 94 Patien-   artige weitergehende Abschätzungen er-
ten (6%) erfolgte diese für eine „typische    lauben würden.
Behandlung“, ohne dass das Verfahren
näher erläutert wird. Verwendet wurde
das für derartige Fragen entwickelte Pro-     Fazit
gramm „Dos_EG“, welches entsprechend
den Angaben der Autoren eine Genauig-         Entsprechend der Schlussfolgerung der
keit der Dosisabschätzung von 2% inner-       Autoren sollte nach einer Abdominalbe-
halb und von 10% außerhalb des Nutz-          strahlung von Kindern und Jugendlichen
strahls erlaubt. Dies erscheint auf der Ba-   die Nachbeobachtung über sehr lange
sis der zugehörigen Veröffentlichung [3]      Zeiträume, bevorzugt sogar lebenslang,
und intensiver persönlicher Diskussionen      erfolgen und eine Diabetesdiagnostik
mit den Entwicklern, u. a. im Rahmen des      einschließen.
EU-geförderten Projekts ALLEGRO [4],
valide.                                       Wolfgang Dörr, Wien
    Es wird nicht erläutert, wie unter-
schiedliche lokale Dosen pro Fraktion am
betrachteten Organ bzw. Organanteil in
                                              Korrespondenzadresse
der Analyse berücksichtigt wurden bzw.
welchen Wert die pauschale Angabe der         Prof. Dr. W. Dörr
„radiation dose“ in der Veröffentlichung      Medizinische Universität/AKH Wien
beschreibt. Hier wäre die Angabe equief-      Währinger Gürtel 18–20, A-1090 Wien
                                              Österreich
fektiver Dosen, wie etwa der EQD2, wün-
                                              Wolfgang.Doerr@meduniwien.ac.at
schenswert [1]. Unklar bleibt ebenso, ob
und in welcher Form der Gesamtzeitraum
der Strahlenexposition im Falle mehrerer      Literatur
Bestrahlungsserien (>1 bei 26% der Pa-
tienten, Spanne 2–7 Serien) bei der Do-        1. Bentzen SM, Dörr W, Gahbauer R et al (2012) Bio-
                                                  effect modeling and equieffective dose concepts
sisabschätzung bzw. der Analyse berück-           in radiation oncology–terminology, quantities and
sichtigt wurde.                                   units. Radiother Oncol 105:266–268
    Die Ergebnisse beschreiben das Relati-     2. De Vathaire F, El-Fayech C, Ben Ayed FF et al (2012)
                                                  Radiation dose to the pancreas and risk of diabe-
ve Risiko für die Manifestation eines Dia-        tes mellitus in childhood cancer survivors: a retro-
betes nach Exposition mit unterschiedli-          spective cohort study. Lancet Oncol 13:1002–1010
chen Dosisgruppen. Eine zumindest zu-          3. Diallo I, Haddy N, Adjadj E et al (2009) Frequen-
                                                  cy distribution of second solid cancer locations
sätzliche konventionelle Dosis-Effekt-            in relation to the irradiated volume among 115
Analyse (Probit-/Mixture-Modelle) der             ­patients treated for childhood cancer. Int J Radiat
vorliegenden Daten wäre wünschenswert.             Oncol Biol Phys 74:876–883

                                                                                                          Strahlentherapie und Onkologie 6 · 2013              | 511
Literatur kommentiert

    Strahlenther Onkol 2013 · 189:512–513                C. Nieder
    DOI 10.1007/s00066-013-0335-0                        Department of Oncology and Palliative Medicine, Nordland Hospital, Bodø
    Online publiziert: 24. April 2013
    © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

                                                         Simultane Radiochemotherapie
                                                         mit 5-FU/Mitomycin bleibt
                                                         bei Behandlung von
                                                         Analkanalkarzinomen der
                                                         bevorzugte Standard
                                                         Langzeitergebnisse der
                                                         Phase-III-Studie RTOG 98-11

                                                         sertes krankheitsfreies Überleben, wobei              war im 5-FU/Mitomycin-Arm nominal
        Originalbeitrag                                  63% nach 5 Jahren mit 5-FU/Mitomycin                  gering erhöht (13% vs. 11%; p=0,35). Mul-
        Gunderson LL, Winter KA, Ajani JA et al          versus 73% mit 5-FU/Cisplatin erwartet                tivariat war das krankheitsfreie Überle-
        (2012) Long-term update of US GI intergroup      worden waren. Eine intensitätsmodulierte              ben außer von der Art der Chemotherapie
        RTOG 98-11 phase III trial for anal carcinoma:   Strahlentherapie war nicht erlaubt. Initial           auch vom Nodalstatus und dem Primär-
        survival, relapse, and colostomy failure with
                                                         wurden die befallenen Areale mit 25 Frak-             tumordurchmesser (>/
auch noch eine Induktionstherapie ein-
gesetzt worden; das macht die Interpreta-
                                                Korrespondenzadresse
tion der Daten sehr schwierig. Im Extrem-       Prof. Dr. C. Nieder
fall könnte die Verlängerung der Gesamt-        Department of Oncology and
behandlungszeit durch eine Induktions-          Palliative Medicine, Nordland Hospital
chemotherapie so nachteilig sein, dass ein      8092 Bodø
                                                Norwegen
vielleicht vorhandener Vorteil des zu prü-
                                                carsten.nieder@nlsh.no
fenden Medikaments nicht erkannt wird.
In einer aktuellen französischen Publika-
tion war übrigens auch kein Vorteil durch       Literatur
Induktionschemotherapie zu erkennen
gewesen [5].                                     1. Brooks CJ, Lee YK, Aitken K et al (2012) Organ-spa-
                                                    ring intensity-modulated radiotherapy for anal
    In den meisten onkologischen Situatio-          cancer using the ACTII schedule: a comparison of
nen lässt der gegenwärtige Behandlungs-             conventional and intensity-modulated radiothera-
standard mit seinen Ergebnissen noch                py plans. Clin Oncol (R Coll Radiol) 5:155–161
                                                 2. Fakhrian K, Sauer T, Klemm S et al (2013) Radio­
Luft nach oben. Das Analkanalkarzinom               therapy with or without chemotherapy in the
ist hier keine Ausnahme. Zum einen be-              treat­ment of anal cancer: 20-year experience from
trug das krankheitsfreie 5-Jahres-Überle-           a single institute. Strahlenther Onkol 189:18–25
                                                 3. Gunderson LL, Winter KA, Ajani JA et al (2012)
ben im überlegenen Arm mit 5-FU und                 Long-term update of US GI intergroup RTOG 98-
Mitomycin nur 68% und nicht 100%, ein               11 phase III trial for anal carcinoma: survival, relap-
zugegeben unrealistisches Ziel, zum ande-           se, and colostomy failure with concurrent chemo-
                                                    radiation involving fluorouracil/mitomycin versus
ren war zumindest die akute Toxizität er-           fluorouracil/cisplatin. J Clin Oncol 30:4344–4351
heblich. Gerade Letztere könnte durch in-        4. Kachnic LA, Winter K, Myerson RJ et al (2012) RTOG
tensitätsmodulierte Strahlentherapie ge-            0529: a phase 2 evaluation of dose-painted inten-
                                                    sity modulated radiation therapy in combination
senkt werden [1, 4]. Konsekutiv mag das             with 5-fluorouracil and mitomycin-C for the reduc-
dann auch durch Vermeidung von Be-                  tion of acute morbidity in carcinoma of the anal
handlungsunterbrechungen die Gesamt-                canal. Int J Radiat Oncol Biol Phys (Epub ahead of
                                                    print) doi:10.1016/j.ijrobp.2012.09.023
behandlungszeit verkürzen. Ob Analka-            5. Peiffert D, Tournier-Rangeard L, Gérard JP et al
nalkarzinome, die nur partiell anspre-              (2012) Induction chemotherapy and dose intensi-
chen oder im Verlauf rezidivieren, intrin-          fication of the radiation boost in locally ­advanced
                                                    anal canal carcinoma: final analysis of the rando-
sisch so resistent sind, dass selbst eine in-       mized UNICANCER ACCORD 03 trial. J Clin Oncol
tensivere Radiochemotherapie bei ihnen              30:1941–1948
letztlich erfolglos bleibt, muss in Studien
untersucht werden. Dasselbe gilt für die
frühzeitige Erkennung von Therapiever-
sagern: Hier muss die Rolle von PET und
anderen prädiktiven Faktoren noch be-
stätigt werden. Immerhin kann die früh-
zeitige chirurgische Salvagetherapie noch
einen Teil der Therapieversager retten.

Fazit

Die simultane Radiochemotherapie mit
5-FU/Mitomycin bleibt bei der organ-
und funktionserhaltenden Therapie des
Analkanalkarzinoms der bevorzugte
Standard. Bezüglich des krankheitsfreien
Überlebens, des Gesamtüberlebens und
bei der Verminderung der Behandlungs-
toxizität gibt es allerdings noch „reichlich
Luft“ nach oben.

Carsten Nieder, Bodø

                                                                                                              Strahlentherapie und Onkologie 6 · 2013   | 513
Literatur kommentiert

    Strahlenther Onkol 2013 · 189:514–515              S. Heller · M. Krause
    DOI 10.1007/s00066-013-0352-z                      Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie und Radioonkologie, Universitätsklinikum
    Online publiziert: 24. April 2013
                                                       „Carl Gustav Carus“ an der Technischen Universität Dresden
    © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

                                                       Niedermolekulares Heparin
                                                       senkt Thromboserisiko
                                                       bei chemotherapeutisch
                                                       behandelten Tumorpatienten

                                                       Ergebnisse. Die mediane Behandlungs-                     rapie zunehmend als ein Risikofaktor er-
        Originalbeitrag                                dauer betrug 3,5 Monate. Venöse Throm-                   kannt. Dabei spielen verschiedene Ein-
        Agnelli G, George DJ, Kakkar AK et al (2012)   boembolien traten bei 20 von 1608 Patien-                flüsse eine Rolle: Tumorlokalisation, Tu-
        Semuloparin for thromboprophylaxis in          ten (1,2%) auf, welche Semuloparin erhiel-               morstatus, Alter, Chemotherapieregime,
        patients receiving chemotherapy for cancer.    ten, im Vergleich zu 55 von 1608 (3,4%),                 bereits vorhandene Kofaktoren und der
        N Engl J Med 366:601–609
                                                       welche nur ein Placebo bekamen (Ha-                      körperliche Performance-Status. Die Evi-
                                                       zard-Ratio [HR] 0,36; 95%-Konfidenz-                     denz randomisierter kontrollierter Stu-
    Hintergrund. Patienten mit einer chemo-            intervall [CI] 0,21–0,60; p
Thromboembolische Ereignisse tra-            Anhaltspunkte für ein langfristig bes-
                                                                                            Korrespondenzadresse
ten weniger unter Semuloparin auf (1,2           seres Überleben mit Heparintherapie.
vs. 3,4%). Weiterhin wurden die Inzidenz         Ob dies durch Effekte auf das Tumor-       S. Heller
von tiefen Venenthrombosen (Odds Ra-             wachstum bedingt ist, ist unklar. In       Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie und
tio 0,32) und tödlichen wie nichttödli-          der vorliegenden Studie konnte eine        Radioonkologie,
                                                                                            Universitätsklinikum „Carl Gustav Carus“ an der
chen Lungenembolien (Odds Ratio 0,41)            Auswirkung auf das Überleben der
                                                                                            Technischen Universität Dresden
verringert. Ein Unterschied des Behand-          Patienten nach einem Jahr nicht be-        Fetscherstr. 74, 01307 Dresden
lungseffekts wurde für die verschiedenen         stätigt werden.                            Steven.Heller@uniklinikum-dresden.de
Subgruppen nicht gefunden, welche nach        F Es ist davon auszugehen, dass das all-
Tumorstadium, Tumorlokalisation und              gemeine Thromboserisiko bei ver-           PD Dr. M. Krause
geographischer Region stratifiziert wur-         schiedenen Tumorarten und -stadien         Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie und
den. Der Behandlungseffekt zeigte sich           unterschiedlich ist. In der vorliegen-     Radioonkologie,
                                                                                            Universitätsklinikum „Carl Gustav Carus“ an der
auch gleichbleibend über die Anzahl von          den Studie wurden nur fortgeschrit-        Technischen Universität Dresden
bestehenden Risikofaktoren für die Ent-          tene bzw. metastasierte Tumoren o. g.      Fetscherstr. 74, 01307 Dresden
stehung venöser Thromboembolien.                 Entitäten eingeschlossen. Eine weite-      Mechthild.Krause@uniklinikum-dresden.de
    Die Arbeit schloss insgesamt 3212 ran-       re Risikostratifizierung erfolgte nicht.
domisierte Patienten mit einem Mindest-          Solch eine Klassifizierung könnte je-      Interessenkonflikte. Es bestehen für beide Autoren
alter von 18 Jahren aus 47 Ländern ein.          doch bei unterschiedlicher Wirksam-        keine Interessenkonflikte mit dem Studiensponsor
Dies sind deutlich mehr Patienten als in         keit sicher zu einer Verbesserung der      Sanofi.

einer aus der Cochrane-Datenbank zu-             Effektivität des prophylaktischen Ein-
sammengefassten Analyse von 9 Studien            satzes niedermolekularer Heparine in       Literatur
(insgesamt 2857 Patienten; [3]), bei denen       der Onkologie führen.
                                                                                             1. Borsig LL (2009) Heparin as an inhibitor of cancer
neben dem antithrombotischen Effekt           F Bei den insgesamt sehr niedrigen Ra-           progression. Prog Mol Biol Transl Sci 93:335–349
auch eine antitumoröse Wirkung unter-            ten thrombotischer und thrombo-             2. Agnelli G, George DJ, Kakkar AK et al (2012) Se-
sucht wurde. In beiden Arbeiten fand sich        embolischer Komplikationen ist auch            muloparin for thromboprophylaxis in patients re-
                                                                                                ceiving chemotherapy for cancer. N Engl J Med
kein statistisch signifikanter Unterschied       eine Kosten-Nutzen-Analyse zu for-             366:601–609
im Gesamtüberleben (OS) nach 12 Mo-              dern.                                       3. Akl EA, Gunukula S, Barba M et al (2011) Parent-
naten. Jedoch ergab die Cochrane-Daten-                                                         eral anticoagulation in patients with cancer who
                                                                                                have no therapeutic or prophylactic indication
bank-Analyse nach 24 Monaten ein signi-       Eine genauere Abklärung dieser Fragen             for anticoagulation. Cochrane Database Syst Rev
fikant besseres OS.                           kann natürlich nur durch weitere Studien          CD006652
    Trotz der signifikanten Verringerung      erfolgen. Derzeit laufen mehrere solcher       4. Akl EA, Schünemann HJ (2012) Routine heparin for
                                                                                                patients with cancer? One answer, more questions.
des Risikos thrombotischer und throm-         Studien zu ähnlichen Fragestellungen, so          N Engl J Med 366:661–662
boembolischer Komplikationen bleiben          dass innerhalb der nächsten Jahre evtl. ei-
mehrere offene Fragen, die zum Teil auch      nige der genannten Fragen beantwortet
im zugehörigen Editorial gestellt werden      werden können.
[4]:
F Bisher liegen keine verlässlichen
    Daten zur Lebensqualität von mit He-      Fazit
    parin behandelten Patienten im Ver-
    gleich zu Kontrollkollektiven vor.        Der Einsatz von NMH (niedermoleku-
    ­Dies ist jedoch ein sehr wichtiger As-   larem Heparin) senkt thromboemboli-
     pekt der Therapie, insbesondere an-      sche Ereignisse signifikant. Dies wird mit
     gesichts der Tatsache, dass viele der    einer allerdings nicht statistisch signi-
     behandelten Patienten eine deutlich      fikanten Vermehrung schwerer Blutun-
     eingeschränkte Lebenserwartung ha-       gen erkauft. Eine Verbesserung des OS
     ben und bei den behandelten Patien-      nach 12 Monaten konnte nicht nachge-
     ten immerhin 0,8% mehr Blutungen         wiesen werden. Vor einer routinemäßi-
     (2 vs. 2,8%) auftraten, während das      gen Anwendung von NMH bei ambulan-
     Thrombose- und Embolierisiko um          ten Patienten während einer Chemothe-
     nur 2,2% (3,4 vs. 1,2%) gesenkt wur-     rapie muss zunächst noch geklärt wer-
     de.                                      den, welche Patienten am ehesten einen
F Auswirkungen der prophylaktischen          Vorteil von einer solchen Therapie haben
     Heparintherapie auf tumorbiologi-        könnten.
     sche Effekte wie Wachstum und Me-
     tastasierung wurden nicht untersucht.    Steven Heller und Mechthild Krause, Dresden
     Aus der Cochrane-Analyse bestehen

                                                                                              Strahlentherapie und Onkologie 6 · 2013            | 515
Literatur kommentiert

    Strahlenther Onkol 2013 · 189:516–518             E. Wenkel
    DOI 10.1007/s00066-013-0337-y                     Radiologisches Institut, Universitätsklinikum Erlangen
    Online publiziert: 2. Mai 2013
    © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

                                                      Bessere Mamma-MRT-Spezifität bei
                                                      nichtmalignen Brustläsionen durch
                                                      zusätzliche diffusionsgewichtete
                                                      Sequenz bei kaum verlängerter
                                                      Untersuchungsdauer

        Orginalbeitrag                                den an der University of Washington                      Ergebnisse. Die häufigsten histologi-
                                                      School of Medicine in Seattle 417 abklä-                 schen Befunde entsprachen Fibroade-
        Parsian S et al (2012) Nonmalignant breast    rungsbedürftige Läsionen von 341 Frauen                  nomen (n=30), Adenosen (n=21), foka-
        lesions: ADCs of benign and high-risk sub­
                                                      in der Mamma-MRT detektiert. Eine ma-                    len Fibrosen (n=19) und 28 Hochrisiko-
        types assessed as false-positive at dynamic
        enhanced MR imaging. Radiology 265:           ligne Histologie hatten 164 Läsionen, bei                läsionen (atypische duktale Hyperplasie
        696–706                                       78 benignen Läsionen lag aus diversen                    [ADH] n=23, lobuläre Neoplasie n=5).
                                                      Gründen keine DW-Sequenz vor. In die-                    Die Größe der Läsionen lag zwischen 2
                                                      se retrospektive Studie wurden somit 175                 und 91 mm (Median 11 mm). Der mittle-
    Hintergrund. Die kontrastmittelunter-             nichtmaligne Läsionen von 162 Frauen                     re Diffusionskoeffizient (ADC-Wert) al-
    stützte MRT gilt derzeit als das sensitivs-       eingeschlossen, die in der MRT nach dem                  ler nichtmalignen Läsionen ([1,77±0,45]
    te Verfahren in der Detektion von Mam-            „Breast Imaging Reporting and Data Sys-                  ×10−3 mm2/s) war signifikant niedri-
    makarzinomen bei Frauen mit erhöhtem              tem“ primär als suspekt oder hochsuspekt                 ger als der des normalen Drüsenge-
    Risiko und bezüglich der präoperativen            beurteilt worden waren [2]. Die Indika-                  webes ([2,13±0,38] ×10−3 mm2/s). Die
    Ausdehnung von Mammakarzinomen.                   tion zur MRT war bei den meisten Frau-                   28 Hochrisikoläsionen hatten einen si-
    Verschiedene Ursachen wie z. B. die man-          en entweder eine präoperative Tumor-                     gnifikant niedrigeren mittleren ADC-
    gelnde Erfahrung der Befunder, ungenü-            ausdehnung (n=83) oder die Früherken-                    Wert ([1,48±0,39] ×10−3 mm2/s) als die
    gende Untersuchungsprotokolle, KM-An-             nung bei Hochrisikofrauen (n=64). Die                    147 gutartigen Läsionen ([1,83±0,43]
    reicherungen durch hormonelle Einflüs-            Histologie wurde nach der MRT mittels                    ×10−3 mm2/s). Im Vergleich zu einer frü-
    se oder Bewegungsartefakte können zu              Stanzbiopsie (n=129 im MRT, n=43 so-                     heren Studie der Autoren ergab sich ein
    falsch-positiven Ergebnissen führen. Die          nographisch) oder durch Exzisionsbiop-                   abnehmender Trend der ADC-Werte von
    Spezifität war und ist daher immer noch           sie (n=3) gewonnen. Das Alter der Frau-                  den benignen, zu den Hochrisiko- und
    ein wesentlicher Kritikpunkt der Mam-             en lag zwischen 27–77 Jahren (Median                     malignen Läsionen (mittlerer ADC-Wert
    ma-MRT. Neuere Studien bei Frauen mit             48 Jahre). Die MRTs wurden an einem                      [1,3±0,27] ×10−3 mm2/s; [3]). In der Vor-
    erhöhtem Mammakarzinomrisiko erga-                1,5-T-Scanner (LX, GE Healthcare, Wau-                   läuferstudie war ein ADC-Schwellenwert
    ben Sensitivitäten von 77–100% im Ver-            kesha, USA) mit einer dedizierten 8-Ka-                  für benigne und maligne Läsionen von
    gleich zur Mammographie mit 16–40%                nal-Brustspule in axialer Schichtführung                 1,81×10−3 mm2/s festgelegt worden, um
    und Spezifitäten von 81–99% im Vergleich          durchgeführt. Die applizierten Sequenzen                 eine Sensitivität von 100% zu erreichen.
    zur Mammographie mit 93–99% [1]. Die              umfassten eine T2-gewichtete, eine T1-ge-                In der aktuellen Studie lagen 81 Läsio-
    Entwicklung neuer Sequenzen, wie der              wichtete, nichtfettsupprimierte und eine                 nen (46%) über dem Schwellenwert (die
    diffusionsgewichteten (DW) Sequenzen,             T1-gewichtete, fettsupprimierte dynami-                  häufigsten Histologien: 19 Fibroadenome,
    soll dazu beitragen, die Spezifität zu erhö-      sche Sequenz sowie eine DW-Echo-Pla-                     11 Adenosen, 10 fokale Fibrosen). Die häu-
    hen und somit unnötige Interventionen             nar-Sequenz (Schichtdicke 5 mm, b-Wer-                   figsten Läsionen unterhalb des Schwel-
    zu vermeiden.                                     te von 0 und 600 s/mm2, Sequenzdauer                     lenwerts waren ADH (n=18), Fibroade-
                                                      2 min und 40 s).                                         nome (n=11) und Adenosen (n=10). Von
    Patientinnen und Methoden. Zwischen                                                                        28 Hochrisikoläsionen lagen 22 unterhalb
    Oktober 2005 und Dezember 2008 wur-                                                                        des Schwellenwerts (p
Schlussfolgerung der Autoren. Es be-        Literatur
steht durchaus ein erheblicher Überlap-
pungsbereich der ADC-Werte von beni-        1. Saslow D et al (2007) American Cancer Society
                                               ­guidelines for breast screening with MRI as an ad-
gnen und malignen Läsionen. Jedoch la-          junct to mammography. CA Cancer J Clin 57:75–89
gen die ADC-Werte bei 81/175 Läsionen       2. Parsian S et al (2012) Nonmalignant breast lesions:
über dem als benigne definierten Schwel-        ADCs of benign and high-risk subtypes assessed as
                                                false-positive at dynamic enhanced MR imaging.
lenwert. Die histologische Abklärung die-       Radiology 265:696–706
ser Läsionen hätte theoretisch vermie-      3. Partridge SC et al (2009) Quantitative diffusion-
den werden können. Die Auswertung               weighted imaging as an adjunct to conventional
                                                breast MRI for improved positive predictive value.
der DW-Sequenzen zusammen mit den               AJR Am J Roentgenol 19:1716–1722
Standardsequenzen hat das Potential, die    4. Wenkel E et al (2007) Diffussion weighted imaging
falsch-positiven Befunde der Mamma-             in breast MRI: comparison of two different pulse
                                                sequences. Acad Radiol 14:1077–1083
MRT zu senken, Biopsien zu vermeiden        5. Woodhams R et al (2011) Diffusion-weighted ima-
und notwendige Biopsien dann geziel-            ging of the breast: principles and clinical applica­
ter durchzuführen. Eventuell könnte so-         tions. Radiographics 31:1059–1084
gar eine bessere Abgrenzung der Hochri-
sikoläsionen zu den anderen nichtmalig-
nen Läsionen möglich werden.

Kommentar
1.	In verschiedenen Studien wurde be-
    legt, dass mit DW-Sequenzen die Spe-
    zifität der Mamma-MRT erhöht wer-
    den kann [4, 5].
2.	Die DW-Sequenz sollte nie allein,
    sondern immer zusammen mit der
    KM-MRT ausgewertet werden.
3.	Die DW-Sequenz ist zwar eine ein-
    fach anzuwendende Sequenz, doch
    sollte dem Untersucher bewusst sein,
    dass auch die Auswertung dieser Se-
    quenz eine Lernkurve erfordert.

Fazit

Der zusätzliche Einsatz einer DW-Se-
quenz verlängert die Untersuchungs-
dauer nur in geringem Maße, führt aber
zu einer höheren Spezifität der Mam-
ma-MRT.

Evelyn Wenkel, Erlangen

Korrespondenzadresse
PD Dr. E. Wenkel
Radiologisches Institut,
Universitätsklinikum Erlangen
Maximiliansplatz 1, 91054 Erlangen
evelyn.wenkel@uk-erlangen.de

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